Tempeleinweihung in Tibur

  • Am Morgen des dritten Tages nach der Contio der Auguren erschien eine kleine Sänfte an der Porta Viminalis, unweit der Castra Praetoria. Im morgendlichen Treiben konnte nur der breit gebaute Ägypter mit einer kurzen Peitsche dafür sorgen, dass das Gefährt überhaupt das enge Tor passieren konnte.


    Tiberius Durus saß in der Sänfte und beobachtete einen vorbeiziehenden Händler, der gerade noch versuchte, die Stadt zu verlassen, ehe die Cohortes Urbanae ihm eine saftige Strafe verpassten. Er hatte eine leichte Tunika gewählt und die Toga einpacken lassen - man musste schließlich standesgemäß in Tibur ankommen!


    Vor dem Stadttor wartete auch schon der tiberische Reisewagen: Holzgetäfelt, rote Vorhänge an den Fenstern, rappengezogen und mit aufwändigen Schnitzereien verziert. Einige Sklaven standen herum und stritten mit einem Stadtwächter, der wohl der Meinung war, dass diese Kutsche ein Verkehrshindernis darstellte.


    Doch als Durus der Sänfte entstieg und ihm klar machte, dass er als Senator und in offizieller Mission als Augur diese brauchte, konnte dieses störende Hindernis entfernt werden. Langsam ging er vor dem Wagen auf und ab und wartete auf seinen Kollegen im Amt, damit es endlich losgehen konnte.

  • Vor lauter Aufregung ob der ersten Amtshandlung, die Myrtilus an der Seite des Tiberiers durchführen würde, hatte der alte Mann an jenem Morgen kaum etwas herunter bekommen. Schnell war die Sänfte gerichtet, die nötigen Utensilien gepackt und Myrtilus angekleidet gewesen, und dann ging es auch bereits durch das wirre Treiben Roms, an Händlern und patroullierenden Soldaten vorbei, schnurstracks zur porta viminalis, welche den vereinbarten Treffpunkt darstellte. Durus hatte sich bereits eingefunden, wie Myrtilus schnell feststellte, denn das Wappen der tiberischen Sänfte kündete schon aus der Ferne davon.


    Kurze Zeit später ließen die claudischen Träger die Sänfte ab, Zahir kam herbei und half seinem Herren aus dem Gefährt, und dieser begrüßte den Tiberier. "Ah, salve Durus, wartest du schon lang? Ich hoffe nicht..." sagte er. Der Einfachheit halber würde man einen gemeinsamen Reisewagen benutzen, und jener wartete bereits vor dem Stadttor. Zwei flinke Sklaven trugen eine kleine Truhe hinaus, welche persönliche Dinge und unter anderem auch eine frische toga enthielt, denn der Alte hatte es Durus gleich getan und war in einer mattroten tunica angereist. "Eh - können wir?" fragte Myrtilus freundlich, und Runzeln überzogen sein Gesicht beim Lächeln.

  • Nach einigem Warten (zugegebenermaßen war der Tiberier etwas früh erschienen) kam eine Sänfte aus der Porta Viminalis, die seine Aufmerksamkeit erregte. Mit seinem Blick verfolgte er sie, bis sie vor ihm hielt und der alte Neu-Augur mit Hilfe seines Sklaven ausstieg.


    "Salve, Claudius! Nein, nein, nicht besonders!"


    log er, denn etwas anderes wäre doch etwas unhöflich gewesen - ein alter Mann war schließlich kein Eil-Kurier, wie Durus wusste.


    "Natürlich, sofort."


    erwiderte er und drehte sich zu seinem Reisewagen um. Aus der Nähe konnte man erkennen, dass Schnitzereien mit Darstellungen von Luchsen, andere aus der Mythologie rund um die Göttin Minerva in das dunkle Kirschholz geschnitten worden waren. Ein Sklave öffnete die Tür und der Tiberier deutete mit einer Geste an, dass Claudius einsteigen solle. Er selbst folgte und nahm gegenüber von ihm Platz. Durch ein Fensterchen - wie alle mit weinroten Vorhängen ausgestattet - konnte man den Kutscher erkennen. Daneben saß ein Mann, unter dessen Pallium sich deutlich ein Kurzschwert abzeichnete - Sicherheit ging vor!


    "Wir wären dann so weit!"


    erklärte Durus im Befehlston und mit einem Ruck setzte sich das Gefährt in Bewegung. Nun blickte der Tiberier freundlich zu Myrtilus.


    "Warst Du schon einmal bei einer Tempeleinweihung, Claudius?"


    fragte er, um einen entspannten Smalltalk zu beginnen.

  • Der Claudier nickte erleichtert. Er war ja nun nicht gerade der schnellsten Einer, und mühte sich stets, Pünktlichkeiten einzuhalten. Nicht immer gelang es, aber in diesem Fall hatte er wohl Glück gehabt. "Gut gut, sehr gut", gab er daher von sich und nickte einige Male zerstreut. Ein Sklave half ihm schließlich in den Reisewagen hinein, den der Tiberier organisiert hatte. Ächzend nahm Myrtilus Platz und rutschte sich in eine angenehme Position, während Durus einsteig und dem Fahrer verdeutlichte, dass es nun losgehen konnte. Sekunden später zogen die Pferde an und der Wagen begann sein typisches Ruckeln.


    "Oh ja, durchaus. Wenngleich ich noch nie bei einer Weihe eine entscheidende Rolle eingenommen habe, sondern stets unter den gottesfürchtigen Zuschauern zu finden war", schmunzelte Myrtilus. "Wie steht es mit dir? Hat dir das collegium schon viele Aufträge dieser Art erteilt?" wollte er wissen.

  • Obwohl der Wagen über eine Federung verfügte, konnte man doch das Ende jeder Platte des Straßenbelags spüren, während die Kutsche so gen Osten gezogen wurde.


    "Nein, bisher nicht. Ich wohnte einmal einer Tempeleinweihung in Alexandria bei, diese fand jedoch nicht nach dem römischen Ritus statt. Und da Italia an Tempeln weitestgehend saturiert ist und ich ohnehin erst eine relativ kurze Zeit dem Collegium Augurum angehöre, war mir ein derartiger Ritus bisher noch nicht vergönnt."


    erklärte er. Ein Blick aus dem Fenster zeigte die wunderschöne Landschaft Italias im Frühsommer. Dann fokusierte er wieder Myrtilus.


    "Aber ich habe mich im Archiv gut vorbereitet. Alle Vorbereitungen wurden getroffen."

  • Myrtilus nickte nachdenklich. Der junge Tiberier hatte ja recht, seine Ernennung lag noch nicht allzu lange zurück. "Ja, da kann ich dir nur beipflichten. Allerdings kursieren Gerüchte um den Bau eines weiteren Tempels in Mantua. Wir werden sehen, was an diesen Behauptungen dran ist."


    Eine weile ruckelten sie stumm voran, dann gab Durus preis, dass er sich Erfahrung angelesen hatte. Myrtilus schien belustigt, kleine Fältchen bildeten sich beim Lächeln um seine Augen herum. "Oh ja, ich habe auch einiges an Zeit in den Archiven verbracht. Hast du dir die Berichte des C. Trebellius Vibullus angeschaut? Es muss ein schmerzlicher Verlust für das collegium gewesen sein, als er vor vier Jahren starb. Der Mann ist für mich der Inbegriff der Sorgfalt. Mit welcher Inbrunst er jeden Handgriff, jede Tätigkeit seiner Aufgaben verzeichnet hat... Seine Aufzeichnungen sind gerade für Neulinge wie uns beide eine Stütze und im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert", erzählte Myrtilus.


    Kurz darauf kam ihm in den Sinn, dass Durus eben von Alexandrien gesprochen hatte, und er griff diese Bemerkung nochmals auf. "Alexandria... Darf ich fragen, welche Wirrungen des Schicksals dich seinerzeit in das goldene Land des Nils geführt haben?" fragte er, da er ja nicht wusste, dass Durus in Alexandrien sogar geboren worden war.

  • Genaugenommen war Durus in Rom geboren, allerdings bereits im Kleinkindesalter in die ferne Provinz gelangt, aber darüber wurde ja nicht gesprochen ;)


    "Mein Vater war dort lange Jahre bei der Legion...allerdings blieb ihm diese furchtbare Rebellion glücklicherweise erspart!"


    Wie er sich manchmal seinen Vater herbeisehnte! Er hatte zwar nur ein Ritter-Tribunat ausgeführt, dafür hatte er stets Rat gewusst und sich auf Seiten der Tradition gestellt!


    "Trebellius...ja, ich glaube, ich bin auch darauf gestoßen."


    ging er dann auf die weitaus geschäftlichere Sache ein.

  • "Dann hatte er ja noch einmal Glück", erwiderte Myrtilus und nickte. Durus ging zwar auf seine Äußerung ein, vertiefte sie jedoch nicht, sondern schwieg nach seinem Kommentar, was den Alten etwas ratlos machte. Um die nun aufkeimende Stille zu überbrücken, sah er nun also fortan aus dem Fenster.

  • Auch Durus wusste nichts zu sagen, kannte er doch den Claudier praktisch nicht. Nach einer Weile fragte er deshalb um die Stille zu überbrücken.


    "Wie lange bist Du eigentlich schon in Rom? Hast Du nach Deiner Praefectur erst einmal eine Pause auf dem Lande gemacht?"

  • Myrtilus betrachtete die in der Ferne vorbeiziehenden Bäume und dei Meilensteine, welche sie passierten. Ihm erschien der Tiberier bedauerlicherweise nur wenig redselig. Gerade, als er diesen Gedanken dachte, erhob Durus erneut die Stimme und Myrtilus wandte sich ihm wieder zu, da er eine Unterhaltung witterte, die vielleicht nicht wieder recht einseitig verlaufen würde. "Oh, es müssen inzwischen..hm, knappe zwei Monate sein, die ich in Rom bin. Nach meiner Zeit in der classis habe ich einige Zeit in Baiae zugebracht und es ruhiger angehen lassen. Seit Tod meiner Frau hatte ich kein Amt inne, doch Untätigkeit liegt mir nicht, das muss wohl bei uns Claudiern im Blut verankert sein. Umso glücklicher schätze ich mich, nun ein augur zu sein." Myrtilus lächelte erfreut. "Weißt du, wer uns vor Ort empfangen wird Die Weihe ist doch erst übermorgen, nicht?"

  • Durus kam das, was sein Collega da erzählte, bekannt vor. Viele alte Männer wurden vom Tod ihrer Gemahlin etwas zurückgeworfen und in seinem Alter verübelte es ihm ja auch keiner, wenn er nicht mehr ein Amt nach dem anderen innehatte.


    "Ah, Baiae - ich habe mir dort ebenfalls vor kurzem ein Gut gekauft. Allerdings hatte ich noch keine Zeit, es zu besuchen. Möglicherweise aber in den Senatsferien..."


    bemerkte er und fragte sich tatsächlich, warum er es bis heute nicht dorthin geschafft hatte. Nach seinen Informationen war es sogar recht geräumig...


    "Korrekt. Soweit ich weiß, werden die Duumviri uns am Marktplatz begrüßen. Ich glaube, Caius Vibius Papus und Marcus Catillius amtieren zur Zeit. Ich nehme an, dass sie uns auch als Gäste aufnehmen werden."


    Inzwischen glaubte Durus, dass sie schon ein ganzes Stück vorangekommen waren, denn ein Blick aus dem Kutscherfenster zeigte in der Ferne bereits die Mauern jener alten Stadt, die sie besuchen würden.

  • Nach einer längeren Weiterfahrt und dem ein oder anderen Kurzgespräch passierte der tiberische Reisewagen die Porta Romana der Colonia Tibur. Ein kurzer Halt, wenige Worte der Begleiter mit den Vigiles und schon setzte sich der Wagen wieder mit einem Ruck in Bewegung. Durus zog den Vorhang beiseite und betrachtete die kleineren und größeren Häuschen der vormals griechischen Kolonie. Eher noch erkannte man die sabinischen Wurzeln dieser uralten Stadt.


    Bereits kurze Zeit später kam der Reisewagen zum Halten und der Blick aus dem Fenster zeigte das Forum der Stadt. Auf einem Hügel thronte die Akropolis des Ortes, vor dem Augusteum wartete bereits eine Delegation der städtischen Curia. Allen voran standen die beiden stolzen Duumviri - Caius Vibius Papus und Marcus Catillius. Beide trugen strahlend weiße Togen, doch auch die beiden Aedile hinter ihnen wirkten frisch herausgeputzt, obwohl sie offensichtlich bereits einige Zeit gewartet hatten.


    Durus erhob sich und die Wagentür öffnete sich, sodass ein Sklave mit der Toga des Senators hereineilen konnte. Es dauerte eine ganze Zeit, bis das lange und ausladende Kleidungsstück mit dem Purpurstreifen um die Schultern des Tiberiers gelegt waren, doch dann sah er endlich passend aus. Mit einem aufmunternden Blick zu Myrtilus öffnete er Tür des Reisewagens und schritt die wenigen Stufen hinab aufs Forum.


    Auch die Decurionen der Stadt machten sich nun auf, schritten die beiden Stufen des Augusteums hinab und auf den sonnigen Platz, wo Vibius Papus sich an Durus wandte.


    "Salve, Augur! Es ist mir eine große Ehre, Dich hier in unserer bescheidenen Stadt willkommen zu heißen. Dies hier ist Marcus Catillius, mein Amtskollege."


    Auch der zweite Duumvir trat hervor und begrüßte Durus und Myrtilus mit einem Lächeln. Im Anschluss wurde den beiden Auguren auch der Rest der anwesenden Honoratoren vorgestellt. Durus lächelte, grüßte jeden einzelnen zurück und vergaß die Namen sofort wieder.


    Nun meldete sich wieder Catillius zu Wort.


    "Wir haben geplant, die Literatio des Platzes morgen vormittag durchzuführen. Bis dahin könntet Ihr Euch die Stadt ansehen. Vielleicht wollt Ihr auch unsere Sybille befragen?"


    Durus wusste natürlich von der Tiburtinischen Sybille, die angeblich bereits Augustus große Prophezeiungen gemacht hatte. Aber da er zur Zeit wenig Bedarf an Zukunftserfahrungen hatte - und außerdem selbst einen besonderen "Draht" zu Iuppiter hatte, schloss er ablehnend, aber immernoch freundlich lächelnd die Augen.


    "Nein, danke. Aber ich würde gern die Akropolis besuchen. Ich habe schon viel von den beiden Tempeln gehört."


    Oben auf der Akropolis Tiburs befanden sich nämlich zwei Tempel: Der der Sybille und ein Vesta-Tempel, den Lucius Gellius damals gestiftet hatte. Sein Großvater hatte den Mann gekannt.


    "Es wäre uns eine Ehre, Euch als Gäste in unseren Häusern aufzunehmen."


    wandte nun wieder Papus ein. Offensichtlich freute er sich bereits darauf, einen römischen Senator mit seiner Sammlung griechischer Literatur beeindrucken zu können...

  • Die Übernachtung bei Vibius Papus wurde für Durus die reinste Tortur. Nicht nur, dass der Duumvir sehr aufdringlich war, nein, er langweilte den Tiberier auch noch mit seiner gewaltigen Bibliothek. Ein wenig in seinem Enthusiasmus konnte er nur gedämpft werden, als Durus ein Buch, das der Duumvir als Original des Platon ausgab, direkt als Fälschung enttarnte. Zwar hatte der Augur auch keine allzugroße Ahnung von derlei Dingen, aber er wusste, dass Pergament in der Zeit des Platon noch nicht erfunden war.
    Auch das Essen war eher mäßig und hauptsächlich ausgefallen, aber dafür war das Bett wenigstens äußerst weich.


    So konnte er am nächsten Morgen ausgesprochen ausgeschlafen, als er von einem Viator geweckt wurde. Es wurde Zeit, das Tempelgrundstück von den innewohnenden Geistern zu befreien. Folglich stieg er gemeinsam mit Vibius Papus in eine Sänfte und ließ sich hinaus zum Hercules-Heiligtum tragen, wo ein kleinerer Tempel des Iuppiter errichtet werden sollte.


    Als sie die Sänfte verließen, musste selbst Durus staunen. Er hatte bisher nur von dem Heiligtum gehört, aber als er es vor sich sah, war es weitaus größer, als er erwartet hatte. Es war etwa ein Stadium lang und 46 Perdica* breit. Vorn befand sich ein Theater, dahinter thronte das eigentliche Tempelgebäude. Das gesamte Areal war von einem breiten Säulengang umgeben, auf den man einen zweiten gesetzt hatte. Links und rechts führten gewaltige Treppen hinauf zu dem Tempel- und Marktplatz.


    "Ziemlich beeindruckend, nicht wahr?"


    fragte Papus stolz, als er Durus' Staunen sah. Der Tiberier war zwar große Gebäude gewohnt, aber einen Tempelbezirkt dieser Ausmaße hatte er in Italia selten gesehen, weshalb er anerkennend nicken musste.


    In diesem Augenblick erschien Marcus Catillius, gefolgt von Claudius Myrtilus. Der Claudier hatte die Nacht offensichtlich bei den anderen Duumvirn verbracht - wie verabredet. Schweigend grüßte Durus die beiden, dann gingen die vier - gefolgt von einer Schar Diener, aber auch Schaulustigen, wie es dem Tiberier schien, die Treppen hinauf.


    Oben angekommen erwartete bereits ein gewaltige Menschenmenge die Auguren und die beiden Duumvirn. Auf den Stufen des Hercules-Tempels stand bereits der Aedituus, umringt von einigen Sacerdotes. Sie alle trugen die Tracht der Hercules-Priester: Löwenfelle schmückten ihre Schultern, sie trugen die fremdartigen Kappen, wie sie bei Phöniziern bekannt waren.


    Der Aedituus trat hervor.


    "Salve, Augures! Ich bin Fabianus Cocles, der Aedituus dieses Heiligtums. Ich freue mich, Euch hier begrüßen zu dürfen."


    Durus setzte sein Politiker-Lächeln auf.


    "Danke."


    Er konnte bereits sehen, wo sich der Tempelplatz befand, den er einzuweihen hatte - gemeinsam mit Myrtilus. Auf dem Tempelplatz hatte man mit roten Bändern einen Kreis abgesperrt.


    Sim-Off:

    * 187,45 x 137,7 m

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