Feierei – früher Abend

  • Seit den späten Morgenstunden hatte der Lärm von der Stadt her stetig an Lautstärke zugenommen. Gelächter, Sprechchöre, Gesänge, Trommeln, Flöten – das Volk von Rom gab sich hemmungslos der Feier Iuppiters und seiner Gemahlin hin. Der Dienst in den Kasernen war den Tag über zwar ungehindert weiter gelaufen, aber das unüberhörbare Treiben hatte sich den Soldaten allmählich auf's Gemüt gelegt. Während der anstehende Ausgang in Teilen der Urbaner ein debiles Dauergrinsen entfesselt hatte, stand dem leer ausgegangenen Rest der Einheiten der Missmut in tiefen Falten ins Gesicht geschrieben. Allein die Vielzahl der Pflichten und die verinnerlichte Disziplin hatten die Männer einigermaßen ausgefüllt durch den Tag getrieben.


    Nun begann es zu dämmern. Die Tore der Castra hatten sich lärmend geschlossen und der Appell war überstanden. Auf den Wehrgängen und an den breiteren Gassen wurden nach und nach die Wandfackeln entfacht. Von den wuchtigen Mauern zurückgeworfen mischte sich das abgehackte Stampfen von Soldatenstiefeln mit dem Gelärme der feiernden Römer, die erste Nachtwache rückte aus. Während sich in den Baracken der Urbaner schwatzende Soldaten um die Kochstellen drängten, waren Antias und Hispo vor den Unterkünften zurückgeblieben. Schweigend standen sie neben einem halben Dutzend widerlich stinkender Holzfässer und spähten konzentriert in den erlöschenden Abendhimmel.


    Beim Morgenappell hatte Antias endlich den mit Bangen und Hoffen erwarteten Tagesbefehl empfangen: Dienst wie gehabt. Keine Patrouille in der Stadt, keine Verstärkung der Wachen und natürlich schon gar kein Ausgang. Zunächst war er erleichtert darüber gewesen. Seine Szenarien für einen abendlichen Einsatz erschienen ihm – gelinde ausgedrückt – noch nicht vollkommen ausgereift und hatten ihn zudem in quälende Gewissensnöte gestürzt, denn die Vorstellung, seinen Posten während des Dienstes zu verlassen war ihm von Tag zu Tag unerträglicher geworden. Andererseits musste er sich eingestehen, dass auch die Nächte nicht völlig ihm gehörten. Dienstschluss hieß nicht Dienstende. Sein Dienst war ihm, wie er mit Erstaunen feststellte, in all der Zeit immer wichtiger, nahezu heilig geworden, und paradoxerweise hatte Apolonia einen erheblichen Anteil daran. Er hatte nur dieses eine Leben und sie stand nicht außerhalb davon, sondern mitten darin. Was an Rom mitsamt seinen unzähligen Bewohnern hätte er künftig leidenschaftlicher verteidigen können als sie? Hispo sah das mit völlig anderen Augen. Verstohlen blickte Antias zu seinem schweigenden Kameraden. Bei den Göttern, war der hochgegangen als er ihn eingeweiht hatte! Hispo hatte seinen Seitenblick bemerkt.
    „Willst du was sagen?“
    „Nein. Du?“
    „Hab ich schon. Nützt bloß nix.“


    Oh ja, hatte er. Die Leviten waren Antias gelesen worden wie seit den Tagen seiner Kindheit nicht mehr. Morgens, mittags, abends – in jeder freien Minute. Hinter einer vorgeschobenen Maske aus Sturheit hatte Antias den Tiraden durchaus aufmerksam gelauscht. Mit manch einem Argument würde er sich noch auseinandersetzen müssen. Viel Wahres war an Hispos Worten gewesen, wirklich verstanden jedoch hatte er Antias nicht, und doch half er ihm. Sogar mehr als das. Er hatte Antias' ohnehin schon wacklige Pläne noch um ein paar nicht minder wacklige Details ergänzt, hatte sich unter windigen Vorwänden in den Unterkünften sämtlicher Urbaner nach Ausgangsgenehmigungen und Krankenständen erkundigt und schließlich sogar angeregt, auch Fimbria einzuweihen.
    Der wiederum hatte Antias' Problem sofort verstanden. Als der Tagesbefehl schließlich ergangen war, und der entsprechende Plan zur Ausführung anstand, hatte Fimbria umgehend bei seinen neuen Sangesfreunden vom ersten Contubernium drei weitere Fischfässer organisiert, was freilich nicht allzu viel Überredungskunst erfordert hatte. Antias hatte es übernommen, den fauligen Inhalt des geplanten Transportfasses portionsweise in den Latrinen verschwinden zu lassen und den Rest der Fässer mit zwei Krügen Garum von den Zwillingen plus zwei Eimern Fäkalien aus der mit Fisch verstopften Latrine anzureichern. Eigentlich bereits genug Unterhaltungsprogramm für einen einzelnen Tag, aber es war eben nicht der Tag, auf den es ankam, sondern der Abend.


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