Augen und Ohren nach Italien

  • Dragonum hatte schon seit einigen Tagen mit einer Idee zu ringen die ihm einfach nicht aus dem Kopf wollte, aber bisher hatte er nie Gelegenheit gehabt mit der erforderlichen Person darüber zu sprechen ... denn Decimus Cursor, sein Klient, hatte bisher noch im Valetudinarium gelegen, doch vor einigen Minuten hatte man ihm berichtet das er nun zumindest wieder in der Lage war gewöhnlichen Dienst zu leisten und so hatte Dragonum ihn gleich herbestellt ...

  • Wie er ins valetudinarium kam wußte der decurio nicht. Er konnte sich nur daran erinnern, daß er, um dem feindlichen Pfeilhagel zu entgehen, sich eng an den Hals seines Incitatus preßte und versuchte, die Pfeile zu unterreiten. Er erinnerte sich vage, ein paar stechende Schmerzen zu verspüren, dann wurde es um ihn dunkel.


    Drei Pfeile hatte man ihm aus dem Leib gezogen. Seine erste Frage, als er die Augen wieder aufschlug, galten seinem Pferd. Ein capsarius beruhigte ihn, seinem Incitatus ging es gut. Ein eques hatte ihn heil ins Lager zurückgebracht.


    Während seines Aufenthaltes im valetudinarium hatte der decurio genügend Gelegenheit, über so manches nachzudenken. Nun wurde er als gesund entlassen. Der Aufforderung sich bei seinem Kommandeur zu melden kam er sofort nach.


    Vor dem Zelt des praefectus meldete er dem Posten.


    "Decurio Decimus. Der praefectus erwartet mich."

  • Der Posten nahm den Zeltvorhang zur Seite und deutete dem Decurio einzutreten ...


    Dragonum schien recht unruhig, er stand vor einer Karte die das Zwölfmeilenland zeigte, doch selbst für jemanden der noch nie hier gewesen war wurde gleich ersichtlich das der Zeichner es offensichtlich auch nicht gewesen sein konnte ... Als Dragonum schließlich seinen Klienten bemerkte schickte er den Optio, mit dem er sich scheinbar zuvor unterhalten hatte, nach draussen und deutete auf zwei Korbsessel ...


    "Ah Decurio, nimm doch bitte Platz! Etwas zu trinken, oder was zu essen? Das kann etwas dauern!"


    fragte der Legionskommandant seinen Klienten, während er sich selbst setzte. Dragonum hatte so einiges mit dem Decimer zu besprechen und nicht alles davon war leichte Kost ...


    "Wie geht es dir überhaupt? Haben sie dich wieder ordentlich zusammengeflickt?"

  • Der decurio war froh seinen patronus zu sehen. Nachdem er ihn gegrüßt hatte, nahm er sich einen Sessel und setzte sich. Dann beantwortete er die ihm gestellten Fragen.


    "Für mich nur einen Becher Wasser. Das reicht."


    Er sah kurz auf die große Karte, auf die darin abgesteckten Fähnchen und großen Richtungspfeile, bevor er weiter antwortete.


    "Mir geht es gut. Die Wunden sind dank unserer guten medizinischen Versorgung schnell verheilt, praefectus."

  • Dragonum nickte zufrieden denn er hatte einiges mit seinem Klienten vor und dafür musste dieser auch Fit sein ...


    "Sehr gut! Sicher hast du dich schon gefragt warum ich dich rufen lassen habe ... aber bevor wir dazu kommen habe ich noch ein paar Fragen an dich. Als Decimer bist du doch sicher auch mit Decimus Livianus verwandt nichtwahr?"


    Dragonum wollte sicher gehen das er hier nicht mit falschen Vermutungen rechnete ...

  • Der decurio sah auf. Bereits schon einmal hatte der praefectus diese Frage an ihn gestellt. Damals noch als tribunus der LEG II GERM in Mogontiacum. Warum fragte er wieder? Und auch das Alter seines Vorgesetzten dürfte es nicht sein! Aber irgendeinen Zweck mußte er dieses Mal verfolgen.


    Der decurio blieb reserviert und ließ sich nichts anmerken. Wie seinerzeit antwortete er nur auf die ihm gestellte Frage und bestätigte.


    "Es stimmt. Ich bin mit Decimus Livianus verwandt, praefectus."


    Er wollte etwas hinzufügen, hielt es aber für besser, sich vorsichtshalber weiterer Erklärungen zu enthalten.

  • Dragonum nickte, allerdings mochte er es nicht seinem Klienten alle Infos aus der Nase ziehen zu müssen ...


    "Und? Wie stehst du zu deinem Familienoberhaupt, stehst du mit ihm in Kontakt? Weißt du das ich sein Klient bin und was im Moment so rund um in passiert?"


    Dragonum war etwas besorgt das er vielleicht nicht länger in der Gunst seines eigentlichen Gönners stand, denn ein Bericht aus der kürzlich eingetroffenen Acta Diurna ließ ihn zweifeln. Der junge Octavius Macer hatte sich scheinbar zum politischen Possenspiel der Senatoren hinreißen lassen und das schmeckte Dragonum natürlich überhauptnicht ...

  • Fast gequält, wenn es um seine familia ging, beantwortete der decurio die Fragen seines Vorgesetzten, so wie sie gestellt waren, der Reihe nach.


    "Zu meiner familia und somit auch zu meinem Familienoberhaupt habe ich keinen Kontakt. Bisher vertrat ich die Auffassung, es aus eigenem Antrieb zu etwas zu bringen. Das war mitunter auch der Grund, weshalb ich dich damals von Ostia aus nicht mit nach Rom begleiten wollte und mir deshalb deinen Vorwurf der Lächerlichkeit einhandelte.


    Daß Decimus Livianus dein Patron ist, das ist mir bekannt, aber was um ihn passiert entzieht sich meiner Kenntnis. Ich bin Soldat und noch liegen mir die politischen Ränke fern, praefectus."

  • Dragonum nickte zufrieden, sein Klient mochte vielleicht kein Familienmensch sein, aber dafür wollte er sich zumindest auch seine Lorbeeren selbst verdienen und das respektierte Dragonum ...


    "Also gut, ich habe nämlich eine Bitte ... oder vielmehr eine Empfehlung für dich. Ich bin hier in Aegyptus gänzlich von Rom und seinen Ränkespielen abgeschnitten, nicht das ich mich gern daran beteiligen würde, aber die jüngste Vergangenheit hat gezeigt das es durchaus von Nachteil sein kann wenn man nicht sofort mitbekommt wenn sich in Rom jemand gegen einen stellt! Daher werde ich deine Versetzung nach Italien empfehlen, zum einen wird dir das in deiner Karriere helfen und zum anderen habe ich so jemanden verlässlichen in der Nähe Roms! Alles was du tun müsstest wäre mir hin und wieder zu schreiben was gerade so in Rom vor sich geht!"


    Dragonum gönnte sich einen Schluck Wein und warf Cursor einen fragenden Blick zu ...


    "Was hälst du davon?"

  • Der Vorschlag seines Vorgesetzten brachte den decurio nicht aus der Ruhe. So gab er sich auch nicht sonderlich überrascht, denn mit Aufträgen dieser Art, die nicht gerade alltäglich waren, wurde er nicht das erste Mal konfrontiert. Die Antwort des decurio ließ nicht lange auf sich warten.


    "Was du von mir verlangst, ehrt mich und ich danke dir. Nur gebe ich folgendes zu bedenken:


    Sollte ich zur I TRAIANA nach Mantua versetzt werden, so ist die Entfernung bis zur Hauptstadt immerhin 475 km. Zwar verbreiten sich Nachrichten und vor allem Gerüchte sehr schnell, aber als neuer decurio in einer neuen Einheit dürfte es nicht gerade leicht sein an Neuigkeiten, die für dich von Interesse sein könnten, zu kommen.


    Zum anderen, wie du weißt, habe ich bisher keine Verbindung zu meiner familia und um ehrlich zu sein, ich weiß nicht einmal, wo die
    CDM in Roma liegt. Ich will damit sagen, hier an Neuigkeiten zu kommen, bedarf erst einmal, daß man mich dort kennt.


    Alles in allem: in meiner derzeitigen Situation wäre es mir beim besten Willen nicht möglich, dir brauchbare Nachrichten aus der Hauptstadt zu melden. Ich müßte mir erst ein, sagen wir mal, Nachrichtennetz aufbauen, das mir zuverlässige Nachrichten aus der Hauptstadt liefert.


    Und nicht zuletzt ..."


    der decurio sah seinen patronus in voller Überzeugung an


    "... stehen dir als praefectus der ägyptischen legio mehr und bessere Mittel zur Verfügung, um an die Nachrichten zu kommen, die du wissen willst. Da bin ich dir gegenüber eindeutig im Nachteil, praefectus."

  • Dragonum schmunzelte, der Decurio hatte scheinbar Angst das er seinen Erwartungen nicht gerecht werden würde, aber darüber machte Dragonum sich im Moment keine Sorgen ...


    "Mach dir deswegen mal keine Sorgen Decurio, alles was ich will ist das du mir schreibst wenn du etwas höhrst oder siehst das für mich von Interesse sein könnte. Ich erwarte nicht das du den Senat ausspionierst oder dergleichen, nur das du die Augen offen hälst! Letztendlich muss ich mich ja dennoch um alles selbst kümmern, schließlich bin ich ja der Patron und du der Klient .. nichtwahr?"


    Damit war eigentlich alles geklärt, Cursor würde nach Italien versetzt werden und Dragonum hätte einen verläslichen Mann in der Nähe Roms über den er verfügen konnte ...


    "Hast du noch eine Frage oder ein Anliegen, Decurio?"

  • Der decurio war darauf gefaßt, mit seiner unerwarteten und nicht vorgesehenen Antwort das Mißfallen seines Vorgesetzuten erregt und somit den Unmut seines patronus hervorgerufen zu haben.


    Statt dessen lösten sich Vorbehalte von selbst auf und der praefectus stimmte seiner Versetzung nach Italia zu. Aber Fragen gab es immer!


    "Zum einen, soll ich eventuelle Schreiben an dich direkt richten oder sollen diese verschlüsselt werden? Zum anderen, stellst du mir einen Marschbefehl nach Italia aus, praefectus?"


    Der decurio dachte an die unheilvolle Reise nach Germania, die ihm wegen unzureichender Papiere den Aufenthalt im carcer der LEG II einbrachte.

  • Dragonum lachte, natürlich konnte er sich noch an Germanien und den grotesken Marschbefehl errinnern den sein Klient damals bekommen hatte ...


    "Selbstverständlich bekommst du einen Marschbefehl, ich werde deine Versetzung bei der Kanzlei beantragen damit alles seine Ordnung hat! Bis dahin kannst du natürlich nach Nikopolis zurückkehren und deine Sachen für die Reise packen, immerhin solltest du dafür auch ein paar Tage brauchen!"


    Dragonum machte sich eine Notiz, den Brief an die Kanzlei sollte er lieber nicht vergessen ...

  • Der decurio sah seinen patronus mit sichtlicher Verwunderung an. So hatte er ihn noch nie lachen gesehen. Aber warum sollte er nicht? Auch er war nur ein Mensch, der seine Gefühle mitunter zeigte.


    "Meine Sachen sind schnell gepackt",


    entgegnete er,


    "aber, wenn du gestattest, würde ich mich noch gerne von meinen Kameraden, besonders von meinen speciales, mit denen ich seit der Grundausbildung zusammen war, verabschieden, praefectus"

  • Dragonum nickte zustimmend, Kameradschaft war wichtig er hatte auch immer noch den ein oder anderen Freund aus seinen Zeiten in den Mannschaftsdienstgraden und pflegte den Kontakt ... was in Dragonums Fall soviel bedeutete wie ein jährlicher Brief und ab und an mal ein kleines Geschenk ...


    "Natürlich nimm dir die Zeit die du brauchst, die Kanzlei ist leider nicht so schnell wie wir sie gern hätten ... aber wer kann ihr das verübeln, nur Hermes vermag Post noch schneller, als der Cursus Publicus, von einem Kontinent zum nächsten zu schaffen!"


    Und der brauchte mal eben ein paar Tage bis Alexandria und von dort mindestens eine Woche auf dem Schiff ... es konnte also gut und gerne noch einen Monat dauern bis die Antwort hier ankam ...

  • Dem decurio konnte es nur recht sein, daß ihm sein Vorgesetzter die Zeit einräumte, die er für seinen Abschied benötigte. Und dazu gehörte auch ein Gespräch mit seinem Nachfolger.


    "Und wenn du mir schon gestattest, mich von meinen Kameraden zu verabschieden, bin ich der Meinung, ein paar Worte mit meinem Nachfolger, dem decurio Genucius, na ja, zu wechseln. Es gibt da ein paar Sachen, über die ich ihn vor meinem Abschied in Kenntnis setzen wollte. Das bin ich meiner alten turma schuldig.


    Ist dir sein derzeitiger Aufenthalt bekannt, praefectus?"


    Die Spezialgeräte, die der decurio im Sinn hatte, waren bisher noch nicht zum Einsatz gekommen. Dies wäre, allein wegen ihrer Eigenwilligkeit, sicher bekannt geworden.

  • Dragonum schüttelte den Kopf, er hatte nicht die geringste Ahnung wo der Decurio zu finden war immerhin liefen gerade die Vorbereitungen für den Lagerabbruch ...


    "Ich weiß nicht wo genau er zu finden ist, aber zur Not würde ich es einfach in der Nähe der Ställe versuchen ... dort einen Eques zu finden der Bescheid weiß dürfte kein Problem sein!"


    Zumindest war Dragonum davon überzeugt, allerdings hatte er auch schon seit längerem nichtmehr selbst nach Offizieren suchen müssen ... dafür hatte er ja nun Adjutanten und Melder ...

  • Der decurio bedankte sich bei seinem Vorgesetzten.


    "Dann mache ich mich auf den Weg zu den Ställen. Solltest du für mich Nachrichten bekommen, du wirst mich zu finden wissen. Wenn du sonst keine Befehle für mich hast, decurio Decimus bittet sich abmelden zu dürfen, praefectus."

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