Der Statthalter

  • Publius Veturius Cicurinus schien es, als wäre er schon ewig unterwegs nach Antiochia, so zäh gestaltete sich bisher seine Reise. Er verbrachte die Tage im Sattel seines Pferdes und die Abende mit dem Studieren von Berichten der Späher und Unterredungen mit seinen Offizieren. Auch wenn die Reise schier unerträglich lang zu sein schien, so fürchtete Veturius insgeheim den Tag, an dem er in Antiochia eintreffen würde.


    Wieder einmal war er eines Abends in mehrere ausgebreitete Karten versunken, als einer seiner Sklaven an ihn herantrat, offensichtlich wollte er eine Botschaft überbringen.
    "Was gibt es?", fragte Veturius unwirsch, bevor der Sklave etwas sagen konnte.
    "Dominus, die Flotte des Kaisers wurde gesichtet."
    Kopfnickend nahm der Statthalter die Botschaft zur Kenntnis. Nun war es also soweit.
    "Morgen erreichen wir die Stadt, schicke einen Boten voraus.", wies er schließlich an und deutete dem Sklaven, daß er ihn nun alleine lassen sollte.


    Am nächsten Tag passierte der Statthalter um die sechste Stunde die Stadttore Antiochias.

  • Der Kaiser bleibt bis zum Abend im Hafen, beobachtet das Entladen der Schiffe, spricht hier und da einige Worte mit Offizieren und den wichtigen Bürgern der Stadt, die in den Hafen gekommen sind. Dann zieht er sich für die Nacht in das Lager der Legion zurück und verlässt es am nächsten Morgen gemeinsam mit der Truppe in Richtung Antiochia. Mit seiner Garde und einem Teil seines Hofstabes reitet er ein Stück voraus und in die Stadt hinein, die er damit vor dem Statthalter erreicht. Ein gut ausgebauter Palast steht für das Treffen zur Verfügung.


    "Legatus Veturius, unser Treffen könnte unter einem besseren Stern stehen. Danken wir den Göttern, dass wir uns überhaupt gegenüber stehen."


    Ob sich dieser Dank hauptsächlich auf die geglückte Überfahrt oder das Schicksal des Statthalters und der Provinz bezieht, bleibt offen.


    "Ich habe schon im Hafen erste Meldungen erhalten und weitere auf dem Weg hierher. Du kennst unsere Pläne und den Sammelpunkt in Zeugma. Was konnte von dir bisher vorbereitet und herausgefunden werden?"

  • Die Begrüßung fiel aus Sicht des Statthalters so knapp und trocken aus, wie er es erwartet hatte. Fast jedes andere Zusammentreffen mit dem Kaiser hätte bessere Vorzeichen haben können, erst Recht auf dem Boden der ihm anvertrauten Provinz. Veturius verneigte sich tief vor seinem Befehlhaber und ließ einige Begrüßungsformeln folgen, bevor er zu einer gewissenhaften Antwort ansetzte.


    "Mein Kaiser, für den Aufmarsch der Truppen konnten gute Bedingungen geschaffen werden. Die Lager von Antiochia sind gut gefüllt und warten darauf, die Truppe zu versorgen. Weitere Nahrungsmittel wurden in Zeugma eingelagert und sind auch zur Stunde noch auf dem Weg dorthin. Gegnerische Truppen wurden nicht beim Marsch auf den Sammelpunkt gesichtet, so daß mit einer gefahrlosen Sammlung der Truppen gerechnet werden kann."
    Bevor der Kaiser fragt, ließ er von einem Sklaven eine Karte herbeibringen und vor dem Kaiser ausbreiten, um die letzten Meldungen über die Standorte der Parther und die eigenen Nachschublinien zu erläutern.

  • Dass das Gespräch von Anfang an auf einer sehr nüchternen und sachlichen Basis geführt wird, ist dem Kaiser sehr Recht. Er und seine Begleiter scharen sich um die ausgelegte Karte und stellen viele Fragen. Über den Aufmarsch und die Ankunftszeiten der anderen Truppenteile ist der Kaiser selber informiert und steuert diese Informationen bei, um ein Gesamtbild zu entwickeln.


    "Wir brauchen noch einige Tage bis Zeugma. Die zwei weiteren Legionen des Südflügels und die zusätzliche Reiterei sind auch schon auf dem Weg. Der Hafen muss schnellstmöglioch wieder frei werden für weitere anlandende Schiffe. Ich will die Truppen nicht mit Eilmärschen durch die Wüste verschleißen, aber wir können und auch nicht zu viel Zeit lassen."

  • Zustimmend verfolgte der Statthalter die Ausführungen des Kaisers, da ihm ohnehin nichts anderes übrig blieb. Ihm war diese Provinz anvertraut worden, er hatte die Lage nicht kontrollieren können und die Anwesenheit des Oberbefehlshabers war das klarste Anzeichen dafür. Er war froh, daß er noch immer als Rad im Getriebe angesehen wurde und hier mitreden durfte.


    Von einem weiteren Sklaven ließ er Berichte der Beobachter bringen, die die Lage jenseits der Grenze und die Bewegungen der Parther im Auge hatten. "Hier, dies sind die letzten Meldungen über parthische Truppenbewegungen, nach denen zum Glück tatsächlich kein Grund zur überhasteter Eile besteht. Noch sind keine Zusammenballungen von Truppen zu verzeichnen. Wir müssen aber davon ausgehen, dass die Parther von deiner Anwesenheit wissen." Entsprechende Meldungen lagen bei, denn auch wenn die Römer von vielen Vorgängen überrascht worden waren und überrannt wurden, war ihr Nachrichtennetzwerk noch nicht völlig zusammen gebrochen. Leider würden die Parther früher oder später kaum schlechter informiert sein.

  • Der Kaiser blättert die Meldungen durch, schaut immer wieder auf die Karte oder fragt nach Ortsnamen.


    "Wie verlässlich ist das alles? Ich wäre nicht mit mehreren Legionen angerückt, wenn wir in dem Gebiet noch so etwas wie Überblick hätten."


    Weitere Meldungen gehen durch seine Hand, stets weitergereicht an andere Mitglieder seines Stabes.


    "Ich vermisse Namen der Anführer. Mit wem haben wir es zu tun? Wer führt die parthischen Truppen und was wissen wir über ihn?"


    Sein Blick geht fragend in die Runde. Dass der parthische König nicht persönlich in Armenia weilt, ist dem Kaiser bekannt und dass es stattdessen irgendwelche Prinzen oder bekannte Strategen sein würden, ist naheliegend. Aber der Kaiser möchte es genauer wissen, auch wenn seine Ziele nicht nur Armenia sind.

  • Die Frage nach der Verlässlichkeit seiner Quellen bereitete dem Statthalter Unbehagen. Er nahm zwar an, daß seine Späher ihn nach wie vor mit zuverlässigen Berichten versorgten, doch sicher war er sich seiner Sache nicht. So schwieg er, vorerst. Als sich der Kaiser jedoch nach den Namen der Anführer erkundigte, setzte er zu einer Antwort an. "Im Norden, im Gebiet der Armenier, befindet sich laut unseren Informationen Osroes' Neffe, namens Parthamasires. Viel wissen wir nicht über ihn, nur dass er charismatisch sein soll. Wir nehmen an, dass er in Armenia gebunden sein wird um die Lage dort zu stabilisieren. Genügend Leute hat er auf alle Fälle mitgenommen, ein paar Tausend laut unseren Informationen."


    Cicurinus atmete etwas durch, denn das was folgte, gefiel ihm selber überhaupt nicht. "Östlich von uns, in Nisibis, hält sich Surenas auf. Über den wissen wir schon etwas mehr, vor allem, dass dieser militärisch und taktisch sehr begabt ist." Wieder atmete Cicurinus durch. "Gerüchten zufolge hat er eine Schlacht gewonnen, in der die Gegner drei Mal mehr Männer hatten als er selbst."

  • "Ein paar tausend Mann im Norden? Dann sollte unser Nordflügel zahlenmäßig keine Probleme haben. Wenn sein Charisma die herausragende Stärke dieses parthischen Heerführers ist, werden wir ihn auf dem Feld schlagen."


    Herausragende Ortskenntnisse oder anderen nützliche Eigenschaft im durchaus schwiergen Gelände würden dem Kaiser mehr Sorgen machen. Diese scheint er dafür für seinen Südflügel zu haben.


    "Dreimal mehr? Das sollte ihm gegen uns besser nicht einfallen. Wir werden starke Aufklärer brauchen. Er darf uns den Ort oder den Zeitpunkt der Schlacht nicht aufzwingen. Wenn er über die genannten Qualitäten verfügt, wird das nicht einfach. Aber das besprechen wir mit allen Legionskommandeuren."


    Der Kaiser vertieft sich wieder in die Ortsangaben.


    "Wie lange brauchen wir bis Zeugma? Wie lange würde Surenas von Nisibis aus brauchen, falls er kommen wollte?"

  • Cicurinus war nicht ganz der Meinung des Kaisers was den Königsneffen mit dem fast unaussprechlichen Namen anging, ließ es aber darauf beruhen. Charisma konnte tatsächlich einiges wett machen, das hatte er schon mehrmals erlebt. Dafür antwortete er auf die Fragen des Kaisers zum Südflügel.


    "Zeugma ist in anderthalb Wochen zu erreichen, bei normalem Marsch. Und Surenas..." Auch Cicurinus blickte auf die Karte. "... schwierig zu sagen. Das Gebiet ist gebirgig, andererseits ist die parthische Streitmacht fast zur Gänze beritten. Ich könnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich würde auf etwa zwei Wochen schätzen."

  • "Das gibt uns nicht unendlich viel Zeit, aber genug Zeit die wir brauchen. Wenn die Parther es darauf anlegen würden, uns gleich hinter der Grenze zu empfangen, würden sie jetzt nicht in Nisibis sitzen."


    Der Kaiser kann nur hoffen, dass die Informationen der Kundschafter richtig sind. Schon in Zeugma auf unliebsame Überraschungen zu treffen, bevor sich der komplette Heerzug gesammelt hat, entspricht nicht seinem Interesse.


    "Wir marschieren übermorgen ab. Morgen müssen alle Marschvorbereitungen abgeschlossen sein. Die Legio XII Fulminata hier aus Antiochia ist ebenfalls bereit? Ich werden sie morgen besuchen. Wann treffen die XI und die X in Zeugma ein? Oder sind sie schon vor Ort, was äußerst vorteilhaft wäre?"

  • Warum sollten auch die Parther hier gross einfallen? Hier gab es doch nichts außer Wüste, störrische Judäer im Süden und schlechten Wein. Naja, gut, die Handelsroute wäre eine Überlegung wert, aber mehr gab es wirklich nicht. Nicht mehr allzulange und dann würde Cicurinus wieder nach Rom zurückkehren.


    Puh... sie marschieren in zwei Tagen ab, eine Nachricht, die Cicurinus nur zu gerne hörte.


    "Die Legio XII wird ebenfalls abmarschbereit sein. Die beiden anderen Legiones sind bereits auf dem Weg nach Zeugma, wenn sie nicht bereits dort angekommen sind."

  • Die Lücken im Informationsnetz scheinen doch größer zu sein, als der Statthalter dem Kaiser verraten wollte, findet dieser. Wie sonst könnte es sein, dass nicht einmal der exakte Aufenthaltsort zweiter Legionen auf heimischem Boden bekannt war. Die Soldaten dürften kaum zu übersehen sein und die Meldungen mit maximal zwei Tagen Verzögerung die kurze Strecke überbrücken.


    "Sie werden also dort sein, wenn wir hier gerade ausrücken. Gut, ich werde Boten mit den weiteren Anweisungen vorschicken. Sie sollen für uns das Marschlager vorbereiten. Das spart nicht viel Zeit, aber ein wenig. Und es zeigt allen, mit welcher Armee sie es zu tun haben."


    Weitere Details werden besprochen und auf der Karte durchgegangen, bevor der Kaiser zufrieden in die Runde blickt.


    "Weitere Fragen, meine Herren?"

  • Dies ist offenbar nicht der Fall, so dass der Kaiser und sein Gefolge wenig später das Gebäude verlässt und ins Lager der Legio I zurück kehrt. Soldaten haben ihm dort sicher schon sein Zelt errichtet.

  • Komm zu den Prätorianern haben sie gesagt.. Du schiebst Wache im wohltemperierten Palast haben sie gesagt..
    Wochen später, nach Seekrankheit und meistens nur einem Gaul in Gesellschaft, erreichte der kaiserliche Bote die doch recht entlegene Provinz Syria.



    Ad
    Legatus Augusti pro Praetore
    Publius Veturius Cicurinus
    Antiochia
    Provincia Syria


    An den ehrenwerten Statthalter der Provincia Syria:


    Unser erhabener Kaiser wünscht einen Überblick sowie eine persönliche Einschätzung über die außenpolitische Lage des Imperium Romanum. Deshalb befielt er dir, einen umfassenden Bericht bezüglich der Beziehungen zwischen dir und den benachbarten Völkern außerhalb der Grenzen des Imperiums, insbesondere mit den angrenzenden Fürsten, Königen, und sonstigen bedeutungsvolleren Stammesoberhäuptern, nach Rom zu schicken. Dabei hast du insbesondere zu berücksichtigen, inwiefern der Bürgerkrieg einen Wandel der Beziehungen hervorgerufen hat. Vor allem möchte der Imperator über das Verhältnis und das Verhalten des Regnum Parthorum sowie über den Status des Klientelfürstentums Armenien aufgeklärt werden. Gibt es Versuche der Parther, ihren Einflussbereich auszuweiten? Welches Gefahrenpotenzial besteht derzeit und wo siehst du Bedarf, die diplomatischen Beziehungen zu intensivieren beziehungsweise neue Verträge auszuhandeln?


    Der Imperator wünscht, dass diesem Bericht höchte Priorität eingeräumt wird, aufdass eine zeitnahe Antwort erfolgt.


    Vale bene,


    Lucius Tiberius Lepidus
    ~~Quaestor Principis - Administratio Imperatoris~~



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