Atrium | Senator Purgitius Macer

  • Bevor Menecrates all die Wege abschritt, die er für nötig hielt, musste er sie planen und die Aktivitäten koordinieren. Er steckte noch in dieser Phase des Wahlkampfes, zumal er sich so gut er konnte Kenntnisse aneignete und Informationen beschaffte, um überhaupt adäquat mit Purgitius Macer über einen Wettkampf im Wagenrennen sprechen zu können.


    Als er vom Eintreffen des Senators hörte, schnappte er sich einige Unterlagen, bat seinen Sekretär Faustus, einen weiteren Stapel zu greifen, und machte sich auf den Weg zum Atrium. Während er durch die Gänge schritt, wies er Sklaven an, einen kleinen, aber feinen Imbiss vorzubereiten und schnellstmöglich zu servieren. Dass selbstständig für Getränke gesorgt wurde, setzte er voraus.


    "Faustus, vergiss nicht, Notizen zu machen. Die Zeit zum Einprägen diverser Namen und Fakten wirst du vermutlich nicht haben, auch wenn du ein gut trainiertes Gedächtnis hast." Er schritt raumgreifend aus.

  • Macer ließ sich vom Türsklaven der Villa Claudia ins Atrium führen, wo er dann wohl auf den Hausherrn treffen würde. Er bedeutete seinem Laufburschen, sich im Hintergrund zu halten, da er ihn wohl kaum benötigen würde in diesem Gespräch.

  • Fast schon wie in alten Zeiten trat Menecrates mit spürbarem Schwung ins Atrium. Sein Blick erfasste seinen ehemaligen Legaten und er ging auf ihn zu.


    "Salve, Purgitius Macer. Ich freue mich über deinen Besuch!" Eine gewisse Zurückhaltung erfasste ihn, sodass er nicht den vertrauten Armdruck anwendete. Ein ehemaliger Soldat und Offizier verlor wohl Zeit seines Lebens nicht den Respekt vor seinem ehemaligen Kommandeur, und obwohl Menecrates selbst schon eine Legion befehligt hatte, konnte er sich dieser Wahrnehmung nicht entziehen.
    "Früher, in der Prima sind wir stets sofort und ohne Umschmückungen auf den Punkt gekommen. Ich weiß nicht, ob sich das bei dir geändert hat, nachdem du viele Ämter und Posten außerhalb des Militärs bekleidet hast. Bei mir verhält es sich noch immer so, dass ich am liebsten sofort zur Sache komme. Höfliche Floskeln liegen mir nicht ganz so. Ich weiß, das ist ein Manko und kann beim Gegenüber zu Verärgerung führen. Bei dir hoffe ich, du kennst mich noch, um es nicht als Unhöflichkeit zu werten."


    Kaum beendete Menecrates den Satz als auch schon zwei Sklavenmädchen mit Wein und Wasser sowie Bechern auf eine Entfernung von zwei Schritten herantraten.


    "Darf ich dir eine Erfrischung anbieten?", fragte Menecrates seinen Gast. "Und ich weiß nicht, wie es dir geht. Ich führe Unterhaltungen gerne in der Bewegung. Wollen wir in Richtung Säulengang aufbrechen oder wäre dir eine Sitzpause lieber?" Immerhin wusste der Claudier nicht, welche Wegstrecken Macer heute schon hinter sich gebracht hatte.

  • "Salve, Claudius Menecrates", erwiderte Macer die Begrüßung. Die weitere Einleitung des Gesprächs irritierte ihn etwas, denn ein paar höfliche, unverbindliche Worte zu Beginn wären sicher kaum weniger zeitraubend gewesen als diese etwas längliche Einleitung, mit der sich sein Gastgeber für das Fehlen eben jener sonst üblichen Floskeln zu entschuldigen versuchte. Macer war auch keineswegs mehr bewusst gewesen, ob ihre gemeinsame Zeit bei der Legio I ihre erste Begegnung gewesen war, denn seitdem hatten sie sich schließlich noch oft im Senat gesehen. Aber wenn Claudius Menecrates diese Zeit so explizit erwähnte, musste sie für ihn und sein Bild von Macer wohl prägend gewesen sein.


    Bevor Macer jedoch länger darüber nachdenken konnte, holte ihn sein Gastgeber schon wieder mit einer eher pragmatischen Frage zurück aus seinen Erinnerungen. "Gerne im Säulengang", antwortete Macer ohne zu zögern. Es hatte sich wohl doch nicht soweit herumgesprochen wie er befürchtet hatte, dass er gerne und viel zu Fuß ging. Ein Ruf, der noch immer auf seiner Amtszeit als Aedil beruhte, in der er täglich unermüdlich in Rom unterwegs war. Aber vielleicht war Claudius Menecratres in dieser Zeit auch gar nicht in Rom gewesen. So genau erinnerte sich Macer nicht mehr.

  • Menecrates bemerkte die knappe und förmliche Art seines Gastes und stellte sich darauf ein. Vermutlich zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass er als einer von vielen Offizieren der Prima Macer gar nicht in Erinnerung geblieben war.
    Der Claudier wandte sich in Richtung Säulengang. Da der Gast keine Erfrischung wollte, nahm er selbst auch keine.


    "Wie du bereits weißt, geht es mir um die Ausrichtung eines Wagenrennens auf Wettkampfebene. Welche Empfehlungen würdest du geben, wenn ich von der Organisation bis hin zur Ausführung nicht mehr Zeit als den aktuellen Wahlkampf zur Verfügung habe?"

  • Auch die Frage, die Menecrates ihm nun stellte, überraschte Macer ein wenig. Nicht wegen ihres Inhalts, sondern eher wegen ihrer Formulierung. Ein vergnügtes Grinsen konnte er sich daher nicht verkneifen. "Nun, der wichtigste Rat dürfte wohl sein, von der knappen Zeit nichts zu verschwenden, aber du hast wohl kaum deinen alten Legaten um Hilfe ersucht, um dir solch ein billiges 'carpe diem' abzuholen", erklärte er dann auch gleich den Grund für seine vergnügte Gefühlsregung.


    "Aber im Ernst: Als erstes brauchst du einen Termin und eine Rennbahn, anschließend Teilnehmer. Die ersten beiden Sachen hängen voneinander ab, denn nicht jede Bahn ist zu jeder Zeit verfügbar. Wenn du das hast, kommen die Teilnehmer quasi von selbst. Wenn ich einen knappen Zeitrahmen hätte, würde ich einfach alle Factiones einladen und dann schauen, wer zusagt, anstatt den Termin auch noch mit diesen abzustimmen, um möglichst viele prominente Teilnehmer zu bekommen", zählte er dann die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte auf, die zuerst erledigt werden mussten. Dann machte er erst einmal eine Pause, denn wahrscheinlich hatte jemand, der bisher noch keine Rennen organisert hatte, schon hier eine Menge Fragen.

  • Ein verwunderter Seitenblick traf Macer, nach dessen erster Antwort. Menecrates sah aber großmütig über die weitgehend unbrauchbare Auskunft hinweg, weil sein Gast dabei grinste. Mit einem vergnügten Gast unterhielt es sich angenehmer als mit einem betont förmlichen.

    "Ich sehe es keineswegs als Zeitverschwendung an, dich um Rat zu fragen"
    , konterte Menecrates nun seinerseits amüsiert. "Immerhin ist unser Gespräch mein erster Schritt und ich habe nicht vor, unnötig Zeit zwischen diesem und dem nächsten zu verschwenden." Anschließend hörte er aufmerksam zu, denn es folgten wertvolle Hinweise.


    "Ah, vermutlich hätte ich das Pferd von hinten aufgezäumt, weil ich zuerst die Factiones angeschrieben hätte. Ich kläre also zuerst mit dem Rennbahnbetreiber den Termin, lade ein und warte ab, wer kommt. Klingt einfacher als gedacht. Bliebe der Anfang." Menecrates kannte keinen einzigen Rennbahnbetreiber, vermutete aber, dass es außer dem Circus Maximus auch kleinere öffentliche und jene Rennbahnen gab, die im Eigentum der jeweiligen Factio standen. "Würdest du an meiner Stelle den Circus Maximus wählen? Und falls ja, kennst du dort namentlich den Ansprechpartner? Und falls nein und somit für meinen Zweck und die Kürze der Zeit eine kleinere Rennbahn empfehlenswerter wäre, hättest du auch da eine Empfehlung für mich inklusive einem Ansprechpartner?"

  • "Ich würde wohl eher das Stadium Domitiani nehmen, aber das muss für dich ja nicht ebenso gelten", beantwortete Macer die Frage nach seiner Wahl einer Rennbahn. "Der Circus Maximus ist größer, prestigeträchtiger - und teurer. Du wirst mehr Aufwand haben, dort ein Rennen abzuhalten und es kann mehr schief gehen, einfach weil es der größte Circus ist, den du bekommen kannst. Mir persönlich wäre das für den Wahlkampf zu stressig. Als amtierender Magistrat keine Frage, da muss es der Circus Maximus sein, aber sonst eher nicht. Aber das ist wie gesagt nur meine persönliche Meinung", erläuterte Macer seine Wahl und seine persönlichen Motive dafür. "Eine kleinere Bahn als Stadium Domitiani gehört sich meines Erachtens für einen Wettkampf in Rom allerdings auch nicht." Das musste er natürlich schon deshalb sagen, weil er selbst unlängst eben dort ein Trainingsrennen veranstaltet hatte. Namen von Ansprechpartnern hatte er daher auch im Kopf und teilte sie gerne, ebenso wie er nach kurzem Überlegen auch noch welche zum Circus Maximus in den Winkeln seines Gedächtnisses fand und sie ebenfalls mitteilte.

  • Die Argumentation des Senators leuchtete Menecrates ein und für ihn stand schnell fest, dass er ihr folgen würde.
    "Welchen Sinn würde es machen, dich um dein Urteil zu bitten, um es anschließend in den Wind zu schlagen?", erwiderte Menecrates auf die Bemerkung hin, für ihn muss nicht selbiges gelten wie für Macer. "Vielen Dank für deine Einschätzung, sie hat mir sehr geholfen." Den Namen des Ansprechpartners prägte er sich ein, bevor er fortfuhr.
    "Den Termin kann ich natürlich noch nicht benennen, aber sofern er auf freie Kapazitäten der Russata fallen wird, kann ich mit der Teilnahme deiner Factio rechnen ?" Er überlegte kurz, dann fügte er an. "Die Einladung würde ich dir umgehend zukommen lassen."

  • Selbstverständlich werde ich Notizen machen, Wie du schon sagtest mein Gedächtnis ist nicht schlecht, doch meine wirklichen Merkfähigkeiten liegen darin, dass ich mir wirklich gut und schnell einpräge, was ich einmal gelesen habe.
    Mein Gefühl sagte mir, während wir mit den Unterlagen zum Atrium gingen, dass ich dies einmal betonen sollte. Vielleicht hätte ich es aber auch lassen sollen, denn der Senator war im Geiste bestimmt schon bei dem zu erwartenden Gast.


    Aufmerksam verfolgte ich das Gespräch und schrieb alles möglichst genau mit. Bei dem Gespräch merkte ich wie so oft, Claudius Menecrates war höflich und kam im Rahmen der Höflichkeit meist schnell zum eigentlichen Anliegen. So versicherte er sich gerade schon, ob er mit der Teilnahme der Factio des Senators Spurius Purgitius Macer rechnen könne.
    Mir wurde bei dem Gespräch der beiden klar, wie wenig ich noch immer von Rom kannte. Bisher hatte ich noch keine Rennbahn in Rom gesehen, eigentlich hatte ich noch nie eine Rennbahn gesehen. Es gab noch so vieles was ich nicht kannte. Ich war echt im Nachteil zu den Männern in meinem Alter, die in Rom aufgewachsen waren. Schnell schüttelte ich diese Gedanken ab, jetzt gab es wirklich wichtigeres, die Wahl zum Consul, meines Arbeitgebers.

  • "Ja, selbstverständlich würde die Russata teilnehmen, wenn sie Zeit hat", bestätigte Macer ohne zu zögern. Immerhin war eine Factio dafür da, an Wagenrennen teilzunehmen, zumal es an Wettkämpfen auf der Bahn in Rom ohnehin etwas mangelte. "Ich denke, mit der Albata wirst du auch rechnen können. Einer meiner Klienten engagiert sich dort seit kurzem und ich bin mir sicher, dass er es nicht bei Trainingsrennen belassen möchte. Hast du Klienten in anderen Factiones?", erkundigte er sich dann, auch wenn er das eigentlich ausschloss, da sich Menecerates sonst sicher an diese gewandt hätte, um Ratschläge einzuholen.

  • "Kein Klient, aber ich hatte sehr lange Zeit einen guten Draht zu Livianus. Mit ihm wäre die Aurata im Boot, aber ich habe es die letzten Monate nicht geschafft, ihn zu treffen. Wahrscheinlich weilt er außerhalb Roms." In vielerlei Hinsicht bedauerlich, wie Menecrates fand.

    "Danke für deine Zusage, sofern der Termin passt. Sehr schön auch die Aussicht, dass die Albata teilnehmen könnte."
    Weiter kamen sie an dieser Stelle nicht, denn als nächstes musste die Recherche wegen des Termins folgen. Hinter ihm lag eine zwar kurze, aber überaus ergebnisreiche Unterhaltung.


    "Darf ich dir noch einen kleinen Imbiss anbieten?" der Höflichkeit halber musste Menecrates diese Frage stellen, auch wenn sein Gast im Vorfeld bereits die Erfrischungen ausgeschlagen hatte. "Sollte dies deine Zeit nicht erlauben, wäre ich keineswegs gekränkt. Ich habe sehr von unserem Gespräch profitiert." Plötzlich kam ihm noch ein Gedanke, den er anfügte. "Es wäre mir außerdem eine Freude, solltest du zu der Ansicht gelangen, mich bei meiner Kandidatur zum Amt des Consuls mit einer positiven Anmerkung vor unseren Senatskollegen zu unterstützen." Er lächelte etwas verlegen. Sich anzubiedern, gehörte absolut nicht zu seinen Stärken.

  • Macer hatte den Besuch zwar nur als Abstecher gemacht, aber sein nächster Termin war nicht eilig, so dass er nicht gleich wieder los musste. "Einen kleinen Imbiss nehme ich gerne", antwortete er daher, kam dann aber gleich wieder zum eigentlichen Gesprächsfaden zurück. "Ja, Decimus Livianus scheint nicht in Rom zu sein. Ich habe ihn auch schon lange nicht mehr gesehen. Aber vielleicht halten ihn seine Pflichten als Curator Rei Publicae mehr auf Reisen, als ihm und uns lieb ist. Außer ihm ist mir aber auch niemand bei der Aurata namentlich bekannt." Bei Macers schlechtem Gedächtnis musste das nichts heißen, aber es erleichterte eben auch nicht das Knüpfen von Kontakten.


    Dann wechselte das Gespräch nicht unerwartet, sondern fast zwangsläufig direkt zur anstehenden Kandidatur von Menecrates. "Ich bin schon sehr gespannt auf deine Kandidaturrede. Hast du bersondere Ziele für dein Consulat?", erkundigte er sich dann.

  • Unmittelbar nach der Aussage seines Gastes, für einen kleinen Imbiss bleiben zu wollen, gab Menecrates an eine Sklavin ein Zeichen. Jene stand explizit für diesen Zweck bereit, um die Mitteilung schnellstens an die Küche weiterzuleiten. Der Wink erfolgte weitgehend unauffällig und Menecrates ließ das Gespräch dadurch nicht stocken.


    "Ja, so ist es wohl und es ehrt ihn auch, dass er seine Aufgabe sehr ernst nimmt." Trotzdem bedauerte Menecrates den fehlenden Kontakt aus vielerlei Gründen. Die Factiozugehörigkeit spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. "Ich habe mich im Vorfeld - soweit möglich - mit den einzelnen Factiones befasst. Ich habe sogar die Möglichkeit in Erwägung gezogen, selbst Mitglied einer Factio zu werden, um die Teilnahme dieser erwählten Factio hilfreich zu unterstützen. Schlussendlich halte ich das für keinen abwegigen Gedanken, er wirkt vielleicht nur etwas überstürzt." Es gelang Menecrates hin und wieder, sich selbst zu belächeln.
    "Einen Hinweis von dir fänd ich noch sehr hilfreich: Was wird in aller Regel als Preis für den Sieger angesetzt? Eine Geldprämie? Ein Kranz?"


    Als die Nachfrage zu besonderen Zielen für das Consulat kam, fühlte sich Menecrates wieder sattelfest. "Ja, die habe ich", bestätigte er. "Zentrales Thema meines Wahlkampfes ist die innere Sicherheit. Ich möchte dieses Thema nicht nur ansprechen, ich möchte die Sicherheit verstärken und dort, wo sie lückenhaft ist, wiederherstellen. Ein zweiter, auch nicht unwesentlicher Punkt, werden die Festtage sein. Während meines Amtsjahres wird kein Festtag ohne Opfer für die jeweilige Gottheit vergehen - sei es durch mich, einen anderen, von mir einzubindenden Magistrat, oder einen Priester. Ich möchte mit diesem lückenlosen Jahr eine stabile kultische Grundlage für ein friedliches Rom schaffen - sofern ich gewählt werde." Sicherlich gab es noch weitere Punkte, über deren Umsetzung er sich aber noch Gedanken machen musste, die ihm jedoch nicht minder wichtig erschienen.


    Eine Sklavin schwebte zum Säulengang und Menecratzes verhielt den Schritt. Er betrachtete zufrieden die Happen und ließ dem Gast die erste Wahl, indem er eine einladende Geste machte.
    Auf dem rechten Teller lagen halbierte Eier, deren Füllung aus hartem Eigelb und Kräutern bestand. Sie wurden von würzig gebratenen Schnecken flankiert. Den zweiten Teller zierten Teigwaren verschiedenster Füllung und Größe, dazu süße Beeren und Apfelstückchen. Menecrates wartete interessiert, ob Macer die süße oder die herzhafte Variante bevorzugte.

  • Wie ein wandelnder Schatten folgte ich den beiden Senatoren und bemühte mich jedes wichtige Detail ihres Gespräches zu notieren. Ja genauso wird es kommen, bestätigte ich für mich die Amtsvorsätze des Claudier. So wie ich ihn kennen und schätzen gelernt hatte, waren das bestimmt nicht nur Wahlkampffloskeln, denn er war ein Mann der Tat. Während die Beiden vor den kulinarischen Kleinigkeiten in inne hielten, dachte ich, er will nur das Beste für die Bevölkerung von Rom. Die innere Sicherheit und was für ihn genauso wichtig war, die Einbindung der Götter. Claudius Menecrates würde Wege finden, dies zu verwirklichen. Wie ich ihn mitbekommen hatte, war er an dem Geschehen in Rom interessiert und würde bei sich selber und bei allen anderen keine Nachlässigkeit durchgehen lassen.

  • "Eine schwere Wahl", kommentierte Macer die Auswahl an kleinen Leckereien und entschied sich dann nach kürzem Zögern für ein halbes Ei als ersten Happen. Noch während sein Gastgeber auch zugriff und bevor er selber von dem Ei kostete, beantwortete er dann die Frage nach dem Siegespreis für das Wagenrennen. "Nun, die Zeiten, in denen man bei einem Wettkampf mit einem Kranz winken kann und alle sind begeistert, sind wohl leider lange vorbei. Ohne einen Geldpreis oder etwas anderem von materiellem Wert wirst du dir wohl keine Freunde machen. Zumal die Factiones wohl wissen werden, dass sie für deinen Wahlkampf ein Rennen bestreiten und nicht zur reinen Ehre Roms oder so." Man musste wohl akzeptieren, dass es im Rennsport nicht mehr nur um reinen Idealismus und Sportsgeist ging, sondern ums Geschäft.


    "Hervorragend", kommentierte Macer dann das Ei, nachdem er davon gekostet hatte. "Und ein ansprechendes Programm. Was die Opfer angeht, hast du ja schon als Praetor Vorarbeit geleistet. Die Sorge um die Innere Sicherheit beruht auf den Unruhen nach den unglücklichen Spielen des Flavius, oder hast du da tiefere Beweggründen?", erkundigte sich Macer dann. Eine Reaktion auf die Unruhen erschien ihm als Grundlage für ein Amtsprogramm etwas wackelig und populistisch, zumal sich der Senat bislang noch nicht einmal mit der Angelegenheit befasst hatte. Die Stadteinheiten schienen alles schnell in den Griff bekommen zu haben, war zumindest Macers Eindruck.

  • Ein weiteres Mädchen traf ein. Auf ihrem Teller lagen knusprig gebratene Schenkelchen von Singvögeln. Wachteleier zierten den Tellerrand und in Teigkruste gebackene Gemüsesticks bildeten eine abwechslungsreiche Mitte. Die Sklavin stand nah genug beim Gast, damit der ihre Speisen vorab in Augenschein nehmen konnte, aber weit genug entfernt, um sich nicht bedrängt zu fühlen.

    Menecrates verfolgte die Hinweise zu den Rennprämien und nickte Faustus zu. Über die Höhe würden sich die beiden noch separat unterhalten müssen. Eine Idee der besonderen Art kam dem Claudier aber schon jetzt. Sonderlich verwundert, dass ein Wettkampf ohne Prämien nicht ging, zeigte er sich nicht. Das materielle Denken der Menschen nahm beständig zu. Für Ruhm und Ehre raffte sich kaum noch jemand auf, obwohl die Lenker ja auch an Ansehen gewannen, wenn sie sich der Menge in guter Verfassung zeigten.

    "Es leuchtet mir ein, dass Preise einen größeren Anreiz schaffen, aber du meinst, die Erwartungen oder Forderungen könnten bei mir größer sein, als bei einem Wettkampf zu Ehren einer Gottheit? Bitte nicht falsch verstehen, ich vergleiche mich nicht mit einer Gottheit." Er hob abwehrend die Hände und lächelte. "Aber um ehrlich zu sein, war ich naiv genug gewesen, um mit keinerlei Forderungen oder Erwartungshaltung gerechnet zu haben." Wie gut, dass er mit Macer sprach und nicht mit einem geschäftsverliebten Factiovorsitzenden.


    Sie wechselten wieder das Thema. Eines, das Menecrates nachhaltig beschäftigte. "Sicherlich habe ich mehrere Beweggründe, weswegen ich die innere Sicherheit zu meinem zentralen Wahlkampfthema gemacht habe. Da wäre einmal meine Überzeugung, dass ein Reich nur dann die äußeren Grenzen sicher halten kann, wenn die Sicherheit im Innern gewährleistet ist.
    Die Unruhen nach den Spielen sind auch nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite stellt der sorglose Umgang mit den Hinweisen im Vorfeld der Spiele dar. Ich höchst persönlich habe weder in den Parolen noch in den verübten Gewaltverbrechen Größe der Bedrohungslage erkannt. Ich habe angenommen, die Stadteinheiten werden es richten und bin zur Tagesordnung eines Praetors übergegangen. Und das, obwohl ich militärisch geschult bin und als Magistrat zudem eine besondere Verantwortung für unser Reich trage. Auf wen sollen sich die Bürger verlassen, wenn nicht auf uns? Nenne diesen Beweggrund persönliche Wiedergutmachung, wenn du möchtest."


    Er nahm sich einen Gemüsestick und merkte nicht, dass er ihn wie einen Dirigentenstab benutze, während er weitersprach.

    "Wir wähnen uns in Sicherheit, selbst dann, wenn die Anzeichen auf Sturm stehen. Mir ist, um ehrlich zu sein, nicht aufgefallen, dass unsere Stadteinheiten nach den ersten Anzeichen vermehrt patrouilliert wären. Und ich kann darüber eine Aussage treffen, weil die Basilica - als mein damaliger Arbeitsort - weitgehend zentral liegt. Ich hörte auch, dass die Zusammenarbeit unserer Stadteinheiten optimiert werden könnte. Dennoch werde ich nicht nach Fehlern suchen, sondern einzig nach Verbesserungen. Ich möchte Rom voranbringen und nicht kritisieren, denn dann müsste ich zuerst bei mir selbst anfangen." Er wiegte einsichtig den Kopf, bevor er fortfuhr.

    "Richtig ist aber auch, dass persönlich Erlebtes der entscheidende Auslöser ist. Ich befand mich beim Ausbruch der Unruhen auf den Zuschauerrängen. Ich schwebte in Gefahr und eine meiner Enkelinnen sogar in Todesgefahr. Meine minderjährige Nichte ist heute noch durch den Anblick eines getöteten Mannes traumatisiert. Ein Anwesen in meiner Nachbarschaft wurde abgebrannt und die Bewohner wurden umgebracht. Es hätte auch mein Haus sein können. Ich denke…" Er machte eine Pause, um seine nachfolgenden Worte zu betonen. "Es gibt kein Thema, dass die Menschen derzeit mehr beschäftigt. Wir sollten ihre Sorgen ernst nehmen. Ich möchte sie aufgreifen, möchte all das tun, was Menschen tun können, und darüber hinaus alles, um die größtmögliche Unterstützung durch die Götter zu erhalten."

    Erst jetzt biss er ein Stück des Gemüses ab. Gedankenverloren kaute er. Sein früheres Ziel beruflicher Natur stellte das Kommando einer Legion dar. Heute wollte er nach Höherem greifen. Ihm schien ein Consulat unter der Flagge 'Sicherheit' als este Voraussetzung, um sich für ein hohes militärisches Amt zu empfehlen. Das erstrebenswerteste Amt aus seiner Sicht. Bisher hatte er mit keinem darüber gesprochen, nur beim Kaiser hatte er es anklingen lassen.

  • So unterschiedlich konnte die Wahrnehmung also sein. Macer hatte den Aufstand bisher zwar als überdurchschnittlich groß, aber keineswegs also besonders besorgniserregend wahrgenommen. Bisher hatte er mit wenigen direkt Betroffenen gesprochen und Menecrates war der erste, der ihm gegenüber direkt angab, im Circus gewesen zu sein. Dass er die Situation dadurch gänzlich anders wahrgenommen hatte als Macer, war ihm klar. "Ja, das sind nachvollziehbare Beweggründe", stimmte er daher zu. "Und eine militärische Ausbildung hilft wohl kaum, um aus Schmierereien an den Wänden und ein paar Toten in den Straßen zu erkennen, ob ein Aufstand bevor steht. Selbst innerhalb einer Einheit Anzeichen für eine drohende Meuterei zu erkennen, erfordert viel Erfahrung und Feingefühl, da dürfte dies für eine Stadt noch ungleich schwieriger sein", zeigte er sich dann überzeugt, dass man die potenzielle Schuld am Übersehen der Anzeichen nicht zu groß einschätzen sollte. "Was natürlich nicht heißt, dass man allzu sorglos sein darf und nicht Ernst nehmen muss, was man zugetragen bekommt! Wobei die zugrundeliegende Sorge ja sicher nicht die um die Innere Sicherheit gewesen sein dürfte, sondern andere Sorgen die Aufständischen getrieben haben", spann Macer den Gedanken dann weiter. "Ich denke, da sind wir alle gefordert, dass wir nicht nur die Symptome bekämpfen und den Unmut unterdrücken, sondern die wirklichen Ursachen zu erforschen und dann anzugehen", stellte er dann fest, denn er wollte die Lösung des aufgeworfenen Problems nicht auf den Schultern eines einzelnen Wahlkämpfers abladen, sondern sah sich selber und den ganzen Senat dort genauso in der Pflicht.


    Er griff noch einmal zu dem Imbiss und entschied sich ebenfalls für einen Gemüsestick. "Wir opfern ja schließlich auch lieber allen Göttern rechtzeitig und großzügig, als nur zum Tempel zu ziehen, um ihren Zorn zu besänftigen", zog er dann noch einen schnellen Vergleich zu dem anderen Thema, bevor er den Stick in seinen Mund steckte.

  • "Ich sehe das ganz genauso wie du", erklärte Menecrates - teils überrascht, weil er eingangs gar nicht dachte, zu dieser Erkenntnis zu gelangen. "Ich habe bereits auf der Rostra eine Rede gehalten und dabei deutlich gemacht, dass ich mich sehr für die Ursachenforschung einsetzen werde. Prävention steht für mich an erster Stelle. Ich vermute Schichten in der Bevölkerung, die sich vernachlässigt fühlen, die unzufrieden mit der Wohn- oder Nahrungssituation sind oder sich schlicht nicht wahrgenommen fühlen. Bestätigt sich meine Vermutung als Ursache für die Unruhen, was abzuwarten bleibt, gilt es, die allgemeine Zufriedenheit im Staat zu erhöhen und zu halten. Das ist der Inhalt meines ersten Wahlversprechens.
    Gleichzeitig rechne ich mit der Erkenntnis, dass auch Personen, die nach Macht und Einfluss streben, involviert waren. Aber wie gesagt, zuerst müssen Ergebnisse vorliegen, dann können wir adäquat handeln."

    Jetzt regte sich der Durst und Menecrates ließ sich Quellwasser einschenken.


    "Wollen wir einen Tost auf die erfolgreiche Bewältigung der Unruhenursachen bringen?" Etwas Wein ließ er sich in einen separaten Becher füllen. Das Götteropfer stand noch aus.

  • Auch Macer ließ sich etwas zu Trinken reichen, während er seinem Gastgeber mit leichtem Nicken zuhörte und zustimmte. Dann wurde es ihm eine Spur zu feierlich und pathetisch, aber als guter Gast ließ er seinen Gastgeber natürlich gewähren. "Bitte, gerne", antwortete er daher und deutete mit seiner Gestik an, dass er dem Gastgeber den Vortritt bei der Formulierung des Toastes ließ. Zumindest nahm er an, dass dieser noch etwas sagen wollte und nicht die Frage auch gleich schon als Ausführung der Tat betrachtete.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!