Morgenappell der VI. Centurie I. Cohorte - Hastile et Tessera

  • Aus der Türe meiner Unterkunft trat ich in den überdachten Gang, der an den Stuben entlangführte, und hämmerte im Vorübergehen mit meiner Vitis laut an die Türen. Zum Wecken war schon vor einer Viertel-Hora geblasen worden, jetzt zog ein frischer, klarer Morgen auf, die Baracken schälten sich aus der bläulichen Dämmerung, und überall in der Castra erwachte die Betriebsamkeit.
    "Milites! Antreten zum Morgenappell! Los, los, nicht wieder einschlafen! Angetreten, aber subito!"
    In strammer Haltung erwartete ich das Erscheinen der Soldaten vor der Baracke. Das achte Contubernium war als erstes fertig, manche brauchten etwas länger. Ich bemerkte wohl die neugierigen Blicke der Milites, die auf den beiden Gegenständen lagen, die ich in der Hand hielt: ein Hastile, der lange Stab des Optios mit dem Knauf, und eine handliche, bronzeverzierte Schreibtafel, aber ich behielt eine undeutbare Miene, und spannte sie alle noch ein wenig auf die Folter, indem ich erst mal wie jeden Morgen die Contuberniumsältesten Meldung machen liess, und die Anwesenheit überprüfte, dann den Bericht der Nachtwache hörte, dann die Reihe entlang ging und das korrekte Erscheinungsbild der Soldaten inspizierte.

  • Tychicus genoss den neuen Morgen, als er in frisch gewaschenen Kleidern und glänzender Rüstung auf den Campus marschierte, gemeinsam mit den anderen Milites seines Contuberniums.
    Erst vorgestern hatte er den ersten Christianerauftrag erfolgreich abgeschlossen, dann hatte er sich genug Zeit genommen, um seine Ausrüstung einmal wieder auf Vordermann zu bringen. Da er nicht ahnen konnte, welch besonderer Tag dies für ihn werden würde, hatte damit zufällig voll ins Schwarze getroffen.
    Zackig marschierten die Soldaten auf den Platz und nahmen routinemäßig Formation an. Erst als er bereits in Reih und Glied stand, bemerkte der junge Miles die Gegenstände, die der Centurio heute in den Händen hielt. Minidius Calvena, der wieder einmal neben ihm stand, stieß ihm unauffälig in die Rippen und fragte mit bedeutungsvollem Blick:
    "Siehst du das? Das ist ein Optiostab!"


    Tychicus runzelte die Stirn und erkannte das Ding dann auch.
    "Aber was ist das andere, diese seltsame Tafel?"


    Calvena konnte nur noch die Schultern zucken, dann begann der Decimer seinen Inspektionsgang und die beiden Kameraden nahmen wieder hastig Haltung an. So früh am Morgen - und noch bevor der Tag überhaupt richtig begonnen hatte - schon negative Aufmerksamkeit zu erregen erwies sich immer als äuußerst unklug, was zahlreiche Beispiele in Tychicus bisheriger Laufbahn bewiesen hatten.
    Und er hatte eigentlich wenig Lust auf Strafrunden, Latrinendienst oder einen Tag als Stallbursche bei den Pferden der Equites Singulares...

  • Gemeinsam mit Tychicus, Rupus und einigen anderen Kameraden betrat Macro den Campus und das überraschend wach und munter. Es wurde langsam eine Spur wärmer in den letzten Tagen und allein das war schon Grund genug, guter Laune zu sein. In das klare Licht den neuen Morgens tretend, musste der Miles für einen kurzen Moment die Augen zusammenkneifen, nur um einen Moment später seinen Platz in der Formation zu finden und mit gerecktem Kinn, geradem Rücken und Brustkorb das Abbild eines römischen Militärs abzugeben.
    Hier, vor den Baracken wartete auch schon ihr Centurio auf sie und etwas später als die anderen bermerkte Macro, was der Decimer in der Hand hielt. Dann abe,r genauso neugierig wie alle anderen, besah sich der junge Caecilier die Gegenstände genauer, das eine war ohne Frage ein Optiostab und die leisen Stimmen hinter und vor ihm, bestätigten ihm diesen Verdacht, das andere sah aus wie eine kleine Tafel, die aufwendig hergestellt worden war. Fand heute so eine Art strategisches Rollenspiel statt?


    Serapio schien es fast zu genießen, dass mehr noch als sonst alle Augen gespannt auf ihm lagen und ließ noch eine Weile mit einer Erklärung auf sich warten, denn zuvor ging er wie gewöhnlich und, es schien fast so als geschehe das noch langsamer als sonst, alle Formalitäten durch.
    Macro stellte sich noch etwas aufrechter hin, als der Centurio bei ihm anbelangt war und wartete ruhig ab, was der Morgen noch so bringen würde. Beinahe gespenstig wie ausgeglichen er heute war.

  • Heute machte meine Centurie aber wirklich eine gute Figur. Ich fand kaum etwas auszusetzen, als ich in aller Ruhe die Reihen entlang ging. Ob etwas bis zu Redivivus durchgesickert war? Seine Rüstung glänzte heute besonders schön. Und Macro... ja Macro zu betrachten war heute mal wieder ganz allgemein ein Genuss. Es war aber nicht deswegen, dass ich mich so sehr beherrschen musste, eine gleichmütige Miene zu behalten, als ich an ihm vorüberging. Trotz aller Anstrengung kräuselte sich mein Mundwinkel dabei ein ganz kleines bisschen - kurz.
    Als nächstes gab ich die Tagesbefehle aus, Patrouille für die einen, Wache an den Stadttoren für die anderen. Ich spürte förmlich wie die Spannung stieg, und ich muss zugeben, dass mir das schon Spass machte. Aber dann war der Moment der Offenbarung gekommen. Hochaufgerichtet und feierlich begann ich:
    "Milites der vierten Centurie der ersten Cohorte! Der Praefectus Urbi hat verfügt, dass heute zwei Soldaten aus euren Reihen aufgrund ihrer besonderen Verdienste in den Rang von Principales erhoben werden.
    Miles Kaeso Caecilius Macro! Vortreten!"

    Ich trat ihm gegenüber und war selbst ganz bewegt von der Feierlichkeit dieses Augenblick. Das blanke Morgenlicht, das auf den Rüstungen spielte, die stramme Haltung der Männer, die kräftig bemuskelten Arme, die tadellose Ausrichtung der Reihen - so viel gebündelte Kraft, die auf Befehl hin losschlagen konnte. Disziplin und Stärke, das war der römische Geist, und wir, hier, heute, verkörperten ihn... das war wahrlich ein erhabenes Gefühl.


    Ich entrollte die erste Urkunde und verlas sie mit lauter, klarer Stimme, dann überreichte ich Macro das Dokument. Das war sein Exemplar, das andere lag schon im Archiv der Castra, so hatte alles seine Ordnung. Und auch die Tafel gab ich ihm, als Zeichen seiner neuen Würde.
    "Tesserarius Kaeso Caecilius Macro, diese Tafel ist für die Wachparole, die Du in Zukunft einholen und verbreiten wirst. Die Einteilung der Wache und ihre Kontrolle obliegt ab sofort Deiner Verantwortung."
    Ich nickte ihm zu, zu überschwänglich durfte ich jetzt nicht werden, denn ich wollte nicht, dass der Eindruck entstand, Macros Beförderung hätte etwas mit unserer Freundschaft zu tun. Deswegen hatte ich sogar etwas geschwankt, ihn vorzuschlagen, ich fürchtete in den Ruch zu geraten, meine Kameraden die mit mir von der Prima gekommen waren zu bevorzugen. Aber er hatte es sich einfach verdient, und es wäre unfair gewesen, ihm das aus so eigennützigen Erwägungen vorzuenthalten.
    "Glückwunsch."

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  • Dies war aber noch nicht der Höhepunkt der Inszenierung gewesen. Beifälliges Murmeln wurde laut, Glückwunschrufe, und es gab natürlich auch neidische Blicke, aber dann ballte sich die Aufmerksamkeit wiederum um den Optiostab zusammen, den ich in der Hand hielt. Es war der, den ich bis zu meiner Beförderung selbst benutzt hatte, und davor hatte er einem anderen Optio in der Prima gehört, der auch recht bald befördert worden war. Vielleicht brachte der Stab seinem Träger Glück in der Hinsicht? Er war jedenfalls noch in gutem Zustand, das dunkle Holz lag griffig in der Hand und die Kugel an der Spitze glänzte mit Redivivus' Rüstung um die Wette. Meine Vitis hatte ich neben mir in den Sand gesteckt, jetzt stiess ich ganz zeremoniell mit dem Optiostab auf den Boden, und hielt ihn dann genau lotrecht.
    "Miles Galeo Redivivus Tychicus! Vortreten!"
    Da gab es einige staunende Gesichter, schliesslich war er noch nicht so ewig lange dabei. Aber lange genug um sich zu bewähren!
    Feierlich verlas ich seine Urkunde, und übergab sie zusammen mit dem Optiostab an meinen frischgebackenen Stellvertreter.
    "Princeps Prior Galeo Redivivus Tychicus, hier das Hastile, um damit in Zukunft Deines Amtes zu walten. Meinen Glückwunsch."
    Auch hier bewahrte ich eine würdevolle Miene, nickte ihm gemessen zu.
    "Milites, movemini. Abite." , befahl ich dann, um den Männern Gelegenheit zu geben den beiden zu gratulieren, und den beiden neuen Principales Gelegenheit diesen besonderen Moment auszukosten, an dem die Ränge noch funkelnagelneu waren, und von keiner lästigen Alltagsarbeit belastet.

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  • Beifällig nickte und lächelte Tychicus, als Macro, mit dem er schon das eine oder andere Mal zusammengearbeitet hatte, die Zeichen der Würde seines neuen Amtes entgegennahm und sich dann zu seinen Kameraden zurückgesellte, die ihn überschwänglich beglückwünschten, Tychicus nicht ausgeschlossen.


    Dann griff der Decimer wieder zu dem Optiostab.
    Ein Name wurde genannt...
    Erst als Calvena den stocksteifen Rediviver überrascht, aber auch breit Lächeln anstubste, brachte es Tychicus fertig, den Kampf mit seiner Kinnlade zu gewinnen, die wehement den Versuch machte, herunterzuklappen. Noch völlig überrollt von dieser freudigen Überraschung, musste der junge Rediviver sich zusammenreißen, um sein Vortreten einigermaßen würdevoll erscheinen zu lassen.


    "Vielen... vielen Dank, Centurio Decimus", brachte er nur mühsam hervor, während er endlich ein aufrichtiges, freudig-überraschtes Lächeln zeigte. Ehrfürchtig nahm er die Urkunde und den Stab entgegen, als bestünden beide Dinge aus purem Gold.


    Princeps Prior... bis jetzt war dieser für ihn immer nur der unnahbare Vorgesetzte gewesen, der verdiente Veteran, der erfahrene Anführer... Dass er sich selbst so schnell in diesem Amt wiederfinden würde, hätte er sich niemals auch nur zu erträumen gewagt. Ihm wurde zwar auch klar, dass er mit dieser Beförderung ein gutes Stück an harter Arbeit und Verantwortung gewonnen hatte, die beide von ihm erwartetet wurden, aber wärend Tychicus zu seinen Kameraden zurückkehrte, überwog einfach die Freude und Euphorie über diese Überraschung.

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