Eine Reise ins Herz Midgards


  • Die Reise von Mogontiacum aus war eine sehr ruhige. Die Männer hatten sich, auf diesem noch einigermaßen sicheren Streckenabschnitt, über einiges unterhalten, und Phelan hatte sie mit seinen zotigen Witzen (:D) bei Laune gehalten... sie waren mittlerweile mitten im Gebiet der Mattiaker, und Lando überlegte, ob er einen kleinen Abstecher zu Rodewinis Gaue machen sollte, einfach nur weil er Elfleda wiedersehen wollte. Nicht, dass es verboten war, sie wiederzusehen, normalerweise ergab sich nur keine Möglichkeit, da die Gaue der verschiedenen Sippen oft mehrere Stunden und manchmal Tagesreisen voneinander entfernt lagen.


    Er entschied sich dagegen. Sie hatten noch Proviant genug dabei, und keinerlei Not tat sich kund um einen solchen Besuch irgendwie vertreten zu lassen. So lenkte Lando, in seiner Funktion als Führer der Gruppe, die Gesandschaft der Duccii durch nebelige Täler und windumrissene Hügelspitzen kleine Pfade entlang, bis an die Grenze des Stammesgebiets der Mattiaker.
    Natürlich war diese Grenze keine festumrissene, eher eine sich langsam auflösende Reisesicherheit. Ein Gebiet, in dem jeder Pfad unbefestigter, und jeder Schritt für die Pferde gefährlicher wurde.


    "Willkommen im Herzen Midgards, Silko. Bald erreichen wir den Stamm der Chatten. Und wenn wir diesen verlassen haben, gelangen wir irgendwann zu diesem Lager der Menschenhändler. Wenn es noch da ist, wo man mir beschrieben hat es zu finden."

  • Sie hatten Silko wirklich geschminkt. Er selbst hatte sich das ergebnis nicht angeschaut, aber er hoffte die Götter würden sehen, was mit ihm hier geschah und es entsprechend honorieren. Doch ganz gelang es ihm nicht seinen Unmut zu verbergen, aber er war ja auch nicht zur Belustigung der Truppe da.


    Im Herzen Midgards! Das er nicht lachte! Wenn dieses barbarische Land das Herz der Welt war, dann wollte er den Rest lieber nicht sehen. Allzu lebensfähig konnte die dann nämlich nicht sein. Sein Pferd stapfte unwillig durch den matschigen Schnee, welcher diese Karrikatur eines Pfades bedeckte, dem sie folgten. Er war schon einmal in Germania Magna gewesen, aber damals war es Sommer und damit sogar halbwegs erträglich gewesen.

    "Was genau wollen wir bei den Menschenhändlern? Haben wir vor den Chatten etwas zu befürchten?"


    Bisher waren sie auf ihrer reise kaum einem Menschen begegnet. Außer ihnen schien keiner so dumm zu sein, sich bei diesem Wetter freiwillig nach draußen zu begeben.

  • Witjon war aufgeregt. Vor wenigen Stunden hatte er zum ersten Mal den Limes - die mehr oder weniger befestigte Grenze des Imperium Romanum - nach Germania Libera überquert. Zu beginn konnten sie festen Pfaden folgen, die wohl ab Frühjahrsbeginn wieder stärker als Handelswege genutzt würden, doch je weiter sie nach Osten vordrangen, desto mehr bestätigte sich Witjons Eindruck, den er aus Albins und Lokis Erzählungen - aber auch aus denen seines Vaters Evax und seiner Mutter Ildrun - über das freie Germanien gewonnen hatte.


    Und Witjon liebte es. Als sie langsam die Gebiete der Mattiaker verließen, war er still geworden, genoss die Natur um sich herum, die nicht vom Anblick der gewaltigen Aquädukte oder der Heerstraßen der Römer durchzogen waren. Doch so schön die Natur auch war, so sehr wuchs auch Witjons Vorsicht. Das hier war immerhin kein Picknicksauflug. Von Zeit zu Zeit kontrollierte ein Griff, ob das alte Sax noch an Witjons Seite hing. Ein Glück, dass er nicht allein unterwegs war, so hatte er die Gewissheit, dass nicht nur sein Paar Augen die Umgebung im Blick hatten.


    Als Loki den gebleichten Silko dann darauf hinwies, dass sie bald das Lager der Menschenhändler erreichen würden, horchte Witjon auf. Sein Blick wurde ernst und er fixierte irgendetwas vor ihm auf dem Pfad.
    "Wir werden uns nach zwei verschwundenen Frauen erkundigen," antwortete Witjon tonlos.
    "Eine davon kennst du. Erinnerst du dich an Prudentia Aquilia? Die junge Frau vom Stadttor und...ja bei den Saturnalien hast du sie auch gesehen."

  • "Aye.", murrte Lando, dem just ein Tropfen kaltes Tauwasser in den Nacken gefallen war, und der aus Reflex den Kragen aus Bärenfell und dicker Wolle enger um seinen Hals schloss, "Und nach einer Frau namens Siv. Ein Versprechen einlösen..."


    Ein nicht unbedingt ungefährliches, aber Versprechen war Versprechen, und Lando wollte da keine Kompromisse machen. Auch wenn er ein scheiss Gefühl in der Magengegend hatte, er konnte nicht dagegen an, er war so erzogen worden, und es gab nichts schlimmeres als ein gebrochenes Versprechen.


    "Es wird bald dunkel... haltet Ausschau nach einigermaßen trockenen Flecken, und lasst die Finger von allen Höhlen. Ich hab keine Lust mich heute schon mit einem grantigen Bären anzulegen, den wir aus seinem Winterschlaf reißen, nur weil wir zu faul sind uns ein anderes Lager zu suchen..."

  • Silkos Gesicht zeigte nun das erste mal so etwas wie betroffenheit. Er hatte die junge Frau sehr postiv im Gedächtnis behalten und er war sich sicher, dass Witjon etwas für sie empfunden hatte. Beinahe hätte er gesagt, dass sie sie bestimmt wiederfimden würden, aber er glaubte nicht wirklich daran.


    "Ja, ich erinner mich an sie. Sie ist eine sehr nette junge Dame. Ich werde meine Augen offenhalten und wenn sie oder diese andere Frau unter ihnen weilt, werden wir sie schon da rausholen."


    Als Sklave hatte er natürlich wenig für die Menschenhändler übrig, egal wie sie hießen, oder woher sie kamen. Außerdem hatte er allgemein keine hohe Meinung von diesem Beruf, denn ohne ihn würde es den menschen besser gehen. Er stellte nichts her, sondern nahm nur und das von beiden Seiten. Hoffentlich waren sie noch da.


    "Schaut am Besten nach Nadelbäumen mit niedrigen Ästen. Dort gibt es oft Wind-und Wettergeschützte Kuhlen wo man gut nächtigen kann, ohne allzu nass zu werden."


    Er hasste diesen nassen und kalten Wald. Daheim musste man sich über solche Sachen keine Gedanken machen. Da gab es eher zuwenig Wasser und man brauchte sich nur von Raubtieren in acht zu nehmen und nicht auch noch vor dem Wetter.

  • Als er tatsächlich hinter sich von der typisch dunklen Stimme Silkos Ratschläge zur Lagerwahl vernahm, stockte Lando einen Moment, wandte sich dann im Sattel um, und warf seinem Leibwächter einen sehr kritischen Blick zu: "Danke, Silko. Dann wissen wir ja endlich, wie wir in Germanien überleben. Bei den Göttern, ich wüsste nicht was wir ohne dich wären!!!"


    Als er sich wieder umwandte murmelte er noch etwas von "...muss ich mir jetzt von einem Wüstentroll erklären lassen, wie ich in der Natur Midgards überlebe..."

  • Für Witjon war Aquilia mittlerweile eine nette junge Dame. Er hatte keine große Hoffnung mehr, sie wiederzufinden. Außerdem wusste er nicht, was er dann tun sollte. Immerhin war er mittlerweile einer anderen Frau versprochen und konnte es sich kaum leisten, für Aquilia irgendwelche Gefühle zu entwickeln. Ein Glück, dass Silko ihn aus seinen düsteren Gedanken riss, als er versuchte einer Gruppe Germanen Ratschläge zu geben, die von Loki geführt wurde, der die Gefahren Germania Liberas lange genug überlebt hatte. Erst schaute Witjon den Nubier nur ungläubig an, dann viel er vor lachen fast vom Pferd, als er den Kommentar seines Vetters hörte. Na das konnte ja was werden. Ein vorlauter Nubier inmitten eines durchgeknallten Sauhaufens auf dem Weg ins Verderben...

  • Silko schaubte unwillig wie ein Stier, dem man an den Klöten gezogen hatte. Das ihm sowas von einem Barbaren gesagt wurde, der aussah wie ein aufrechtgehendes Wildschwein, rüttelte schon stark an seiner Selbstbeherrschung. Aber da war ja noch die Sache mit seinem Ma'at und sich auf seine Herrn zu stürzen, oder das Ganze nicht einfach kommentarlos zu ertragen, wäre sicher nicht förderlich bei der postmortalen Beurteilung seines Lebens. Also ließ es Silko bei dem Schnauben, einem Anschwellen seiner Halsschlagader und seinen Gedanken. Doch da er nicht das erste Mal in Germania Magna war, und vom Alter her ihr Vater sein könnte, fühlte er sich auch weiterhin berechtigt sein Wissen ihrer Gruppe mitzuteilen. Aber ob er darauf noch Lust hatte, würde sich zeigen...


    Im Moment sicher nicht, und so setzte er seine steinerne Miene auf und starrte in den Wald, als würde er nach einer Bedrohung suchen. Aber bis auf diesen ekelhaften Regen und er Kälte war nichts auszumachen-leider!

  • Einige Zeit waren sie nun still weitergeritten, während der Himmel immer grauer wurde - wenn das denn bei dem nieseligen Wetter noch möglich war - , da fiel Witjon eine kleine Lichtung am Wegrand auf. Dort war etwas Moos und eine Menge Laub von den umstehenden Bäumen zu sehen, das recht trocken geblieben zu sein schien. Witjon trieb Skaga kurz ein Stück weiter vorwärts, kam mit Loki auf eine Höhe und stupste diesen an. Mit fragendem Blick deutete er auf den potentiellen Lagerplatz. Der Tag würde wohl bald der Nacht weichen und Witjon wollte nicht wirklich im Dunkeln nach einem geeigneten Platz suchen.

  • Lando, in düsteren Gedanken versunken, schreckte ein wenig hoch als Witjon ihn anstupste, und lenkte dann den Blick zur Stelle, die sein junger Vetter ihm zeigte. Er nickte stumm, und ließ sich dann locker von seinem Pferd gleiten, um die Schritte zu dieser Stelle zu Fuß zu gehen, damit er merkte wie der Boden beschaffen war. Die Pferde in ein zugewachsenes Sumpfloch in einer Senke zu lenken war nicht unbedingt etwas, was er am ersten Tag, oder überhaupt, tun wollte.


    Die Pferde an einen Baum gebunden, begann das Bereiten der Lagerstatt, und wenig später hatte Lando mit den anderen zwischen zwei Bäumen ein improvisiertes und einigermaßen stabiles Dach aus Astwerk und Tannenzweigen errichtet, unter dem die Männer sich diese Nacht legen konnten. Dabei war es wichtig, und kein Stück verfänglich, dass man so nah wie möglich beieinander lag, damit so wenig Wärme wie möglich verloren ging, trockenes Feuerholz zu finden war mehr als unwahrscheinlich, und wenn, würde es kaum genug sein um eine ganze Nacht lang warm zu halten. Das Wetter war einfach nur feucht und kalt.
    Bei den Pferden verließen sie sich auf den Instinkt der Tiere, die Satteldecken wurden über die Rücken der Tiere ausgebreitet, diese vorher noch mit trockenem Laub abgeriebenund keine drei Schritte von der Lagerstatt der Männer angebunden. Sie würden sich von der Restwärme des kleinen Feuers nähen können, dass man trotz aller Vorsicht angefacht hatte. Wilde Tiere würden sie so oder so finden, und menschliche Artgenossen würde man früher oder später sowieso treffen.


    Wachen wurden eingeteilt, und bevor Müdigkeit die Männer befiel, versammelte man sich noch um das Feuer, wärmte das wenige Bier, das man bei sich hatte, und aß eine kleinere warme Mahlzeit, um soviel innere Wärme wie möglich in die kalte Nacht mitzunehmen.


    "Fast so wie früher...", murrte Lando, dessen Stimmung rechts des Rhenus sich immer um den Gefrierpunkt bewegte, "Als ich noch zum Stamm der Heruten gehörte... wir hatten auf der Amisia oft Ärger. Es war ein kleiner Fluss, nicht so groß wie im Stammesgebiet Wolfriks, aber immernoch breit genug um Boote zu tragen... wir saßen oft im Wald, und warteten darauf, dass aufmüpfige Friesen den Fluss runtergerudert kamen, wenn man uns gewarnt hatte. Nächte im Eis. Nächte im Regen. Irgendwann gewöhnt man sich dran, und fühlt wie einem Schwimmhäute zwischen den Fingern wachsen..."

  • Silko würde die mittlere Wache übernehmen, denn die war die Unangenehmste, aber soweit waren sie noch nicht. Zuerst wurde ein Rastplatz ausgesucht und hergerichtet, wobei sich Silko zurückhielt, wollte er doch die Germanen nicht in ihrem waldigen und feuchten Element behindern. Bevor er sich in den schlechten Schlaf flüchten durfte galt es noch sich über barbarische Verhandlungsmethoden zu unterhalten.


    "Ich werde mich nie an diesen ständigen Regen gewöhnen. Bei euch regnet es immer und selbst im Sommer wird es nicht richtig warm. Wenn das Wasser schon von oben kommt, nützen auch Schwimmhäute nichts mehr."

  • Lando, der wenige Schritte um das Feuer herumging, und nach Steinen im Moos- und Laubgrund suchte, um diese neben das Feuer zu legen, damit diese genug Wärme für die zu erwartende eiskalte Nacht speicherten, sah den Nubier mit schiefem Grinsen an: "Ich habe mir sagen lassen, dass je weiter man gen Süden reist, die Leute umso dankbarer für den Regen sind, der die Welt in Fruchtbarkeit erblühen lässt. Du hast das anscheinend sehr erfolgreich hinter dir gelassen, mein Sandkornzählender Freund..."


    Es wurde immer dunkler, und Lando schnitzte sich einen Stock zurecht, um ein Stück Pökelfleisch über das Feuer zu halten, um sich wenigstens mit etwas Brot und einem Schluck Bier eine einigermaßen warme Mahlzeit zu kredenzen.


    "Das erste was wir morgen früh machen, ist auf die Jagd zu gehen. Ich will das haltbare Zeug nicht früher als nötig aufbrauchen. Sobald wir das Land der Chatten verlassen, können wir uns nicht darauf verlassen Gehöfte zu finden, an denen wir handeln können..", murrte er, als er das erste Stück salziges Fleisch zerkaute.

  • "Nun, der Nil gibt uns genug Wasser und zwar so, dass wir zwei bis dreimal im Jahr ernten können, ohne dass wir dabei fürchten müssen zu ertrinken, wenn wir in den Himmel schauen. Aber man gibt sich vielleicht schneller mit Gegebenheiten zufrieden wenn man in einem Land lebt, dessen Regierungsgebäude nicht einmal halb so groß sind, wie die Grabmäler eines Adeligen bei uns."


    Offenbar hatten die Germanen einen falschen Eindruck von Nubien. Es war ein reiches Land. Seine Vorfahren hatten auch den wiedrigen und besonders heißen Gegenden etwas abgetrotzt und eine Kultur errichtet, gegen die die germanische lächerlich wirkte. Einfache Holzhütten im Wald, mehr hatten sie nicht aus ihrem Land gemacht obwohl die Erde hier schwarz und fruchtbar war, wie er es vorher nur selten gesehen hatte. Sandkornzählender Freund...nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Silko und seine Vorfahren hatten angepackt und eine Hochkultur aufgebaut oder zu deren Erhalt beigetragen, währen die meisten Germanen noch im Wald hockten oder an Flüssen im Regen und Schnee auf andere Germanen warteten.


    "Ich hoffe ich kann beim Jagen nützlicher sein, als beim Suchen eines Rastplatzes."


    Auch Silko nahm einen zurechtgeschnitzten Stock und wärmte sein Essen ein wenig. Nachdem er dann gegessen hatte holte er die Statuette der Bastet aus seiner Tasche und begab sich einige Meter von der Gruppe weg um zu beten. Gegen diese Germanenhexe würde er sicher ihren Beistand brauchen.

  • "Vielleicht.", murrte Lando, dem das Gerede seines Sklaven voll abging, "Regierungsgebäude, interessant. Ich habe nie verstanden, warum die Menschen aus dem Süden so große Angst vor Mutter Natur haben, dass sie sich durch steinerne Wände von ihr abschirmen, sie schlagen und knechten so es ihnen möglich ist, und sich selbst zu Göttern erheben. Nur weil sie Stein auf Stein haben schichten lassen?"


    Er brach den Stock, mit dem er gerade noch ein Stück Fleisch erwärmt hatte, und warf diesen auf die knisternden Flammen, die sich langsam, aber erfolgreich durch das feuchte Holz fraßen. Er blickte müde in das Schauspiel des lodernden Feuers, während Leif sich dick eingepackt wenige Schritte von der Lagerstatt entfernt mit einem heißen Stein darauf vorbereitete, die erste Wache zu halten.


    "Das was die Menschen im Süden ausmacht, ist ihr Drang nach Ordnung und Selbsterhebung. Mutter Frigg wird sich für das rächen, was ihr angetan worden ist, so wie sie es immer tat. Noch sind die Römer im Vorteil, mit ihren eisernen Kriegern und ihrer Disziplin. Aber wie lange noch? Eila hat es mir erzählt, jedes Reich fand seinen Meister, weil es sich gegen die Dinge stemmte, aus denen diese Welt gemacht ist. Ich denke, sobald sich jemand mit den Gesetzen Midgards gut stellt, und zusammen mit der Natur herrscht, wird er dies ewig tun. Und solange dies nicht der Fall ist, werden die Menschen vergehen... hört euch das an, ich klinge schon wie Albin. Meine Fresse, ich werde alt.. aber wie dem auch sei. Sollte ich die Wahl haben, zwischen einem riesigen Regierungsgebäude, einem Leben in Marmor und Gold, oder dem, eines kleinen Bauern an einem Fluss, im Einklang mit Friggs Willen, so würde ich mich immer wieder für den Bauern entscheiden, denn die Anmaßung der Menschen aus dem Süden, die will ich mir nicht zu eigen machen.", grimmig blickte Lando in das Feuer, seine Laune sank rapide, desto mehr er darüber nachdachte, wie weit er sich schon von seinem Ideal entfernt hatte, und wie sehr er sich schon dem Willen der Nornen, seiner Familie zu dienen, unterworfen hatte, "Aber diese Wahl... die war mir nicht vergönnt."

  • Witjon pflanzte sich still in die Runde, wickelte sich in seinen Umhang und wärmte sich am Feuer. Seine Hände und Füße wurden bei solchem Wetter schnell eiskalt, doch die Wärme der Flammen und des Bieres taten ihren Beitrag zur Besserung dieser Lage. Dazu noch etwas zu kauen und Witjon fühlte sich wieder einigermaßen gut. So saß er einfach mit im Kreis und verfolgte das Gespräch, das sich zwischen Lando und Silko auftat. Die Ausführungen des Nubiers über sein Land bekam Witjon im Gegensatz zu Loki mit und musste feststellen, dass dieser ein merkwürdiges Verständnis von Germanien hatte. Mit gerunzelter Stirn beobachtete er Silkos Mimik, die jedoch im Schein des Feuers verzerrt war und aus der Witjon nichts schließen konnte. Dann sprach sein Vetter über die Menschen im Süden und Witjon nickte unmerklich. Er war zwar im Imperium aufgewachsen, doch hatte er bis zu seinem Eintreffen in Mogontiacum auch nur in einem germanischen Bauerndorf auf römischem Boden gelebt. Er war dort von seinen Eltern sowohl in den alten Bräuchen erzogen worden, als auch in der römischen Schule unterrichtet worden, was ihn oft genug dazu veranlasste zwischen den Kulturen hin- und hergerissen zu sein. So sinnierte er über sein Leben, über seine Zukunft, was die Nornen noch alles mit ihm vorhätten und warum bei Hel er nun hier in dieser feuchten, nasskalten Hühnersch***e saß. Er würde sich hier den Tod holen, entweder durch Krankheit oder durch das Schwert, aber das war ja nicht weiter von Belang. Er war hier, weil die Godin - DIE Godin, die er zu Landos Bestürzung nicht kannte, die er kennen sollte und vor der er (Ehr-)Furcht haben sollte - die Duccii herzitiert hatte.


    Wieder wärmte Bier ihn von innen, während Witjon gedankenverloren in die Flammen starrte. Sein Blick wurde leicht glasig und er spürte wie die Müdigkeit von seinem Körper Besitz ergriff. Ein müdes Lächeln umspielte seinen Mund, als Lando über sein Alter nörgelte. Was er allerdings im Rahmen seines Nörgelns sagte, ließ Witjon wieder nachdenken. Könnte er sich ein Leben ohne den römischen Komfort vorstellen, an den er sich mittlerweile so sehr gewöhnt hatte?
    Das Balneum, steinerne Häuser, steinerne Straßen, eine Wasserversorgung ohne Beispiel, vielfältigere Medizin, vielfältigere Bildung, Reichtum, Wohlstand, relative Sicherheit...er wusste es nicht. Fester umklammerte Witjon sein Bier und unterdrückte ein Gähnen. Er rückte ein Stück näher ans Feuer heran und warf einen Blick rüber zu Leif, der sich auf die erste Wache vorbereitete.


    Ein Blick zu Phelan zeigte ihm, dass dieser bereits leicht vor sich hin döste. Müde lehnte Witjon sich an ihn an und kaute auf seinem Stück Brot herum, das er wie sein Fleisch ein wenig im Feuer geröstet hatte. Dann entschloss er sich doch noch etwas zum Thema beizutragen:
    "Hätte ich die Wahl, ich wüsste wohl nicht wie ich mich entschiede. Aber du sagst es ja selbst, weder du hast eine Wahl, noch ich. Wir haben immerhin eine Pflicht der Sippe gegenüber, damit müssen wir wohl leben und uns daran gewöhnen."
    Er sagte das mit einer gewissen Resignation, oder war es doch nur Müdigkeit? Auf jeden Fall trug es nicht sonderlich zur Verbesserung der Stimmung bei.

  • Silko lächelte nur milde über die Unwissenheit seines Herren. Er war ganz sicher nie in Meroe gewesen und wusste nicht wovon Silko sprach. Er war eben ein Germane, wenn auch ein reicher mit einem römischen Namen, und konnte sich gar nicht vorstellen, wovon Silko da redete. Angst vor der Natur! Hier gab es ja kaum gefährliche Tiere, im Gegensatz zu den Löwen, Leoparden, Krokodilen und Nilpferden in seiner Heimat. Hier gab es nur Bären die wirklich gefählich waren und eben diesen dauernden Regen oder Schnee. Sein Volk aber hatte Bauten für die Ewigkeit errichtet, wärend die Germanen in Holzhütten hausten, die Silko früher selbst für Schweine als unwürdig erachtet hätte.


    "Wir haben keine Angst vor der Natur. Aber unsere Natur ist weitaus gefährlicher als die hier. Wenn du einmal ein Rudel Löwen gesehen hast, dann weißt du was ich meine und es gibt noch deutlich mehr gefährliche Tiere als hier bei euch. Ein männlicher Löwe ist fast so groß wie ein Bär aber die sind nicht die Gefährlichen, sondern das Dutzend Weibchen, welche ihre Opfer zusammen jagen und erlegen. Sie sind die Tiere Sachmets und nichts ist gefährlicher an Land als sie. Trotzdem gibt es noch etwa Leoparden, die es schaffen eine Antilope die etwas so groß ist wie eure Hirsche, auf einen Baum zu ziehen und sie dort zu fressen. Im Wasser aber lauern Krokodile, die Tiere Sobeks und warten darauf jeden zu fressen, der sich beim Trinken von ihnen fangen lässt. Es sind riesige Echsen, zwei bis drei perticae lang, mit hunderten von messerscharfen Zähnen. Aber noch gefährlicher sind die Nilpferde: Riesige Biester mit großen Mäulern und Zähnen wie Schwertern. Die vermögen es einen Mann mit einem Biss zu zerteilen und sofort zu töten. Wir haben einmal eines an Land erlegt, das wog über 170 Talente und hatte Zähne wie mein Arm! Und etwas weiter im Süden gibt es noch Elefanten, die nochmal deutlich größer und schwerer sind und Zähne haben, die so lang sind wie ich. Also verzeih mir Herr, dass ich von eurer Natur nicht besonders viel Angst habe und verstehen kann, dass man hier in einer kleinen Hütte ein gutes, weil relativ gefahrloses Leben, leben kann."

  • "Ich habe keinen Zweifel", erwiderte Lando, dessen Sklave wieder bewies, das Alter vor Torheit nicht schützt, "dass ich den den Landen deiner Väter absolut aufgeschmissen wäre. Aber dein Reden offenbart, dass ich zumindest, was die Selbstüberschätzung der Südländer betraf, richtig lag. Zum Glück qualifizierst du dich zumindest als Leibwächter, denn bei deiner Fähigkeit als Lehrer sehe ich schwarz..."
    Ein deutlicher Schlag unter die Gürtellinie, den Silko sich in dieser Situation sicherlich verdient hatte. Lando hielt viel von Bescheidenheit und besonnenem Denken, doch entbehrte Silko diesem anscheinend in vielerlei Belang. Lando überlegte noch, ob er dem dunklen Hünen noch einen Spruch über dessen Qualitäten als Leibwächter hinsichtlich gewisser Buchattacken zu drücken, entschied sich dann aber dagegen. Er wollte hier keinen Streit entfachen, und ließ Silko daher in seinem Glauben, einfach, weil dessen Meinung nicht den geringsten Stellenwert hatte.


    "Schon witzig...", führte Lando das Gespräch mit Witjon fort, "...da ist es abzusehen, dass wir beide bald nichtmehr alleine schlafen werden, und dann stürmen wie den Kopf vorran am Ende des Winters in die Gegend, in der unser Leben keine blonde Locke mehr wert ist. Ich frage mich, ob das zum besonderen Humor der Seherin gehört."

  • "Offenbar" meinte er lapidar und wenig beeindruckt.


    Er hatte seinem Herrn nicht beibringen können kein Land oder Volk zu beurteilen, dass er nicht kannte. Aber vielleicht fehlte diesem dazu einfach noch die Reife und offenbar auch das Interesse. Es war ja häufig so, dass Faulheit mit dem Deckmantel der Frömmigkeit getarnt wurde. Hier war es eben die Faulheit sich mit fremden Kulturen auseinander zu setzen, denn ansosten war sein herr ein durchaus geschäftstüchtiger Mann. Seine Schwester und auch Witjon waren da ganz anders, was den Wissensdurst betraf. Der Duumvir hatte ihn gleich zu Beginn nach den nubischen Hochzeitsriten gefragt... Aber wie dem auch sei, Lando war der Herr und so gab es in diese Richtung nichts mehr weiter zu besprechen. Und Silko hatte auch keine Lust auf eine weitere Unterhaltung, und so legte er sich hin, dachte an Amneris und lauschte dabei weiter den Worten der drei Germanen.

  • Die Diskussion über Südländer, Germanen und Silko ließ Witjon schmunzeln, doch ließ er sich nicht zu einem Kommentar hinreißen. Er trank weiterhin sein Bier und versuchte sich warm zu halten.
    "Ja, seeehr witzig. Wahrscheinlich kommen wir vernarbt und hässlich verkrüppelt zurück und werden von unseren Verlobten schon vor der Hochzeit verstoßen," witzelte Witjon mit einer Spur Verbitterung in der Stimme. "Aber so wie du diese Godin beschrieben hast, scheint sie sich ja etwas dabei gedacht zu haben, uns hierher zu zitieren."

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