Besprechung I

  • In der ersten Besprechung am Tag nach seinem Einzug in Rom wollte sich Valerianus einen Überblick über die Geschäfte am Hof verschaffen, soweit er nicht ohnehin auf seiner Reise darüber informiert worden war und diese Informationen auch zur Kenntnis genommen hatte. Als Ort der Besprechung hatte er sein Büro bestimmt, was zwar noch ungewohnt war, aber ihm immerhin mehr Sicherheit gab als eine große Audienzhalle.


    Geladen waren der Procurator a libellis, der Procurator ab epistulis, Aelius Quarto und Vescularius Salinator.

  • Zuerst traf Nonius Balbus ein. Der Procurator Ab Epistulis hatte sich mit einigen Schriftrollen bewaffnet zu der von Kaiser einberufenen Besprechung begeben. Balbus war etwas nervös, verließ sich aber auf seine Qualifikationen als Leiter seines Ressorts.




  • Dass Nonius Balbus vor ihm das Büro des Kaisers betrat, nahm Potitus dem Procurator persönlich übel, obwohl dieser nichts dafür konnte.


    "Ave Imperator!"


    Nach dem militärisch zackigen Gruß musterte der Legat Nonius und sein Blick bohrte sich tief in dessen Kopf.

  • Hinter seinem Tisch sitzend, begrüßte Valerianus die ersten beiden eintreffenden Teilnehmer der Besprechung. Für diese befand sich ein weiterer großer Tisch im Raum, an dem sie bequem Platz nehmen konnten, mitgebrachte Schriftrollen ausbreiten konnten und trotzdem freien Blick auf den Regenten hatten.


    "Salve, Procurator. Salve, Salinator. Ihr dürft schon Platz nehmen. Ich denke, wir haben kein kurzes Programm vor uns für heute."

  • Auch Callidus erreichte die Besprechung nach einiger Zeit. Das Anlegen der Toga hatte seine Sklaven einiges an Zeit und Nerven gekostet. Der Stoff war äußerst fein und für die Sklaven ungewohnt. Immer wieder hatte der Aelier die Dienerschaft angewiesen nachzubessern.
    Nun aber betrat er den Raum und ging würdevoll zu dem ihm angedachten Platz, jedoch nicht, ohne den princeps angemessen gegrüßt zu haben.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Als Letzter traf Lucius Aelius Quarto ein, der leibliche (und ältere) Bruder des neuen Kaisers.


    “Salvete!“, grüßte er die bereits Anwesenden, wobei er es so einrichtete, dass der Gruß scheinbar vor allem seinem Bruder galt.


    Aelius Callidus schenkte er ein vertrautes Lächeln. Seit seiner Rückkehr nach Rom hatten sie noch gar keine rechte Gelegenheit für ein ausgedehntes Gespräch gehabt.
    Zum Schluss blieb sein Blick an Vescularius Salinator hängen. Der Mann begleitete den neuen Kaiser wie ein Schatten. Er war ein Aufsteiger aus einer vollkommen unbedeutenden Familie und Quarto misstraute ihm insgeheim. Aber das ließ er sich nicht anmerken. Er war lange genug auf dem Palatin, um zu wissen, wie man seine Gefühle verbarg und das man auch oft besser daran tat.

  • Die Begrüßung seines Bruders erwiderte Valerianus ebenso direkt, wie sie an ihn gerichtet zu sein schien. Jedes vertraute Gesicht war ihm eine große Stütze in diesen ersten Tagen nach der Ankunft in Rom. Die Männer der Kanzlei waren zwar möglicherweise durchaus schon lange im Dienste seines Vaters gewesen und kannten ihn daher, aber umgekehrt waren sie für Valerianus eher neue Bekannte. Mit knappen Worten ließ er den Männern Zeit, sich gegenseitig vorzustellen, soweit das nötig war. Dann eröffnete er die Besprechung.


    "Ich denke, wir sollten mit dem Bericht der Procuratores beginnen. Ich wurde auf meiner Reise zwar regelmäßig unterrichtet, aber ich konnte mich nicht allen Dingen mit voller Kraft widmen. Außerdem möchte ich, dass meine Berater sachlich auf demselben Stand sind wie ich. Sofern nötig, werde ich sie ermächtigen, in meinem Namen Entscheidungen zu fällen. Dazu brauchen sie dieselben Informationen."

  • Balbus´Stunde hatte geschlagen. Der Prokurator breitete auf dem Tisch zahlreiche Papyri aus, um zunächst die wichtigsten Anliegen dem neuen Kaiser samt Stab vorzuzeigen.
    So legte er sämtliche Berichte der Provinzen offen, die er in seinem Schriftverkehr mit den Statthaltern bekommen hatte, sowie die Schreiben, die auch privat den neuen Kaiser von diesen Personen erreichen sollten.
    Danach legte der für den militärischen Schriftverkehr zuständige Mann noch die Briefe des Legionskommandanten Tiberius vor.
    Quintus Nonius Balbus betonte auch den guten Schriftverkehr mit fast allen Teilen des Reiches und wies auf die ausführlichen Akten hin, die er für Ägypten angelegt hatte. Dort wurden Beförderungen und Ernennungen durch den Präfekten genauestens mitgeteilt.
    Danach stand er würdevoll da und wartete, ob der neue Kaiser fragen haben würde.



  • Mit erschöpftem Gesichtsausdruck schaute Valerianus auf die Papyri, die vor ihm ausgebreitet wurden. Der Tag schien gut loszugehen.


    "Nicht so viel Papyrus, bitte. Die Berichte brauchen wir wohl nicht im Einzelnen hier durchgehen. Ich lese sie mir in Ruhe später durch. Die Treueversicherungen der Statthalter sind wichtiger. Habt ihr eine Liste gemacht, von wem wann welche eingetroffen sind? Die fünf letzten auf der Liste sollen sich die Prätorianer anschauen. Und die Briefe lasse mir hier, ich brauche sie vielleicht für die zweite Besprechung nachher."


    Er ließ dem Procurator etwas Zeit, die Papyri entsprechend der Anweisungen neu zu ordnen.


    "Das Schreiben von Legatus Tiberius ist die Antwort auf meine Anfrage? Gut, dann sorge dafür, dass die genannten Offiziere wie angegeben versetzt werden. Um die einfachen Soldaten soll sich der Gardepräfekt kümmern oder es abgeben."


    Welche Ziele er damit verfolgte, Offiziere der Legio I nach Rom zu holen, sagte er nicht.

  • Balbus nickte und räumte sogleich die Papyri wieder zusammen.


    Tatsächlich erreichten aus der ein oder anderen Provinz keine Bekundungen der dortigen Statthalter Rom, mein Kaiser. Wenn ich mich recht erinnere, waren Aegypten und Hispania darunter, wobei mir bei ersterem Besitz des Kaisers es so erscheint, als wäre die Post verloren gegangen, schließlich gehörte Germanicus Corvus zu den treuesten Generälen deines Vaters und ist Klient deines Bruders. Ich werde dem Praefectus Praetorio dies weitergeben.

  • Nachdem diese Sache besprochen war, und in der Tat war dies nicht das Einflussgebiet des Callidus, meldete sich jener dennoch zu Wort.


    > princeps, der praefectus praetorio Caecilius Crassus, zu dem mir ein guter wie auch freundschaftlicher Kontakt besteht, und zu dem dein Vater Vertrauen hatte, hegt Bedenken bei den genannten Männern, vielleicht wäre eine zusätzliche Unterredung mit ihm nützlich für deine Entscheidungen in dieser Sache. <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Der Gesichtsausdruck, der eben noch erschöpft aussah, wurde mit einem Schlag durch ein missmutiges ersetzt.


    "Und welche Art Bedenken hat der Praefectus Praetorio geäußert?"

  • > Mir schien, er sah den genannten Mann als nicht geeignet an. Doch was den Tribun angeht, so sah Caecilius Crassus ihn als Mittel zum Zweck für den Tiberier, der versuche einen seiner Männer in deine Nähe zu bringen. Mir sind, mein princeps, diese Dinge zu fern, um sie beurteilen zu können, doch dachte ich, sie seien zu wichtig, um dir vorenthalten zu werden. <


    Callidus Blicke wanderten zwischen dem Augustus, Salinator und den anderen Anwesenden hin und her. Er schaute in die Gesichter und beobachtete die Reaktionen.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Genau diese Probleme waren es, von denen Valerianus gehofft hatte, sie bis zur zweiten Besprechung aufschieben zu können. Langsam rieb er sich die Stirn, auf der sich eine einzelne Schweißperle gebildet hatte.


    "Ich kann dieser Ansicht nicht folgen. Ich vertraue jenen, die ich in meinem Gefolge mitgebracht habe und jenen, denen mein Vater vertraute. Die Legion I stand unter seinem Kommando im Feldzug und er wird jeden einzelnen Mann in führender Position sorgfältig ausgewählt haben. Ich vertraue ihm. Sollte ich mich täuschen, wird man den Tiberier auch später noch ersetzen können."


    Eine Geste unterstrich, dass das Thema damit für diese Runde erledigt war und weitere anstehende Themen vorgetragen werden sollten.

  • > So soll es sein, princeps. <


    ...war alles, was Callidus dazu noch sagte. In Gedanken machte er sich seine eigenen Notizen. Man musste vorsichtig sein, in dieser Zeit nämlich war jeder Stuhl wackelig und so mancher Kaiser hatte schon versucht sein eigen Fleisch und Blut im Tyrrhennischen Meer zu versenken.


    > Ein weiterer Punkt, der nun in meinen Bereich fiele, wäre der Umgang mit den libelli, den Bittschriften der Bürger. Dein Vater hielt es so, dass er sich die Schriften in sein Büro bringen ließ und umfassend bearbeitete. Es wäre, wie es auch die Vorgänger deines Vaters taten, eine Erleichterung, würden die Briefe nur mit einer kleinen rescriptio von dir versehen. Diese könnten die Bürger in Abschrift erhalten. Auch werde ich, je nach Anlass und Person, die rescriptio ausformulieren. Gibt es bestimmte Vorgangsweisen, die du beabsichtigst zu ändern oder einzuführen? Ichs elbst will mich nur für eine Erweiterung des Beamtenstabes aussprechen, um die Aufgabenlast zu verteilen und schnellere Abläufe gewährleisten zu können. <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Die genaue Arbeitsweise seines Vaters hatte Valerianus viel zu selten studiert, entweder aus Mangel an Interesse oder aus Mangel an Gelegenheit. Die Information, dass sein Vater viele Briefe persönlich las und beantwortete, ließ dessen Leistung in seinen Augen noch weiter steigen. Eine Leistung, zu der er jetzt noch weniger fähig war ihr gleichzukommen.


    "Schon auf meiner Reise ließ ich mir nur wenige Bitten komplett vortragen und den Rest von meinem Stab bearbeiten. So soll es auch weiterhin sein. Die nötigen Einstellungen zusätzlicher Beamter ist genehmigt. Ich habe einige Männer aus meinem Stab mitgebracht. Gliedere sie in den Hofstab ein, soweit dies möglich ist und lasse dich von ihnen über meine Gepflogenheiten informieren."


    Ihm war völlig klar, dass ihm einiges an Arbeit abgenommen worden war, ohne dass er selber beschreiben konnte, in welchem Umfang und auf welchem Weg dies geschah. Aber nur so konnte er tatsächliche Erleichterung erreichen.


    "Der direkte Audienzverkehr ist auf Minimum zu beschränken und umfasst täglich nicht mehr als drei Audienzen. Diese niemals an Feiertagen und niemals an drei Tagen hintereinander. Erscheint dies auch in Rom praktikabel?"


    Unsicherheit sprach aus seinem Gesicht, ob die Aufgaben nicht doch mehr persönlichen Einsatz erfordern würden.

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