Auf dem Weg zu den Tempeln

  • Am Tag nach ihrer Ankunft in Rom zog es Iulia Musa auch schon mitten hinein in die Stadt, hinein in den Trubel zwischen den Gebäuden der mächtigsten Stadt der Welt. Es hätte Hunderte von Dingen gegeben, die sie daheim, in ihrem neuen zu Hause, hätte erledigen können. Sogar viele wichtige Dinge, wie etwa die Bekanntmachung mit jedem einzelnen der Hausbewohner, schließlich sollte man wissen, wer zu seiner Familie gehörte.


    Doch das, was Iulia an diesem Tage aus dem Hause lockte, war die Neugier auf Altes und Neues. Sie war schon mehrere Male zu Besuch in Rom gewesen und doch kam es ihr vor, als wären Jahrzehnte vergangen. Bestimmt hatte sich viel verändert. Eine große Stadt wie Rom es war, befand sich doch in einem stetigen Wandel. Wenn sie jetzt für immer hier blieb, musste sie sich doch auf den aktuellen Stand bringen.


    So schlenderte sie gut gelaunt und wie immer in wachsamer Begleitung Mictio's kurz nach einem mittelständischen Frühstück los in Richtung Stadtzentrum. Die Luft war kühl, fast schon schneidend kalt, aber der Himmel klar und zart bläulich gefärbt. Die Vögel zwitscherten auf den Dächern und an den Straßenseiten, wo sie Krümel weggeworfenen Essens aufpickten.


    Ein schöner Tag. Vielleicht sollte sie einen Abstecher zu den Tempeln machen.

  • Sim-Off:

    Da bin ich auch schon :)


    Es war ein schöner Tag, und Valeria wusste, dass ihr Bewegung in der frischen Luft - sofern man davon in Rom überhaupt sprechen konnte - gut tun würde. Also hatte sie sich nach einer Kleinigkeit zu essen warm eingepackt und war aus der Casa Decima aufgebrochen, um zum Capitol zu gehen. Sie trug einen Korb mit Kleinigkeiten darin.


    In der Gasse, in der sie sich befand, waren einige Menschen unterwegs. Direkt vor ihr lief eine junge Frau mit einem Sklaven. Und plötzlich tauchte hinter der Frau ein kleiner Ohrring auf. Entweder hatte sie ihn verloren oder war drüber gelaufen. Valeria hob ihn auf und machte ein paar schnelle Schritte. "He... Warte mal! Entschuldige! Ich glaube, du hast den hier verloren", sagte sie und hielt der Frau den Ohrring zwischen Daumen und Zeigefinger entgegen. Am anderen Arm schaukelte träge der Korb mit den guten Gaben.

  • Eine Gruppe Kinder, unter ihnen Mädchen, die über eine Mauer kletterten, erweckten Iulias Interesse, sodass sie ihnen beim Vorübergehen gedankenverloren zusah. Wenn da mal nichts passierte.


    Dann rief jemand hinter ihr etwas und sie drehte sich neugierig herum, wer wohl gemeint sein könnte. Eine junge, ihr fremde Frau kam direkt auf sie zu, zwischen ihren Fingern ein kleiner Gegenstand, den sie ihr zeigte. "Nanu…" Verdutzt besah sich Iulia den Gegenstand, der sich bei genauerem Hinsehen als ein kleiner Ohrring entpuppte und tastete sich reflexartig beide Ohren ab. Doch da war noch alles vorrätig, was vorrätig sein sollte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Ohrring nicht einmal die Farbe von denen hatte, die sie sich heute Morgen ausgesucht hatte. "Nein, meiner ist das nicht. Den muss jemand anderes verloren und es nicht bemerkt haben. Wirklich schade drum." Er sah ja ganz nett aus.
    Aber was für eine Courage von der jungen Frau. Sie hatte unsagbar schönes blondes Haar und war wahrscheinlich ein wenig älter als Iulia selbst, die ja fast noch ein Kind war. Ihre Kleidung war auch recht hübsch. "Aber vielen Dank. Ich wäre traurig, hätte ich ihn verloren. Wirf ihn nicht weg. Lange fehlen kann er noch nicht, sonst hätte ihn sich irgendein Bettler schon längst eingesteckt. Vielleicht triffst du seine Besitzerin ja noch."


    Da fiel ihr Blick auf den Korb, den die junge Frau trug. Irgendwie gab er ihr einen Impuls. So lächelte Iulia die andere an, neugierig wie sie nun mal war. "Das sind aber gute Sachen. Bist du auf dem Weg zu einem Frühstück?"

  • Jetzt wo die Fremde sich zu den Ohrläppchen griff, sah auch Valeria, dass das Schmuckstück nicht zu denen passte, die dort an den Ohren klimperten. Verwundert sah sie sich noch um, aber es war unmöglich zu erahnen, wem der einzelne Ohrring wohl abhanden gekommen war. "Ja, das stimmt", pflichtete sie der anderen bei und sah auch auf den Ohrring hinab. Dann sah sie die Frau wieder an. "Meinst du? Ich glaube, das ist eher unwahrscheinlich. Obwohl Rom manchmal doch nur ein Dorf ist, glaube ich nicht, dass der hier wieder zu seiner Besitzerin zurückfindet", meinte sie und schmunzelte. In Rom traf man oft dieselben Leute wieder, ohne dass man sich verabredet hatte. In dieser Hinsicht war es wohl tatsächlich manchmal ein Dorf.


    Valeria überlegte, was sie mit dem einzelnen Ohrring anstellen sollte. In der Nähe gab es einen Brunnen, auf dessen Rand sie ihn legen konnte. Aber dann wäre er vermutlich nur noch schneller in einer fremden Tasche verschwunden als wenn sie ihn wieder an Ort und Stelle fallen ließ. So steckte sie ihn erstmal ein. "Frühstück? Oh nein, ich bin auf dem Weg zum Capitol. Diese Dinge sind für Iuno bestimmt", erklärte sie lächelnd. "Ich bin übrigens Valeria", fügte sie hinzu und sah dann den Mann an, der neben der Frau stand. Sicher sowas wie ihr Leibwächter. Valeria selbst war ganz allein unterwegs, was angesichts der rauen Zeiten vielleicht nicht unbedingt sinnvoll war.

  • "Wahrscheinlich nicht." Da konnte Iulia ihr nur beipflichten. Es müsste schon ein großer Zufall sein, dass die Besitzerin des Ohrringes bemerkte, dass er ihr fehlte, das noch möglichst rasch und dann auch noch an diesen Ort hier zurückkehrte. Auch sie lächelte. "Aber so hat der Ohrring wie auch seine Besitzerin bestimmt die besten Chancen." Iulia war Optimistin und glaubte daher selbst an solch einen gar überirdischen Zufall. Letztlich wäre es genau das, was sie sich wünschen würde, hätte sie den Ohrring verloren.


    Die Fremde erklärte ihr, wofür der Inhalt des Korbes angedacht war und stellte sich als Valeria vor. Das war aber eine seltsame Vorstellung. War Valeria ihr Familienname oder ihr Cognomen? Sie ging aus Gewohnheit eher von der ersten Möglichkeit aus. "Salve, Valeria." Aber abgesehen dabon dachte Musa augenblicklich darüber nach ihre Pläne umzuwerfen. "Ich bin Iulia Musa und wie es der Zufall will auch gerade auf dem Weg zum mons capitolinus. Mein Schatten ist Mictio. Es ist undenkbar auch nur einen Atemzug zu nehmen, ohne dass er dabei ist." Sie lächelte, folgte Valerias Blick aber nicht zu dem hageren Mann, denn er war eben immer da. "Wollen wir unseren Weg gemeinsam fortsetzen? Du wärest mir eine große Hilfe, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich den Weg ohne Weiteres finden würde." Gut, das war leicht geflunkert. Sie war zwar nur ein paarmal zu Besuch in Rom gewesen, aber wenn sie etwas in- und auswendig kannte, dann war das der Weg zu den Tempeln.

  • Früher einmal war Valeria auch eine fast unerschütterliche Optimistin gewesen. Jetzt nicht mehr. Zu viel war schief gelaufen in ihrem Leben bisher. Sie lächelte Musa nett an, als diese sie noch einmal anständig begrüßte. Dass sie ihren Begleiter vorstellte, von dem sie ausging, dass es ein Sklave war, verriet Valeria, dass Musa wohl eine von den wenigen war, die nicht blindlings befahlen und ihre Sklaven sonst ignorierten, sondern dass sie vielleicht sogar ein freundschaftliches Verhältnis zu ihrem Mictio hatte. "Freut mich", sagte sie in Richtung der beiden und nickte auch Mictio kurz zu. "Das können wir sehr gern tun. Dann bist du also neu in Rom?" erwiderte Valeria und begann nun also, neben Musa her zu schlendern.


    Ein paar Schritte weiter kamen sie an einem Bettler vorbei, der in Lumpen am Straßenrand im Dreck saß. Valeria überlegte nicht lange und ließ den Ohrring direkt vor ihm fallen. Was sollte er auch auf seine Besitzerin warten? Wer sich solche Ohrringe leisten konnte, der konnte auch einen kleinen Obulus für einen alten Bettler verschmerzen. Der Mann grinste sie mit Zahnlücken an und murmelte einige Dankesworte, und dann waren sie auch schon vorbei gegangen. "Möchtest du auch etwas opfern?" nahm sie dann das Gespräch wieder auf. Sie sah keine Opfergaben, aber das musste ja nichts heißen. Vor den Tempeln boten sich genug Gelegenheiten, noch welche zu kaufen.

  • Mictio zu ignorieren war eine schwierige Aufgabe. Der alte Mann, der schon im Hause ihres Vaters gedient hatte, lange bevor Musa oder ihr Bruder geboren waren, sah zwar unscheinbar aus. Aber er hatte es in sich. Er war voller väterlicher Sorge und leider auch übertriebener Strenge. Im positiven Sinne natürlich, andernfalls wäre er bestimmt nicht damit betraut worden, die junge Iulia auf all ihren Wegen zu begleiten.
    Sorgsam verbeugte der Sklave sich, als die junge Dame ihn mit einem Nicken begrüßte, und sorgte während des Gehens dafür, dass niemand zwischen ihn und seinen Schützling, der gerade zu einer Antwort ansetzte, geriet. "Ja und nein. Ich war schon mehrere Male zu Besuch in Rom, doch jetzt hat Fortuna entschieden, dass ich mein Leben hier fortsetzen soll." Sie wollte ungern mehr erzählen, als Valeria womöglich bereit war zu hören, so beließ sie es bei dieser Antwort. "Und du? Du siehst mir recht untypisch aus für jemanden, der Italias Schoß entsprungen ist."


    Sie passierten den Bettler, der den Ohrring gierig aber dankbar an sich nahm. Sie hätte ihn wohl nicht an den armen Mann gegeben, wenngleich das wohl eine noble Geste war.
    "Ich hatte es vorgesehen Mercurius meinen Dank zu sagen, ja. Aber der Grund für meinen Besuch der Tempel ist vielmehr der, dass ich mich erkundigen möchte, was die Anforderungen an jemanden sind, der sich dem Dienst an den Göttern verschreiben möchte." Mit einem Lächeln an Valeria gewandt fügte sie hinzu: "Ich möchte Tempeldienerin werden."

  • Bei der Erklärung, wie es sie hierher nach Rom verschlagen hatte, musste Valeria kurz frustriert schmunzeln. Mit ihr selbst hatte Fortuna scheinbar ein weniger gutes Händchen gehabt, wenn sie sich ihr bisheriges Leben so ansah. Valeria seufzte leise. "Ich? ja, da hast du ganz Recht, ich komme aus Tarraco. Aber da bin ich schon lange nicht mehr gewesen. In den letzten Jahren bin ich weit herumgekommen, aber wie das nun einmal ist, führen letztendlich doch alle Wege wieder zurück nach Rom. Ich bin seit einer knappen Woche wieder in der Satdt."


    Sie passierten einen Brunnen und bogen um eine Häuserecke herum in eine weitere Gasse ein. Irgendwo bot ein Töpfer seine Waren feil. Valeria nickte, das verstand sie, dass man Merkur für eine sichere Reise danken wollte. Dann wandte sie der anderen überrascht das Gesicht zu. "Oh, wirklich? Also, wenn sich nichts an den Regelungen geändert hat, dann erfüllst du auf jeden Fall die Anforderungen", erzählte sie und nickte. "Was sind deine Beweggründe?" Nicht dass man als tugendhafte Römerin welche haben musste.

  • Valeria kam aus Tarraco und war in den letzten Jahren viel herumgekommen. Das klang spannend und abenteuerlich. Irgendetwas störte Musa jedoch an dem Gehörten. Um keinen unhöflichen Eindruck zu machen, weil sie ihren Gedanken auf den Grund ging, antwortete sie. “Aus Hispania, dem Land der Landwirtschaft und der Stiere. Ich habe viel Gutes über dieses Land gehört.“ Das entsprach der Wahrheit. Ihr Vater hatte häufig von Hispania geschwärmt, lang war es her. “Ist es so schön, wie man sagt? Und wo bist du herumgereist?“
    Jetzt erkannte sie, was sie an Valerias Erzählung etwas abschreckend fand. Es hörte sich mehr so an, als hätte soeben ein Mann von seinen Ausschweifungen in ferne Länder geredet. Was für ungerechte Gedanken. Musa beeilte sich sie wieder zu vergessen.


    “Anforderungen? Weist du Genaueres darüber?“ Über dieses Wort geriet Musa literarisch ins Stolpern. „Nun… Das ist eine etwas längere Geschichte und ich bin mir nicht sicher, ob der Weg zu den Tempeln noch ausreichend lang ist, sie zu erzählen und ich zweifle auch stark an meinen Redekünsten. Die schonende Kurzfassung ist: Die Götter haben es stets gut mit mir gemeint. Sie haben mich vor allem Bösen bewahrt und mich mit einer besonders liebenswerten Familie gesegnet. Ich bin ihnen dankbar und möchte ihnen einen besonderen Stellenwert in meinem Alltag widmen. So lasse ich auch die Zeit nicht ungenutzt verstreichen, bis sich für mich ein Ehemann gefunden hat. “ Sie lächelte, keinesfalls verschämt oder schüchtern, aber auch nicht überschwänglich oder verblendet. Mictio räusperte sich und Musa wusste, dass sie für seinen Geschmack immer noch zu gerne plauderte.

  • Es war Valeria durchaus bewusst, dass sich ihre Geschichte und das, was sie bereits geleistet hatte, eher nach den Erzählungen eines Mannes anhörte. Allerdings waren die Decimerfrauen immer schon anders gewesen, man besah sich da nur einmal Lucilla, die Valerias großes Vorbild war. Valeria stand zu sich selbst, auch wenn es manchmal schwer fiel. "Ja, es ist wunderbar. Die Erde ist tiefschwarz und sehr fruchtbar. Der Sonnenaufgang war mir die liebste Zeit des Tages. Dann ist alles noch benetzt vom Tau und das goldene Licht an einem Frühlingsmorgen zeichnet sehr schöne Konturen", erzählte sie, dann blinzelte sie die Erinnerungen fort. Maximian hatte sie dort kennengelernt, ihre erste und einzige große Liebe. Inzwischen lag er von Würmern zerfressen in der Familiengruft.


    "Ich war in Alexandrien und habe am Museion Medizin gelehrt. Von dort bin ich nach Osten gereist und über dem Landweg zurück nach Rom gekommen. Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe mir sehr viel Zeit gelassen", erwiderte sie etwas unbestimmz auf die Frage nach ihrem Verbleib während der letzten Jahre.


    "Das ist ein guter Grund", sagte sie dann und lächelte kurz. "Ich war selbst einmal Priesterin, aber das ist lange her. Damals wäre ich fast Pontifex Minor geworden, wenn sie sich nicht gegen eine Frau in ihren Reihen ausgesprochen hätten. Unter den Männern in diesen Rängen zählt der Einsatz einer Frau nicht viel, mag sie sich auch noch so sehr aufopfern. Damals habe ich meine Tätigkeit für die Öffentlichkeit niedergelegt und das Reisen begonnen." Valeria seufzte. "Was deine Absichten betrifft: Du bist doch römische Bürgerin. Das ist alles, was du an Voraussetzungen erfüllen musst, um Priester zu werden. Alles andere, was über die alltäglichen Opferriten hinaus geht, wird dir beigebracht. Sogar ein Peregrinus kann Priester werden." Sie wechselten die Straßenseite, um ein paar Meter weiter nach links abbiegen zu können. Da sah Valeria Musa interessiert an. "Du bist noch nicht verheiratet?"

  • Natürlich träumte auch sie davon mehr zu sehen, als ihre Rolle als Frau in einer von Männern geborenen Welt ihr angedachte. Aber mehr als Träumerei würde es nie sein. "Das klingt himmlisch. Du scheinst Sehnsucht nach deinem Land zu haben. Vielleicht solltest du es mal wieder besuchen?" Vorsichtig musterte Iulia Valeria, denn was die eine noch als Aufmerksamkeit belobte, war der anderen an Neugier schon wieder zu viel.


    Zu Valerias grob umrissenen Spuren ihrer Reisen sagte Musa nichts. Sie dachte sich aber eine ganze Menge. Medizin lehren? Darüber musste das Mädchen sich erst einmal Gedanken machen, schwor sich aber bei Gelegenheit, wenn Ihnen der Gesprächsstoff ausging oder sie ihre Gedanken kundtun wollte, zurück zu diesem Thema zu kommen.


    Götter! Nur schon der Zufall, dass sie einer ehemaligen Priesterin über den Weg lief, hätte ausgereicht. Nun stellte sich auch noch heraus, dass sie beinahe einen sehr hohen Rang bekleidet hätte. Zunächst sprachlos blinzelnd, sah sie sie an und nickte dann dabei leicht, bestätigend, dass sie das römische Bürgerrecht hatte. "Bedauerlich, dass deine Bemühungen nicht ausreichten, dich für den Rang des Pontifex Minor zu qualifizieren. Der Stolz der Männer…“ Musa lächelte amüsiert. Von Mictio kam ein Räuspern, das der jungen Iulia verriet, dass sie sich für diese Aussage zurück in der Casa wohl eine Rüge abholen konnte. „Welchem Gott dientest du?"


    Valerias nächste Frage ließ die junge Frau leicht erröten. „Ja. Nun darf mein Onkel sich mit diesem Thema auseinander setzen. Wer ist dein Mann, wenn ich fragen darf?“

  • Valerias Blick glitt in die Ferne. Ja, doch... Vielleicht würde sie noch einmal Tarraco besuchen. Sie hatte ja Zeit, und vielleicht fand sich da ein schnuckeliger Mann für sie... Außerdem konnte sie endlich Lucilla wiedersehen. Sie vermisste sie am meisten. Valeria seufzte leise. "Vielleicht sollte ich das tun, ja", erwiderte sie nachdenklich, blinzelte dann und sah Musa schräg von der Seite her an. "Tja, du sagst es. Aber ich will mich nicht länger darüber ärgern, das habe ich schon zur Genüge getan." Irgendwann während der letzten Jahre war ihre Wut darüber verraucht, auch wenn sie sicherlich weiterhin einen bitteren Nachgeschmack hatte.


    Sie warf diesem Mictio einen Blick zu. So ein Aufpasser würde ihr selbst ganz schön auf die Nerven gehen, überlegte sie. Nicht mal sagen, was man dachte, konnte man. Bei ihrer Frage musste Valeria lächeln. "Als Priester dienst du allen Göttern. Aber ich fühle mich besonders Iuno verbunden, wenn du das meinst", sagte sie. "Du kannst darum bitten, in einem Tempel deiner Wahl eingesetzt zu werden, aber für gewöhnlich teilen sie dich einfach zu. Ich weiß nicht genau, wie sie das jetzt handhaben. Früher musste man noch zu einem Septemvir gehen, um einen Lehrer zugeteilt zu bekommen. Am besten fragst du da wirklich mal bei einem Tempel nach." Valeria lächelte Musa an, die soeben ein wenig rot anlief. "Du darfst. Allerdings muss ich gestehen, dass ich nicht verheiratet bin. Etwas, das ich gern ändern möchte, bevor es zu spät ist, um Kinder zu bekommen", erwiderte sie.

  • Sich damit begnügend, Valeria zu mustern, während ihre Gedanken vielleicht gerade um Hispanien kreisten, lächelte Musa gut gelaunt und somit ein wenig darüber hinwegtäuschend, dass sie ihren eigenen Gedanken nachhing, die im fernen Achaia weilten.


    Mictio war ein guter Mann. Ein wenig gluckenhaft zwar, aber stets nur darauf bedacht, dass sein junger Schützling sich im besten Licht präsentierte. „Natürlich, Priester dienen nicht nur einem Gott, wie naiv von mir. Wenn ich jedoch einem festen Tempel zugeteilt werden würde, würde ich mir ebenfalls Iuno wünschen oder Fortuna.“ Das Mädchen nickte und strich sich ihr Haar hinters Ohr, als die ersten Tempel in Sicht kamen. „Es wird wohl wirklich das Beste sein, wenn ich mich an fachkundiger Stelle beraten lassen. Eine Abmachung treffen werde ich so ohne weiteres eh nicht können ohne die Zustimmung meines Onkels.“


    Voller Überraschung musste Musa sich zusammenreißen, nicht allzu entgeistert auszusehen. „Du bist eine so hübsche Frau. Ich kann gar nicht verstehen, dass dich noch kein Mann erobert hat.“ Unglaublich! „Deine Kinder werden hübsch sein.“ Jetzt lächelte sie wieder.

  • Valeria lächelte nachsichtig und erwiderte taktvoll nichts darauf, dass Musa sich für naiv hielt. "Ich bin mir sicher, dass du einen Wunsch äußern kannst", sagte sie stattdessen. Die Worte Musas bedeuteten dann wohl, dass sie das Mündel ihres Onkels war. Wie gut es dagegen Valeria hatte, zumindest in dieser Hinsicht! Denn sie musste niemanden um Erlaubnis fragen. Der kleine Nachteil allerdings war, dass sie auch selbst für sich verantwortlich war, und das bedeutete, dass es in ihren Händen lag, wen sie irgendwann einmal heiratete. Beispielsweise.


    Valeria senkte den Blick und unterdrückte ein Seufzen. Sie war nicht hübsch, sie war dürr, viel zu dürr, um Kinder zu gebären. Aber sie konnte einfach nicht mehr als ein paar Happen herunterbringen seit... Sie schob die Gedanken fort, hob den Kopf und sah Musa wieder an. "Danke für dein Kompliment. Ich werde sehen müssen, was die Zukunft bringt. Die aber wünsche ich, dass dein Onkel eine gute Wahl für dich trifft."


    Sie gingen einen Moment schweigend. "Aber wo wir von meiner Herkunft gesprochen haben: Wo kommst du eigentlich her? Stammst du aus Italien? Denn du schaust nicht aus, als kämst du aus dem Süden, wo die Sonne vom Himmel brennt", spielte sie auf Musas Bemerkung von eben an.

  • "Das hoffe ich und ich vertraue voll und ganz auf sein Urteil." Wie sie Proximus kannte, würde das schon schief gehen. Im Zweifelsfall konnte sie ihn sicherlich ein bisschen bezirzen - er war seinem Bruder, Musas Vater, in vielen Dingen ähnlich.


    Musa schüttelte leicht ihren Kopf. "Richtig erkannt. Ich stamme aus Achaia. Mein Vater wurde in Rom geboren, zog im Laufe seines Lebens nach Achaia und ehelichte eine Griechin. Dort wurde zuerst mein Bruder, später ich geboren. In meiner Heimat scheint die Sonne nicht weniger heiß als hier in Rom. Allerdings sah meine Mutter es nie gerne, wenn ich allzu lange in der Sonne war, also war ich überwiegend ans Haus gebunden. Es hat mich häufig bekümmert. Achaia ist ein schönes Land, nicht so wie Hispanien, aber auf eine andere ganz eigene Art und Weise, und ich habe so wenig davon zu sehen bekommen. Es reicht kaum aus, um seine besten Vorzüge zu beschreiben, fürchte ich." Sie seufzte leise und zuckte dabei leicht mit den Schultern. Offenbar bedauerte sie die Haltung ihrer Mutter, hatte sich jedoch damit abgefunden. "Ich werde einer Frau entsprechend viel gesehen haben, nehme ich an. Nicht mehr, als ich sehen sollte, aber auch nicht weniger, als ich kennenlernen musste." Sie lächelte, gar ein wenig schelmisch. "Wenn du einen hübschen und gebildeten Mann suchst, würde sich eine Reise dorthin vielleicht lohnen."

  • Wenn Valeria gewusst hätte, in wessen Hände Musa da ihr Schicksal legte, wäre sie weniger zuversichtlich gewesen, aber sie wusste es ja nicht. "Ich war vor einer Weile erst in Griechenland", erzählte sie. "Allerdings nicht in Athen oder Olympia, sondern in kleinen Fischerdörfern am Meer. Du hast Recht, es ist sehr schön dort." Valeria dachte kurz darüber nach. "Und du bist nach Rom gekommen, weil sich dort niemand um deine Heirat kümmern kann", vermutete sie und nickte. Dann musste sie lachen.


    "Mir würde es schon reichen, wenn er mich nicht wie ein stupides Heimchen hinterm Herd behandelt und man sich gut mit ihm unterhalten kann", erwiderte sie mit entsprechend schmunzelndem Seitenblick. "Leider sind die meisten, auf die das zutrifft, entweder im falschen Ordo oder schon vergeben. Da muss man schon Glück haben. Ich wünsche dir jedenfalls, dass du Glück haben wirst, und dein Zukünftiger noch hübsch obendrein sein wird." Valeria schmunzelte. Ihr selbst war es wirklich egal, ob ihr Zukünftiger ein Peregrinus oder sogar ein Patrizier war, aber das konnte sie ihrer Familie nicht einfach antun, das wusste sie. Deswegen musste sie schon darauf achten.

  • Musa nickte lächelnd. Ihre Heimat war wirklich ein von den Göttern gesegnetes Land, und ja, sie war hierher gekommen, weil sie dort keine familiären Bande mehr vorzuweisen hatte. Traurig, aber wahr. „So ist es. Meine Mutter hätte es zudem nicht gern gesehen, dass ich auf mich allein gestellt bin.“ Sie war vermutlich nicht halb so tough wie ihre freundliche Begleiterin.


    „Das wünsche ich dir ebenso, Decima.“ Sie gingen kurz schweigend, erreichten die Tempel beinahe. Es war Zeit sich zu verabschieden. „Es war schön dich kennen zu lernen. Ich bin mir sicher, von dir könnte ich noch so einiges lernen. Ich bete zu den Göttern, dass wir uns einmal wieder begegnen, und sie dich auf deinem Weg beschützen.“

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