Besuch für Aurelia Deandra

  • Auch ich sah mir dezent diesen Mann an, um meinem Herrn berichten zu können. Mit den beiden anderen Sklaven wechselte ich aber kein Wort.

  • "Salve! Mein Name ist Tiberius Flavius Quirinalis, ich wünsche Aurelia Deandra zu sprechen."


    Didia Fausta hatte mich schon vorher verlassen, sie ist in Rom geblieben. Was machte das auch für einen Eindruck. Schließlich sollte ich solche Angelegenheiten auch ohne eine Frau regeln können.

  • Leone nickte mit dem Kopf und ließ den Gast ein.


    "Ich werde die Herrin benachrichtigen. Bitte nimm in der Zwischenzeit im Atrium Platz."


    Leone führte den Gast in besagtes Atrium und suchte Deandra auf, die er kurz darauf in ihrem Zimmer vorfand. Er klopfte und setzte sie über den Besuch in Kenntnis.

  • Jetzt war es also so weit. Ein Mann, den ich gar nicht kannte, wartete darauf, mich zu treffen, mich kennenzulernen, vermutlich zu heiraten ... Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mir das einmal passiert, aber ich war wohl alles in allem zu naiv, zu verträumt, zu vertrauensselig, eben kurz gesagt: dumm.


    Meine Phantasie reichte nicht aus, ihn mir vorzustellen, denn ich wusste nichts von ihm – nicht mal sein Alter.


    ‚Nur Geduld’, dachte ich. ‚Du siehst ihn schneller als du glaubst. Dann, wenn du das Zittern unter Kontrolle hast, geht du einfach runter, sagst artig „Salve“ und wartest, was er sagt.’

  • Um die Wartezeit zu verkürzen und schon aus dem Grund heraus, gute Gastgeber zu sein, wurden Sklaven geschickt, die nach den Wünschen fragten. Eine Sklavin stellte Wein und Wasser in kleinen Amphoren auf den Tisch, eine weitere eine Schale mit frischem Obst.


    "Darf es sonst noch etwas sein?", fragte eine dritte Sklavin.

  • Leider hörte das Zittern nicht auf - im Gegenteil: Die bei Aufregung üblichen Bauchschmerzen stellten sich ein. Ich seufzte und legte die Hand auf die Stirn, die sich unter den zu Frost erstarrten Fingern kurzzeitig erholte, hatte sie doch zuvor unter meinen Grübeleien ungeahnte Wärmegrade erreicht.


    Meine gute Erziehung war es, die mich drängte, den Besucher nicht warten zu lassen, auch wenn sich mein Mut gerade im Keller befand. Also verließ ich mein Zimmer und wandte mich Richtung Atrium. Ich bewegte mich immer sachte, doch augenblicklich vermutlich geräuschlos. Zudem besaß ich eine leise Stimme - hörte man sie heute überhaupt?


    „Salve, du wolltest mich sprechen?“


    Scheue Augen suchten nur flüchtig den Blickkontakt, bevor sie den Boden fixierten.

  • Als Deandra das Atrium betrat traute ich meinen Augen nicht. Man sagte mir, sie sei schön, doch war es eine glatte Lüge. Nein, sie war wunderschön, schöner als mir jemals zu erhoffen gewagt habe.
    Sie schien völlig nervös zu sein.


    "Salve! ja ich wollte dich sprechen. Man sagte mir, du wüsstest bescheid?"


    Grad jetzt scheint mich der Mut zu verlassen, den ich kurz vor der Porta noch hatte...

  • Als er sprach, ließ ich nicht nur die Worte, sondern auch die Stimme auf mich wirken. Ein zaghaftes Nicken im Voraus gab ihm die Antwort für den Fall, dass meine Stimmbänder ganz den Dienst versagen sollten.


    „Ja“, hauchte ich. „Mein Vater hat mir von deinem Interesse erzählt.“


    Ich wusste einfach nicht, wo ich hinsehen sollte. Daher hielt ich den Blick konsequent gesenkt und suchte mir auf diese Weise einen Platz, weil sitzen immerhin sicherer war als stehen, denn erstens gab der Stuhl Halt und zweitens hatte ich Angst, umarmt zu werden. Aus dieser Position heraus konnte ich nun auch einen Blick wagen und musterte ihn.



    edit: Rechtschr.

  • Als ich sah, wie sich Deandra setzte, suchte ich mir gegenüber Deandra ebenfalls einen Platz, der, meiner Meinung nach, genug Abstand zu ihr wahrte.


    Endlich schaute sie mich an. In ihren Augen und ihrer Stimme konnte ich Scheu erkennen.


    "Es ist so", sprach ich mit unsicherer Stimme, "Eine Verbindung der Aurelia und Flavia ist von Vorteil. Allerdings möchte ich dich nicht drängen. Ich möchte nicht, dass du eine für dich falsche Entscheidung triffst. Aber überdenke es gut."


    Tief holte ich Luft und suchte den Blickkontakt.


    "Du wirst mich nicht kennen, oder?"

  • Ich hatte nicht damit gerechnet, Zeit zu bekommen, nicht gedrängt zu werden, und fühlte mich sofort erleichtert.


    „Du gestehst mir eine eigene Entscheidung zu?“


    Hoffnung wollte aufflackern, doch nicht allem hilflos ausgeliefert zu sein. Bei den nächsten Worten sah ich ihm erstmals fest in die Augen.


    „Ich werde meine Entscheidung gut überdenken, das kann ich dir zusichern. Die Bedeutung der Flavia ist mir bekannt, gleichzeitig …“ Ich suchte auf dem Fußboden nach den passenden Worten, bevor ich erneut aufblickte. „… es gibt viel abzuwägen“, fügte ich schließlich mit leiser Stimme an.


    Auf seine Frage, ob ich ihn kennen würde, schüttelte ich zaghaft den Kopf.


    „Ich kannte Catus gut und kann sagen, dass ich ihn kurz vor seinem Tod schätzen gelernt habe. Weiterhin kenne ich Furianus und Felix in dem Maße, dass ich behaupten kann, sie gut beurteilen zu können. Alle anderen Familienmitglieder nur flüchtig oder gar nicht.“


    Noch immer verlegen, fühlte ich mich auf der Ebene der Sachlichkeit gerettet und wartete nun durchaus gespannt auf seine Ausführungen.

  • "Es ist vielleicht nicht ganz üblich, dass die Frau eine eigene Entscheidung treffen darf. Doch was soll ich mit einer Frau an meiner Seite, die ständig nur unglücklich ist?"


    Ich räusperte mich.


    "Also, zu meiner Person. Ich lebe zwar in Hispania, bin aber ein waschechter Römer mit durchaus patrizischen Ansichten. Einige Schicksalsschläge haben mich nun vorerst nach Hispania verschlagen, wo ich in der Villa Flavia Catus lebe.
    Vor etwas längerer Zeit war ich Magistatus von Carthoga Nova. Mein letztes Amt war dann der Posten des Duumvirs in Tarraco. Anschließend zog ich mich aus den öffentlichen Ämtern zurück, um ein wenig zu entspannen."


    Verlegen schaute ich sie an.


    "Ich hoffe, es war nicht zuviel... Erzähl etwas von dir!"

  • „Zu viel war es keineswegs, nein“, erwiderte ich zögerlich. „Für mich ist allerdings nicht entscheidend, was einer tut, sondern wie er handelt. Auch ist nicht wichtig, was jemand erreicht hat, sondern wie. Ich könnte einen aufrecht zu seinen Ansichten stehenden Scriba mehr achten, als einen Tribun, der seine Position einzig mit Schleimerei erreicht hat - bitte verzeih diesen Ausdruck. Aus diesem Grund dauert es gewisse Zeit, bis ich mir eine Meinung über jemanden gebildet habe.“


    Ich lächelte scheu, aber zu meinen Überzeugungen wollte ich schon stehen. Auch ließ ich mir seine Worte nochmals durch den Kopf gehen.


    „Was muss ich mir unter mit durchaus patrizischen Ansichten vorstellen, wenn ich nachfragen darf?
    Ja, ... und was mich betrifft ... Was möchtest du denn wissen? Meinen Werdegang?
    Was mich bewegt, ist doch sicher nicht von Interesse, oder.“

  • "Sicherlich sollte man nicht zu schnell über einen Menschen urteilen, das gilt für ein schlechtes wie auch für ein gutes Urteil."


    Ich nahm eine etwas aufrechtere Position an.


    "Mit durchaus patrizischen Ansichten meinte ich, dass ich mir meines Standes bewusst bin. Von Menschen die unter unserem Stand stehen erwarte ich, dass sie sich dessen bewusst sind und sich dementsprechend Verhalten. Ich habe auch Freundschaften mit Plebejern, keine Frage, aber man sollte sich des Unterschiedes bewusst sein.
    Desweiteren stehe ich natürlich zu unserem Kaiser. Gerade als Patrizier fühle ich mich ihm besonders verpflichtet.


    Aber nun zu dir. Natürlich ist es von Interesse, was dich bewegt."

  • Wieder huschte ein flüchtiges Lächeln über mein Gesicht. Quirinalis schien ein verständnisvoller Mann zu sein und außer meinem Onkel offenbar der einzige, den es seit Monaten interessierte, was in mir vorging. Tja, aber was ging in mir vor? In meinem Innern herrschte Chaos, sodass ich nicht wusste, wo mein Weg war, welche Entscheidung ich treffen sollte oder durfte, nicht einmal, was ich wert war, wusste ich mehr und welche Bedeutung ich besaß, schon gar nicht. Im Ungewissen darüber, was in Sophus vorging, blieb mir einzig die Spekulation darüber, was sein Verhalten ausdrücken sollte. Alles wäre einfacher, wenn ich Gedanken lesen könnte, aber wer konnte das schon?


    Meine Miene war ernst, als ich sprach und ich blickte an Quirinalis vorbei, weil ich mich durchaus unwohl dabei fühlte, einem Fremden gegenüber so viel von mir zu offenbaren. „Ich habe vor 15 Monaten einem Mann mein Wort und gleichzeitig mein Herz gegeben. Er besitzt beides noch, fordert aber weder die Einlösung noch gibt er es mir zurück und da ich sehr beständig in meinem Wesen bin, fühle ich mich noch immer daran gebunden. Ihm, und nur ihm, wäre es möglich, etwas daran zu ändern, nämlich indem er das zertritt, was er gepflanzt hat. Nur so könnte ich auch innerlich frei werden, wie ich noch immer frei in meinem Familienstand bin."


    Als ich geendet hatte, schaute ich ihn unverwandt an.
    „Das war sicher nicht das, was du hören wolltest. Die Frage ist: Wie gehst du jetzt damit um?“

  • Ich erwiderte ihr Lächeln, doch versteinerte sich meine Mine, je mehr sie über ihre Situation erzählte.


    Mein Blick suchte ihren Blick.


    "Nein, das sind wahrlich keine gute Nachrichten..."


    Fast schon traurig schaute ich sie an. Hatte eine so schöne Frau einen Mann verdient, der nicht zu seinem Versprechen stand, dem es wohl egal war, wie es ihr ging?


    "Ich respektiere deine Ansichten. Über diesen Mann möchte mir eigentlich kein Urteil bilden, aber meinst du, es ist vernünftig eine Frau, dessen Liebe man besitzt, einfach warten zu lassen? Kümmert er sich darum wie es DIR geht? Wie es in DIR aussieht?"


    Bei den letzten beiden Sätzen legte ich die Betonung bewusst auf das Wort "DIR".

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!