Wandmalerei
Wie so vieles ist das meiste, was heute an römischer Wandmalerei erhalten ist, in Pompeji gefunden worden. Gräbt man anderweitig Häuser aus, bleiben oft nur Bruchstücke, die man in mühevoller Kleinarbeit zusammensetzen muss. Doch die pompejanischen Häuser zeigen uns, wie prunkvoll es auch im übrigen römischen Reich an heimischen Wänden ausgesehen haben kann.
Die Malerei wurde von August Mau in vier Stile eingeteilt, die jeweils einen ganz eigenen Charakter haben und zeitlich aufeinander folgen. Da sie fast ausschließlich nach der Kunst Pompejis aufgestellt wurden, heißen sie pompejanische Stile und deren Entwicklung hört natürlicherweise mit dem Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. auf.
Inhaltsverzeichnis
Der erste Stil
Der erste Stil (ab dem 2. Jhrd. v. Chr.), oder auch Inkrustationsstil genannt, hat Vorläufer im Hellenismus und bildet die Außenseite der Wände nach. Mit Farben, Ritztechnik oder Stuck werden Marmormauern imitiert (der gehobene Römer hätte sicherlich auch innerhalb des Hauses Marmor bevorzugt, aber dieser wäre für die Innenwände zu schwer und für viele auch zu teuer gewesen). Die Wand wird dabei in drei Teile geteilt: Sockelzone, Orthostatenzone und Oberzone. Die Sockelzone war meist einfarbig, die Orthostatenzone bestand aus großen schwarzen oder weißen Quadern und die Oberzone zeigte bunte ziegelartig angeordnete kleinere Quader, die plastisch herausgearbeitet sein konnten oder zumindest mit Schattierungen versehen wurden. Häufig war oberhalb dieser Zone ein Stuckgesims angebracht. Der Unterschied zu den griechischen Vorbildern ist nicht groß: die Verhältnisse der einzelnen Zonen sind unterschiedlichen und die römischen Wände sind an den Ecken abgeschlossen, während die griechischen verzahnt ineinander übergehen.
Der zweite Stil
Der zweite Stil (um 100 bis 20 v. Chr.) oder Architekturstil zeigt, wie der Name schon sagt, Architektur. Mithilfe von Ausblicken nach draußen, Scheinfenstern oder aufgemalten Säulengängen versuchte man, die Weite ins Zimmer
zu holen.
Besonders kleine Zimmer wurden so optisch vergrößert. Mythische Landschaften mit Göttern oder kleinen Tempelchen bildeten effektvolle Hingucker. Beliebt waren Theaterarchitekturen, die in die Tiefe gingen und so illusionistisch den Raum größer wirken ließen. Mit der Zeit wurde die Architektur immer irrealer, dünne Säulchen trugen große Dächer, man stellte dar, was unmöglich war, zu bauen. Die Wand wurde wieder flacher, die Räumlichkeit zurückgenommen und schließlich in ebene Wandflächen zurückgeführt. Zu diesem Stil gehören auch die großen Megalographien, wie beispielsweise die, die der Mysterienvilla ihren Namen gegeben haben. Dort nehmen die Figuren, die an einem Initiationsritus aus den dionysischen Mysterien teilnehmen, die ganze Wandfläche ein.
Der dritte Stil
Der dritte Stil (ca. 20 v.Chr. – 50 n. Chr.) wird auch Kandelaberstil genannt. Hier treten das erste Mal große, erzählende Mythenbilder auf, die zentral an die Wände angebracht und die durch Kandelaber oder dünne Säulchen abgetrennt werden. Statt großer Mythenbilder kann aber auch das Feld nahezu leer sein und eine einzige Person oder ein Pärchen tragen, sodass die kräftige Farbe des Hintergrundes, wie rot oder schwarz, voll zur Geltung kommt. Ober- und unterhalb dieses mittleren Feldes bleiben die Zonen bestehen. Im Sockel werden oft kleinere Szenerien gezeigt, mit Tieren, Schiffen, Putten, Göttern oder Alltagsgegenständen. In der Oberzone bleiben oftmals die
Architekturen erhalten, wie man sie aus dem zweiten Stil kennt.
Der vierte Stil
In diesem Stil wird alles aufgenommen und gemischt – es ist praktisch alles möglich und kombinierbar. Die Wand kann in vielerlei Felder geteilt werden, die dünne Architekturen, kleine Szenen, Ausblicke und dergleichen zeigen, doch im Mittelpunkt bleibt meist das Mythenbild bestehen. Man kann also die vorangegangenen Stile als Grundstile sehen und den vierten als einen weiterführenden, der im Grunde nichts Neues einführt, sondern schon Dagewesenes neu zusammensetzt.
Allgemeines
In den Häusern kann man z.T. alle Stile nebeneinander finden, obgleich die Bilder des 4. Stils sehr viel häufiger auftreten. Das liegt an dem Erdbeben 62 n.Chr., das viele Häuser baufällig machte, sodass die Wände neu bemalt werden mussten.
Die mythologischen Szenen der beiden letzten Stile haben unterschiedlichen Charakter. Im dritten Stil wurden viele Mythen nebeneinander gezeigt, die oftmals Ideale ausdrücken, wie Tapferkeit oder eheliche Tugenden. Im vierten Stil wurde die Kunst freizügiger und die Kompositionen einfacher, die Erotik der Szenerie spielte eine ganz entscheidende Rolle. Zudem wurden einzelne Themen beliebt, die immer wieder miteinander kombiniert wurden. Am beliebtesten waren Venus und Ariadne, sowie junge Männer in allen mythologischen Varianten.
Man hat oft versucht, von der pompejanischen Wandmalerei auf die verlorene griechische Tafelmalerei zu schließen, doch dies gestaltet sich schwierig. Es gibt immer wieder ähnliche Kompositionen, doch kaum ein Bild ist genau wie das andere, sodass es schwer ist, auf das Original abzuleiten. Dies lässt auf Vorlagenbücher schließen, aus denen beispielsweise der Hausherr auswählen konnte, welches Motiv er gern hätte. Möglicherweise waren diese nur als grobe Komposition angegeben, sodass der ausführende Maler die Details nach eigenem Ermessen ausgestalten konnte.
Mit der Wandmalerei versuchte man einerseits seinen Reichtum zu zeigen, andererseits auch seine Bildung, da man beim Gelage wunderbar über die Mythen debattieren konnte, die an der Wand dargestellt waren. Man findet derartige Kunst natürlich vor allem in den großen und reichen Häusern Pompejis.
In Geschäften finden sich Wandmalereien selten, doch auch hier kommen sie vor, beispielsweise Darstellungen von Essbarem in Garküchen, Liebesdarstellungen in den Bordellen oder in den Bädern. Diese haben aber oftmals eine minderwertigere Qualität.
Literatur
Harald Mielsch, Römische Wandmalerei, Darmstadt 2001.
Donatella Mazzoleni - Umberto Pappalardo, Pompejanische Wabdmalerei, München 2005 (Großer Bildband).
August Mau, Geschichte der decorativen Wandmalerei in Pompeji, 1882.