Cnaeus Decimus Casca

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    | Nicon


    Komisch! In letzter Zeit verschwanden ziemlich viele Sklaven der Decima! Zuerst Silas und nun auch noch diese Neue mit dem komischen Namen, der eher an einen bösen Hund erinnerte! Aber eigenlich war das auch nicht so schlimm, denn Nicon mochte Grian nicht besonders. Aber das Silas einfach so verschwunden war, konnte er nicht nachvollziehen.
    Seitdem er sich aus dem Staub gemacht hatte, blieb nun alles an Nicon hängen. Jedes Mal wenn es an der Tür klopfte oder Post für die Herrschaften abgegeben wurde, fiel der Name Nicon. Nicon hier, Nicon da! Da konnte dem jungen Sklaven manchmal schon der Spaß vergehen!


    So war es auch heute. Eigentlich hatte er sich mit Iphigenie, die er liebevoll Iphi nannte, im hortus treffen wollen. Bis vor kurzem noch hatte er alle Mädchen doof gefunden. Iphi aber war ganz anders! Sie war nicht so zickig, wie Silas‘ dämliche Schwestern und garantiert nicht auf den Mund gefallen. Besonders letzteres hatte Nicon sofort an ihr imponiert, als er sie zum ersten Mal getroffen hatte.
    Hätte man es gewagt, den jungen Laufburschen als ‚verliebt‘ zu bezeichnen, dann hätte man von ihm garantiert sein Fett abbekommen. Denn Nicon war sehr kreativ, wenn es darum ging, jemanden einen Streich zu spielen.


    Wieder hatte ein Bote seinen Weg zur Casa Decima Mercator gefunden und dort eine Tabula abgegeben. Kurz darauf hallte Nicons Name durch den Wirtschaftsbereich, des Hauses, was der junge Sklave mit einem mürrischen Seufzer quittierte. Notgedrungen musste er seine Verabredung nach hinten verschieben und schlappte gelangweilt zurück ins Haus. Dort nahm er die Tabula entgegen und trug sie sofort zu dem entsprechenden Adressaten. Dabei handelte es sich um Dominus Casca. Bevor der Junge die Tabula jedoch ablieferte, betrachtete er sich neugierig das Siegel. Zu seinem Erstaunen hatte er das Siegel der Cohortes Urbanae erkannt. Ob das etwas mit dem Verschwinden von Dominus Cascas neuer Sklavin zu tun hatte?
    Weitaus motivierter lief er nun zu Dominus Cascas Arbeitszimmer und klopfte an der Tür.

  • “Nun lass mich das doch machen, Casca!“, brachte mein Sklave mir entnervt entgegen, während er so hinter mir stand und einen Gladius in der Hand hielt.
    “Oh nein, Muckel! Ich werde dieses Tier höchst selbst erlegen!“, blaffte ich entschlossen zurück, während auf Knien hinter einer vorgeschobenen Truhe lag und mit dem Oberköper fast auf dem Boden lag, während ich in den bösen Spalt im Mauerwerk hinein spähte.
    “Aber dein Knieeee!“
    Sicher hatte Muckel recht, denn es schmerzte fürchterlich, doch der Kampfgeist der entbrandten Jagdlust war im augenblick einfach stärker, zumal schon wieder drei meiner Manuskripte angefressen waren und üble Hinterlassenschaften dieses infamen Monstrums in meiner Wand auf einem meiner Teller zu finden waren, wo es sich über Nacht an den Resten bedient hatte. Doch nun klopfte es an der Tür.
    “Nun schon dich doch, Dominus!“, brachte Muckel heraus. “Ich werde das schon machen!“
    “HEREIIIN!“, rief ich nun recht vernehmlich, was mich aber nicht von dem Spalt abbrachte.
    “Kannst du wenigstens etwas sehen?“, wollte Muckel wissen.
    “Ja, da hat sich etwas bewegt!“ Ich ächtze schwer, weil mein Knie höllisch zu schmerzen begann, doch ich wand meinen Arm nach hinten, ohne mit den Blicken von der Regung in der Wand abzulassen. “Den Gladius, Muckel!“, forderte ich mit der Hand wedelnd.
    “Ich weiß nicht. Er gehört Dominus Serapio!“
    “Dann wird er einmal mehr seine Pflicht tun!“
    In der Tat hatte Vetter Serapio das Schwert mal liegen gelassen und ich hatte es gefunden und an mich genommen und versäumt es wieder zurück zu geben, weshalb im Regal meiner Pferdefigurensammlung eine Weile sein Dasein gefristet hatte. Inzwischen hatte ich es völlig vergessen, doch nun war gut, dass es spontan greifbar gewesen war.
    Muckel seufzte und reichte mir den Gladius, mit welchem ich hoffentlich todbringend in das Loch hinein stieß.
    “Ist sie tot?“
    Ich lauschte kurz und schaute noch einmal. Dann erinnerte ich mich, dass es ja geklopft hatte und ich hob den Kopf über die Truhe hinaus, wobei ich mich ein wenig aufrichtete. Nicon stand da. Der Junge, der Silas in letzter Zeit ersetzte, seit dieser verschwunden war. Das kam öfters vor. Auch Grian hatte ich schon eine Weile nicht mehr gesehen, was mir aber erst vor einigen Stunden aufgefallen war, als ich jemanden gesucht hatte, der mir das Bein noch einmal massierte. Das konnte sie einfach am besten. Niemand wusste so recht, wohin sie entschwunden war, was mir nun doch Sorge bereitet hatte, aber dann war ich wieder sehr beschäftigt gewesen.
    “Nicon. Was gibt es? Wie du siehst bin ich beschäftigt!“ Meine Stimme klang recht unwirsch. Sonst mochte ich den Jungen recht gerne. Nun im Moment war seine Anwesenheit ein wenig ungünstig.

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    | Nicon


    Als er die Tür öffnete und der Junge den Decimer und dessen Sklaven mit einem Gladius herumfuchteln sah, verschlug es ihm erst einmal die Sprache. Besonders interessant war aber die Tatsache, dass der Herr auf dem Boden herumkroch und sein Sklave hinter ihm stand. Offenbar galt es, einem Tier den Garaus zu machen. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Beinahe wäre ihm sogar die Tabula aus seinen Händen gefallen. Herrje, sollten sich denn schon wieder Mäuse oder gar Ratten in der Casa eingenistet haben? Allerdings war dafür ein Gladius sicher das ungeeignetste Instrument, um diese Tiere zu jagen. Um Mäuse oder Ratten zu fangen brauchte es viel Geduld und ein Stück Speck! Nicon war auf diesem Geiet sozusagen ein Experte, denn einer seiner Lieblingsstreiche war es, Mäuse zu fangen und damit die weibliche Sklavenschaft in Angst und Schrecken zu versetzen, Hei, war das immer ein Spaß, wenn alle zu kreischen anfingen, nachdem er das zuvor gefangene Tier wieder laufen ließ! Besonders spaßig wurde es, wenn manche der Sklavinnen sich auf einen Schemel oder gar auf den Tisch zu retten versuchten. Einmal war eine der Küchenhilfen beinahe auf den Herd gesprungen und hätte sich beinahe verbrannt. Damit hatte er sich einen saftige Strafe eingeheimst, die ihm noch in Erinnerung geblieben war.


    Erst der unwirsche Ton des Dominus erinnerte Nicon wieder an seine Aufgabe.
    Der Junge räusperte sich. „Dominus, da ist Post für dich! Von den Cohortes Urbanae. “, erklärte Nicon mit piepsiger Stimme, trat ein Paar Schritte näher, um ganz nebenbei zu erhaschen, womit der Herr am Boden und sein Sklave hinter ihm denn nun wirklich beschäftigt waren. Dabei hielt er die Tabula dem Leibsklaven des Dominus achtlos entgegen.



    Ad
    Cnaeus Decimus Casca
    Casa Decima Mercator
    Roma


    M. Octavius Maro Cn. Decimo Cascae s.d.


    es hat sich ergeben, dass eine deiner Sklavinnen von den Cohortes Urbanae verhaftet wurde. Du kannst besagte Sklavin, die auf den Namen Grian hört nun bei der Castra Praetoria abholen. Zeige dieses Schreiben dann der Wache am Tor zur Bestätigung vor.


    Grüße


    Marcus Octavius Maro
    Centurio
    Cohors XII · Centuria III
    Cohortes Urbanae


  • So schaute ich also dem jungen Sklaven entgegen, während dieser verkündete, was nun sein Begehr war.
    “Post von WEM?, wollte ich dann bass erstaunt und ein wenig entgeistert wissen.
    “Von den Cohortes Urabanae!“, wiederholte mein Sklave sehr deutlich, fast schon so als hielte er mich für debil.
    Empört schaute ich zu auf. “Ja, Muckel, das habe ich verstanden!“, schnauzte ich ihn nun an. “Aber warum?“
    Beide blickten wir nun Nicon wieder entgegen.
    “Hast du etwas angestellt?“, wollte mein Sklave dann etwas erschrocken wissen.
    “Ach was!“, winkte ich ab und rappelte mich unendlich mühselig auf die Beine, wobei mein Sklave mir schließlich dann auch mal behilflich war. Ächztend schlurfte ich dann ob meines schmerzenden Beines dann noch mit dem Gladius in der Hand Nicon entgegen. “Das ist bestimmt Post für Serapio!“, mutmaßte ich dabei. “Was macht die denn bei mir? Hast du dich in der Tür geirrt?“ Ich blickte Nicon fragend an und forderte dann das Schriftstück mit ausgestreckter Hand. Es war an mich adressiert, was aber gar nicht sein konnte. Ich hatte nichts mit den Cohortes Urbanae zu tun und kannte auch niemanden dort. Hastig überflog ich den Text und musste feststellen, dass ich wohl doch jemanden kannte.
    “Sie haben Grian verhaftet!“, entkam es mir, obwohl ich mich eher sprachlos fühlte und las noch einmal nach, ob es nicht doch ein Irrtum war. Aber dort stand nach wie vor zu lesen, dass sie es war und ich sie abholen sollte. Und ich hatte mich schon gewundert, wo sie steckte. Und nun wusste ich es, aber eben nur nicht warum. Und genau dieser Punkt verursachte mir spontan sehr große Bauchschmerzen.
    “Soll ich Dominus Serapio informieren? Der kennt sich mit den Cohortes….“
    Ich winkte schnell ab. “Nein, nein, nein, Muckel!“, sagte ich sofort. Ich wusste ja gar nicht, was Grian angestellt hatte und wenn es nichts allzu Gravierendes war, dann brauchte mein Vetter eigentlich nichts zu erfahren. Er stand sich meines Wissens nicht gut mit Grian und es würde nur die Stimmung trüben. Ich ließ Tafel und Schwert sinken und gab mir einen Ruck.
    “Komm Muckel! Wir müssen zur Castra Praetoria!“ Dann machte ich mich auch sogleich auf den Weg und bog auch sogleich ums Eck. Muckel schaute mir kurz nach und folgte mir dann. An der Tür wären wir beinahe zusammen gestoßen. Ich kam nämlich noch einmal zurück, um Nicon Serapios Gladius in die Hand zu drücken, den ich noch bei mir führte. “Überbring das Dominus Serapio. Er hatte es vergessen. Wo weiß ich nicht mehr!“ Ich drehte mich um und ging wieder los. Dann fiel mir aber noch was ein. “Und sorge dafür, dass die Mäuse hier verschwinden!“, wenn ich schon einmal dabei war. Dann entschwand ich endgültig.


    [...]

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    | Nicon



    Nicon hatte sich nicht in der Tür geirrt, deshalb schüttelte er eifrig mit dem Kopf, nachdem er Dominus Casca und dessen Sklaven interessiert beobachtet hatte. Doch sein Hauptinteresse galt nun plötzlich dem Schwert, das der Dominus in seiner Hand mit sich trug als er auf ihn zuging. Zu gerne hätte er es auch einmal gehalten. Aber selbst Dominus Serapio hatte ihm das bisher noch nicht erlaubt.


    Als der Junge jedoch hörte, dass man Grian verhaftet hatte, wurden seine Ohren immer größer und das Schwert rückte wieder mehr in den Hintergrund. Dummerweise aber gab das Schreiben nicht viel über die Gründe her, weshalb man die Sklavin verhaftet hatte. Doch alleine die Tatsache, dass er nun wusste, dass sie verhaftet worden war, würde ihm unten in den Untiefen der Casa, wo sich das servitriciuum befand, eine Menge Aufmerksamkeit bescheren.


    Als der Decimer beschloss, unverzüglich aufzubrechen, begannen schon die Augen des jungen Sklaven zu glänzen. Vielleicht nimmt er mich mit, hoffte er insgeheim. Doch falsch gedacht! Der Dominus und sein Sklave ließen ihn einfach stehen. Er sah ihnen noch nach, schöpfte aber dann Hoffnung, als er wieder umkehrte. Dominus Casca drückte ihm aber ‚nur‘ den Gladius in die Hand und meinte, er solle ihn doch zu seinem Neffen bringen. Nicon freilich, hatte dafür eine weitaus bessere Verwendungsmöglichkeit, die er aber natürlich für sich behielt.


    „Ja, Dominus, natürlich Dominus, “ antwortete er eine Spur zu brav und freute sich auch schon auf die anstehende Mäusejagd. Denn mit dem Auftrag des Dominus war ihm ein großes Stück Speck sicher, welches er zu einem Viertel zur Jagd nach den lästigen Nagern nutzen wollte. Den Rest jedoch würde er genüsslich verspeisen.

  • Vale, Vale Roma!?



    Ad Mecinia Mena, Casa Decima, Piräus


    Geliebte Mutter


    Du kannst dir kaum den Schrecken vorstellen, der mich nach deinem Brief ereilte. Von der Heimtücke des Leidens, welches dich nun neuerlich befallen hat zu lesen war für mich Grund genug, im Tempel für deine Genesung zu opfern. Ich hoffe, du hast bereits aus der Ferne die positiven Auswirkungen dieser Tat gespürt. Wenn nicht, so werde ich ja in Bälde bei dir in Piräus sein.
    Da ich mich nun kurz vor dem Aufbruch befinde, verschwende ich nicht die kostbare Zeit mit allzu vielen Zeilen. Stattdessen werde ich mich eilen, mich nun zügig auf den Weg zu machen, wobei ich auf die Gunst der Götter hoffe, die mir den Weg nicht allzu beschwerlich machen. Auch den guten Nepomuk werde ich mit mir nehmen, um mir die Zeit nicht zu lang und zu unangenehm werden zu lassen. Du weißt ja: Mein Bein ist mir noch immer eine Last.


    Bis wir uns wiedersehen verbleibe ich mit den besten Wünschen für dich. Mögen die Götter deine Tage und Nächte behüten.



    Dein Sohn,




    https://abload.de/img/nepomukavatarr9jvs.gif


    “Hmmm….,“ gab ich sorgenumwölkt von mir, ehe ich auch noch ein “Hach…!“ ausstieß, was von der Schwere meines Jochs kündete.
    Dies war nicht Mutterns erste Erkrankung und ich hatte so sehr gehofft, dass sie bestens genesen noch einigen guten Jahren entgegen blicken würde. So alt war sie ja auch noch nicht. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne die Heimtücke gemacht. Auch ohne meine Mutter eigentlich, die ja recht wehleidiger Natur war und nicht zu hoffen wagte, dass sich vielleicht Massa nach Piräus begeben würde, um ihr das klamme Händchen zu streicheln und ihr die Stunden zu versüßen. Nun war ich wieder einmal an der Reihe. Zumindest sollte ich dies sein, was mir ebenso wenig schmeckte, wie altes Brot. Es war nicht nur grausam, diese Gehorsamkeit vom jüngsten Sohn zu verlangen – zumal ihr letzter Brief ein weiteres Mal all die Leiden in einer langen Liste enthielt, welche meiner Mutter meine Geburt bereitet hatte – sondern auch ein fatales Schicksal, denn gehorsam war ich ja immerhin. Dank der Gnade Mecinia Menas mich geboren zu haben und eben, da sie mir Abstriche bei meinem Erbe in Aussicht stellte.


    Unter einem weiteren abgrundtiefen Seufzen warf ich meinen soeben geschriebenen Brief von mir. Direkt meinem Sklaven Muckel vor die Füße, der mich betreten anschaute und irgendwie schon ewig dabei an seinen Fingern herum pulte.


    “Nun… ich meine…,“ begann er recht verhalten für seine Verhältnisse. “Wir müssen ja nicht nach Piräus!“
    Innerlich bewegt hob ich nun den Kopf, während ich noch zusammengesunken zu einem Häuflein Asche auf meinem Sessel in meinem Cubiculum am Schreibtisch saß.
    “Was heißt ‚Wir müssen ja nicht...‘ Meinst du etwa, ich fahre allein?“
    Meine Gedanken schweiften zu Valentina, während mein Herz ausblutete. Wie ein Opferstier. Es war so grausam. Dann schweiften sie zu Grian, meinem Vetter und überhaupt nach hier und dort. Durch ganz Rom und ächzte unter der Bürde von meiner Mutter geboren worden zu sein.


    “Nein! Ich meine… also ich meine… wir könnten hier bleiben und ihr sagen… nun ja….“
    Mein Haupt neigte sich nun. Aber eigentlich war ich in den letzten zwei Tagen schon alle Möglichkeiten durchgegangen. Mit dem Ergebnis, dass es eben keine solche gab. Meine Mutter war eben meine Mutter und sie litt. Und sie hatte ja nur noch mich, denn niemand wusste so recht, wo Massa steckte, denn schrieb ja nicht so gerne.
    “Wir schreiben ihr, dass du ernsthaft erkrankt bist und nicht reisen kannst!“
    “Ach…!“
    Ich winkte müde und erschlagen ab. “Dann würde sie mich obendrein verfluchen. Und ihr Brief klang sehr ernst. Vielleicht würde ich das letzte Mal verpassen sie zu sehen. Das würde ich mir nie verzeihen.“
    Und wie ich wusste, würde mir meine Mutter das auch nie verzeihen und mich aus der Unterwelt heimsuchen, was eine Sache war, der ich nicht begegnen wollte. “Außerdem haben wir schon gepackt.“
    Eigentlich war alles bereit für den Aufbruch. Nur ich war es eben nicht. Die Reise war lang, die Krankheit meiner Mütter so tückisch wie sie selbst und wer konnte schon wissen, wann ich wieder nach Rom…


    Nein! Der Gedanke war nicht zu ertragen. Mein Leben war vorbei. Das Leben mit Valentina, sowie unsere schönen Hochzeitsträume. Die Unbeschwertheit war dahin und somit alle meine Freude.


    “Soll ich ihn wirklich losschicken?“, fragte mein Sklave, nachdem er den Brief aufgehoben hatte.
    Ich schaute ihn einfach nur an. Eine ganze Weile. Dann setzte ich meine Blicke auf das Schriftstück in seinen Händen. Im Anschluss zuckte ich nur mit den Schultern, warf meine Arme gebeugt auf den Tisch und bettete meinen Kopf darauf. Es war zum Heulen. So sehr, dass ich das sogar auch tat. Schreckliches Geschick. Aber ein Mann musste halt tun, was ein Mann tun musste. Zumindest so lange seine Mutter noch lebte, wie in meinem Fall.


    ___


    wird fortgesetzt...

  • - Fortsetzung



    Alles in Allem war es eine infame Angelegenheit, wie mir selbst der Boden – nur noch mäßig benetzt - meines Weinbechers mitteilte. Wie ein Hauch des Schicksals, das mir mitteilen wollte, dass sich alles allmählich einem Ende zuneigte. So auch der Wein in dem Krug, den mir Muckel noch gebracht hatte, während ungezählte Tränen über meine Wangen geflossen waren. Wie die Sturzbäche des Styx, über dem sich meine Mutter ja schon wähnte. Was mir nun noch blieb, war noch einmal nach dem Krug zu angeln, wobei ich rotäugig und feuchtwangig meinem Sklaven entgegen blickte. Meine stummen Befehle der Nachschubbeschaffung gingen an diesem natürlich vorbei, da mir gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches im Sessel hing und mit offenem Mund vor sich hin schnarchte. Meinen Brief hielt er dabei noch immer in der Hand. Doch ich hatte Glück im Unglück. Der angenehme Faustianer, der Retter in der Not, reichte noch aus, um meinen Becher noch einmal zu befüllen.


    So langte ich also weit über den Tisch, ergriff den gehaltvollen Traubensaft und schenkte mir – so großzügig es noch möglich war – nach. Der erste Schluck des vorerst letzten Bechers schmeckte ebenso köstlich wie jene zuvor. Also wischte ich mir mit dem Handrücken über den Mund und fasste einen spontanen Entschluss. Wieder erhob ich mich, lehnte mich weit über den Tisch und schnaufte so lange, bis es mir mit ausgestreckten Arm gelang, den Brief aus Muckels Hand zu entwinden. Zunächst hielt er diesen wohl recht unbewusst noch fest, ehe auch er nun aufseufzte, sich zur anderen Seite lehnte und weiter schlief. Den Brief hatte er losgelassen, sodass ich diesen nun im Zurücksinken in meinem Sessel mir noch einmal zu Gemüte führen konnte. Wut erfasste mich. Nein, es war noch unangenehmer. Es war Hass. Auf meine Mutter, was ein ungehöriges Gefühl war. Hass auf ihre Krankheit passte da schon besser!


    Entschlossen griff ich nun nach meinem Schreibgerät, fegte das alte Schriftstück beiseite und schrieb erneut in einem geharnischten Duktus, wobei ich stetig und nebenbei aus meinem Becher trank.



    Ad Mecinia Mena, Casa Decima, Piräus


    Sei mir gegrüßt, Mutter!


    Seit ich von deiner neuerlichen Krankheit erfuhr, kann ich nicht umhin festzustellen, dass es mir mit deinem Willen, mich zu einem Besuch bei dir zu nötigen, so ergeht wie einem Pferd, das gegen den Strich gebürstet, quer durch das Imperium getrieben werden soll. Mit lahmen Bein und gequältem Gemüt.
    Worte genügen wohl kaum, um das nieder zu schreiben, was ich in diesem Moment in meinem Inneren erspüre. Da ich dir dir bereits das Beste an Gedanken und lieben Wünschen gesendet habe – in Opfern und Bitten – bleibt mir selbst an all diesen Dingen nicht mehr viel.
    Ich wünsche dir natürlich die gute Gesundheit zurück, doch wäre es besser, ich tue dies aus der Ferne, da meine Nähe wohl nur in Tiefen führen würde, in welchen ich mich gerade befinde. Dies schreibe ich dir nun schweren Herzens, da die Leichtigkeit sich mir anscheinend nicht mehr zugehörig fühlt.
    Dennoch. So werde ich wohl Verlobte und Lebensglück verlassen, um an der Kante deines Bettes mit dir der Besserung entgegen zu schreiten. Einer Besserung der es von meiner Seite aus gar nicht bedürfte. Ich blicke mit Zorn auf die Reise und auf das Schicksal, das mir nun ebenso übel mitspielt dank dir.


    Dennoch danke ich den Göttern für die Gelegenheit mir auf diesem Papyrus die Luft zu verschaffen, die mir seit deinem letzten Schreiben fehlt.


    Dein Sohn,



    Ich warf eine feurige Unterschrift unter das soeben verfasste Pamphlet, warf das Schreibgerät auf die Tischplatte und atmete sehr tief durch. Nun fühlte ich mich deutlich besser, weshalb ich gleich noch einen sehr großen Schluck Wein meine Kehle hinunter stürzte und in meiner Sitzgelegenheit wieder zurück sackte. Besser. Viel besser. Mit dem Gefühl einer klitzekleinen Erleichterung sank ich ebenso halbwegs beglückt in einen vorübergehenden Schlaf wie mein Sklave Muckel, der einem rhythmischen, wenn auch recht guturalen Schnarchen verfallen war.


    ----


    - wird fortgesetzt

  • - Fortsetzung



    In meinen Träumen wähnte ich mich in schöneren Sphären als diese dieser Tage in der Realität der Casa der Fall war. Allerdings waren diese Träume auch ein wenig schwergängig, was wohl aber noch an dem Faustianer lag, den ich ja überreichlich noch vor dem Schlaf genossen hatte. Doch auch dieser löste sich allmählich von mir. Genauso wie der Schlaf. Als ich meine Augen aufschlug, mit einem etwas angesteiften Nacken, dank meiner nun doch recht ungeeigneten Schlafgelegenheit, musste ich feststellen, dass die Sonne sich schon angeschickt hatte sich zu erheben. Vögelein sangen schon fleißig ihre Liedchen, vom Hortus her wehten einige Stimmen, die wohl von den Sklaven stammten und ich blinzelte träge dazu, ehe ich dann herzhaft zu gähnen begann. Der Sessel meinem Schreibtisch gegenüber war leer. Muckel war wohl schon aufgestanden und mit meinem flauen Magen hoffte ich bereits auf ein kleines Morgenmahl. Nur eine Kleinigkeit. Wasser vor allem, denn mein Kopf war noch schwer. Immerhin nicht mehr so unglaublich schwer wie noch einige Stunden wohl zuvor.


    Dann kam ein Bild in mir zum Vorschein, das von einem Brief kündete, den ich weinschwanger an meine Mutter adressiert hatte. Wie gut, dass ich nun nüchtern war und das Schreiben der Vernichtung anheimfallen lassen konnte.


    Noch vom Schlaf halbwegs gebeutelt wischte ich mir mit den Fingerkuppen über die Augen, ächzte unter meinem Gewicht als ich mich aufrichtete und suchte mit den Blicken nach dem Brief auf meinem Schreibtisch. Die Blicke glitten von links nach rechts und wieder zurück. Meine Stirn runzelte sich fragend und ich seufzte, ehe meine Blicke auch unter einer kleinen körperlichen Verrenkung auch unter dem Tisch nach der Nachricht suchen konnten. Auch hier: Nichts!


    “Ahm…,“ Ich schob mich wieder zurück, stöhnte noch einmal unter der leiblichen Unbill der nächtlichen Schlafstätte und der darunter verhärteten Muskulatur und blinzelte dann recht verwirrt. “Ahm… Muuuckel?“, rief ich dann in den Raum hinein, doch erhielt ich keine Antwort. Oh Nein! Die Botschaft war nicht mehr da! Wo konnte sie nur sein? Ich war doch nicht am Abend noch herum gewandelt und auch unter dem Schlaf neigte ich nicht zu derlei Tätigkeiten, auch wenn es unter zunehmendem Mond wohl durchaus zu so etwas kommen konnte. Bei einigen unserer Sklaven, aber doch nicht bei mir. Oh Nein! Ich rückte meinen Sessel zurück. Etwas seitlich hinter meiner Sitzgelegenheit lag ein Schreiben. Ich schnaufte erleichtert durch, griff danach und führte es mir vor die Augen. Oh Nein!


    “MUUUUCKEEEEEEEEEL!“, krakeelte ich nun volumös, stand auf und und begab mich unter “Ohhh...auuuu aaaaahhhhh...“ und der Folter meines demolierten Knies zur Türe, um diese in einem großen Schwung aufzureißen. “MUUUUUCKEEEEL!“, brüllte ich in den Gang. Ich brüllte und lauschte und in der Tat waren da eilige Schritte. Jedoch gehörten sie nicht zu meinem Leibsklaven, sondern zu einem anderen, etwas jüngeren Mann, der mir hastig und entschuldigend entgegen lächelte. “Nepomuk ist schon los. Er wollte deinen Brief zur Post bringen und er hat...“
    “WAS?“, herrschte ich entgegen meiner eigentlichen Art heraus und stierte dem Jungen entgegen.


    Dieser wirkte leicht erschrocken.
    “Er wollte den Brief, den du gestern...“
    “NEIN!“ Ich holte tief Luft, während mein Herz einen Schlag tätigte, den ich bisher nur durch sportliche Übungen von ihm kannte.
    “Doch, er...“
    “Ja… ja, ja! Ich höre es doch!“, herrschte ich weiter drauf los, während es sich so anfühlte, als würde mein Magen im eigenen Saft schmelzen.
    Noch einmal schaute ich auf den Brief, den ich in meiner Hand hielt. An meine liebe Mutter adressiert und in welchem ich ihr in so lieben Worten… nein! Muckel hatte den falschen Brief mitgenommen!
    “Oh, ihr Götter!“, hauchte ich nun zittrig dahin, was den jungen Sklaven noch mehr zu verwirren schien.
    “Er kommt sicherlich gleich wieder!“, brachte er unter einem verklemmten, aber nicht minder freundlich gemeinten Lächeln hervor.
    “Sicher!“, konnte ich noch sagen. Doch eigentlich verspürte ich das arge Bedürfnis, mich wieder setzen zu müssen.
    “Ich könnte ja in der Zeit mal in die Küche gehen und dir….“
    Wie der Satz des Sklaven weiter ging vermochte ich nicht mehr zu sagen, denn in meiner Beklommenheit, dass nun der geharnischte Brief auf den Weg nach Piräus gebracht wurde – hin zu meiner Mutter – war dies völlig irrelevant.
    Die Götter hatten sich gegen mich gewandt. Das war so gut wie gesichert!



    ---


    - wird fortgesetzt

  • - Fortsetzung


    Wenn ich Muckel erwischte, dann konnte er was erleben! Wie hatte er nur das falsche Schreiben von dannen tragen können!? Konnte er etwa nicht lesen?


    Wie auch immer diese Sache gelagert war, mein Blut wallte so heftig, dass ich schon beinahe Schnappatmung bekam. Was hieß „beinahe“? Ich hatte sie ja schon längst! Mit der Hand fächelte ich mir Luft zu und meine Blicke wanderten zu den Sesseln. Dann zum Bett. Doch meine Ruhebeürfnis war nun dahin, weshalb ich vor der verschlossen Tür auf und ab ging, die Fäuste ballte und mir schließlich – im Elend über das Gesicht meiner Mutter, wenn sie diesen Brief erhielt – sogar flüchtig in einer meiner Fäuste hinein biss. Das ging so nicht! Ich musste hinter meinem Sklaven her!


    Also riss ich die Türe wieder auf, stellte fest, dass der junge Sklave sich getrollt hatte, und eilte daraufhin gleich selbst drauf los, hin zur Porta, um von dort aus zu sehen, was ich noch ausrichten konnte. Wahrscheinlich nichts, doch das war etwas, worüber ich besser nicht nachdachte, wenn ich ein kleines Stück Seelenfrieden in mir bewahren wollte.



    -> Porta

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