• Es gab nicht vieles das den alternden Aurelier noch schocken konnte, aber ein Brief, den er vor Tagen fand, vermochte das. Verständnislos sah er auf die Zeilen. Natürlich verstand er worum ihn seine Tochter bat. Schließlich hatten sie schon einmal darüber gesprochen und natürlich hatte er damals abgelehnt, denn es war nicht notwendig, auch wenn er der Heirat nicht mit absoluter Begeisterung entgegensah. Dieser Schritt jetzt war fast zu viel von ihm verlangt. Sie waren doch nicht zu eng miteinander verwandt und somit war eine reguläre Heirat möglich! So ein überflüssiger Schritt und er machte Antoninus wirklich ärgerlich.


    Er hatte Tage gebraucht, um sich damit abzufinden. Heute schickte er einen Sklaven zu seinem Kameraden und bat ihn um ein Gespräch.

  • Gegen Abend traf Claudius ein. Rom lag hinter ihm und vor ihm lag noch immer die Überlegung, seine Zukunft betreffend. Er konnte sich zu nichts Konkretem durchringen, mochte weder einen Schritt auf das Castellum zu noch einen Schritt von diesem weg machen. Daher kam ihm die Einladung seines Kameraden sehr gelegen. Sie war ein Grund, die eigenen Entscheidungen weiter vor sich her zuschieben. Ein Sklave führte ihn zu Antoninus, den er mit einer Umarmung begrüßte.


    "Salve, Freund! Ich sehe, du bist nicht zur Classis gewechselt. Hast dich jetzt auf deinen Ländereien niedergelassen oder täuscht der Eindruck?"

  • "Ja, das siehst du richtig, Freund. Ich habe mich zurückgezogen. Komm setz dich. Ich habe eine wirklich ernste Angelegenheit mit dir zu besprechen und kann nur hoffen, dass du Bereitschaft und Verständnis zeigst."


    Antoninus führte Vesuvianus zu einer Sitzgruppe. Wegen fehlender Elastizität ließ er sich in den Sessel fallen.

  • Claudius’ Kopf ruckte nun doch erstaunt zurück, während sich seine Brauen hoben. Er löste die Umarmung, nahm Platz und blickte abwartend seinen Kameraden an, der dieser nach wie vor - trotz aller Umstürze - für ihn war.
    Bereitschaft und Verständnis - das klang gar nicht gut. Langsam hasste es Vesuvianus, mit Hiobsbotschaften konfrontiert zu werden. Seit Monaten riss die Serie solcher Eröffnungen nicht ab und zwischen entfernten Tangenten und Einschnitten, die ihn höchst betroffen gemacht hatten, war alles dabei gewesen. Er atmete einmal durch und schien auf alles gefasst zu sein.


    "Sprich! Um deine Gesundheit ist es doch gut bestellt, oder?"

  • "Es stand schon mal besser und zwar bevor ich…Ich kürze jetzt mal ab. Ich habe eine Tochter auch wenn sie nicht mein leibliches Kind ist, sehe ich sie als solche an. Sie hat mich um die Lösung der Adoption gebeten, damit sie ohne üble Nachreden jemand heiraten kann. Du verstehst? Dabei ist sie gar nicht zu eng mit ihm verwandt, zum Kuckuck. Nur wenn ich jemand finde, dem ich sie ohne Sorge anvertrauen kann, erfülle ich ihr diese Bitte. Vesuvianus, ich habe an dich gedacht. Mehr muss ich wohl nicht sagen."


    Antoninus schwieg.

  • Vesuvianus schwieg ebenfalls, was ein Zeichen seiner Überraschung war. Was für ein unberechenbarer Lebensabschnitt, beruflich wie privat ging es drunter und drüber. Zum Glück war die Anfrage des Kameraden nicht negativ zu sehen, sondern stellte einen Vertrauensbeweis dar.


    "Vor etwa einem halben Jahr hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich solcher Verantwortung gewachsen wäre", begann Claudius nachdenklich. "Aber inzwischen habe ich erkannt, dass Selbstverwirklichung nicht alles im Leben ist. Viel zu lange habe ich mein eigenes Kind in der Obhut anderer gelassen, nun lerne ich die Pflichten eines Vaters kennen. Ich könnte deinem wie meinem Kind deswegen sicher nicht der Vater sein, wie du es ein Leben lang warst, aber wenn dir das ehrliche Vorhaben, es bestmöglich zu meistern, reicht, dann komme ich gern deiner Bitte nach."

  • "Es reicht mir. Ich hätte sonst nicht gefragt. Ein Danke mit bitterem Beigeschmack. Bist du bereit, mich nach Rom zum Praetor zu begleiten? Die Umschreibung muss amtlich gemacht werden."


    Nur zu gut wusste Antoninus, dass ein Armeeangehöriger nicht beliebig herumreisen konnte.

  • "Natürlich begleite ich dich." Und wieder hatte Vesuvianus einen Grund, seine Entscheidung über den eigenen Werdegang hinauszögern zu können.


    "Als derjenige, der die Patria potestas über deine Tochter innehaben wird, sollte ich vielleicht auch über ihre Heiratspläne unterrichtet werden. Am Ende gebe ich dem Falschen meine Zustimmung, denn das ist es doch, was du von mir erwartest, oder? Ich soll sie aufnehmen, aber nicht über ihr Leben bestimmen. Aber um ehrlich zu sein, möchte ich lieber vorab wissen, wen sie oder wen du auserwählt hast und ich hoffe, dass ich wie ihr hinter dieser Entscheidung stehen kann."


    Zwar hegte Claudius keine Zweifel, aber Klarheiten waren auch nicht von der Hand zu weisen.

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