In einer Sänfte auf der Via Borbetomaga

  • Leicht angesäuert stieg Phryne mit ihrem noch leicht schwankenden, mettrunkenen Liebhaber in die wartende Sänfte. Sie drückte sich die Kissen zurecht und hüllte sich bis zum Hals in den weichen Fellumhang. Kaeso würdigte sie keines Blickes. Sie sah bewusst an ihm vorbei.

  • Eine kleine Weile schaute ich mir an, dann wurde mir klar so wollte ich den Abend nicht ausklingen lassen. Hier bestand Klärungsbedarf. Vernehmlich räusperte ich mich und stellte mit entsetzen fest wie unangenehm laut dies in diese Stille hinein wirkte. Jetzt mach schon, sonst wird das heute nichts mehr, forderte ich mich selber auf.
    „Darf ich erfahren womit ich dich so erzürnt habe? War es etwa, weil ich es wagte einmal Eigeninitiative zu übernehmen? Das kann aber nicht sein, dir gefiel es doch zuerst. Du lobtest mich und warst sichtlich zufrieden. War es die Frage ob du ihn geliebt hast oder etwa die Erinnerung an ihn? Die Erkenntnis, dass du ihn verloren hast? Ich wollte dir nur mehr geben, dich aber niemals demütigen, sag einem Trottel einfach, worin der Unterschied zwischen meinem und seinem Tun bestand?“
    Verwundert lauschte ich auf dem Nachhall meiner Worte, denn das was ich da von mir gegeben hatte war weit mehr als ich mir bei meinem Zustand selber zugetraut hätte.

  • Sie war verärgert. Und wie. War der Junge so dumm oder tat er nur so? Nein, er war einfach unerfahren. So war es nun einmal wenn man sich mit einer männlichen "Jungfrau" einließ. Phryne musste Kaeso Unterricht geben.


    Das Liebe-machen ist eine Kunst, mein Junge! Ovid nannte sie Ars amatoria, andere nennen es die Venuskünste - Ars Veneris. Du musst noch viel lernen. Es ist eine Sache die beiden nur dann Spaß macht, wenn sie freiwillig und aus freiem Antrieb geschieht. Das war bei unserem Stelldichein auf der Saturnalienfeier heute zunächst der Fall. Ich habe dich gereizt, du bist drauf eingestiegen. Ich habe deine Wolllust gespürt, sie hat mich heiß gemacht. Auch als du härter und fordernder eingestiegen bist als bisher, hat mir das gefallen, denn ich war erregt und wollte es so.


    Phryne spürte, wie sie bei der Erinnerung des Liebesaktes Herzklopfen bekam.


    Ja, es war sehr erregend gewesen. Du hast mich atemlos gemacht und mit mir einen der höchsten Gipfel erklommen. Dann aber war es vorbei und ich hatte ein wenig zärtlichen Dank erwartet und nicht dass du mich weiter mit Gewalt an die Wand presst und mir bewusst machste, wie schnell aus der Freiwilligkeit eines harten Aktes eine Vergewaltigung werden kann. Das ist der Unterschied! Begreifst du das nicht? Es hat nichts mit der Dominanz beim Liebesakt zu tun. Die kann ebenso erotisch sein wie Streicheleinheiten und lüsterne Worte. Es muss passen und beide müssen dazu bereit sein. Wenn ich es will ist es gut, wenn nicht dann nicht! Verstanden?

  • Wenn ich etwas verstanden hatte dann ihre letzten Worte. Es würde immer so sein meine Liebe zu ihr hatte mich auch zu ihrem, wie sie dachte, gefügigen Werkzeug gemacht. Was die Erotik betraf mochte es so sein, sonst spürte ich doch wie sich die Bindung an sie geändert hatte. Schuld daran war bestimmt nicht nur der Fehler des heutigen abends. Ein Fehler soweit das ich nicht gespürt hatte wann es genug war, dies alleine schrieb ich dem Metgenuss zu. Es war auch ihre Reaktion nach meinem verlassen der Casa Helvetia gewesen, ihre Äußerungen über meine Unwürdigkeit als Vater unseres Kindes. Alles hatte ich geschluckt aus Liebe zu ihr, doch nie etwas gefordert.


    Es war der ungewohnte Ruck in der Sänfte, bestimmt war ein Sänftenträger gestolpert, der mich aus meinen Gedanken riss. Ich schaute noch eine Weile auf meine geliebte Göttin bevor ich ihr antwortete. „Du erinnerst dich bestimmt noch was ich dir von dem Verhältnis meiner Eltern zueinander erzählte, ich weiß was es bedeutet vergewaltigt zu werden. Darum entschuldige bitte wenn ich nicht bemerkte, dass ich an eine Grenze gestoßen war. Auch wenn ich es dem Metgenuss zuschreibe, dass ich annahm du würdest nach härterem verlangen, was ich selber noch nie ausführte, nur selber reichlich erfahren durfte, wirst du es bestimmt nicht akzeptieren. Wenn du es also wünschst werde ich mich in Zukunft von dir fernhalten, doch bitte, sage mir vorher noch wie es dir bei der Schwangerschaft ergeht.“
    Es hatte mich geschmerzt ihr mein Angebot zu machen, doch selbst dies würde ich aus Liebe zu ihr auf mich nehmen. Hätte ich auf die Warnungen hören sollen und sie meiden sollen? Doch dafür war es da schon zu spät gewesen, ich war meiner Göttin zu der Zeit schon längst verfallen.

  • Phryne nahm Kaesos Entschuldigung reglos zur Kenntnis. Das war auch das Mindeste. Dann aber kam die Frage nach ihrer Schwangerschaft. Phryne erstarrte. Sie hatte ihm noch nicht erzählt, dass sie das Kind abgetrieben hatte und auch nicht wie knapp sie dem Tode entronnen war.


    Ich habe das Kind verloren, Kaeso. Es ist während deiner Zeit im Heiligtum der Großen Mutter passiert. Es war sehr schmerzhaft und blutig. Das Kräuterweib aus der Casa Helvetia hat versucht mir zu helfen, aber ob sie mit ihrem Tun nicht alles noch schlimmer gemacht hat, wird sich erst zeigen müssen. Jedenfalls offenbarte sie mir danach, dass es sein könnte, dass ich keine Kinder mehr bekommen kann.

  • Mit einem Schlag war alles vergessen was eben noch gewesen war. „Du hast was?“ Ungläubig starrte ich meine Göttin an. „Oh große Mutter, warum hat mir das niemand gesagt? Ich hätte dir doch beistehen können, für dich beten können.“ Vorsichtig beugte ich mich vor und streichelte ihr Wangen. „Du weißt doch ich bin für dich da wenn du mich brauchst. Hab keine Angst Alpina ist eine gute Hebamme und Kräuterfrau. Egal was zwischen euch gewesen sein mag, wenn ein Mensch in Not ist, steht das Helfen bei ihr an erster Stelle. Wie gerne wäre ich bei dir gewesen um dich zu trösten. Die große Mutter wird dir beistehen und du wirst noch ein Kind bekommen“, sagte ich voller Zuversicht.
    Traurig schaute ich sie an, es wäre auch mein Kind gewesen, wenigstens hatte sie es gesagt. Jetzt würde bestimmt wenn sie noch eins bekäme, ein anderer der Vater sein. Es war schwer die ganze Zeit gegen die Tränen an zu kämpfen.

  • Als Phryne sah wie unglücklich Kaeso über den Verlust des Kindes war, stimmte es sie milder. Sie selbst hatte keinerlei Emotion in bezug auf diese Fehlgeburt. Die Unstände unter denen sie schwanger geworden war, waren so verworren. Es wäre kein guter Start für dieses Kind gewesen. Besser für sie und besser für das Kind.


    Es war nicht der richtige Zeitpunkt für ein Kind, Kaeso. Ich hoffe dennoch, dass es irgendwann soweit sein wird. Früher gefiel mir der Gedanke nicht. Inzwischen jedoch... man wird ja nicht jünger...


    Natürlich verteidigte Kaeso die Hebamme. Schließlich hatte sie ihn ja auch aufgenommen und mit ihm eine Möglichkeit geboten in Mogontiacum Fuß zu fassen. Insgeheim glaubte Phryne, dass Kaeso und die Hebamme mehr verband als das. Sie wurde den Verdacht nicht los, dass Kaeso ein Verhältnis mit ihr hatte. Doch spielte das eine Rolle? Eigentlich nicht.


    Die Sänfte blieb ruckend stehen. Sie waren bei der Casa Acilia angekommen.


    Wir sind da. Ich glaube es ist gut, wenn wir jetzt schnell schlafen gehen.

  • In Gedanken nickte ich zu ihren Worten, um dann noch hinzuzufügen, „du wirst bestimmt bald auch ein Kind gebären. Glaub mir, die große Mutter lässt dich nicht im Stich.“
    Noch damit beschäftigt wie ich sie trösten können, hörte ich ihr Abschiedsworte. Es klang in meinen Ohren, als ob sie es sehr eilig habe von mir weg zukommen. Mir wurde kalt.
    Schnell stieg ich aus und half ihr die Sänfte zu verlassen. Ehe sie sie in ihr Haus verschwinden konnte hauchte ich ihr einen Kuss auf die Wange, dabei raunte ich ihr zu. „ich liebe dich". Dann fiel mir noch etwas ein. "Die Kleider schicke ich dir wenn sie gereinigt sind.“
    Ruckartig drehte ich mich ab und eilte zum Tempel. Ich wollte nur weg und vergessen.

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