ho tou nikoalou oikos

  • Nachdem der Eparchos sein Einverständnis gegeben hatte, hatte Nikolaos rasch das Haus im Königsviertel aufgesucht, dass er kaufen wollte. In Anwesenheit des Eponminatographos wurden Haus und Grundbesitz auf den Namen des Gymnasiarchos überschrieben, nachdem mehr als nur einige Talente den Besitzer gewechselt hatten. Der Verkäufer schien froh, das Haus loszuwerden. Sein Geld, so vermutete Nikolaos, würde sich bald auf die Bordelle und Würfelspielkneipen in Kanopos verteilt haben. Ein wenig verächtlich musterte er den Mann, der nicht älter als er selbst war, als sie sich zur förmlichen Besiegelung des Geschäftes die Hände schüttelten. Verachtung sprach auch aus dem Blick des Verkäufers. Er erzählte Nikolaos einige unschöne Dinge über das Haus, auf die noch später eingegangen wird, wünschte ihm mit einem hinterhältigem Grinsen viel Freude im neuen Heim und verschwand mit einem Eselskarren, der etwas Hausrat trug, mit einem weiteren Eselkarren, auf dem Truhen standen, die offenbar die umfangreiche Garderobe des Verkäufers beherbergten sowie einem dritten Eselskarren, der die vielen tausend Silbermünzen in Säcken zu je einem zwölftel Talent aufnahm. Nikolaos bewirtete den Eponminatographen im noch etwas karg eingerichteten Andron des neuen Hauses mit bestem Falernerwein und Früchten, bis dieser sich entschuldigen ließ und mit den Grundbüchern verschwand. Eine Ausfertigung der Besitzurkunde hatte er Nikolaos zuvor ausgehändigt.

  • Das Haus liegt auf der östlichen Seite des Königsviertels. Es ist auf einer Nordwest-Südost-Achse konstruiert. Es liegt auf einer kleinen Anhöhe im Viertel und auf der Mauer, die es vom östlichen Strand trennt. In der Länge nimmt es etwa ein drittel Stadion ein, in der Breite mehr als ein Sechstel Stadion. Damit ist es zwar groß, doch für die Verhältnisse des Königsviertels nicht allzu groß. Die Ausstattung und der architektonische Zierat geben dem Anwesen dennoch die Anmutung eines kleinen Palastes, wennauch sicher einige Stadthäuser im Broucheion sich mit diesem durchaus messen können.


    Die Höfe und die Wirtschaftsräume


    Von der Straße aus gelangt man über eine Freitreppe und durch eine Säulenhalle zum mächtigen, zweiflügeligen Tor, das in den großen quadratischen Haupthof des Hauses führt. Daneben gibt es zu jedem der Nebenhöfe eigene Eingänge. Vom mittleren Hof aus gehen zwei kleinere Höfe ab. Der Gebäudeteil um den rechten Hof beherbergt die Küche, das Zimmer eines der Haussklaven sowie Vorrats- und weitere Wirtschaftsräume. Der linke Gebäudeteil dient als Lagerraum sowie zur Aufnahme weiterer Vorräte und von Sänfte, Reisewagen und Pferden des Besitzers. Beide Seitenflügel verfügen über Latrinen, die ständig von Wasser durchspült werden. Auch die beiden Brunnen sind an die Frischwasserversorgung angeschlossen, außerdem befindet sich unter dem Haupthof eine Zisterne für Regenwasser.



    Der Garten


    Den hinteren Teil des Hauses beherrscht ein großer Garten, um den ein Peristylon gebaut ist. In der Mitte befindet sich ein kreisrunder Teich, der mit Marmorplatten eingefasst ist. Palmengewächse und Zedern spenden Schatten. Eine Vielzahl an kleineren und größeren Statuen findet sich zwischen den Blumenrabatten und unter dem Dach des Säulenumganges: Isis als Mutter mit Horus, Isis als junges Mädchen, Osiris, der Horusknabe, Amorknaben, Aphrodite sich waschend, Adonis, Psyche liegend, Amor daneben, Pan inmitten einer Ziegengruppe, Herakles bei unterschiedlichen Aufgaben... . Zwar ist die Bemalung der Marmorstatuen schon etwas verblichen, dennoch verleihen sie dem Garten eine gewisse Pracht, die jedoch nicht erdrückend oder protzig daherkommt, sondern elegant. Offenbar hatte der Erbauer dieses Hauses etwas von Kunst verstanden. Alle Wände in Räumen, Gängen oder Säulenhallen, in die sich Gäste der Hausherren hätten verirren können, bilden ein einziges, riesiges Gemälde, das aus unzähligen verschiedenen Abschnitten besteht und nicht nur von den Grenzen der Räume, sondern auch durch zahlreiche Ornamente unterteilt ist.
    Die südöstliche Seite des Peristylons ist durch keine Wand begrenzt. Lediglich eine steinerne Brüstung fügt sich zwischen die Säulen. Auf diese Weise hat man aus dem Gartenteil des Hauses eine schöne Aussicht über das Meer sowie über ein gutes Stück des Delta-Viertels. Zuerst hatte sich Nikolaos ein wenig darüber geärgert, dass der Bauherr an dieser Stelle keine Exedra eingefügt hatte. Doch als er über die Brüstung steil hinabgesehen hatte, war ihm klar geworden, dass eine Exedra mit ihrer runden Ausbuchtung wohl eine gewaltige Summe verschlungen hätte. Unter der Brüstung war eine steile Wand aus massiven Granitquadern. Sie mochte zweidutzend Fuß hinabführen, ehe sie sich mit der Mauer um das Basileiaviertel vereinte. Diese Wand hinaufzuklettern wäre selbst geschicktesten Einbrechern unmöglich. Der vorige Hausbesitzer hatte Nikolaos erzählt, der Bauherr des Hauses habe nach wenigen Monaten seine Frau über die Brüstung hinabgeworfen und anschließend sich selbst. Mit einem unheimlichen Vergnügen hatte der Verkäufer hinzugefügt, dass die beiden nicht die letzten Menschen gewesen seien, deren Leiber auf dem Strand am Fuße der Mauer zerborsten waren. Nikolaos hatte diese Geschichte als Kinderkram abgetan und ungeduldig zum Vertragsschluss gedrängt.

  • Das Zimmer des Hausherren


    Nikolaos hatte beschlossen, sein Schlafzimmer rechts vom Andron einzurichten. Der Raum hatte den Vorzug, dass er zum Einen komplett von anderen Räumen des Hauses umgeben war, also keine Außenmauern besaß, durch die störende Geräusche von außerhalb hätten eindringen können, zum anderem dass man von hier aus sowohl den Eingang und den Haupthof, als auch den Verkehr zwischen den Gebäudeteilen und Stockwerken und den gesammten Gartenteil des Hauses überblicken konnte. Außerdem war der Raum durch die Lage am Garten angenehm belüftet und gekühlt.



    Das Bad


    Nebenan lag das Bad, das über ein steinernes Becken verfügte und unter dem, wie unter den übrigen Hauptwohnräume auch, ein Gewölbe für das Hypokaustum verlief. Hinter dem Bad lag in einem schmalen Raum der Eingang zum Heizschacht des Hypokaustums, sowie ein kostspieliger Ofen aus Blei und Bronze, der zur Erwärmung des Badewassers diente.



    Das Empfangszimmer


    Das Empfangszimmer lag an der prominentesten Stelle im Haus, genau auf der Sichtachse vom Haupttor bis ans hintere Ende des Peristylons. Von hier aus konnte man bereits die Aussicht auf das Meer genießen.


    Links daneben hatte das große Speisezimmer seinen Platz.
    Ferner gab es im Erdgeschoß noch mehrere Gästezimmer, sowie Räume, die die umfangreiche Bibliothek des Nikolaos beherbergten.



  • Das Obergeschoß steht zur Zeit leer oder wird teilweise zur Lagerung verschiedener Dinge benutzt. Über dem Obergeschoß befindet sich noch ein Dachboden, der jedoch vor allem zu dem Zweck auf das Haus gesetzt worden war, um die Sonnenhitze vom Obergeschoß fernzuhalten. Die Räume hier oben sind auch nicht ganz so prachtvoll ausgestattet wie die im Erdgeschoß, doch vom einstigen Gynaikeion aus hat man eine gute Aussicht über das Meer und über den östlichen Teil der Stadt.

  • An diesem Morgen war eine Vielzahl an Karren vor das Haus gefahren. Nikolaos hatte ihren ganzen Weg begleitet und war zusammen mit seinen drei Sklaven ständig um den Zug herumgelaufen, um die Fuhrknechte zu überwachen. Besonders die vorderen Fuhrwerke hatte er nicht aus den Augen gelassen. Auf den hinteren lagen ohnehin nur Küchengerätschaften unter der Planen, die die Ladung vor Staub und vor allzu flinken und eifrigen Fingern in den Straßen von Alexandria geschützt hatten. Sowohl aus der Wohnung des Nikolaos im Gebäude des Gasthauses als auch aus dem großen Lagerhaus waren die Güter gekommen, einige hatten jahrelang von Tüchern geschützt in Speichern gestanden, andere hatte Nikolaos erst kürzlich gekauft. Einige Möbel, die noch nicht fertiggestellt waren, da der Gymnasiarchos dem Kunsttischler die Aufträge erst nach dem Kauf des Hauses gegeben hatte, würden noch folgen.
    Die ersten fünf Karren trugen allein die Bibliothek des Nikolaos, und von dieser auch nur einen kleineren Teil, ein Großteil war noch im Landhaus außerhalb der Stadt. Ein Wagen war auschließlich mit Lampen bestückt. Einfache Öllampen aus Ton waren da, aber auch ein- und mehrschnäbelige Bronzelampen, solche, die auf hohen, versilberten und filigran verzierten Lampenständern standen, solche, die kreisrund waren und zu allen Seiten hin Schnäbel hatten und die an Ketten an der Decke aufgehängt werden würden, solche, die in einem Guß einen kleinen Fuß und die Lampe vereinten, kleine Lampen und solche, deren Ölbehältnis die Größe von Kochtöpfen hatte. Ein weiterer Wagen trug Gemmen, Salbenbüchsen, Schalen und Schatullen aus Elfenbein, aus Onyx, aus Porphyr, aus Feldspat, aus feinem Glas. Obgleich die kleinen Kunstwerke zuvor sorgfältig von Nikolaos selbst in Tücher gewickelt worden waren, hatten einige, auch besonders kostbare, zu Nikolaos Ärger die Fahrt nicht unbeschadet überstanden. Auch einige der Statuen im folgenden Wagen waren zu Bruch gegangen. Die schweren, bronzenen Kohlebecken mit stilisierten Löwenpranken als Füßen, die Dreifußtische und die Schalenträger, die einen weiteren Wagen einnahmen, hatten keinen Schaden davongetragen, ebenso die Wurzelholztische, unter denen es einige gab, die mehr als eine Elle im Durchmaß hatten, die Klinen aus dunklem Holz und mit Bronzebeschlägen, die Klismoi, die Korbstühle, die Truhen und die viereckigen Tische, Bücherschränke und das Schreibpult. Den Wagen, die die größeren Möbelstücke trugen, folgten zwei, auf denen sich Kissen und Teppiche türmten. Auch Prunkgeschirr zog in das neue Haus ein, Becher und Schalen aus kostbarem Glas, Becher und Teller aus Silber, Platten, auf denen Speisen angerichtet werden konnten, Kannen und Krüge, Krater und andere Mischgefäße, Urnen, in denen Weinkannen kühl gestellt werden konnten, Feinkeramik, Tranchierbesteck (wobei es in Nikolaos Haushalt niemanden gab, der sich darauf verstand, kunstvoll und zur Erbauung der Gäste dieses Handwerk zu verrichten). Auch Nikolaos Kleidung nahm einen ganzen Karren ein, wobei sie sich die Ladefläche auch mit weiteren Salbenbüchsen (solche, die im Gegensatz zu den kostbaren Prunkgefäßen auch einen Inhalt hatten), Duftölfläschchen, Bürsten und Süßholzbehältnissen, Harzdosen, Farbschälchen, Federn, Pinseln, Rasiermessern, Striegeln, feine Zangen, mit denen Haare ausgerissen wurden, Nagelmessern und -feilen teilen musste.
    Erst auf diesen Wagen folgten jene, die Küchegeräte und sonstige Notwendigkeiten trugen.
    Unter Nikolaos wachsamen Blicken wurde Wagen für Wagen entladen und die Ladung ins Haus getragen und dort auf die entsprechenden Räume verteilt. Besonders bei den kleineren Stücken war Nikolaos sehr misstrauisch. Die Bücher ließ er nur seine eigenen Sklaven anfassen, und legte sogar selbst Hand an. In seinem Schlafzimmer wurden die Bücher abgelegt und gestapelt (soweit das insbesondere bei den Schriftrollen möglich war), bis einige bestellte Handlanger die Bücherschränke im Bibliotheksflügel aufgebaut hatten. Die meisten Prunkgefäße und Gemmen fanden ihren Platz im Empfangsraum des Hauses, ebenso eine ganze Reihe an kleinen Statuetten aus Elfenbein und aus Bronze, manche gar aus Silber. Das Mobilar, das im Erdgeschoss keinen Platz fand, wurde im oberen Geschoß zunächst eingelagert. In einem anderem Stadtviertel hätte sich der Hausherr sicher ins Obergeschoß geflüchtet, doch kam von den Straßen weder Lärm noch Schmutz oder übler Gestank in die Häuser.
    Bis in die Abendstunden hinein wurden in Nikolaos neuem Heim Truhen und Klinen verschoben und ausgerichtet, Möbel durch das Haus getragen, von einem Raum in den nächsten und im nächsten Moment wieder zurück, bis endlich alles zu des Gymnasiarchos Zufriedenheit angeordnet war. Erschöpft und hungrig, denn er hatte nichts gegessen, bezahlte er die Handlanger, wobei diese auf einmal unverschämt viel verlangten und Nikolaos sich sogar gezwungen sah, ihnen zu drohen. Als endlich alle Fremden wieder aus dem Haus waren, wobei Nikolaos diese Prozedur überwacht hatte, ja, er hatte sogar die Kleidung einzelner Handlanger nach verstecktem Diebesgut abgetastet, ging Nikolaos in das Speisezimmer, ließ sich auf einer Kline nieder und ließ sich ein einfaches, aber reichhaltiges Mahl bereiten.

  • Nach einer Nacht, in der sein Schlaf etwas unruhig gewesen war, stand Nikolaos am nächsten Morgen früh auf. Er kleidete sich selbst an, wobei er barfuß blieb und sich nur ein blütenweißes Gewand überwarf. Nach einem einfachen und kargem Frühstück im Schlafzimmer und nach einer morgendlichen Wäsche trat der Hausherr in den Hof. Dort hatten sich bereits die drei Sklaven versammelt. Auch sie trugen weiße Gewänder, wenn auch diese etwas vergilbt waren und nicht aus feinem Stoff, wie das des Nikolaos, sondern aus grobem Leinen.
    Einer der Sklaven reichte Nikolaos einen Span aus dem Küchenherd. Mit diesem entzündete Nikolaos das Öl, das einer der Sklaven schon zuvor in die Schale auf dem Altar gegossen hatte. Mit feierlichen Gesten legte Nikolaos nach und nach einige Büschel von Räucherkräutern in das Feuer. Der Rauch nahm einen würzigen Geruch an. Der Rauch zog durch die offenen Türen und Türöffnungen durch das ganze Haus. Nikolaos nahm einen der Sklaven eine Weihrauchdose aus der Hand und ließ es kräftig stauben über dem Altarfeuer. Zusammen mit dem Rauch bildete der Weihrauchstaub eine Wolke, die Nikolaos umhüllte und ihn schwer atmen ließ. Wie betäubt stand er da und sah der Wolke zu, wie sie, vom Windzug, der durch die offene Tür zur Straße zog, davongetragen wurde.
    "Reinige mein Haus von der Miasma, reinige auch die Hausgemeinschaft.", murmelte er und zog den Rauch ein einziges Mal tief ein, sodass ihm schwindelte und er für einen Augenblick wie betäubt war.
    Die dichte Rauchwolke um Nikolaos und um den Altar hatte sich bald aufgelöst, stattdessen lag nun im Hof eine Nebeldecke über dem Boden. Der Tau in der Luft hatte sich mit den Atomen des Rauches verbunden. Eine kräftige Windböe, die vom Meer kam, und die zwar abgeschwächt wurde durch die Bäume und Sträucher im Garten, jedoch immer noch kräftig genug war, blies den Rauch auf die Straße hinaus. Wie ein großer Mund, aus dem der Atem wie in der Kälte sichtbar kommt, mochte das große Hoftor auf Diener, Boten, vornehme Männer und Frauen, Sänftenträger und Laufburschen gewirkt haben, die in der Frühe bereits durch die Straße vor dem Haus des Nikolaos ging.
    Der Nebel stieg auf und bildete über dem Hof ein durchlässiges Dach, das die Strahlen der Morgensonne abfing und so zerstreute, das aus ihnen ein einziges, diffuses Lichtquadrat wurde. Auch im Garten stand Nebel, er verband sich mit dem Dunst, der über dem Teich stand und mit dem Dunst, der über dem Meer stand. Zwischen Zedernzweigen und Thymianblüten zog er, entlang der Statuen und über Rosen strich er zart und sanft.
    "Oh Dionysos, lasse Freude in diesem Haus wohnen!", rief Nikolaos und goß einen Schluck Wein in das Feuer. Das Gefäß hatte ihm einer der Sklaven gereicht. "Oh Hestia, schütze dieses Haus und seinen Herd, Schwester des Zeus, Himmlische!", sprach der Hausherr, mangels einer weiblichen Person in der Hausgemeinschaft, selbst. Den Spruch bekräftigte er mit einem weiteren Schluck Wein sowie mit einem Büschel Räucherkräuter, woraufhin das Feuer, das der Wein schon etwas besänftigt hatte, für einen kurzen Augenblick wütend aufflackerte.
    "Oh Athene, Herrin und Beschützerin! Halte deine Hand über dieses Haus und seine Bewohner! Schütze es mit deiner Klugheit und deiner Güte!" Nikolaos schwenkte die Weihrauchdose ein weiteres Mal. Dann führte er mit einer Zange einen Span in das Feuer, hielt ihn dort, bis er sich entzündet hatte und reichte ihm dem Sklaven, der für die Küche verantwortlich war. Schließlich goß er das Weingefäß vollständig aus. Es zischte und dampfte, dann war das Feuer erloschen. Als sich die Aschen etwas abgekühlt hatten, schöpfte Nikolaos mit den Händen in der Suppe aus Wein, Öl und Krautasche und segnete seine Sklaven.

  • Ein Laufbursche des Agoranomos überbrachte einen Brief an den Besitzer des Stadthauses:


    Betriebsprüfung
    29. Choiak (27.09.105 n.Chr.)


    Hiermit werden die Ergebnisse der Betriebsprüfung vom 7. des Choiak mitgeteilt:
    Der Betreiber des Kapeleion Archaon hat die Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 75 Drachmen an das Konto der Polis Alexandria zu leisten.
    Widerspruch gegen das Urteil ist innerhalb einer Frist von 10 Tagen schriftlich im Büro des Agoranomos einzureichen. Allgemeine Beschwerden gegen administrative Handlungen bearbeitet die Stege des zuständigen Exegetes.


    Zur Begründung:
    1. Der betreffende Betrieb konnte beim Besuch der Prüfer keinen ausreichenden Brandschutz vorweisen.
    2. Vorwürfe bezüglich illegaler Aktivitäten und nächtlicher Ruhestörung konnten nicht in hinreichender Weise entkräftigt werden.
    3. Des Weiteren fielen Mitarbeiter des Betriebs durch mangelnden Respekt und einem Verhalten auf, das jegliche Kooperationsbereitschaft gegenüber der Beamtenschaft vermissen ließ.


    Mithridates Castor

  • Einer der Sklaven des Nikolaos hatte den Brief entgegengenommen und dem Hausherren gebracht. Dieser las die etwas wichtigtuerischen Worte, schmunzelte und schickte einen Boten zum Gasthaus.


    Wenig später kehrte dieser mit einem etwas verängstigten und aufgebrachten Lyros zurück. Nikolaos legte dem Wirtshauspächter den gesiegelten Fetzen vor, woraufhin dieser seinem Patron die Geschichte des Besuchs erzählte.


    Dieser Spaß war selbst dem etwas knausrigen Nikolaos fünfundsiebzig Drachmen wert... .


    Und mehr noch: Die Angelegenheit hatte ihn auf einen guten Einfall gebracht.

  • Opium war gut. Doch es hatte an diesem Abend nicht den gewohnten Frieden, die gewohnte Auflösung gebracht, sondern hatte den Rausch des Weines schwarz gefärbt und bitter. Er, der Bewohner, hatte viel und unverdünnten Wein getrunken über den Papyri und den Tafeln, was sonst nicht seine Art war. Gierig hatte er getrunken und die Reste des Abendessens vom Vortag verschlungen. Wie als trotzige Antwort auf eine unausgesprochene Verfemung Für Nikolaos, den Keryken, ist jeder Tag ein Fest! hatte er seine Diener nach Hause und die Sklaven in ihre Quartiere geschickt, um dann die Reste, deren Konsistenz schon in der Auflösung begriffen war, verschlungen, als hätte er schon lange gehungert.
    Opium war gut. Doch mit den Wein wusch es Schmutz aus Gegenden, die der Bewohner des Hauses lieber unberührt gelassen hätte.
    Bei den Göttern! Kerkyra war eine Erfindung, ob irgendjemand unter diesem Namen die Erde bewohnte oder nicht. Der Frevel an ihr - Nikolaos erinnerte sich an die Empörung eines grünen Mädchens, dem er diese Geschichte einmal, selbst noch ein Bürschen und grün, aufgetischt hatte... . Kein todeswürdiges Verbrechen! Bei Isis, der Königin der Nacht und des Meeres! Kein todeswürdiges Verbrechen hatte er sich selbst in seiner Erinnerung zurecht gelegt.
    Kerkyra war eine Erfindung. Es gab keine Kerkyra.
    Hypnos hatte ihm seinen Sohn nicht geschickt in dieser Nacht. Stattdessen: Morpheus Onkel!, entfuhr es dem Bewohner, ein heiserer Schrei, doch unterdrückt vom Reflex auf die eigene Überraschung, geschriehen zu haben.
    Frevel! Frevel! Frevel! Der Wind bewegte die Vorhänge am Fenster, das zum Peristyl-Garten hinausging. Die Tür des Zimmers zum Hof auf der anderen Seite war nur angelegt. Der Mann verschloss und verriegelte sie.
    Frevel! Frevel!
    Wäre es doch nur diese Kerkyra gewesen und diese kleine Harmlosigkeit, die man sich unter guten Freunden getrost erzählen können. Der Stachelfisch nicht einmal wartete, wie in alten Zeiten, denn wo kein Gem... Verdammte -! Bald würde Tyche sicher -
    Nemesis hatte sich, so dachte er, an diesem Abend angekündigt, er hoffte, sie käme ohne Gastgesch -
    Nein, eine Kerkyra hatte es nicht gegeben. Und der Bewohner dieses großen, nachts unheimlich leeren Hauses war nie einer der Keryken gewesen.

  • Nie war er einer der Keryken gewesen. Es gab keine Kerkyra. Es hatte einen Keryken gegeben -
    Frevel! Der alte Vater wie blind - der arme alte Vater - beste Erziehung - beste Erziehung - Hauslehrer und -
    Der Bewohner des Hauses glaubte in diesem Augenblick fest daran, ein Bastard zu sein, und ihm verging Hören und Sehen. Hören verging ihm wirklich, das Sehen nicht, obgleich er die Stirn in das Kissen drückte und die Lider aufeinander. Er konnte den Abendwind nicht mehr hören. Es pfiff und schrie, es schnaufte und röchelte, es klingelte in seinen Ohren.
    Der väterliche Erbteil schlug durch, sodass der Mann sich aufrichtete, sich dann auf den Boden stellte und schließlich vom Bett aufstand. Der Vorhang hing nun ungerührt herunter. Der Mann schob ihn beiseite. Es war Neumond. Die Nacht war dunkel und ungewohnt kalt.
    Frevel... Frevel...
    Er wandte sich ab und eilte zum Bett zurück. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er war nie einer der Keryken gewesen.

  • Mit großer Verwunderung hatte Silanus die Nachricht des Gymnasiachos erhalten, und war noch am selben Abend ohne lange zu zögern aufgebrochen, um diesen einen Besuch abzustatten. Da sich das Haus des alexandrinischen Magistraten ebenfalls im Königsviertel befand, kam der Tribun alleine und ohne Begleitung seiner Leibwachen oder sonstiger oft lästiger Anhängsel. Auch wenn es nur ein kurzer Spaziergang war, so genoss er die kurze Ruhe, nickte nur ab und zu einigen anderen Bewohnern Basileias zu, die an ihm vorübergingen und erreichte schließlich nach wenigen Minuten das Haus des Nikolaos Kerykes. Er grüßte den Ianitor, der in diesem Viertel der Oberschicht bei jedem Haus zu finden war und ließ sich von ihm bei seinem Herrn anmelden.

  • Der Torwächter nickte, verstand im Haus und kehrte rasch wieder an die Tür zum Hof zurück. Er gab dem Besucher höflich zu verstehen, der Hausherr erwarte ihn bereits im Andron.


    Dort lag der Gymnasiarchos auf einer Liege, richtete sich jedoch auf, als der Gast hereingeführt wurde.


    "Sei gegrüßt, Iunius Silanus. Mich freut, dass du so schnell meiner Einladung gefolgt ist. Bitte mache es dir bequem."
    Er deutete auf eine freie Liege. Dann schenkte er selbst dem Gast Wein aus einer Glaskaraffe, nicht aus einem Krater, ein.


    "Ich hoffe, dir schmeckt der Würzwein. Er ähnelt eurem römischen vinum conditum Art des Apicius, von dem einst ein über Hundertjähriger behauptete, er habe das hohe Alter dank täglichen Genusses dieses Weines erreicht."


    Nikolaos reichte dem Gast einen Becher.


    "Gerne würde ich mit dir plaudern, werter Iunius Silanus, zumal wir dazu bisher nur selten Gelegenheit hatten. Jedoch bat ich dich hiererzukommen, um eine Bitte meinerseits anzuhören, und ich denke, es wäre unfreundlich, diese dich nicht gleich wissen zu lassen, sondern dir zunächst mit Belanglosigkeiten gewissermaßen ein Schlaflied zu singen."


    Er sah den Römer prüfend, doch keineswegs unfreundlich an.


    "Ich wollte dich fragen, was du von Centurio Quintus Fabius Vibulanus hälst.", meinte er schließlich.



    Sim-Off:

    Angebot gleich in der WiSim.

  • Er grüßte den Gastgeber ebenso freundlich und nahm auf der angebotenen Liege Platz. Das es sich nicht um eine Einladung zu einen reinen Freundschaftsbesuch handelte, war Silanus bereits bewusst gewesen, dass der Grund dafür ein ihm untergebener Centurio war, machte die Situation jedoch nicht wirklich einfacher. Jedoch war er dankbar, dass der Gymnasiarchos direkt zur Sache kam und nicht lange um den heißen Brei redete. Silanus wirkte nachdenklich und auch nicht besonders erfreut darüber, als er eine eher vorsichtige Antwort formulierte.


    "Centurio Fabius Vibulanus….. hmmmm. Ich kenne ihn nicht besonders gut und bin nur wenige Male mit ihm zusammengetroffen. Warum fragst du?"


    Der Iunier wollte zuerst heraushören, wohin diese Frage bzw. das Gespräch führen sollte, ehe er sich zu konkreteren Aussagen hinreißen ließ. Nikolaos Kerykes bezweckte damit bestimmt etwas.

  • Nikolaos hätte sich denken können, dass der Tribun ausweichend antwortete. Leider wusste er nicht, wie dieser zu seinem formal Untergebenen stand. Andererseits hätte Nikolaos, so glaubte er, wenig zu befürchten, sollte der Iunier auf der Seite des Centurios stehen. Außerdem war eine seiner Verwandten Nikolaos' Klientin, obgleich eine, die sich selten blicken ließ.


    "Ich möchte offen dir gegenüber sein. Der nämliche Centurio hat sich möglicherweise einer Pflichtverletzung schuldig gemacht. Worüber ich freilich nicht zu urteilen habe. Es geht mir im Übrigen auch gar nicht darum, zu urteilen. Lediglich wissen möchte ich, wer dieser Mensch ist. Ob ich mich gar irrte und ihm in meiner Unwissenheit Dinge unterstellte, die auf mich zwar befremdlich wirkten, doch durchaus gängig bei der ruhmreichen Legion des göttlichen Imperators sind und somit bloß in den Augen eines Mannes nicht gut sind, der gar nichts versteht von solchen Dingen."


    Nun nahm Nikolaos selbst auch etwas Würzwein.


    "Ich hoffe, ich bringe dich nicht in einen Konflikt, wenn ich dich bitte, diesem sicher ehrenhaften Mann aus dem Geschlecht der Fabier oder irgendjemandem aus Reihen der ruhmreichen Legion von meiner gewiss etwas eigenartigen Frage nicht zu erzählen."

  • "Du bringst mich keineswegs in einen Konflikt. Ich kann dir selbst nicht viel über diesen Mann sagen. Er ist einer von vielen Centurionen in der Legio und ich kenne sie nicht alle persönlich. Aber er ist Klient des Statthalters Germanicus Corvus. Das hebt ihn vermutlich von allen anderen ab.


    Ich gehe davon aus du sprichst speziell den Vorfall in Broucheion an. Auch ich war dort zufällig anwesend und habe die merkwürdige Vorgehensweise des Centurios mitbekommen. Ich kann sie keineswegs gutheißen. Aber das werde ich noch mit meinen Vorgesetzten klären."


    Silanus prostete seinen Gastgeber zu und nahm dann einen kräftigen Schluck des Gerwürzweines. Es war keineswegs verwunderlich, dass die Vertreter der Stadtverwaltung nach diesem Vorfall Sorgen machten. Ganz im Gegenteil zeigte es wieder auf, welche politischen Auswirkungen das Handeln der Armee in diesen Regionen hatte.

  • Auch der Gastgeber trank dem Gast zu. Der letzte Satz hatte ihn beruhigt. Offenbar steckte der Iunier mit dem besagten Centurio nicht unter einer Decke. Dass dieser aber der Klient des Statthalters sein sollte, war dem Gymnasiarchos sehr unangenehm. Er hoffte, seine Beschwerde beim Statthalter würde keine Intrige des grobschlächtigen und vermutlich dummen, doch durch das Patronat des Germanicus Corvus geschützten Soldatens auslösen.


    "Ich danke dir, werter Iunius Silanus. Deine Worte haben mich in die Gewissheit gebracht, dass es sich bei diesem Vorfall wirklich um einen bedauerlichen Einzelfall handelte und dass wir, die Bürger der Polis, in Zukunft nicht um die Unversehrtheit unserer Heiligtümer bangen müssen."


    Er schenkte seinem Gast nach.


    "Wenn du nichts mehr vorhast und ich dir deine kostbare Zeit nicht stehle, so würde ich dich mit Freude einladen, noch eine Weile zu bleiben, damit wir uns nun angenehmeren Themen widmen können.
    Wie geht es deiner Verwandten Iunia Urgulania? Ich habe lange nicht mehr von ihr gehört."

  • Der Satz des Magistraten ließ Silanus für einen Moment hellhörig werden und Verwunderung spiegelte sich in seinem Gesicht. Daher ging er auch nicht auf die Frage nach seiner Verwandten ein, sondern stellte Nikolaos Kerykes eine Gegenfrage, die sich wieder auf die Angelegenheit mit dem Centurio bezog.


    "Einen Moment. Unversehrtheit der Heiligtümer? Was meinst du damit? Gab es noch weitere Zwischenfälle mit Centurio Vibulanus?"

  • "Ich beobachtete nur diesen einen gewissen Vorfall am Tychaion. Allerdings ging anschließend die Patrouille weiter, und ich weiß leider nicht, was währenddessen noch geschehen ist. Ich bin der Centurie beziehungsweise deren Untereinheiten nicht weiter gefolgt, da ich, sobald sich die Sammlung der Soldaten vor dem Heiligtum der Tyche auflöste, zum ehrenwerten Präfekten Germanicus Corvus eilte, um ihm von diesem Vorfall und meiner und der Sorge der Bürger der Polis zu berichten.", sagte Nikolaos ruhig und bedächtig. "Dass ich nicht in der Lage war, den weiteren Verlauf der Patrouille zu beobachten, heißt leider nicht, dass ich mit Sicherheit ausschließen kann, dass währenddessen nicht noch andere bedenkliche Vorfälle sich ereigneten. Vielleicht weißt du, als Vorgesetzter dieses Centurios, mehr darüber."

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