Einmal quer durch Rom

  • Zitat

    "Ja, es sind Unterlagen zum gerade durchgeführten cursus res vulgares. Und Notizen zu möglichen Fragen für den neuen Kursus, den wir vorbereiten. Im Angebot sind neben dem in einigermaßen regelmäßigen Abständen stattfindenden CRV vor allem die weiterführenden Kurse Cursus Medicina (Medizin), Cursus Architectura I (Wohnbauarchitektur), Cursus Rebus Mercatoris (Wirtschaft) und Cursus Muneribus Ludis Aleisque (Brot und Spiele). Wie ich eben schon erzählte, kann man sich zu diesen jederzeit anmelden." Ursus sprach, während sie den Gang hinunter gingen, um die Schola zu verlassen. "Hast Du damals in Hispania eigentlich auch Medizin gelehrt?"


    Nachdem sie das Scholagebäude verlassen hatten, ließ Valeria Ursus die Führung. Männer mochten so etwas gern, und sie ging davon aus, dass der Aurelier keine Ausnahme darstellte.
    "Welchen Kurs bereitet ihr denn vor?" wollte sie wissen. Bei seiner Aufzählung musste sie schmunzeln, dann nickte sie. "Den Architectura habe ich auch absolviert", meinte sie leichthin. "Aber der Rest klingt auch ganz interessant. Vielleicht melde ich mich nach meiner Dissertation ja zu einem an." Sie zuckte mit den Schultern. Noch konnte sie nich abschätzen, wie viel Zeit sie dazu brauchen würde. "Ja, wenn es auch nicht lange gedauert hat, bis mich das Reisefieber gepackt hat", erzählte sie. "Ich war im Iatreion angestellt. Das ist ein eigenes Gebäude zur Forschung und Behandlung von Kranken. Ich dort habe einige Geburten mitgemacht, und was sonst so anfällt." Sie erinnerte sich noch gut an die Männer, die wie aufgewühlte Stachelschweine herumgewuselt waren, während ihre Frauen in den Wehen gelegen hatten. "Hast du denn Kinder?" fragte sie geschickt zum Thema passend nach einer möglichen Ehefrau des Aureliers.

  • Ganz selbstverständlich übernahm Ursus die Führung. Das war nicht einmal eine bewußte Handlung, sondern die reine Gewohnheit. Wer auch immer ihn begleitete, ob Sklaven oder Familienmitglieder, irgendwie war er immer derjenige, der den Weg wählte. Gut, wenn er mit Corvinus unterwegs wäre, dann würde es vielleicht anders sein. Aber er konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann sie einmal zu Fuß zusammen in der Stadt unterwegs gewesen waren.


    Er mußte schmunzeln, als sie abermals nach dem Kurs fragte. Ein guter Versuch, ohne Frage. "Wie schon erwähnt, ist es noch nicht öffentlich bekannt, deshalb darf ich Dir noch nichts Näheres dazu sagen. Sollte aber Avarus Dich sogleich als Mitarbeiterin annehmen, können wir gerne nach unserem Besuch bei ihm darüber sprechen." Schließlich konnten sie bei den Vorbereitungen durchaus noch Hilfe gebrauchen.


    Ihre Antwort bezüglich seiner Frage nach ihrer Ausbildungstätigkeit war zugleich eine Antwort auf viele Fragen. Wenn sie hauptsächlich praktisch gearbeitet hat und nebenbei ausbildete, war verständlich, warum die Praxis bei ihr so einen hohen Stellenwert hatte. Für Ursus war der goldene Weg der Mittelweg zwischen ihrer Arbeit und der von Avarus. Wenn die beiden sich zusammentaten, würde die medizinische Ausbildung gewaltig an Qualität gewinnen.


    "Kinder? Nein, leider noch nicht. Aber ich hoffe, daß es nicht mehr allzu lange dauert. Ich beabsichtige, mich bald zu verloben, die Verhandlungen sind bereits im Gange. Und wie ist es mit Dir? Hast Du Kinder?" Dabei war das natürlich auch eine versteckte Frage nach ihrem Mann. Er mußte sehr tolerant sein, wenn er seiner Frau erlaubte, so viel zu arbeiten.

  • Naja, einen zweiten Versuch war es wert gewesen, überlegte Valeria sich und zuckte leicht mit den Schultern, als Ursus ihr immer noch nichts verraten wollte. "Na gut, dann werden wir sehen." Sie glaubte allerdings nicht so recht, dass Avarus sie sofort wieder einstellen würde. Andererseits war er zufrieden gewesen mit ihrer Leistung in Spanien... So blieb es wohl doch nur abzuwarten.


    "Oh", machte sie dann bei seiner Bemerkung zur Verlobung. "Ich nehme an, der Name der Glücklichen ist auch noch nicht spruchreif?" neckte sie ihn, indem sie auf das große Kursgeheimnis anspielte. "Ich... habe keine Kinder, nein", erwiderte sie, plötzlich ernst geworden. Dass sie eine Totgeburt gehabt hatte, damals in Germanien, musste keiner wissen. "Aber ich möchte unbedingt einen ganzen Stall voll haben, auch wenn ich mich da wohl beeilen muss", fügte sie hinzu und lächelte leicht. "Leider stehen bei mir die Verhandlungen noch in den Sternen, weißt du." Sie gingen um eine Ecke herum und an einem Brunnen vorbei. "Wie kommst du eigentlich zur Schola?"

  • Ursus lachte und nickte. "Genau so ist es. Wie Du siehst: Ich bin ein Mann voller Geheimnisse." Denn bevor die Verlobung nicht offiziell gemacht wurde, war es besser, nicht zu viel herumzutratschen. Was, wenn doch noch etwas dazwischen kam? Das wäre ihm doch etwas zu peinlich.


    Daß sie so plötzlich sehr ernst wurde, ließ Ursus kurz innehalten. Hatte er in ein Fettnäpfchen getreten? Etwas falsches gesagt? Aber dann sprach sie über ihre Kinderwünsche und lächelte sogar. "Auch ich wünsche mir viele Kinder und hoffe, daß meine zukünftige Frau das genauso sieht." Ah, anscheinend war sie durchaus heiratswillig und auf der Suche nach einem passenden Mann. "Rom ist so riesig und voll von Menschen. Wo, wenn nicht hier, hast Du die größte Auswahl an möglichen Heiratskandidaten?" Außerdem kam sie aus einer guten Familie. Eine gute Voraussetzung, einen guten Ehemann zu bekommen.


    "Nunja, es wurde händeringend nach Personal gesucht und ich hatte gerade kein Amt inne. Außerdem bin ich immer schon ein wißbegieriger Mensch gewesen. Hier gibt es eine umfangreiche Bibliothek, die meiner Wißbegierde entgegen kommt. Wie hat es denn Dich zur Medizin und zur Lehre verschlagen?"

  • Valeria hob bei der geheimnisvollen Aussage nur die Brauen, sagte aber nichts dazu. Sie fand es seltsam, dass ein Patrizier, den sie kaum kannte, mit ihr scherzte, wie es vielleicht ein guter plebejischer Bekannter getan hätte. Also ging sie nicht darauf ein und trug nur einen neutralen Ausdruck zur Schau.


    "Eben das dachte ich mir auch", erwiderte sie auf seine Bemerkung hin, im Rom sicher fündig zu werden. Sie hatte entsprechende Schritte ja schon eingeleitet. Es war eigentlich seltsam, sich selbst einen Mann zu suchen, aber Mattiacus war für sein Tribunat abgereist und bei Livianus wollte sie unter keinen Umständen, dass der damit was zu tun hatte. Ansonsten gab es bei den Decimern niemanden, den sie hätte einspannen wollen.


    "Ist das so? Na, dann habe ich ja vielleicht doch die besten Chancen gleich bei Avarus", sagte Valeria und schmunzelte. "Ich hatte damals Lust an diesem Medizinkursus, und ich kannte den Iatros schon von früher. Und nach der Prüfung hatte ich ihn dann nach Germanien begleitet, das war sehr interessant." Valeria erinnerte sich noch sehr gut an die Reise. Wie es ihrem alten Freund wohl erging auf Capri? Sie musste ihm dringend wieder schreiben. Er war der einzige gewesen, dem sie regelmäßig Briefe hatte zukommen lassen, selbst während der Phase ihrer Selbstfindung in den letzten Jahren. Aber wie es ihm ging, das wusste sie nicht, denn nie hatte ein Brief von ihm sie erreicht. "Bei der Schola hatte ich damals angefangen, weil ich in Tarraco nach einer interessanten Arbeit gesucht hatte. Da war es noch Adria gewesen, die mich eingestellt hatte."

  • Von ihren Gedanken, daß sie seine lockere Scherzerei seltsam fand, ahnte Ursus natürlich nichts. Es hätte ihn auch verwundert, denn er sah sie nach ihren Worten bereits quasi als Kollegin an. Und in solch einem Fall fand er sein Verhalten nicht unangemessen. Doch die Scherzerei erledigte sich ohnehin, da sie nichts mehr darauf erwiderte.


    Er hingegen ließ das Thema der Suche nach einem Ehemann für Valeria nun fallen. Denn hier bewegten sie sich seiner Meinung nach langsam auf einem Gebiet, das für eine Unterhaltung zwischen fast Unbekannten ein wenig unpassend war. Ihre eher kurze Antwort nahm er als Zeichen, daß sie es ähnlich sah wie er.


    "Es war so", sagte Ursus, denn er hatte ja von dem Zeitpunkt gesprochen, an dem er zur Schola gekommen war. "Inzwischen haben wir wieder ein paar mehr Mitarbeiter. Aber optimal besetzt sind wir meiner Meinung nach noch nicht. Und gerade das Fachgebiet der Medizin lastet allein auf den Schultern von Germanicus Avarus." Natürlich, gerade Avarus war sehr eigen, was die Einstellung von Personal anging. Aber ihre Chancen standen nicht schlecht. "Als ich zur Schola kam, hatte bereits Germanicus Avarus das Ruder übernommen. Wie lange hast Du für die Schola gearbeitet?"

  • Da kam auch schon die Einschränkung. Na, Valeria ließ sich nicht entmutigen. Sie hatte schließlich schon gezeigt, dass sie engagiert war, und konnte sich darauf berufen. "Dann wollen wir doch mal sehen, ob er seine Schultern entlasten lässt", erwiderte sie verschmitzt.


    "Oh, lass mich überlegen... Das müssen 3 oder 4 Jahre gewesen sein", antwortete sie ihm. "Ja, wie ich erfahren habe, hat sich Adria zurückgezogen und ist gar nicht mehr in Rom. Avarus war aber schon immer der stellvertretende Rector, wenn ich da richtig informiert bin." Valeria strich sich das Haar zurück. Sie hätte ja schon gern gewusst, wer Ursus' Frau werden würde. Aber sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als danach zu fragen.

  • Ursus lächelte. "Eigentlich wäre er dumm, wenn er es nicht zulassen würde. Aber wer weiß schon, was hinter seiner Stirn vorgeht? Manchmal sind seine Entscheidungen mehr als überraschend." Und leider oft von Gründen geleitet, die Ursus nicht besonders sachlich fand.
    "Drei oder vier Jahre? Das ist lang!" Ursus staunte. Damit hatte er nicht gerechnet. Wenn sie so lange mitgearbeitet hatte, dann mußte sie auch gut sein. Wieviel Beweis ihres Könnens und ihrer Zuverlässigkeit brauchte man noch? Zumal Avarus dann ja wissen mußte, ob ihre Kurse gut gewesen waren. "Adria habe ich leider nie persönlich kennen gelernt. Aber sie muß eine sehr gelehrte und tatkräftige Frau sein, nach allem, was ich von ihr gehört habe." Ungewöhnlich, wie er fand. Auch Valeria fand er sehr ungewöhnlich. Frauen waren selten so - nun, selbständig und tatendurstig. Ja, vielleicht sogar ehrgeizig.

  • Es war vermutlich gut, dass Valeria Ursus' Gedanken nicht hören konnte, sonst wäre sie nun in herzhaftes Lachen ausgebrochen. Wenn er sie so schon ehrgeizig fand, was hätte er dann nur gesagt, wenn er sie als junge Frau Anganf zwanzig in Tarraco schon gekannt hatte? So aber erübrigten sich diese Gedanken, und ihr Gespräch drehte sich beständig weiter um ihre mögliche Anstellung an der Schola. Valeria beschloss, das Thema zu wechseln. Sie würden bald sehen, was Avarus davon hielt, da half auch alles Spekulieren nicht.


    "Und du warst immer schon hier in Rom?" fragte sie also. Dass er ein Senator war, war schließlich unübersehbar, danach brauchte sie kaum zu fragen.

  • Wie gut, daß Gedankenlesen nicht zu den Fähigkeiten gehörte, die von Menschen zuverlässig erlernt werden konnte. Sonst würde manches Gespräch unerfreulich enden. Auch dieses, denn vermutlich wäre Valeria nicht sehr begeistert von seinem eher traditionellen Frauenbild.


    "Nunja, nicht durchgehend. Aber ich bin in Rom geboren und aufgewachsen. Ich verbrachte einige Jahre in Griechenland. Ein Jahr verbrachte ich in Germanien, wo ich mein erstes Tribunat ableistete. Und eines in Mantua, wo ich mein zweites Tribunat ableistete. Aber ansonsten war ich immer hier in Rom. Du bist schon etwas weiter herumgekommen als ich, wie es scheint. Hispania, auf jeden Fall. Germanien hast Du auch erwähnt. Hast Du noch weitere Reisen unternommen?"

  • "Griechenland steht besonders beim Adel hoch im Kurs, was die Bildung angeht", bemerkte Valeria und nickte. "Viel zu wenige suchen in Ägypten nach Wissen. Dabei lohnt sich das allein schon wegen des Museions in jedem Falle. Jetzt wo du Senator bist, wirst du dort nicht mehr hinkommen." Sie warf Ursus einen freundlichen Seitenblick zu. "Ich habe selbst eine Weile in Germanien gelebt. In Ägypten war ich auch. Ich habe schon viel von der Welt gesehen", erklärte sie und stutzte. Dann musste sie lachend den Kopf schütteln. "Wenn ich mich so reden höre, glaube ich sogar selbst, dass ich eine alte Frau bin. Ist das nicht dumm von mir? Ich sollte jedem erzählen, ich sei ein naives Landei, das nicht mehr kennt als ihr Geburtsdorf in Spanien und ein wenig von Rom." Valeria kicherte vor sich hin und schüttete weiter den Kopf. "Ich war sogar mal in Mantua und habe eine Weile als Priesterin dort gearbeitet. Man kommt viel rum, wenn man mit einem Legaten...reist." Dass sie mit ihm zusammen gewesen war, ging niemanden etwas an.

  • "Das Museion mag eine ausgezeichnete Bildungsstätte sein, aber die Reise nach Aegyptus ist weitaus länger und gefährlicher als nach Griechenland. Außerdem ist in Aegyptus doch eher mit Aufständen und Unruhen zu rechnen. Also, ich würde meine Kinder auch eher nach Griechenland schicken als nach Aegyptus." Ursus zuckte mit den Schultern. Es mochte schon sein, daß die Ausbildung am Museion noch besser war als die in Achaia, doch es war immer die Frage, ob der Aufwand den Nutzen aufwog. Man konnte sich auch in Rom noch weiterbilden, wenn man aus Achaia heimkam.


    "Du hast wahrhaftig schon viel gesehen und ich glaube kaum, daß man Dir das naive Landei ohne Weiteres abnehmen würde." Ursus lachte bei dieser Vorstellung. "Ich habe sagen hören, daß es auch sehr alte Landeier gibt, die nie aus ihrem Dorf herauskamen. Und auch wenn Du schon viel gesehen und erlebt hast, kann man Dich kaum als auch nur ansatzweise alt bezeichnen." Sie war mit einem Legaten gereist und hatte in Mantua gelebt? Ja, Ursus war durchaus neugierig, aber er fragte trotzdem nicht. Es wäre mehr als unhöflich gewesen. Außerdem ließ es ich herausfinden, wann sie dort Priesterin gewesen war und wer zur gleichen Zeit die Prima kommandierte. Wenn es ihn tatsächlich so sehr interessierte. Aber vermutlich hatte er es längst vergessen, wenn er wieder nach Mantua kam. Falls er wieder nach Mantua kam.

    "Gibt es eigentlich noch Länder, die Du gerne besuchen würdest? Ich meine, die Dich so richtig reizen? Ich selbst würde gerne mal Britannia besuchen, es soll auf eine raue Art sehr schön sein." Er war noch jung, warum sollte er nicht einmal dorthin gelangen?

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