officium FAS | Nach Geschäften

  • Wie es dem menschlichen Wesen entspricht, das Ende des Lebens in ferner Zukunft zu suchen, so pflegt es, Dinge fraglichen Vergnügens Tag um Tag zu verzögern in der hoffnungsfrohen Annahme, man möge ihnen durch günstige Umstände einen glücklichen Ausgang verschaffen. Da aber letztere Erwartung in der Tat nur der Hauch sehnsüchtigen Ahnens geblieben sein konnte, betrat denn auch eben jenes zaudernde Wesen des Menschen in Entbehrung jeder Aussicht auf Besserung der Umstände aus Zwängen der Notwendigkeit die Kreise eifrigen Schaffens, welche durch einen Mangel an Schriftstücken und bleiernen Kenntnissen der Menschen nur durch die Kraft eines begabten und geschulten Geistes einer erstrebenswerten Ordnung zugeführt werden konnte.
    So gründlich ist er, dass in den nun anbrechenden Zeiten der Ruhe noch Vergangenes bedacht wird und


    bald schon stand sie vor ihm da,
    die gute Mathematica.

  • Ein flüchtiges Gefühl der Seelenruhe beschlich den Aurelier, als er seine Berechnungen im Geiste nochmals sorgfältig überprüft hatte. Mochte er auch das Schwert nicht mehr führen - im Grunde war er doch immer Soldat geblieben. Nicht nur in Erziehung und Auftreten, sondern auch im Handeln, denn was eines Soldaten Geschäft ist, vom Kriege genährt zu werden, das war nun zu seinem Elemente geworden: Listig Vorteil aus den Konflikten des Reiches ziehen - wohl nicht mit Feldzügen, sondern mit Feldfrüchten. An Raffgier kannte er keine Grenzen, an Bosheit im Geldhandel keine Mäßigung, im Bestechen keine Scheu.

  • Beim Mehren des Vermögens zuzusehen verschaffte eine gewisse Befriedigung, doch wahren Lebenssinn und echte Freude hatte Aurelius seit der auf ganzer Linie desaströsen Entlassung aus dem Heerwesen nie wieder verspürt. Bitter war er geworden, in der Nacht plagten ihn panische Schauer der Angst, selten kam er zur Ruhe, vom Alkohol machte er größeren Gebrauch denn je. Maßlose Fress- und Sauforgien hätten ihn durchaus feist werden lassen müssen, doch sein kränkelnder Körper verzehrte auch den letzten Rest, den sein immerfort schmerzender Magen nicht zurückgewiesen hatte. Beschwerden aus dem Knabenalter kehrten zurück - eine ganz vertrauenswürdige Lunge hatte er nie besessen, nun aber legte sie ihm einen röchelnden Husten auf, der fast nie abklang.
    Der Sinn für Temperaturen schien ihm abgekommen - ruhte er, überzog ihn gar Eiseskälte. So war er zum immerwährenden Schreiten verurteilt. In den Räumen der Villa kündigte nur ein ungesunder Husten sein Kommen an, denn seine Füße hatte er, um sie zu wärmen, in dicken Stoff gehüllt.

  • Schließlich fand er, es sei angebracht, wenigstens an der Sonne zu verweilen. Langsam schritt er durch die Villa in den Innenhof, sein treuer Sklave Tacitus begleitete ihn mit einer Liege und Polstern. Am Ziele angekommen legte sich der jeder Hoffnung auf Besserung seiner Lage beraubte Mann blinzelnd unter die wärmenden Strahlen. Ermattet faltete er im Liegen die Hände, schloss die Augen und sprach:
    "Ach, mein lieber Tacitus, erzähle mir von Griechenland."

  • Der hatte verstanden und geleitete den bleichen Mann mit erbaulichen Worten in unruhiges Dämmern. Niemals wich ein dunkler Schatten aus den Zügen des Aureliers, im Schlafe noch schienen seine Augen auf der Suche nach unbestimmten Gefilden, schwer nur hob sich die Brust bei flachen Atemzügen. Aus Sorge um den Herrn veranlasste der treue Diener die Suche nach dem Leibarzt, der auch in den Abendstunden in der Villa eintraf.
    Im eigentlichen Bette, dorthin hatte man den pater nämlich vor der einbrechenden Nachteskälte gebracht, wurde er aufgerichtet und Gegenstand einiger ratloser Betrachtungen, welche in Speiseempfehlungen und der Forderung nach einem Klimawechsel mündeten.

  • Die nächsten Wochen hütete Aurelius das Bett, durch die Hände der Sklaven und Ärzte gepflegt. Manche Stunde verbrachte er nun mit Rätseleien, was es mit seiner Gesundheit auf sich haben möge. Stets aber wollte er nur die genehme Erklärung finden, dass er sich wohl überarbeitet hatte und infolge seiner Ruhezeit ganz zwangsläufig genesen müsse. Seine Diäten hielt er ganz manierlich ein, nach einigen Tagen fand er sich doch auf dem Wege der Besserung. Nachrichten über das Reich aber wollte er nicht mehr als nötig hören. Vom Kriege erwartete er angesichts der dort eingesetzten Kräfte ohnehin keinerlei Signale, die zu Jubelstürmen Anlass gegeben hätten, Nötiges aus dem Felde seiner Bewirtschaftungen aber verfolgte er recht genau. Obschon er mit dem Sklaven Tacitus einen soliden Verwalter gefunden hatte, übersah er zwar keinesfalls nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten seines Besitzes, war sich jedoch darüber im Klaren, dass eine günstige Einsetzung der verfügbaren Ressourcen nur mit besten Kräften vollzogen werden könnte.

  • Wie er sich auf dem Wege fortschreitender Genesung befand, nahm auch das Zureden seines Leibarztes zu, er müsse in der Tat in gesünderes Klima reisen. In dieser vielmals vorgetragenen Sache verwendete er auch eine so überzeugende Entschiedenheit, dass Aurelius langsam begann, sich den Zwängen besagter Notwendigkeit hinzugeben. Schließlich nahm er sich vor, sobald er wieder recht passabel bei Kräften sein würde, in Lande zu wandeln, welche versprachen, den Annehmlichkeiten des menschlichen Erdenwallens förderlich zuzutragen.

  • Folgerichtig galt es nunmehr, sich über ein bestimmtes Reiseziel im Klaren zu werden. Ziemlich schnell reifte der Entschluss heran, Nützliches geschäftiger Umtriebe mit Annehmlichkeiten kurierender Wanderlust zu vereinen. Aurelius dachte an verschiedene Orte - zunächst seine Besitzungen in Mantua, denen er schon seit geraumer Zeit keinen Besuch mehr abgestattet hatte. Er hatte noch zu Legionszeiten mit Planungen begonnen, dort eine Landwirtschaft aufzubauen. Seine Ideen hatten jedoch nie die Planungsphase verlassen und er fragte sich, ob es nicht an der Zeit wäre, sie endlich umzusetzen. Auch ländliche Ruhe und gesunde Luft sprachen für einen Ausflug dorthin.
    Ferner dachte er an seine zahlreichen Latifundien auf Sizilien, wo zu dieser Jahreszeit stets ein vortreffliches Klima zu herrschen pflegte. Das Geld, welches diese Besitzungen erwirtschafteten sah er zwar regelmäßig und in eigentlich passabler Menge, doch ab und an konnte es hilfreich sein, den Verwaltern etwas genauer auf die Finger zu schauen.
    Prinzipiell kamen natürlich sämtliche Großgrundbesitze in Frage, die er in fast allen Provinzen des Reiches besaß. Besonders in Kleinasien, Dakien und im nordafrikanischen Raum hatte er in der Vergangenheit kräftig investiert. Fraglich blieb gleichwohl, ob die langen Schifffahrten,welche er dafür zweifellos in Kauf nehmen müsste, seiner Gesundheit besonders zuträglich sein konnten. So beriet er denn im Stillen, was zu tun sei, wägte Vor- und Nachteile ab und konnte sich erst nicht so recht entscheiden.

  • Tiefere Nachtruhe, gesunde Speisepläne und nicht zuletzt die seltsamerweise neu aufgekeimte Reise- und Unternehmungslust brachten Aurelius rasch auf den Weg der Besserung. Briefe begann er wieder unter einer gewissen Anstrengung zu lesen, am Tage darauf aber schnitt er einem jungen Herdenspross am Hausaltar die Kehle durch und dankte schließlich in einem langen Gebete seinen Göttern.

  • Der fromme Akt markierte denn auch das Ende seiner zähen Krankheit und wenn noch ein Teil davon nachwirken wollte, fand er sich nunmehr in der Lage, dies pfleglich zu ignorieren. Am dritten Tage nach seiner Genesung aber fand er sein Reiseziel in Cilicia, einem Lande, das ihm sowohl hinsichtlich des Klimas, als auch seiner zahlreichen Besitzungen dort angemessener nicht scheinen könnte.
    Nach einem üppigen Mahl, dem er eine Weinverkostung nach griechischer Art angeschlossen hatte, ordnete er seine Sklaven an, ihm aus der Bibliothek einige Karten zu bringen, mit denen er einerseits einen Überblick über seinen Besitz, als auch die Reiseroute gewinnen konnte.

  • Naturgemäß würde Brundisum Ausgangspunkt seiner Fahrt über das mare internum werden, entsprechend bestimmte er eine Route über die Straßen des italischen Festlandes, prüfte, wo angemessene Gelegenheiten zur Unterkunft zur Verfügung standen. In Griechenland würde er zunächst bei Messene rasten, um, eng ans griechische Festland geschmiegt, den restlichen Weg in Richtung Osten zurückzulegen. Bei Pompeiopolis wollte er landen, um von dort in die Hauptstadt Tarsus zu gelangen, welche sich naturgemäß auch aufgrund der Nähe römischer Verwaltung besonders für geschäftliche Vorhaben eignete. Unzählige Orte, für die Sophus größtes geschäftliches, aber auch privates Interesse hegte, lagen nicht eben abseits des Weges - gerade Rhodus, aber auch Kreta und Zypern eigneten sich natürlich hervorragend für eine Zwischenrast. Diverse Ziele entlang der kleinasischen Küste behielt er zunächst einmal im Hinterkopf, da er glaubte, detaillierte Planungen bezüglich der Rückreise könnten besser getroffen werden, wenn einmal Tarsus erreicht war.

  • Nachdem er seinen Plan gründlich durchdacht hatte, legte er die Karten weg und gedachte einer Lehre, die er noch in seiner Armeezeit erfasst hatte: Noch der beste Feldzugsplan scheitert für gewöhnlich auf den ersten Metern. In diesem Sinne wandte er sich, die Abendstunden waren bereits angebrochen, anderen wichtigen Dingen zu. Klienten und Geschäftspartnern schrieb er über seine bevorstehende Abreise, für die Geschäfte und Verwaltung in Rom setzte er Männer ein, die sein Vertrauen besaßen. Einige von ihnen würden ihm denn auch regelmäßig Bericht aus Italia erstatten.
    Am nächsten Tage schließlich musste er sich mit ganz praktischen Fragen befassen. Zwar wusste er nicht, wie lange er der Heimat fern bleiben würde - ein Jahr, vielleicht auch mehr - doch einige Habseligkeiten mussten doch mitgeführt werden, um weiterhin einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Möbelstücke, Schreibzeug, Geld, Speisen, Kleidung, Objekte representativer Natur, Sklaven - all dies wollte ausgewählt sein.

  • Die Vorbereitungen gingen denn auch so zäh voran, dass er gut zwei Wochen benötigte, bis alles zu seiner Zufriedenheit ausgeführt worden war. Ein letzter Gang jedoch war noch in Roma zu tun - er sollte ihn in die heiligen Tempel der Stadt führen. So verließ er auch eines Tages mit einer gottfürchtigen Schwere im Herzen die Villa Aurelia.

  • Nach langen Vorbereitungen war nun schließlich der Tag der Abreise gekommen - von seinen Bekannten in Italia hatte er sich bereits verabschiedet, Sklaven und andere Habseligkeiten waren ausgewählt, er fühlte sich wieder ganz kräftig und recht gesund. Jetzt gab es kein Zaudern mehr, der Segen der Götter schien eingeholt, ein wehmütiger Blick zurück war nicht angebracht.
    In der letzten Nacht hatte er erstaunlich gut geschlafen. Während er noch einigen Sklaven letzte Anweisungen erteilte, schritt er langsam durch die Hallen der Villa, ein wenig Zeit nahm er sich sogar zur Betrachtung der Fresken, welche noch sein Großvater hatte anbringen lassen.
    Schließlich aber erreichte er die Karren, welche ihn zumindest bis an die Grenzen des italischen Festlandes bringen sollten. In eine zweckmäßige Tunika gekleidet, nahm er im Innenraum eines für ihn vorgesehenen Transportmittels Platz. Das Wetter für die Abreise war ganz ausgezeichnet und dem Aurelier schien es, als offenbarte jenes angenehme Sommerwetter wohlwollendes Schicksal.

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