hortus | Im Schatten des Hauses

  • Eine der glücklichsten Neuerwerbungen der letzten Wochen im Hause Aurelia schien mir doch nun wirklich ein recht geräumiger Tisch aus Kiefernholz zu sein, der aber so leicht war, dass ihn zwei Sklaven mühelos in den hortus stellen konnten. Auf einem seiner Streifzüge durch Roma, die ihn einmal nicht in gewisse Viertel der urbs, sondern offenbar ganz schlicht auf die Märkte geführt hatten, war mein Sklave Maron auf einen Schreiner gestoßen, der solche Möbel feilbot. Darauf aufmerksam gemacht, gab ich ihm anderntags genügend Geld und Sklaven mit, um einen Tisch und entsprechende Stühle zu erwerben.


    Und nun saß ich also in wärmender Spätsommersonne im hortus der villa Aurelia in Roma und erfreute mich der frischen Luft und des hellen Holzes, das in mir fast so etwas wie Frühlingsgefühle zu wecken vermochte. Die Sklaven hatten den Tisch so gesetzt, dass die villa selbst Schatten spendete; mich direkt unter einen Baum zu begeben, hatte ich mir versagt, erhielt man doch von einem solchen meist nicht nur Schatten, sondern auch weißliche, tropfenartige Darreichungen von Vögeln aus den Zweigen, die auf den vor mir ausgebreiteten Schriftrollen genauso wenig verloren hatten wie in der Karaffe mit verdünntem Wein.


    Neben der Karaffe standen mehrere Becher, und bei dem Kieferntisch warteten mehrere Stühle, denn ehrlich gesagt, hatte ich mich nicht allein zum Arbeiten nach draußen gesetzt. Gäste waren hoch willkommen.



    Sim-Off:

    Und so ist es auch: Gäste sehr willkommen, gerne auch neue Familienmitglieder & Co. :)

  • Sim-Off:

    Da fühle ich mich doch gleich eingeladen :D


    Es war ein wunderbarer sonniger Tag und der war definitiv viel zu schön, um ihn im Haus zu verbringen. Daher hatte Ursus auch einen sehr ausgiebigen Gang durch die Stadt unternommen, hatte im Forum mit allerlei Leuten geplaudert, war über den Markt geschlendert und ein paar Dinge erstanden, da seine Ausstattung zur Zeit noch etwas zu wünschen übrig ließ. Jetzt, gerade heimgekehrt, wollte er eigentlich nur noch seine Beine ausstrecken und es sich im Schatten eines Baumes bequem machen. Wofür hatte die Villa denn auch so einen wundervollen hortus?


    Eigentlich erwartete er nicht, jemanden hier anzutreffen. Die anderen schienen alle ständig schwer beschäftigt zu sein. Er selbst mußte sich erst wieder einfinden, um auch zu sinnvollen Beschäftigungen zu kommen. Ein kleines bißchen fühlte er sich noch fehl am Platz und ungebraucht. Doch er wußte, daß er sich darum keine Sorgen machen mußte. Aufgaben würden sich schon finden. Seiner Erfahrung nach schneller und mehr, als man je haben wollte.


    Ursus biß gerade herzhaft von einem süßen, saftigen Apfel ab, als er Cotta an einem großen Holztisch sitzen sah. Die vielen Schriftrollen wiesen auf viel Arbeit hin, trotzdem trat Ursus an den Tisch. "Salve, Cotta. Na, so schwer bei der Arbeit? Ich will Dich auch gar nicht lange stören, sondern mir nur einen Becher nehmen. Am besten setze ich mich da drüben unter den Baum, dann kannst Du in Ruhe weiterarbeiten." Er ahnte ja nicht, daß Cotta eigentlich gar nicht so sehr auf die Arbeit erpicht war.

  • Sim-Off:

    Aha! Ich hatte ja schon so eine Vorahnung :D


    Und schon kam der erste Gast anmarschiert. Aufmerksam auf ihn wurde ich durch das appetitliche Krachen gesunder, weißer Zähne, die saftige Stücke aromatischen Apfelfleisches von der Frucht bissen. Einen Moment lang überlegte ich, wer wohl in unserer gens Wert legen würde auf gesunde, ausgewogene Ernährung. Ich vermutete eine Frau - stattdessen erschien mein lieber Ursus auf der Bildfläche, der gemütlich an seinem grünen Apfel kaute und zu mir herübergeschlendert kam. Ich blickte auf, versuchte mir, das breite Kreuz und den würdevollen Gesichtsausdruck eines Statthalters zu geben, und wappnete mich innerlich gegen neue Sticheleien.


    Ein Blick in sein Gesicht brachte meine stramme Haltung allerdings schon ein wenig zum Zerfallen, denn für seine Verhältnisse wirkte Titus ungewöhnlich nachdenklich. Auch seine Ansprache an mich war angenehm zurückhaltend. Dass er sich mit einem Becher Wein zurückziehen wollte, wie er ankündigte, wollte ich keinesfalls zulassen. Stattdessen beugte ich mich ein wenig vor und meinte in verschwörerischem Ton zu ihm:


    "Die Schriftrollen sind doch bloß zur Tarnung, Ursus. Ich wollte unbedingt den schönen Nachmittag genießen, geniere mich aber, um diese Tageszeit so nichtstuerisch im hortus zu sitzen, während Corvinus soviel um die Ohren hat."


    Mit meiner rechten Hand deutete ich auf einen leeren Stuhl und füllte Titus gleich selbst einen Becher, während ich zugleich einer Sklavin ein Zeichen gab, uns, da wir ja nun zu zweit waren, einige Knabbereien vorbeizubringen. Ich nahm selbst einen Schluck aus meinem eigenen Becher und wandte mich dann wieder voll meinem Vetter zu.


    "Wie geht es dir denn so in Roma? Für dich ist es ja deine Heimatstadt, während ich mich, ehrlich gesagt, hier manchmal noch ein wenig fremd fühle."

  • Nach den Gebeten im Tempel des Mercurius hatte der pater recht annehmlich geruht. Mit dem Sklaven Tacitus schlenderte er in stillen Gedanken sodann durch sein Anwesen. Sophus wusste nicht, ob er den Garten des Hauses noch einmal vor der Abreise sehen würde und beschloss, wohl ein letztes Mal den lieblichen Anblick des gepflegten Grüns zu genießen. Dann und wann wechselte er ein Wort mit seinem vertrautesten Sklaven, hier und da begutachtete er Blüten, die fast schon im Vergehen begriffen waren. Das bunte Treiben einiger junger Sperlinge erfreute ihn und er fragte sich, welche Natur er im fernen Asien antreffen würde.
    Als die Männer ein ganzes Stück gegangen waren, erblickte Aurelius zwei Gestalten, nur einen Steinwurf entfernt. Beim Sklaven erkundigte er sich über die Identität der Männer, dieser wusste auch gleich die rechte Antwort. Da kam Sophus natürlich nicht umhin an die Verwandten heranzutreten. Recht interessiert stand er daneben und verfolgte ihr Gespräch.

  • Ha! Erwischt! Cotta war also gar nicht so fleißig, wie es den Anschein hatte! Ursus grinste breit und ließ sich nur zu gern bei seinem Vetter am Tisch nieder. "Soso, Tarnung. Recht gelungen, muß ich Dir zugestehen. Ich bin jedenfalls darauf hereingefallen." Es machte ihm nichts aus, das zuzugeben, was vergab er sich schon dabei? Außerdem fragte er sich, wozu Cotta solch eine Tarnung brauchte. Es würde ihm niemand Vorwürfe machen, wenn er es sich mal eine Weile lang gut gehen ließ. Corvinus war doch schließlich selbst schuld, er könnte ja einen Teil seiner Arbeit auf andere abwälzen. Auf sie beide zum Beispiel. Und er würde sich nicht mal dagegen wehren, war er doch durchaus gewillt, zu lernen und Verantwortung zu übernehmen.


    "Ich bin sowas von froh, wieder hier zu sein, das kann ich kaum beschreiben. Aber die Jahre der Abwesenheit machen sich natürlich schon bemerkbar, ich bin überhaupt nicht mehr auf dem Laufenden."


    Ein älterer Verwandter lustwandelte durch den Garten, trat auch näher an sie heran, sagte aber nichts. Das war doch Sophus? Ursus erinnerte sich an ihn, doch er sah irgendwie blaß und kränklich aus. Da der Verwandte nichts sagte, nickte Ursus ihm nur höflich grüßend zu und wandte sich dann wieder an Cotta.


    "Das fremde Gefühl wird sich bestimmt bald legen. Rom ist herrlich! Leider muß ich jetzt auch erstmal wieder anfangen, alte Bekanntschaften aufzufrischen und neue zu knüpfen. Früher traf ich alle paar Meter auf jemanden, den ich kannte. Heute habe ich nur mit mir bisher Fremden gesprochen. Zum Beispiel mit einem Plebejer namens Titus Octavius Marsus. Sagt Dir der Name irgendetwas?" Er hatte das Gespräch als recht angenehm empfunden.


    Die Sklavin brachte die appetitlich angerichteten Knabbereien. Doch an denen würde Ursus sich erst nachher vergreifen. Wenn er seinen Apfel verspeist hatte. Er lehnte sich bequem zurück und musterte den Vetter, während er ihn erwartungsvoll anblickte. Ob Cotta diesen Marsus kannte?


    Sim-Off:

    Vorahnungen, Vetter? Vielleicht bist Du doch geeignet für priesterliche Ämter? *duck* :D

  • Zum Glück war Ursus wirklich ein Mann der schnellen Entscheidungen, und so ließ er sich nicht lange bitten, griff sich einen der Stühle und begann gleich ein anregendes Gespräch. Da meine Tarnungen und Imponiergebärden im Augenblick offenbar nicht weiter aufrecht erhalten werden mussten, lehnte ich mich zurück und griff nach meinem eigenen Becher Wein. Im Moment des Zurücklehnens wurde ich Sophus' gewahr, der in Begleitung seines Sklaven ebenfalls den hortus aufgesucht hatte. Als er näher an uns herantrat, konnte ich zu meiner Freude erkennen, dass es ihm nun schon deutlich besser zu gehen schien. Ebenso wie Titus nickte ich ihm zu, überlegte allerdings auch einen Moment lang, ob ich nicht meine Tarnung wieder aufnehmen und mich über die Schriftrollen beugen sollte. Es war die Antwort meines Vetters auf meine Frage, die mich zum Lachen brachte und mich davon abhielt.


    "So, so, du bist also froh, wieder hier zu sein. Nun, wie ich hörte, hast du die Zeit in Athen doch auch sehr genossen."


    Dabei zwinkerte ich ihm zu. Wenn wir alleine gewesen wären, hätten wir dieses Thema ganz gewiss jetzt vertieft, ob Titus daran aber in Gegenwart von Flavius gelegen war, würde ich ja merken. Ich hatte jedenfalls nichts zu verbergen - so dachte ich bei mir und schmunzelte zugleich. Vielleicht hatte es Titus ja auch einfach richtig gemacht, nicht umsonst schickte man uns doch weit fort zum Studieren, so dass kleinere Abenteuer eben nicht sofort weite Kreise und den eigenen Ruf unrettbar in Mitleidenschaft zogen. Ansonsten war der lange Aufenthalt in der Fremde nämlich eben auch durchaus nachteilig, worauf Ursus ja zu Recht hinwies.


    "Ich selbst bin ja in Mantua aufgewachsen. Als die Modifikationen im cursus honorum bekannt gegeben wurden, war für mich ja klar, dass ich so bald nicht in meine Heimatstadt zurückkehren würde. Deshalb habe ich mir, was alte Bekanntschaften angeht, gar keine Hoffnungen gemacht; allerdings bin ich sehr froh, dass Lupus den Weg zurück in die gens gefunden hat! Aber in deinem Fall sieht das natürlich anders aus, du kommst aus Roma ..."


    Ich nickte einige Male und versuchte, mich in die Lage meines Vetters zu versetzen.


    "Bei deinem aufgeschlossenen und zupackenden Temperament mache ich mir allerdings gar keine Sorgen, dass du hier in Roma nicht bald wieder einen großen Bekanntenkreis hast! Titus Octavius Marsus, sagst du, hm..."


    Bedauerlicherweise hatte ich Maron in diesem Moment nicht bei mir; er sorgte gerade in meinem cubiculum für Ordnung und hätte mir sonst sicher auf die Sprünge helfen können.


    "Ich war ja mit Corvinus bei diesem Fest in der casa Octavia, das Octavius Avitus gegeben hatte; du warst zu dem Zeitpunkt leider noch nicht in Roma. Da waren natürlich viele Octavii - Avitus eben, Victor natürlich, Detritus - aber Marsus? Nein, ich weiß es jetzt nicht."


    Kopfschüttelnd sah ich Titus an und wartete gespannt auf seine kommenden Ausführungen, was die Octavier wohl wieder angestellt hatten.

  • Sophus legte ein süffisantes Lächeln auf und wippte, während er das Gespräch verfolgte, in den Sandalen leicht auf und ab. Es war doch immer wieder erfrischend, Unterhaltungen früher Jugend zu lauschen. Genau musterte er die beiden Verwandten, besonders aber Cotta - rief dieser doch Erinnerungen an seinen Bruder Galerianus wach. Setzte er jenen im Geiste neben den jungen Familienspross, fand er kaum einen Unterschied in Aussehen und sogar in der Art zu reden. Die Eltern des Ursus hatte Sophus dagegen nicht so gut gekannt. Angestrengt versuchte er, sich an Maxentius zu erinnern.

  • Ursus hatte zwar eigentlich nichts zu verbergen, doch die Tasache, daß Sophus sie beide so gedankenverloren anstarrte, auf seinen Sandalen herumwippte und nichts sagte, sondern nur ein wenig versonnen vor sich hinlächelte, machte Ursus doch ein wenig nervös. War Sophus vielleicht nicht mehr ganz richtig im Kopf? Warum setzte er sich nicht und beteiligte sich am Gespräch? Sein fragender Blick ging von Sophus zu Cotta. Hoffentlich verstand der Vetter die stumme Frage.


    Um das unangenehme der Situation zu überspielen, ging Ursus dann doch lieber auf die Fragen von Cotta ein, ohne zuviel zu sagen. "Natürlich habe ich den Aufenthalt in Athen genossen! Bestimmt nicht weniger als Du. Man muß eben immer das beste aus seiner Situation machen. Und wenn ich es schon nicht ändern konnte, daß ich in Athen war, so konnte ich das Leben dort doch wenigstens auf die angenehmst mögliche Art gestalten. - Aber Rom ist und bleibt meine geliebte Heimat, trotz all ihrer Schönheitsfehler und Probleme. Hier ist es einfach am schönsten." Er lachte, gesprochen wie ein wahres Kind Roms. Aber schließlich war er genau das.


    "Vermißt Du Mantua eigentlich sehr?" Vielleicht ging es Cotta ja mit Mantua so wie ihm mit Rom? Hatte er am Ende gar Heimweh? Falls ja, mußte er dem Vetter das wohl schnell austreiben. Zum Glück bot Rom ja genug Möglichkeiten zur Ablenkung.


    "Du bist doch schon eine Weile wieder hier? Hast Du denn noch keine weiteren Bekanntschaften geschlossen?" Das konnte er sich bei einem Mann wie Cotta eigentlich überhaupt nicht vorstellen. Der war doch wirklich alles andere als scheu und verschlossen. "Sprach nicht Corvinus neulich von einem Fest? Das ist auf jeden Fall schon mal gut. Ein Fest ist eine gute Möglichkeit, sich bekannt zu machen. - Und Marsus... Wir trafen uns auf dem Markt in einer Taverna. Ihn plagte der Durst bei der Wäreme wohl genauso wie mich. Wir kamen ins Gespräch, das dann erfreulich angenehm verlief. Ohne das hätte ich mich wohl kaum so lange in dieser heruntergekommenen Taverne aufgehalten."


    Dann wußte der Vetter also auch nichts über Marsus. Obwohl er ein Fest bei den Octaviern besucht hatte. Naja, das konnte ja schon mal sein, daß man sich bei einem großen Fest nicht begegnete. "Du warst also auf diesem Fest in der Casa Octavia. Auch wenn Du Marsus nicht kennengelernt hast, wie sind denn die anderen Familienmitglieder so?" Immerhin hatte Marsus ihn ja auf einen Besuch eingeladen, da war es sicher nicht verkehrt, ein bißchen was über die Familie zu wissen.

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Ursus hatte zwar eigentlich nichts zu verbergen, doch die Tasache, daß Sophus sie beide so gedankenverloren anstarrte, auf seinen Sandalen herumwippte und nichts sagte, sondern nur ein wenig versonnen vor sich hinlächelte, machte Ursus doch ein wenig nervös. War Sophus vielleicht nicht mehr ganz richtig im Kopf? Warum setzte er sich nicht und beteiligte sich am Gespräch? Sein fragender Blick ging von Sophus zu Cotta. Hoffentlich verstand der Vetter die stumme Frage.


    Stumme Fragen verstand Sophus grundsätzlich nicht, wohl aber bemerkte er eine Redepause der Männer, die er auch gleich nutzen wollte, ohne ihren Redefluss zu unterbrechen. Immerhin war er ein höflicher Mensch. Manchmal jedenfalls.
    "Den Herren darf Gesellschaft geleistet werden?", fragte er denn auch. Eine Sache, die er äußerst selten tat.

  • Mittlerweile dankte ich den Göttern wirklich nicht nur für das gute Wetter und das Privileg, bei eben diesem hier einfach draußen im hortus sitzen zu können, sondern auch dafür, dass sie mir gerade Ursus als Gesellschaft geschickt hatten. Denn ich lernte ihn heute von einer für mich völlig neuen Seite kennen. Die Größe unserer gens hatte es mit sich gebracht, dass wir nicht miteinander aufgewachsen waren und uns im Knabenalter nur sporadisch gesehen hatten; Zufälle, vielleicht aber auch gar die Weisheit der athenischen Lehrer hatte während unseres Studiums dazu geführt, dass wir ebenfalls getrennt gewesen waren. Nun empfand ich die Anwesenheit Titus' hier in der villa Aurelia in Roma mehr und mehr als Bereicherung.


    Ich lächelte ihm aufrichtig zu, während ich verblüfft seinen wahrhaft diplomatischen Worten zuhörte, mit denen er die Zeit in Athen aus seiner Sicht zusammenfasste. Das Talent zu einer solchen Art der Rede hatte ich an ihm bislang noch gar nicht wahrgenommen; hier nun bekam ich es in einer verheißungsvollen Blüte vorgeführt. Die Anwendung dieser seiner Begabung mochte Ursus allerdings auch angebracht erscheinen; so jedenfalls deutete ich seinen Blick, den er vielsagend zwischen mir und Flavius hin- und herwandern ließ. Auch ich bemerkte das Lächeln auf den Zügen meines Onkels, das ich nicht recht zu deuten vermochte; trotz unserer nahen Verwandtschaft kannte ich ihn so gut wie gar nicht, war er, den viele so bewunderten, doch stets mit Ämtern und Arbeit überhäuft gewesen. Sein Lächeln jetzt verunsicherte auch mich, und so versuchte ich, mich umso mehr Titus zu widmen.


    "Was Roma angeht, musst du mir unbedingt mal alles zeigen oder mir wenigstens sagen, was man unbedingt gesehen haben muss! Ich vertraue da ganz auf dich als Einheimischen, du hast doch sicher, wie sagt man, Geheimtipps!"


    Dabei grinste ich ihn an und freute mich schon im Voraus auf ein entsprechendes Gespräch zwischen mir und meinem Vetter, das wir dann aber sicherlich alleine führen würden. Oder wir würden einfach einmal gemeinsam losziehen.


    "Was Mantua betrifft - nun, bei den res gestae von Claudius Menecrates bin ich nachher auf dem Forum Romanum noch mit Annaeus Modestus ins Gespräch gekommen, dem duumvirn von Mantua. Dabei entstand die Idee, bald einmal in meine Heimatstadt zu reisen. Ich war ja ewig nicht mehr dort."


    Unwillkürlich blickte ich bei der Erwähnung Mantuas wieder in die Richtung, in der mein Onkel stand, oder besser: gestanden hatte. Denn nun sah ich, dass er ganz nahe an den Tisch zu uns herangetreten war. Ein leichter Schreck durchfuhr mich; wie ein Schuljunge fühlte ich mich ertappt - ich wusste selbst nicht, warum - und erwartete einen Tadel. Zu meiner großen Überraschung fragte Flavius uns jedoch, ob er sich zu uns setzen dürfe. Verdutzt sah ich Ursus an. Dann wandte ich mich schnell dem Fragenden zu:


    "Es steht uns Jungspunden wohl nicht an, Onkel, Dir auf Deine wohl rhetorische Frage hin Erlaubnisse zu erteilen oder gar zu verweigern. Darf ich aus Deinem Erscheinen hier im hortus aber schließen, dass es Dir wieder besser geht? Das wäre eine wirklich freudige Nachricht."


    Ein Blick auf die Sklavin, die sich im Hintergrund der kleinen Sitzgruppe hielt, bestätigte mir, dass sie sich bereits anheischig machte, Sophus zu bedienen.

  • Zitat

    Original von Appius Aurelius Cotta
    "Es steht uns Jungspunden wohl nicht an, Onkel, Dir auf Deine wohl rhetorische Frage hin Erlaubnisse zu erteilen oder gar zu verweigern. Darf ich aus Deinem Erscheinen hier im hortus aber schließen, dass es Dir wieder besser geht? Das wäre eine wirklich freudige Nachricht."


    Ein Blick auf die Sklavin, die sich im Hintergrund der kleinen Sitzgruppe hielt, bestätigte mir, dass sie sich bereits anheischig machte, Sophus zu bedienen.


    "Man steht doch immer in bester Kraft, wenn man jungen Römern mit angemessenen Sitten begegnet, nicht wahr?", meinte dieser, bevor er nicht ganz unbeschwert atmend eine Sitzgelegenheit in Anspruch nahm, welche sein Sklave Tacitus bereits zurechtgerückt hatte.

  • Ursus hatte seinen Apfel mittlerweile verspeist und die geringfügigen Überreste kurzerhand in den nächsten Busch geworfen. Dann lehnte er sich wieder bequem zurück und nippte ab und zu an seinem Becher. Es war wirklich herrlich, hier zu sitzen und zu plaudern. Wer immer die Idee mit diesem Tisch gehabt hatte, war zweifellos ein Genie.


    "Geheimtipps? Ich fürchte, die sind mittlerweile hoffnungslos veraltet. Aber ich bin zuversichtlich, daß wir zusammen neue Geheimtipps ausfindig machen werden." Und vielleicht war ja doch die eine oder andere Adresse noch immer brauchbar.


    "Was ist denn momentan bei den Spielen so los? Und wer liegt bei den Wagenrennen vorn? Du siehst, selbst die einfachsten Dinge gehen mir noch ab. - Na, Du wirst doch wohl nicht aus Rom flüchten wollen, wenn ich gerade ankomme und es mit Dir zusammen unsicher machen möchte?", schimpfte Ursus im Scherz, als er hörte, daß Cotta bald einmal nach Mantua reisen wollte. Nicht, daß er dem Vetter die Heimreise nicht gönnte, aber er hatte gerade angefangen, sich auf gemeinsam Aktivitäten zu freuen. Mit wem sollte er denn seine üblichen Sticheleien austauschen, wenn Cotta nicht da war? Lupus hatte er ja noch nicht zu Gesicht bekommen, aber Ursus hoffte insgeheim, daß auch er dem einen oder anderen Abenteuer gegenüber nicht abgeneigt war.


    Gerade, als Ursus erwartete, von Cotta mehr über die Familie Octavius zu erfahren, trat Sophus näher heran und fragte sie wahrhaftig, ob er ihnen Gesellschaft leisten durfte! Als wäre das eine Frage? Völlig verblüfft tauschte Ursus mit seinem Vetter einen Blick und nickte Sophus nur zu, da Cotta ja schon sagte, was zu sagen war. Und Cottas Worte bestätigten ihm auch, daß Sophus tatsächlich krank gewesen war. Höflich wartete Ursus nun ab, was der Onkel, - nunja, eigentlich waren sie viel weitläufiger miteinander verwandt, doch Onkel traf es wohl noch am besten, - sagen würde.

  • Zitat

    Original von Flavius Aurelius Sophus
    "Man steht doch immer in bester Kraft, wenn man jungen Römern mit angemessenen Sitten begegnet, nicht wahr?", meinte dieser, bevor er nicht ganz unbeschwert atmend eine Sitzgelegenheit in Anspruch nahm, welche sein Sklave Tacitus bereits zurechtgerückt hatte.


    "Was den Zusammenhang zwischen der Angemessenheit Deiner Sitten und der Kraft angeht, Onkel, so dürftest Du, Deinem respektvollen Verhalten uns gegenüber nach zu urteilen, nicht nur vollständig genesen sein, sondern gleichst einem Jungbrunnen und einer stetigen Quelle des Ansporns für uns."


    In der Tat nahm mich Flavius' respektvolles Benehmen Ursus und mir gegenüber durchaus für ihn ein, zumal er mir sonst durch seine Strenge bekannt war; dies allerdings auch wieder fast ausschließlich vom Hörensagen her. Ich war daher mittlerweile ganz froh darüber, dass Sophus bei uns Platz genommen hatte, ergab sich doch so die Gelegenheit, einander vielleicht ein wenig besser kennen zu lernen. Außerdem schien es um seine Gesundheit nun wirklich auch besser bestellt zu sein, wenn ihm das Hinsetzen auch eine gewisse Mühe zu bereiten schien. Ich beobachtete dies mit Sorge, bemühte mich aber, mir davon möglichst wenig anmerken zu lassen, da mir auch mein Onkel bestrebt schien, solches vor uns zu verbergen. Im Übrigen schien er uns beide in unserem Gespräch auch nicht unterbrechen zu wollen; ich überlegte mir daher, auf welches der von Titus angerissenen Themen ich jetzt am besten würde eingehen können, so dass sie uns beiden einerseits in den Augen des Sophus nicht kompromittieren würden und für ihn andererseits vielleicht sogar auch von Interesse sein könnten.


    "Du hattest mich nach den Octaviern gefragt, Titus. Ich muss dir gleich sagen, dass ich sie natürlich auch nicht besonders kenne; ich kann dir nur ganz subjektive Eindrücke schildern. Mittelpunkt dieses Festes seinerzeit war natürlich Octavius Avitus, anlässlich dessen Kandidatur zur quaestur es ja auch stattfand; dass er dieses Amt dann doch nicht erlangt hat, hast du sicher mitbekommen. Er ist ja jetzt stattdessen Militärtribun bei den cohortes urbanae."


    Ich freute mich dagegen von Herzen für Corvinus, dass dieser auf überzeugende Weise zu dem von ihm gewünschten Amt gekommen war.


    "Octavius Victor als praefectus urbi hat natürlich gerade jetzt während der Abwesenheit des imperators eine Schlüsselstellung inne, da er diesen ja vertritt. Und Octavius Detritus ist ja nun in den senatus aufgenommen worden nach all den vielen Ämtern, die er schon innehatte - aber das ist dir sicher auch bekannt. Persönliche Freundschaften konnte ich mit ihnen bislang nicht schließen, da hast du mir etwas voraus."

  • Als das Gespräch die Schwelle zu Militär und Politik übertrat, steigerte sich die Aufmerksamkeit des Sophus nochmals. Dabei interessierte ihn nicht so sehr, was genau zu den eigentlichen Themen gesagt wurde, sondern vielmehr die Herangehensweise der jungen Aurelier. Mit den Namen der genannten Octavier konnte er sogar vage etwas anfangen, vermutlich waren ihm beide Persönlichkeiten entweder in seinen militärischen oder politischen Ämtern einmal über den Weg gelaufen. Detrius hatte ihm unter den vielen Menschen, mit denen er in den letzten Jahren Umgang gehabt hatte, wohl noch den bleibendsten Eindruck hinterlassenn. So verwunderte ihn auch nicht, dass der Mann am Ende Senator geworden war. Nun jedoch war es an der Zeit, die Verwandten etwas aus der Reserve zu locken. Aus seinem Antlitz ließ Sophus jede Regung weichen, musterte in stoischer Pose erst Ursus, dann Cotta sehr genau und fragte: "Über Sittlichkeit und Politik wurde in unserer Runde gesprochen. Gehen diese Begriffe zusammen?"

  • Sim-Off:

    Ups, hatte gar nicht gesehen, daß Sophus gleichzeitig mit mir gepostet hatte. Paßt ja jetzt nicht so schön.. :(


    Ursus sah zu, wie Sophus sich etwas mühsam setzte und dabei von seinem Sklaven umsorgt wurde. Ob er wirklich schon so vollständig genesen war? Es wirkte eigentlich nicht so. Doch die Worte des Onkels waren wohlwollend und zeugten von seinem Interesse an der jungen Verwandschaft. "Den Worten Cottas kann ich da nur zustimmen, Onkel. Dein Beispiel gleicht einem Ideal, nach dessen Erreichen wir nur streben können." Gut, das war ziemlich geschleimt, doch schaden konnte es nicht. Außerdem hatte der Onkel ja tatsächlich einiges erreicht im Leben


    Einiges von dem, was Cotta über die Octavier erzählte, hatte Ursus zwar schon gewußt, aber anderes noch nicht. Vor allem war ihm noch nicht so richtig bewußt gewesen, daß es ein Octavier war, der den Imperator vertrat. Insgesamt war die Familie nicht ohne Einfluß und ganz abgesehen davon, daß er Marsus wirklich sehr sympathisch fand, war es sicherlich kein Fehler, Freundschaft mit dieser Familie zu pflegen. "Nun, ob eine Freundschaft daraus erwachsen wird, muß sich erst zeigen. Doch immerhin haben wir gegenseitig Einladungen ausgesprochen und ich beabsichtige auch, seiner Einladung nachzukommen." Bestimmt ergab sich auch eine Gelegenheit, Cotta mit Marsus bekannt zu machen. Zu dritt war es doch noch viel schöner, die angenehmen Seiten Roms auszukosten. Doch das war kein Thema, um es vor Sophus zu diskutieren. Auch wenn der als junger Mann gewiß auch einige Abenteuer hinter sich gebracht hatte.


    Die Frage, die der Onkel nun noch stellte, mutete fast wie eine Examensfrage an. Und war auch tatsächlich nicht so einfach zu beantworten. "Zumindest sollten Sittlichkeit und Politik zusammengehen. Unbedingt sogar", antwortete Ursus daher zunächst ein wenig vorsichtig. "In einigen Fällen tun sie dies aber ganz gewiß nicht. Wirklich verwerflich wird dies in meinem Augen, sobald es zu Lasten des Volkes geht. Denn die Politik hat schließlich alleinig die Aufgabe, dem Volk zu dienen." Ja, und wenn nebenbei die Taschen der Politiker gefüllt wurden, war das eigentlich auch schon in Ordnung. Solange sie dafür taten, was für das Volk von Nutzen war. Arbeit, verantwortungsvolle Arbeit, gehörte schließlich auch belohnt.

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus


    Die Frage, die der Onkel nun noch stellte, mutete fast wie eine Examensfrage an. Und war auch tatsächlich nicht so einfach zu beantworten. "Zumindest sollten Sittlichkeit und Politik zusammengehen. Unbedingt sogar", antwortete Ursus daher zunächst ein wenig vorsichtig. "In einigen Fällen tun sie dies aber ganz gewiß nicht. Wirklich verwerflich wird dies in meinem Augen, sobald es zu Lasten des Volkes geht. Denn die Politik hat schließlich alleinig die Aufgabe, dem Volk zu dienen." Ja, und wenn nebenbei die Taschen der Politiker gefüllt wurden, war das eigentlich auch schon in Ordnung. Solange sie dafür taten, was für das Volk von Nutzen war. Arbeit, verantwortungsvolle Arbeit, gehörte schließlich auch belohnt.


    Es verging kein Wimpernschlag, da hakte Sophus nach:
    "Wie definierst du Sittlichkeit, was ist das Volk und weshalb glaubst du, müsse ihm von der Politik gedient werden?"


    Anschließend beugte er sich vor und fixierte beide Aurelier streng.


    "Ihr redet über Politik. Ich stelle euch nun eine Frage, eine sehr einfache Frage, auf die ich kein vielleicht, kein irgendwann, kein ich weiß nicht hören, kein Zögern, kein Zaudern bemerken will. Ich stelle euch nun eine einfache Frage, auf die ich eine einfache Antwort haben möchte. Ja oder nein. Es kann und darf kein Ausweichen geben. Möchtest du in die Politik, Ursus? Möchtest du in die Politik, Cotta?"

  • Zitat

    Original von Flavius Aurelius Sophus
    Es verging kein Wimpernschlag, da hakte Sophus nach:
    "Wie definierst du Sittlichkeit, was ist das Volk und weshalb glaubst du, müsse ihm von der Politik gedient werden?"


    Anschließend beugte er sich vor und fixierte beide Aurelier streng.


    "Ihr redet über Politik. Ich stelle euch nun eine Frage, eine sehr einfache Frage, auf die ich kein vielleicht, kein irgendwann, kein ich weiß nicht hören, kein Zögern, kein Zaudern bemerken will. Ich stelle euch nun eine einfache Frage, auf die ich eine einfache Antwort haben möchte. Ja oder nein. Es kann und darf kein Ausweichen geben. Möchtest du in die Politik, Ursus? Möchtest du in die Politik, Cotta?"


    Zu den Worten meines Vetters Ursus über die Octavier nickte ich zustimmend.


    "Auf dem Fest der gens Octavia ist Corvinus ja mit Avitus ein Wahlbündnis eingegangen. Es ist sicher gut, den Kontakt zu dieser Familie auch nach der Wahl nicht abreißen zu lassen; und wenn dann noch persönliche Sympathie hinzukommt - umso besser. Ist dieser Marsus eigentlich in unserem Alter?"


    Während Titus und ich unser Gespräch über die Octavier fortsetzten, beobachtete ich aus den Augenwinkeln heraus angespannt, wie scharf Onkel Sophus uns beiden dabei musterte. Die ganze Zeit schon hatte ich auf ein Eingreifen seinerseits gewartet; die Frage, die dann tatsächlich kam, verwunderte mich allerdings schon ein wenig.


    "Das, was ich nun zu Deiner Frage an uns sage, Onkel, sage ich unter zwei Voraussetzungen: Erstens meinst du mit dem ,Begriff der Sittlichkeit' sicherlich die Idee des Guten respective die Tugend. Und da ich dies als gegeben annehme, mache ich die zweite Voraussetzung, die Epikureer außen vor zu lassen."


    Nachdem ich nun auf diese Weise versucht hatte, das Thema einzugrenzen, machte ich mich an die Kernfrage:


    "Nach allen übrigen philosophischen Schulen, die gelebt und gelehrt werden, gehen die Begriffe des Guten und der Politik nicht nur zusammen, sondern gehören unabdingbar zueinander. Am markantesten ausgeführt ist dies wohl in der ,Politeia' des Plato. Und auch die Stoa lehrt ja, die politische Betätigung zu suchen, und zwar als Betätigungsfeld für die Tugend."


    Ich machte eine absichtliche Pause, denn wenn das auch die Kernfrage war, so wie sie Flavius gestellt hatte, so war dies vielleicht doch noch nicht der Kern der Sache, wie auch er sie gemeint hatte.


    "Das Aufkommen der Schule des Epikur zeigt jedoch, dass so manchen Eiferer für das Gute irgendwann eine gewisse Resignation beim Verfolgen der Politik überkam. Woher mag diese gekommen sein? Meiner Meinung nach durch die zunehmende Korruption der Polis durch die menschlichen Leidenschaften und die Gier, durch den Übergang zu einer monarchischen Herrschaft sowie durch die Konfrontation mit dem großen Erfolg schierer militärischer Gewalt. Alle drei Punkte hängen miteinander zusammen."


    Einen Moment lang hielt ich inne und überlegte, in welchen Formulierungen ich nun den Schluss aus meinen Ausführungen ziehen würde. Die neue Frage meines Onkels kam mir dabei sehr zu Pass.


    "In meinen Augen heißt Politik also: die Tugend im Gemeinwesen zur Geltung kommen lassen. Dabei wird man es nicht nur mit Tugendhaften, sondern eben auch mit Korrupten, Gierigen und Gewalttätigen zu tun bekommen. Trotz und angesichts dessen sage ich ja. Du fragst mich, Onkel, ob ich in die Politik will: Ja."

  • Daß es ein Wahlbündnis mit den Octaviern gab, war Ursus auch noch neu. Es war eben doch schwer, nach Jahren zurückzukehren. Was er wohl noch alles nicht wußte? Er konnte nur die Augen und Ohren offenhalten und versuchen, seine Wissenslücken so schnell wie möglich zu schließen.


    "Marsus ist wenige Jahre älter als wir und hat es ebenfalls darauf abgesehen, eines Tages den Senat mit seiner Anwesenheit zu beehren." Schon allein deshalb war es bestimmt nicht schlecht, den Kontakt aufrecht zu erhalten.


    Die direkte und fordernde Frage von Sophus konnte Ursus erst einmal nur fest und spontan mit: "Ja" beantworten. "Und ob ich in die Politik möchte!"


    Die Antwort von Cotta auf die Frage nach der Sittlichkeit war sehr philosophisch und zeugte von seiner hohen Bildung. Doch Ursus wollte sie lieber einfach und schlicht beantworten, schon weil er das Gefühl hatte, mit Cotta nicht ganz mithalten zu können. Doch zugegeben hätte er das natürlich nie. "Für mich ist Sittlichkeit der ehrenhafte Umgang miteinander und damit unter anderem auch die Verläßlichkeit auf das Wort. Wie könnte man überhaupt gemeinsam handeln ohne dies? Und was das Volk ist? Das ist Rom. Das Volk ist es, was Rom ausmacht. Dient man dem Volk, dient man Rom. Stärkt man das Volk, stärkt man Rom. Und glaube nicht, daß ich uns Patrizier nicht zum Volk zähle." Natürlich waren sie etwas besonderes, nahmen eine hohe Stellung innerhalb der Gemeinschaft ein.


    "Natürlich habe ich noch viel zu lernen auf dem Weg in die Politik. Doch ich bin bereit, zu lernen, was immer nötig ist." Er war dazu fest entschlossen und wollte diesen Weg jetzt, wo er endlich wieder in Rom war, mit Eifer verfolgen. Schritt für Schritt.

  • Zitat

    Original von Appius Aurelius Cotta


    "In meinen Augen heißt Politik also: die Tugend im Gemeinwesen zur Geltung kommen lassen. Dabei wird man es nicht nur mit Tugendhaften, sondern eben auch mit Korrupten, Gierigen und Gewalttätigen zu tun bekommen. Trotz und angesichts dessen sage ich ja. Du fragst mich, Onkel, ob ich in die Politik will: Ja."


    Nach wie vor war Sophus darauf bedacht, durch keine Regung zu verraten, wie er die vorgetragenen Gedanken wertete. Stattdessen fragte er ohne die kleinste Pause weiter: "Was aber ist die höchste Blüte jeder Politik, folglich die glänzendste Tugend im Gemeinwesen?"


    Zitat

    "Für mich ist Sittlichkeit der ehrenhafte Umgang miteinander und damit unter anderem auch die Verläßlichkeit auf das Wort. Wie könnte man überhaupt gemeinsam handeln ohne dies? Und was das Volk ist? Das ist Rom. Das Volk ist es, was Rom ausmacht. Dient man dem Volk, dient man Rom. Stärkt man das Volk, stärkt man Rom. Und glaube nicht, daß ich uns Patrizier nicht zum Volk zähle."


    An dieser Stelle wurde es für Sophus interessant. Er gab sich wenig Mühe zu verbergen, dass er hier grundsätzlich anderer Auffassung war.
    "Das Volk ist Rom? Ein Lump ohne Nutzen, ist er ebenso Rom wie ein redlicher Mann der Tugend? Und weiter, was macht Adel dem Pöbel gleich?"


    Zitat

    "Natürlich habe ich noch viel zu lernen auf dem Weg in die Politik. Doch ich bin bereit, zu lernen, was immer nötig ist." Er war dazu fest entschlossen und wollte diesen Weg jetzt, wo er endlich wieder in Rom war, mit Eifer verfolgen. Schritt für Schritt.


    "Dann lerne! Zwei und zwei macht vier. Rede dagegen!"

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    "Für mich ist Sittlichkeit der ehrenhafte Umgang miteinander und damit unter anderem auch die Verläßlichkeit auf das Wort."


    Unser Gespräch hatte sich von einer angenehmen nachmittäglichen Plauderei über dieses und jenes und die Octavier immer mehr zu einem philosophischen Streitgespräch entwickelt, bei dem ich mich zunehmend über meinen Onkel wunderte, da er nun nach der "glänzendsten Tugend im Gemeinwesen" fragte. War diese Frage etwa wieder rhetorisch gemeint? Dann hatte doch Ursus darauf schon eine sehr passende Umschreibung gegeben; entgegen meinem Argwohn schien er seine Zeit in Athen ja offenbar doch ab und an mit ernsthaften Studien verbracht zu haben. - Ich konnte nämlich kaum glauben, dass Sophus diese Frage im Ernst an uns richtete; mir fiel ad hoc jedenfalls kein großer Denker ein, der auf diese Frage nicht mit der "Gerechtigkeit" geantwortet hätte. Bezweifelte mein Onkel etwa diese Antwort? War der noble Patrizier gar im Innern ein Freigeist?


    Diesen meinen gravierenden Verdacht zerstreuten allerdings seine folgenden Worte über das Verhältnis von Adel und Pöbel. Auch hier behielt Flavius seinen Verhör-Stil Titus und mir gegenüber bei. Da mich dieser, vor allem aber Sophus' abschließende Aufforderung zur Gegenrede reizten, schaltete ich mich nun ein:


    "Schon die ganze Zeit verfolge ich Deine messerscharfen Fragen mit großem Interesse; mit noch größerem Interesse sehe ich aber der Belehrung entgegen, die Du als erfahrener Aurelius uns Jungspunden sicher nicht vorenthalten wirst und durch Deine Fragen gewiss vorbereitest."


    Ich sah meinem Onkel nun direkt in die Augen; diese Form des Gespräches war auch eine Art und Weise, einander kennenzulernen.


    "Die verschiedenen Regierungsformen unterscheiden sich ja unter anderem darin, wie sie das von Dir angesprochene Verhältnis zwischen Adel und plebs regeln. Welche Regierungsform präferierst Du, und wie stehst Du zur bestehenden?"


    Wie beiläufig fügte ich an:


    "Das Verhältnis von Adel und plebs ist ja auch im Zusammenhang bestimmter Zahlenspiele von Interesse. Zwei und zwei ergeben vier; unter dem Mond aber ergeben nicht nur eins und eins manchmal drei, sondern auch eins und eins manchmal eins."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!