• Dem Wind haftete bereits ein Hauch von Winter an, als er mein Gesicht traf, über die geschwollenen Lider strich und gleichzeitig die Stirn kühlte. Ich hatte die Fensterläden selbstständig geöffnet, denn einerseits wollte ich ungestört sein und andererseits vermutete ich meine Leibsklaven noch schlafend in ihren Unterkünften. Ein Seufzer hob den Brustkorb, auf dem beständig ein unangenehmer Druck lag. Die Hoffnung, er würde irgendwann nachlassen, hatte sich bislang nicht erfüllt. Das Lachen musste ich auf dem Anwesen der Aurelier zurückgelassen haben, zumindest vermisste ich es seitdem, traute mich aber nicht, eine Suche danach zu starten. Ich vermied, so gut es ging, jegliches Nachdenken. Leider hielten sich die Träume nicht an diese Vorgabe, sondern sandten beinahe jede Nacht bedrückende Erlebnisse, die - von Tränen begleitet - für einen reduzierten Schlaf, dunkle Augenränder und jene geschwollene Lider sorgten, die der Wind soeben kühlte.


    Mit einem weiteren Seufzer wandte ich mich ab, griff nach der wollenen Stola und verließ mein Zimmer. Ich liebte schon immer die Dunkelheit der Gänge. Sie wirkte auf mich stets behütend und friedlich, Furcht kannte ich nicht und den Weg zur Küche fand ich auch ohne Licht. Die Menschenleere, die umhüllende Finsternis, die Stille in der Villa, alles passte auf angenehme Weise zu meinem Gemütszustand. Der Körper allerdings beanstandete die niedrigen Temperaturen, indem er die kleinen Härchen aufstellte, sowie Füße, Nase und Hände erkalten ließ. Das Zurechtzupfen der kuscheligen Stola richtete gegen diese Empfindungen wenig aus, also beschloss ich, sie zu ignorieren. Meine Gedanken richteten sich auf die Gelüste kulinarischer Art, die ich beabsichtigte, in der Küche zu befriedigen. Noch schwankte ich zwischen kaltem Hähnchenfleisch und einem Eis, während ich auf die letzte Biegung des Ganges zusteuerte.


    Sim-Off:

    Nach Assindius können sich dann alle claudischen Sklaven einklinken, wenn sie möchten.

  • „So eine verdammte Scheiße“, fluchte ich leicht genervt vor mir her und stand aus meinem Bett auf ‚Erst gehen die mir mit ihrem schnarchen auf die Eier und jetzt quasseln die gemütlich in einer Tour vor sich hin. Muss ich zum schlafen in den Stall gehen oder auf den Lokus? Das ist doch mal ne Idee, das mach ich gleich auch! Aber vorher hol ich mir noch was zu futtern. Bor nä ey, sind die alle fäddich hier.‘


    Im Zeitlupentempo zog ich meine Hose an und torkelte, nur mit ihr bekleidet, Richtung Küche. Vor Müdigkeit bekam ich kaum die Augen geöffnet und hangelte mich im Halbdunkel durch die Gänge. Dabei stütze ich mich an diversen Gegenständen ab. Unteranderem griff ich beim umhertasten einer Frau die da rumstand, dorthin wo man es als Mann besser nicht tun sollte. Als ich anhand der Fülle erkannte, wo meine Hand sich da hingelegt hatte, erschrak ich kurz und schreckte zurück.


    „Verzeihung, das war nicht meine Absicht!“ stammelte ich und ging weiter. Da sie mir keine knallte, geh ich davon aus, dass das nur eine Statue war. Stand die eigentlich schon immer da? Muss ja wohl.


    Weiter auf dem Weg Richtung Küche fluchte ich mit den Händen an die Stirn gepresst leise vor mir her:
    „Dieser scheiß Stachel in meinem scheiß Kopf bringt mich noch mal um! Und wenn die nicht bald Ruhe geben, ich die anderen auch.
    Wat ess’ ich den überhaupt? Ob in der Küche noch irgendwo Äpfel oder’n Stück Brot rumfliegt? Hoffen wir es mal.“


    Aber in den Gängen war nicht nur das Platschen meiner baren Füsse zur hören! Da war noch jemand, da atmete jemand. Die Art der Atmung verriet mir, dass es eine Frau sein musste. Da war ich wohl nicht der einzige Sklave der geflüchtet war. Es war aber zu dunkel, als das ich erkennen konnte wer es war. Mit sanfter Stimme frug ich:


    „Yo, kannst du auch nicht schlafen? Wollest du in die Küche. Machst du mir auch was zu essen?“

  • Die Stille wurde von rhythmischen Geräuschen unterbrochen. Ich verhielt den Schritt und lauschte. Ein murmelndes und platschendes Etwas näherte sich in unverkennbar vertrauter Weise, sodass der Gedanke an einen Einbrecher ausgeschlossen war. Beruhigt setzte ich mich wieder in Bewegung, während die Sinne, vom aufkommenden Appetit angelenkt, sich vornehmlich um die Identifizierung des Objektes kümmerten. Ein Familienmitglied schloss ich beizeiten aus, die Stimme besaß einen Akzent. Eine ähnliche Stimmlage kannte ich, aber der zugehörige Sklave konnte unmöglich hier sein.
    Bevor das nicht zu identifizierende Ungetüm - denn ein solches musste es wegen der Höhe sein, aus der die Stimme drang - mich überrennen würde, stoppte ich vor Erreichen der Küchentür. Nase und Ohren warteten einsatzbereit, denn das Auge vermochte die Dunkelheit nicht zu durchdringen. Dennoch bedauerte ich nicht, ohne Öllampe losgelaufen zu sein, denn solange ich selbst nicht erkannt wurde, konnte ich auch auf leisen Sohlen wieder verschwinden. Ich reckte den Hals und lauschte der Stimme, die nunmehr in unmittelbarer Näher erklang und deren Worte an mich gerichtet waren - eine Stimme, die ich sehr wohl kannte und Worte, die üblicherweise einen frechen Inhalt hatten. Es hatte sich nichts geändert: Assindius, wie er leibte und lebte.


    Ich verschränkte mit einem Schmunzeln die Arme vor der Brust und blickte zunächst gespielt beleidigt, was mein Gegenüber leider nicht wahrnehmen konnte. Schließlich räusperte ich mich.


    „Wir wäre es, wenn du mir etwas zu essen machst? Schließlich hast du reichlich Zeit zur Erholung gehabt.“


    Ich musste ein Lachen unterdrücken und war auf seine Reaktion gespannt. Dabei hätte ich mich viel eher fragen müssen, warum er sich am Vortag nicht bei mir gemeldet hatte.

  • Ha, ne Frau, sach ich doch. Nicht nur der Klang der Stimme bestätigte es mir, sondern auch der Inhalt ihrer Worte. Na klar, die Arbeit immer schön auf die Männer schieben; hohl etwas aus dem Keller, bringt den Müll raus usw., wenn das keine Klassiker sind, die jeder Mann schon einmal gehört hat, dann weiß ich auch nicht.
    Aber diese Stimme kam mir bekannt vor. Ich spielte mir im Bart und überlegte einen Moment. Hm, hier gab es soviel Sklaven, das man da schon mal eine vergessen kann, vor allem mitten in der Nacht; und wenn sich schon meine Augen kaum öffnen, warum sollten es meine Ohren können. Egal, ich hatte Hunger. Außerdem bin ich mein bester Koch.


    „Is klar, Schätzchen! Ich hab bestimmt 2 Minuten länger gepennt als du und bin viel ausgeschlafener. Das ist wirklich reichlich viel Zeit.“


    Als wäre ich ein nasser Köter, schüttelte ich meinen müden Kopf, um wenigsten ein bisschen wacher zu werden. Dann versuchte ich meine Haare zu einem Zopf zu binden, gab es aber nach zwei Versuchen wieder auf und ließ sie hinfallen wo sie hin wollten. Erstmal wach werden.


    „Einen schönen Frau konnte ich noch nie eine Bitte abschlagen!“
    sagte ich mit leicht neckischem Ton und frug mich: ‚Hoffentlich stimmt das auch, vielleicht sollte ich das Licht lieber auslassen? Jetzt wo ich so überlege, gibt es einige Kandidatinnen, bei denen ich vor Schreck sofort hell wach würde. A ja, darum will sie auch in die Küche! Wahrscheinlich hat sie grade die halbe Küche schon geplündert und will jetzt zum zweiten Gang übergehen. Aber vielleicht auch nicht. Na ja, wer nichts wagt, kann nichts verlieren!‘


    Jedenfalls öffnete ich die Tür und erschrak ein wenig als ich das Knarren hörte.


    „Büüähhh! Was für ein ätzendes Geräusch!
    Nach dir, worauf hast du Lust? Süß oder herzhaft? Obst oder Fleisch? Das Richtige wird schon dabei sein!“

  • Schätzchen?! Ich glaubte, ich hatte mich verhört. Von dieser Anrede war ich derart verblüfft, dass mir der Mund offen stehen blieb. Wortlos wartete ich ab, dass er die Küche betrat.


    „Hat der Bär unter Umständen auch dein Hirn verletzt? Du scheinst sämtliche Ansätze guten Benehmens in Germanien vergessen zu haben“, beschwerte ich mich Augenblicke später. Als nichts geschah, trat ich über die Schwelle, während die Hände die Dunkelheit nach möglichen Hindernissen absuchten. Etwas Hölzernes gab Halt, ich hielt inne. „Mach erst einmal Licht“, wies ich ihn an, denn immerhin kannte ich mich zwar in den Gängen und Aufenthaltsräumen der Villa aus, aber die Küche gehörte definitiv nicht dazu.

  • Ich kniff meine linkes Auge zu und kratze mir die Stirn. ‚hab ich was falsch gemacht, war das nicht richtig mit der Tür, hab ich was vergessen oder war die Reihenfolge falsch. Gilt das hier als schlechtes Benehmen, wenn ein Mann einer Frau die Tür aufhält? Muss vielleicht die Frau dem Mann die Tür aufhalten, ihn sich schnappen, über die Schulter werfen und in den Raum hineintragen? Bei den Römern kann ich mir ja viel vorstellen, aber sowas dann doch nicht. Ah, ich weiß. Die hat Läuse! Die sind ihr in Scharen über die Leber gelaufen! Darum zickt die hier so rum. Aber zickig sein kann ich auch, warte ab, du.
    Bä, bä, bä, mach Licht! Sind wir verheiratet, oder wat? Da steh ich ja schon drauf. Na, das kann ja noch schlumpfig werden. Aber vielleicht hat sie ja Angst im Dunkeln und ist deshalb so mies drauf. Erst mal kuhl bleiben und abwarten.‘


    Ich trottete hinter ihr her in die Küche und tastete mich behutsam an allem möglichen vorbei. Irgenwo hatte einer seine Essensreste stehen lassen und ich griff promt hinein. Natürlich war es eine fettige Soße die mir da jetzt an der Hand klebte und natürlich hatte ich nichts zur Hand um sie sauberzumachen. Super! Also wischte ich sie mir am Oberkörper ab, leckte den Rest von den Fingern und trocknete diese an meiner Hose. Die Küche versauen wollte ich dann auch nicht. Schließlich bin ich ein ordentliches Schweinchen.


    „Erklär mir mal, wieso du von dem Bären weißt, aber nicht, dass ich mein Gedächtnis verloren habe. Da hat dir einer bewußt ne Info unterschlagen, um dir einen Bären aufzubinden, hömma!“


    Nachdem ich das losgeworden war, machte ich also Licht. Auch wenn sie nicht besonders grell war reichte ihr Licht, damit ich mit zugekniffenen Augen, mein krächzendes Gesicht von der Lampe nehmen musste. Es wurde hell im Raum und mein Blick fiel sofort auf einen Topf mit Hirsebrei-Resten. Da fackelte ich nicht lang, nahm mir einen Löffel und tauchte ihn in die bereits hart getrockneten Körner. Einen Löffel nahm ich zum denken und wollte mich dann ans kochen machen. Mit umgedrehtem Löffel im Mund drehte ich mich um, weil ich mit der Sklavin besprechen wollte was wir jetzt am besten zu Essen machen.
    Ich erschrack, riss die Augen auf und hörte wie der Löffel auf die Erde fiel. Zwar hatte ich keine Ahnung, wer mir da im Licht gegenüberstand, aber mir ging nur ein Wort durch den Kopf, als ich sie angewurzelt anstarrte:


    „Algiz“


    Sim-Off:

    germ. algiz = Elch/Schutz

  • Ich war von der Art, wie er seine Frage stellte, derart verblüfft, dass ich prompt darauf antwortete, als hätte sie mir mein Vater gestellt.
    „Ich weiß von dem Bären, weil ich dabei war!“ Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, wie absurd es war, dass ich meinem Leibsklaven Rede und Antwort stand. Doch schließlich tröpfelte seine nachfolgende Aussage in meinen Geist und wurde ansatzweise verarbeitet.


    „Wie, Gedächtnis verloren?“, hakte ich schließlich nach. „Und wer hat mir eine Info unterschlagen? Welche überhaupt?“


    Endlich wurde in der Küche Licht, was mir zwar die Orientierung, nicht aber die Erkenntnis erleichterte.
    „Klärst du mich mal auf?“, fragte ich mit Ungeduld in der Stimme, weil Assindius mich stehenließ und stattdessen am Essen naschte.
    Plötzlich drehte er sich um und starrte mich an.


    „Was ist?“, fragte ich erschrocken und tastete meine Frisur ab. Sah ich derart furchtbar aus oder gab es einen anderen Grund? „Ist hier eine Spinne?“ Mit geweiteten Augen sah ich mich um.

  • Leichte Verwirrung kroch in mir empor. ‚Was ist hier überhaupt los, bin ich einfach zu blöd sie zu verstehen oder versteht sie mich nicht? Also, sie war bei dem Bären dabei, so; das ich jetzt den Weg zurückgefunden habe hat ihr wohl niemand gesagt und außerdem nicht, dass mein Gedächtnis oder viel mehr meine Erinnerungen wie die Melodie eines Liedes vom Winde verschlungen wurde. Nun, was soll’s, das macht auch nichts mehr. Aber das ich dieses Bärchen wirklich erledigt hatte, hatte noch jemand gesehen. Mann muss ich’n heißer Kerl gewesen sein und wenn ich so meine Arme und meine Statur ins geistige Auge bringe, auch ein ziemliches Tier, im Gegensatz zu dem, was ich bislang hier so hab rumlaufen sehen. Aber dafür kann ja niemand etwas. Wer weiß was ich früher gemacht habe, vielleicht war ich ja ein kühner Krieger oder Schmied, aber vielleicht war ich auch nur der Ersatz für einen Esel. Statt eines Esels musste vielleicht ich alles tragen, vielleicht war ich auch bislang nur dafür geeignet. Ja, vielleicht. Sollte ich sie darauf ansprechen oder sollte ich es lieber lassen? Ich sollte es besser lassen und es an einem anderen Tage zu Sprache bringen, wenn überhaupt. Sie scheint mir ja ziemlich durch den Wind zu sein, wenn sie sich jetzt im Licht die Haare zurecht machen will, hoffentlich liegt das nicht an mir. Außerdem sollte ich mal langsam damit aufhören sie anzustarren.“


    Ich schüttelte meine Kopf, als wollte einen schlechten Traum abschütteln. Weil ich aber nicht wusste, was mit diesem Frauenzimmer nicht stimmte trat ich näher heran, irgendwas war mit der, die kam mir so furchtbar bekannt vor. Als ich ganz nah herangetreten war blicke ich ihr prüfend in die Augen, erst in das linke, dann in das rechte, nahm Abstand, verringerte ihn wieder und wusste nur, dass ich kein bisschen schlauer war als zuvor. Scheinbar hatte sei nichts falsches geschluckt, sie war wohl einfach müde. Während meine Prüfenden Blicke sich in ihren Augen befanden sprach ich allerdings einige Worte mir ruhiger bassiger Stimme:


    „Tja, du siehst, der Bär hat wohl mein Hirn verletzt! Aber wie das bei Wunden nunmal so ist, sie wachsen zu, das kannst du ja jetzt grade überall auf meinem Oberkörpers sehen. Was zurückbleibt sind Narben, aber sie beeinträchtigen ja nichts, sie härten dich höchsten ab und hindert dich daran Fehler zweimal zu machen.“


    Ich trat wieder zurück und hob den Löffel auf.


    „Das mit der Info ist so. Ich hatte das Gefühl, dass ich dir unbekannt bin. Es schien mir so, dass dir jemand erzählt hatte, das da ein germanischer Grobian ins Haus gekommen ist, der einen Bären erlegt hatte und das dir dieser jemand vergass zu erzählen, dass dieser Grobian ohne Erinnerung durch die Welt streift.“


    ‚Was sollte eigentlich dieses Schreckhafte grade?‘ Ich dachte einen Moment nach:


    „Was ist mit Spinnen, ist dir danach? Soll ich uns ein fangen und braten? Die geben aber nicht viel her und machen nicht satt. Ist schließlich nichts dran!“

  • Ich rieb mir die Stirn, denn eigentlich wollte ich ursprünglich nicht mitten in der Nacht angestrengt nachdenken müssen und dabei restlos wach werden, sondern nur einen Happs essen, um anschließend besser schlafen zu können. Die nachfolgende Bitte, mit der ich ihm ins Wort fiel, hatte daher nichts mit Höflichkeit, sondern einzig mit Nachdrücklichkeit zu tun.


    „Bitte tu mir den Gefallen und denk nach. Wieso solltest du mir unbekannt sein? Ich würde deine Stimme selbst im Halbschlaf noch erkennen, so lange dienst du mir bereits.“ Ich schüttelte den Kopf, aber dann erwähnte Assindius schon wieder ein verlorenes Gedächtnis. „Du meinst mit diesem Grobian, der keine Erinnerung hat, nicht etwa dich, oder?“, fragte ich nach, weil ich hoffte, ich hatte mich verhört. „Und falls ja, was weißt du denn noch? Ich meine, gar nichts mehr?“ Die Hände in die Hüften gestemmt, hätte ich am liebsten angefügt, dass ich solcherlei Überraschungen gar nicht mochte.


    Schließlich ging er auf das Stichwort Spinne ein. „Willst du mich jetzt ärgern? Du weißt doch, dass ich nichts so hasse wie diese Krabbeltiere. Oder hast du das etwa auch vergessen? Herrje, schwierig. Klappt es denn mit der Ausführung von irgendwelchen Arbeiten oder Aufträgen noch?“ Man konnte ja nie wissen, welche Partien des Gehirns noch betroffen waren. Am Ende würde ich ihn noch verkaufen müssen, wenn ich keinerlei nutzbringende Verwendung mehr für ihn fand.

  • ‚Ich mache was? Ich diene ihr. Ach du scheiße, das soll wohl heißen, dass das keine Sklavin ist, sondern..., ach du scheiße. Was hab ich vorhin noch mal zu ihr gesagt, Schätzchen?. Au Mann, das ist wieder typisch. Darum war sie auch grade so gereizt. Ein Sklave der seine Herrisch Schätzchen nennt, au Mann. Was mach ich denn jetzt? Erst mal auf blöd oder mehr auf reumütig. Was wäre jetzt angemessen und was erwartet man jetzt von mir. Ich bin doch Leibwächter, erwartet man von einem Leibwächter ein Reuegefühl oder mehr Gefühlskälte? Erwarten die Herrschaften von den Sklaven ein anderes Verhalten als anderen gegenüber. Aber mal kurz überlegen, sie ist nicht gleich ausgerastet, nachdem ich sie mit Schätzchen angesprochen hatte. Könnte doch ein gutes Zeichen sein, außerdem könnte man das Gefühl gewinnen, dass wir uns schon ewig kennen und sie deshalb auch meine Stimme so gut kennt. Darum kommt sie mir auch so bekannt vor. Was mach ich denn jetzt? Erst mal lächeln!‘


    Der Versuch ein lächeln auf meine Lippen zu zaubern gelang nur zaghaft, eigentlich gelang es überhaupt nicht. Dieses Gesicht schien schon seit längerem diese Muskelgruppen im Gesicht nicht mehr gebraucht zu haben, so dass es wahrscheinlich mehr gequält als aufrichtig aussah, wahrscheinlich sogar fast hilflos. Hoffentlich dachte sie jetzt nicht von mir, dass ICH irgend etwas falsches geschluckt hatte. Das fing ja gut an.


    Irgendetwas antworten wäre auch eine gute Idee. „Also, meine Erinnerung setzt da wieder ein, wo ich aufgewacht bin“ sagte ich schüchtern und mit leisem Ton. „Körperlich bin ich nicht beeinträchtigt, auch der Kopf funktioniert einwandfrei, oder fast. Was mir eben fehlt sind die Erinnerungen vor meinem Aufwachen. Was ich festgestellt habe ist, dass ich mir Namen schlecht merken kann, aber das können ja viele nicht und vielleicht konnte ich das auch vor dem Bären schon nicht gut. Meinen eigenen Nehmen kenne ich übrigens auch nicht und den, welchen ich hier trage, habe ich mir jetzt gemerkt.“


    Ich strich mir durch den Bart und überlegte einen Augenblick, was ich noch sagen sollte. Ein Unwohlsein kam plötzlich in mir auf, so ein Gefühl, als müsste ich mich für irgend etwas erklären, wusste aber nicht genau für was. Ich stammelte also weiter. „Als ich aufwachte und mich wieder gefangen hatte, bemerkte ich das Brandzeichen auf meiner Haut, oder vielmehr den Rest, den der Bär davon noch übrig gelassen hat. Es war offensichtlich das ich ein Sklave bin. Und so machte ich mich allein auf den Weg aus dem wunderschönen Germanien, nach Rom. Hat’ne Weile gedauert, aber da bin. Im Kopf scheint es also doch zu arbeiten.“

  • Ich hörte mir die Erklärungen ruhig an, konnte mir jedoch einen skeptischen Gesichtsausdruck nicht verkneifen.
    „Hmhm“, erwiderte ich zunächst. „Dann kennst du auch meinen Namen nicht?“
    Letztlich würde es bedeuten, dass ich ihn wie einen neuen Sklaven einführen musste, was mir nicht sonderlich gefiel, weil ich den Aufwand kannte. „Im Grunde kann ich dich dann ja nirgends hinschicken. Du würdest keinen Ort finden und keinerlei Auskunft über deine Herren geben können. Wie machen wir das denn jetzt?“ Natürlich erwartete ich keine Lösung von ihm, der Ausspruch war nichts weiter als ein Zeichen meiner Ratlosigkeit.


    „Demnach müsstest du dich auch nicht mehr in dieser Küche auskennen“, fügte ich mit einem Seufzer an. „Ich habe Appetit, aber nicht auf solchen Pamps.“ Meine Hand deutete auf den Hirsebrei. Bereits bei dem Gedanken, einen Löffel davon in den Mund nehmen zu müssen, schüttelte es mich. „Lieber etwas Leckeres – ein Hähnchenschenkel, ein paar Käsestückchen, etwas Herzhaftes.“

  • „Was haben die hier bloß ohne mich gemacht“ murmelte ich in meinen Bart. Offensichtlich gab es notwendige Botengänge und diejenigen, die sie jetzt machen waren entweder zu blöd oder es wurde, weil die zu blöd sind, schon lange keiner mehr geschickt. Davon geh ich aber mal nicht aus. „Also, ich kann mir ja einige Tage Zeit nehmen, um mich wieder zu finden. Ich schnapp mir, mit Eurer Erlaubnis, einfach einen aus dem Sklavenheer und der zeigt mir dann alles oder zumindest das Wichtigste.“ ‚Am besten eine von den Frauen, die sehen dann jemanden und kommen ins tratschen, bäh, tratschen ist ja so widerlich! Dann hab ich aber in aller Ruhe Zeit die Umgebung auf mich wirken zu lassen und mir alles anzusehen‘ dachte ich hämisch. „Das wird schon klappen! Das mit dem Sprechen klappt ja auch. Als ich hier vor der Tür stand, war die Verständigung auch kein Problem, weil ich sofort die Worte verstand und antworten konnte. Die waren sofort wieder da. Das wird dabei nicht anders sein! Und auch bei den sonstigen Sachen nicht! Das wird schon!“


    Ihr Name, wie war der bloß. Name ist Schall und Rauch heißt es. Also Claudia weiß ich schon mal.„Mit den Namen ist das so’ne Sache. Hier die Länge, ähm, Aintzane verriet ihn mir. Aber ohne Gesicht ist ein Name schwer zu merken. Irgendwas mit De...De..., ähm, Dea.“ Ich runzelte die Stirn. „Also Deganhild ist ganz klar es nicht! Wenn ich ihn höre, wird er haften bleiben, jetzt habe ich ja ein Gesicht dazu.“


    ‚Ich kenn mich nicht in der Küche aus? Muss ich doch auch gar nicht, um was zu essen zu finden.‘ „Huhn oder Käse? Zéro problème! Kein hungriger Wolf geht ungesättigt aus einem fremden Hühnerstall! Wir finden hier schon was!“ Ich öffnete einige der Schränke, sah mir Töpfe, Pfannen, Messer und Küchengeräte an und hatte auch schon einige Idden. „Geht, geht. Das geht, das geht auch, das hier können wir nehmen und das hier auch. Jo, alles klar, alles da! Also entweder essen wir einen Happen oder ich koch uns etwas. Kochen würde allerdings ein knappes Stündchen dauern, schneller wären wir natürlich zusammen. Ich würde jetzt allerdings nicht diesen Fraß kochen, den ich hier schon auf so manchem Teller gesehen habe, sondern etwas, ähm, improvisieren. Nachtigallen sind für die Ohren, nicht für den Magen. Damit könnte ich nicht dienen.“
    Während ich mit erwartungsvollem Blick auf die Reaktion der Herrin wartete, kam mir in den Sinn, dass das hier eine ziemlich bizarre Situation war. Selbst wenn ich gekocht haben werde, würde sie als Cheffin nicht mit mir zusammen essen, geschweige denn das Essen machen; Ging ja eigentlich gar nicht. Aber wie läuft das überhaupt so. Wenn sie etwas äße , was würde ich dann machen. Ginge sie in ihr Zimmer und ich müsste die Küche aufräumen? Bekäme ich etwas von dem ab, was ich kochen würde oder wäre das unüblich und unschicklich?

  • Sim-Off:

    Wolltest du mit der Farbe meine Sehschärfe testen? ;)


    Der Vorschlag gefiel mir, daher nickte ich.


    „Nimm am besten Samira. Die ist schon lange bei mir und zuverlässig.“ Immerhin würde es mir wenig nützen, wenn er sich einen Sklaven zum Vorbild nahm, der nicht in meinem Sinne agierte, denn manchmal konnte ich pingelig sein. Ich fragte mich, ob er sich wohl noch daran erinnern konnte. Letztlich war mir das aber egal, Samira würde es ihm schon bebringen, zuverlässig und sorgfältig zu arbeiten, sie hatte ihn ja bereits nach dem Erwerb in seine Aufgaben eingeführt.
    Das Namenraten riss mich aus den Gedanken.


    „Deganhild?! Was für ein furchtbarer Name!“ Mein Entsetzen war zum Teil gespielt, weil er mir zum Glück diesen Namen von sich aus nicht zutraute, aber gleichzeitig fand ich diese Kreation tatsächlich furchtbar. „Betitele mich bloß nicht damit, nicht mal zum Spaß. Damit müsste ich mich ja schämen. Und ich werde jetzt deine Pfiffigkeit testen, indem ich dir meinen Namen nicht verrate, du ihn aber bis zu meiner aktuellen Sättigung herausfinden musst. Apropos Sättigung… ich habe Hunger.“


    Gespannt verfolgte ich, wie er nach etwas Essbarem schaute. Ich hätte nicht gewusst, wo ich suchen sollte, aber mir schien, er wusste es auch nicht. Essen wurde kühl aufbewahrt und kühl war es mit Sicherheit in den Schränken nicht.


    „Ja, improvisiere, ist mir egal, aber nicht eine Stunde. Bis dahin bin ich umgekippt.“ Das „zusammen kochen“ überhörte ich selbstverständlich. Zur Untermalung fing mein Bauch an zu knurren.

  • Sim-Off:

    Was ist denn da passiert, muss ich mir wohl eine andere Farbe aussuchen. Aber beim nächsten mal!


    Mit geschlossnen Augen runzelte ich die Stirn und ging in mich, ein Gesicht zu einem Namen suchend. Diese vielen Namen und diese vielen Gesichter, das war alles gar nicht so einfach. Und dann kommt noch hinzu, dass diese Namen nicht so eine schöne Klangfarbe haben, wie die heimatlichen, so wie Hrodebert, Sunihild oder Scafthilda. Wo gibt es schon so schöne Namen wie bei uns. „Samira, Samira? Lallte ich vor mir her. Moment, gleich hab ich’s. Ähm, Samira ist die mit den roten Haaren, welche sie immer bedeckt trägt. Ja genau, die ist das!“


    Aber ich hatte den Eindruck, dass die Herrin meine Auffassung über schöne Namen nicht teilte. ‚Deganhild klingt furchtbar? Hm, vielleicht in einem römischen Ohr. Aber es war ja klar, dass sie diesem Namen nicht tragt. Eine Römerin mit einem germanischen Namen gibt es wahrscheinlich auch nirgendwo und schon gar nicht in solch großen Häusern, in denen reiche Leute wohnen. Das wäre wahrscheinlich furchtbar unrömisch und furchtbar unbeliebt. Aber das mit dem betiteln hab ich nicht ganz verstanden, reden die Sklaven die Herrschaften mit ihren Namen an, also das würde ich mich nicht trauen.


    Den Namen der Herrin soll ich bis zu ihre Sättigung erraten. Na toll, wenn ich sie mir so ansehe, würde das ja nicht lange dauern. Sollte sie irgendwann einmal Mäusen ein Stück Brot zuwerfen, würfen die Mäuse das Stück doch wieder zurück. Ist ja nichts dran an der Frau. Dann werde ich mich eben beeilen müssen. Das lieb ich ja, immer diese Hetzte! Und jetzt auch noch schnell etwas eßbares zusammenstellen. „Ich lass mir was einfallen“


    Als ich mich umgedreht hatte, um die Hähnchenschenkel aus dem kühlen Keller zu holen, hörte ich ein ziemliches Brummen. Es gibt ja Frauen, die sehr viel essen können und an denen trotzdem nichts dran ist. Vielleicht war meine Herrin ja eine davon. ‚Vielleicht müssen die auch deshalb so viel Geld verdienen, um ihren Appetit stillen zu können‘ dachte ich hämisch, verwarft aber diesen Gedanken gleich wieder. ‚Sie hat so eine leichte Blässe an den Wangen, wahrscheinlich hat sie einfach noch nichts gegessen und deshalb wackeln hier die Schränke.‘


    Im Keller angekommen brauchte ich nur einen Handgriff, um das Gewünschte zu finden. `‘Was hätte sie eigentlich gemacht, wenn sie auf ihrem Weg in die Küche niemanden getroffen hätte? Wäre sie dann in die Sklavenunterkunft gekommen und hätte einen geweckt?‘ dachte ich, als ich wieder die Küche betrat. Ich wusch und trocknete zuerst die Hähnchenschenkel, dann verrührte ich Honig, Pfeffer und Salz, anschließend verteilte ich Olivenöl auf einem Backblech, legte das Huhn darauf und träufelte die Flüssigkeit darauf und schob es in den Ofen, den ich bereits vorgewärmt hatte, bevor ich in den Keller ging. „Das dauert jetzt ein paar Momente, bis es soweit ist, habe ich hier den Käse mitgebracht‘“

  • Es hörte sich gut an, dass er sich was einfallen lassen wollte. Die Worte beruhigten mich bzw. steigerten meine Zuversicht, bald etwas Leckeres essen zu können.
    Auf der Suche nach einer annehmbaren Sitzmöglichkeit warf ich einen skeptischen Blick auf die Tischplatte. Sie erwies sich als sauber, also lehnte ich mich an, stützte die Arme auf und saß mit einem Hopser auf der Tischkante. Die Hände legte ich zufrieden in den Schoß, ließ die Beine baumeln und strich ab und an über den Bauch, als er erneut knurrte.
    Ich genoss es, Assindius beim Arbeiten zuzusehen. Alleine der Grund, selbst nichts tun zu müssen und trotzdem alle Wünsche erfüllt zu bekommen, erhellte mein Gesicht und entlockte mir ein Lächeln. Aber eigentlich hätte er mir den Käse auch VOR der Zubereitung der Hähnchenschenkel anbieten können. Vielleicht hatte er ihn aber auch als Trostpflaster aufgehoben, denn erbaut war ich nicht über die Auskunft, ich müsse ein paar Momente warten. Natürlich hatte ich bislang den leckeren Geruch vermisst, den ansonsten gebratenes Fleisch verströmt, aber woher sollte ich auch wissen, dass die Gewürze alleine nicht reichten, um rohes Fleisch schmackhaft werden zu lassen.


    Mein Blick fiel auf das Käsestück.
    „Soll ich davon jetzt abbeißen? Du weißt doch, dass in Häppchen serviert wird. Oder hast du das auch vergessen?“

  • ‚Immer diese Extrawünsche :D. Ich komm mir vor, als wäre ich mit ihr verheiratet. So ähnlich muss eine Ehe sein; sie kommandiert ihn herum und er macht, treudoof wie er ist, alles was sie sagt. Und falls es mal Schwierigkeiten mit den Anweisungen gibt, kann er einfach sagen, dass er es vergessen hat oder sie falsch verstanden hat. Sehr praktisch so ein Gedächtnisverlust, man kann sich Fehler erlauben und die Herrschaften sind vielleicht auch ein wenig nachsichtiger.‘


    Aber es war drollig anzusehn, wie die Herrin die Beine baumeln ließ. Sänge oder summte sie jetzt noch ein Liedlein, gewönne man den Eindruck, dass hier ein Kind in der Küche herumspielte und den Sklaven bei der Arbeit zusieht. Ich war schon fast versucht ihr zart in die Wange zu kneifen oder ihr über das Köpfchen zu streichen, natürlich mit der Bemerkung , was sie doch für ein Süsse ist, wie man das bei kleinen Mädchen eben so macht. :D. Aber natürlich widerstand ich der Versuchung, weil sie letztlich auch nur im Scherz gedacht war und griff nach einem der Messer, um den Käse zu zerteilen. Eine gute Erklärung, weswegen ich den Käse noch nicht geschnitten hatte, hatte ich auch: „Ich war mir unsicher, wie es aussähe, wenn ein Sklave wie ich mit einem Messer in der Hand hantierte. Nicht das da eine falsche Assoziation entsteht.“ Als ich es gesagt hatte, ging ich nocheinmal in mich. Der Germanische Sklave steht mit einem Messer in der Hand vor seiner Herrin. Als wenn ein Germane eine Waffe bräuchte, um eine unbewaffnete Römerin umzubringen oder eine bewaffnete Römerin oder einen bewaffneten Römer. Meine Erklärung war wohl doch nicht so gut, wie ich dachte. Aber jetzt war sie gesprochen und glitt durch den Raum.


    Ich suchte nach einer Unterlage für den Käse und nahm dazu eines der Brettchen, welches ich vorhin neben den Makkaroni im Schrank gesehen hatte. Als ich meine Hände wusch, legte sich mein Blick suchend in den Raum und ließ meine klagen folgen: „Natürlich, keine Seife.“ Ja ich weiß, von Seife hatten die Römer noch nie etwas gehört. Aber trotzdem konnte ich mich ja darüber aufregen, dass hier keine lag. Aber wenigstens waren meine Hände mit Wasser in Berührung gekommen, dann war es nicht ganz so schlimm.


    Der gelbliche Käse war in ein Tuch gewickelt, welches ich nun von ihm abnahm. Den Käse selbst legte ich auf jenes Brettchen und schnitt eine größere Scheibe davon ab. Anschließend zerteilte ich diese Scheibe in kleinere, etwas daumendick und Daumennagel lang, also bequem eßbar. Ich hob das Brettchen auf und reichte es der Herrin hin. „Käse?“

  • Assindius und ein Messer? Diese Kombination hatte mich noch nie in Unruhe versetzt. Vermutlich war ich von Natur aus zu gutgläubig, andererseits suchte ich mir gewissenhaft die Sklaven aus, die mir als Leibsklave dienen durften. Allzu häufig gab es keine Wechsel, denn gewissenhaft Ausgesuchte erwiesen sich zumeist auch als zuverlässig.


    Ich beobachtete ihn beim Zerteilen der Käsescheibe – nicht etwa, weil ich diese Tätigkeit hochgradig spannend fand, sondern weil es sonst nichts Aufregendes zu sehen gab. Als er mir das Brettchen hinhielt, fasste ich mit beiden Händen zu, betrachtete flüchtig die Happen und griff schließlich zu. Während ich genüsslich kaute, ließ ich das Brettchen auf den Oberschenkeln ruhen. Dem zweiten Bissen folgte ein weiterer, dann aber packte mich die Ungeduld.


    „Wann genau ist denn das Hähnchen fertig? Der Käse stillt meinen Hunger nur schlecht.“


    Ich malte mir bereits eine knusprige Hähnchenhaut aus, die zartes Fleisch bedeckte und lecker gewürzt war. Ein kaum vernehmbares "Mhmm" rutschte mir heraus.

  • „Ich werd einmal nachsehen.“ Ich öffnete den Ofen und blickte mir die Hähnchenschenkel genau an, sie hatten bereits eine schöne Bräune, würden aber noch ein klein wenig im Ofen bleiben müssen. Wegen der geöffneten Tür wich etwas von dem Geruch hinaus und strömte mir in die Nase. Die Mischung aus Pfeffer, Honig und Salz harmonierte gut mit dem Fleisch. Ich zog meinen Kopf wieder hinaus und schloss den Ofen wieder. „Nicht mehr lange Herrin.“
    Mir war aufgefallen, dass die Zeit wie im Fluge vergangen war. Nach der gefühlten Zeit war das Fleisch erst seit kurzem im Ofen, nach der wirklichen Zeit allerdings wesentlich länger.


    Da war ja noch dieses Namen-Problem. Wie hieß die Herrin jetzt genau? Hm, mir viel eine alte Mär ein. Eine Frau ließ sich von einem Männchen helfen, welches anschließen einen Wunsch frei hatte. Nachdem ihr das Männchen geholfen hatte verging einige Zeit. Als es wiederkam wollte es das Kind der Frau mitnehmen. Sie erbat sich eine Möglichkeit dies zu verhindern. Das Männchen sagte ihr, dass sie ihr Kind behalten könne, wenn sie seinen Namen erriete. Drei Tage hatte sie dafür Zeit.
    Nun dachte die Frau die ganze Nacht über an alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Männchen kam, fing sie an mit Caspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein: »So heiß ich nicht.« Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor, Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein, aber es blieb dabei: »So heiß ich nicht.« Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück, und erzählte: »Neue Namen habe ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einen hohen Burg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus, und vor dem Haus brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem Bein, und schrie: ...Ach wie gut das niemand weiß, das ich Rumpelstilzchen heiß.
    Als das Männlein nun wieder zu der Frau kam sagte sie ihm eine Reihe von Namen und es verneinte wieder. Als sie aber den Namen Rumpelstilzchen sagte, zerriss es sich.


    Das sollte bei der Herrin aber nicht der Fall sein, wenn ich ihren Namen nenne. Aber ich sollte ihn ja auch nicht erraten, sondern selber darauf kommen. Eigentlich war es doch ganz leicht.


    Es vergingen einige Augenblicke und schüttelte die Gedanken wieder von mir ab. Ich warf noch einen Blick in den Ofen und stellte fest, dass das Essen nun fertig sei. Mit einem entsprechenden Tuch holte ich das Blech heraus und stellte es zum Abkühlen auf die Arbeitsfläche. Der warme Geruch drang nun in die Küche und stieg rauchig in jeden Winkel. Einem der Schränke entnahm ich einen Teller und einer einem anderen eine Zange, mit welcher ich die Hähnchenschenkel auf den Teller legte. Die Dekoration erschien mir unnotwenig zu sein, obwohl das Auge ja mitißt, aber die Herrn hatte ja Hunger, wie man hören konnte.

  • Ich quittierte die negative Auskunft über das Garende der Hähnchen mit einem ergebenen Murren. Ein hörbares Ausatmen bekräftigte die Ungeduld, schließlich forderte der Magen deutlich sein Recht. Als der Bratengeruch zu mir drang, stellte sich zudem noch Appetit ein, ich musste schlucken.


    „Meine Güte, warum braucht das nur so lange?“, murmelte ich vor mich hin, während Assindius offensichtlich in Schweigen versank. Mir konnte es Recht sein, meine Aufmerksamkeit kreiste ohnehin nur noch um den zu erwartenden Duft, Geschmack und das Sättigungsgefühl.


    Minuten konnten so endlos sein, wenn man wartete, aber irgendwann war es so weit… Ich hüpfte bereits von der Tischkante, als Assindius das Blech aus dem Ofen zog. Den Hals neugierig gereckt, schaute ich über seine Schulter, als er das Fleisch auftat. Er musste sich nicht einmal umdrehen, ich streckte bereits meine Hand aus, als er den Teller anhob.


    „Ich brauche nachher noch Wasser und Tücher“, kündigte ich schon einmal an, bevor ich den Teller abstellte und mit spitzen Fingern nach der Keule griff. Es war üblich, mit den Fingern zu essen, aber fett an der Haut mochte ich trotzdem nicht. Während ich ein Stück des Fleisches abbiss, nahm ich den Bratenduft auf. Lecker roch es, auch wenn das Fleisch letztlich etwas anders als sonst schmeckte. Stück für Stück verspeiste ich, bis sich endlich ein Gefühl der Sättigung einstellte. Zu ihm gesellte sich Durst. Ich reichte Assindius den abgeknabberten Knochen und leckte mir noch einmal genießerisch über die Lippe.


    „Etwas Wasser zum Trinken wäre nicht schlecht, die Hände müssen gewaschen werden und anschließend möchte ich wieder ins Bett.“

  • Das die Herrin Hunger hatte war deutlich, nicht nur an ihrem knurrenden Magen, sondern auch daran, dass sie mir fast den Teller aus der Hand riß. ‚Na dann Mahlzeit‘ dachte ich. Während sie bereits aß, sucht ich nach Wasser und nach Tüchern. Zumindest die Tücher hatte ich zuvor in einem der Schränke gesehen. Ich öffnete wiederum einige der Schränke und blickte zwischen Nudeln, Gewürzen und Tellern hin und her, bis mir endlich einfiel in welchem der Schränke ich sie gesehen hatte. Ich nahm eines davon und warf es mir über die rechte Schulter. Im Anschluss griff ich nach einem der mit Wasser gefüllten Krüge und nahm einem entsprechenden Becher aus einem anderen Schrank. Bei der Herrin angekommen hielt sie mir auch schon den ersten Knochen vor unter die Augen. Die Art wie sie ihre Zunge über die Lippen gleiten ließ, sprachen dafür, dass es scheinbar gar nicht schlecht geschmeckt hatte. ‚Witzig, was soll ich jetzt mit dem Knochen machen? Beide Hände voll und das klappt nicht wirklich gut!‘ Clever wie ich bin öffnet ich meinen Mund und nahm ihn der Herrin mit den Zähnen aus der Hand. Ich beugte mich ein wenig nach vor, so dass sie mir das Handtuch von der Schulter nehmen konnte, schenkte derweil das Wasser ein und hielt es der Herrin hin. Man sollte ja nicht mit vollem Mund sprechen, aber was sollte ich sonst mache: „a asser, errin“ Ich überlegte einen Moment, wie viel Pfeffer ich benutzt hatte. Vielleicht würde die Herrin statt des Bechers ja auch den Krug nehmen vor lauter Durst. Jedenfalls war an dem abgenagten Knochen nichts mehr von den Gewürzen zu spüren. Nur noch die Wärme des selbigen drang mir in den Schlund und ein wenig Sabber füllte, unsehbar, meinen Unterkiefer
    Nach dem Hände waschen wollte sie wieder ins Bett. Warum sagte sie nicht, dass sie wieder ins Bett gehen wird. Das hatte doch was zu bedeuten. Wollte sie, dass ich sie wie das Handtuch auf meine Schulter werfe und sie in ihr Zimmer trage? Von mir aus, kein Problem. Aber hoffentlich bekommt sie keine Höhenangst.

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