Cursus Continuus | cursus praeceptorum stoicorum

  • Um für Ämter höher als Quaestor (insbesondere Tribunus Plebis/Aedil) kandidieren zu können muss man einen höheren Kurs - zum Beispiel diesen - an der Schola Atheniensis bestanden haben.





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    AN DER



    SCHOLA ATHENIENSIS IN ROM



    FINDET FOLGENDER KURS STATT:



    CURSUS PRAECEPTORUM STOICORUM



    ABGEHALTEN VOM MAGISTER PHILOSOPHIAE



    FAUSTUS OCTAVIUS MACER



    BEGINN DES KURSES:
    ID APR DCCCLX A.U.C.
    (13.4.2010/107 n.Chr.)



    VORAUSSETZUNGEN:
    Cursus Res Vulgares (CRV) und einmalig einbezahlte Studiengebühren in Höhe von 500 Sesterzen



    INHALT:
    Der Kurs befasst sich mit den Lehren der Stoiker. Eine Vorlesung wird dazu abgehalten. Ihr folgen Prüfungsaufgaben.



    Anmeldungen werden hier angenommen!




    Sim-Off:

    Zur Anmeldung ist die Anreise nach Rom erforderlich!


  • Ein flavischer Sklave schrieb in leserlichen Lettern:


    "Lucius Flavius Furianus"


    Sein Dominus fand wohl besonderes Interesse an der Philosophie, befand Cassander und ging davon...

  • Am Morgen des Kursbeginns fand sich Macer schon sehr früh ein, um die letzten Vorbereitungen für seinen Cursus zu treffen. Er war ein wenig nervös, als die ersten Schüler eintrafen. Nach und Nach waren diese auch vollständig, sodass Macer dann auch die Anwesendheitsliste durchgehen wollte.



    Er las die Namen nacheinander vor, die auf seiner Wachstafel standen und wartete ab, dass diese ein kurzes Erkennungszeichen von sich gaben.



    Decimus Annaeus Varus


    Titus Duccius Vala


    Lucius Flavius Furianus


    Decima Seiana


    Iullus Quintilius Sermo

  • Macer erkannte unter den fün Schülern drei Bekannte Gesichter, die sich allesamt auch sofort meldeten. Die anderen beiden, darunter auch eine sehr hübsche junge Dame, waren stumm, doch immerhin auch anwesend.


    Sim-Off:

    Kann jetzt auf euch nicht warten, Seiana und Vala. Ich bitte um Entschuldigung :)



    Dann können wir ja beginnen. Macer erhob sich von seinem Stuhl, um besser und vorallem bewegend zu unterrichten. Es war seine erste Stunde, hoffentlich würde sie sofort ankommen.


    Zunächst einmal herzlichen Willkommen in dem Cursus, in dem ich versuchen werde euch die Denkweise der Stoiker näher zu bringen. Vielleicht kennt der eine oder andere von euch bereits die Grundzüge dieser Philosophieschule, doch möchte ich euch allen die Chance geben die Stoa von Grund auf zu verstehen.
    Kurz schaute Macer seine Schüler an, damit er sich vergewissern konnte, dass auch alle ihm zuhörten.


    Beginnen wir also mit der Gründung der Stoa: Wir schreiben das Jahr um 300 v.Chr. Zu dieser Zeit blühten die Philosophieschulen und ihre Zuhörer waren kaum noch unterzubringen. In dieser Zeit entstand auch eine völlig neue, für viele unverständliche Lehre, die Stoa.
    Es war das Jahr 333 v.Chr. als der Grieche Zenon in Kition auf Zypern die Welt erblickte. Er hatte lediglich eine durchschnittliche Ausbildung und wurde Kaufmann. Durch ein Schiffsunglück trieb es ihn nach Athen, wo er sich dann niederlies. Er schloss sich dem Zyniker Krates von Theben an und studierte die Lehren des Sokrates. Allerdings konnte keiner der Lehren ihn völlig überzeugen, so entwickelte er eigene Gedankengänge und schließlich sogar eine ganz eigene Lehre, die Stoa.
    Der Begriff "Stoa" bedeutet etwa "bemahlte Vorhalle" und beschreibt den Ort, an dem er seine Schüler unterrichtete. Es war die Markthalle auf der Agora auf dem Marktplatz von Athen.
    Zenon unterrichtete dort bis zu seinem Tod 260 v.Chr., den er selber eingeleitet hat. Dies solltet ihr im Hinterkopf behalten, es ist nämlich kein Zufall, sondern ein Grundgedanken für die Stoiker.


    Macer machte eine kleine Pause, um dann fortzufahren.


    Mit dem Tod von Zenon ging die Lehre der Stoa nicht unter, denn er hatte seine Schüler gut unterrichtet, sodass diese sein Amt als Schulleiter übernehmen konnten.
    Dabei unterteilen die Stoiker ihre Geschichte in drei Teile, die jeweils durch herausragende Persönlichkeiten bestimmt wurden: Zu den sogenannten älteren Stoiker gehörte neben Zenon sein Nachfolger Kleanthes von Assos, der die Leitung von 262 bis 232 v. Chr.übernahm und Chrysippos von Soli, Schulleiter von 232 bis 204 v. Chr. Insbesondere Chrysipp ist zu merken, da dieser die meisten Schriften verfasste, die wir kennen und so maßgeblich an der Entwicklung der Lehre der Stoa beteiligt war.
    Ihnen folgten die mittleren Stoiker, unter denen Panaitios von Rhodos zu nennen ist. Er war das 7. Schuloberhaupt, nämlich von 129 bis 109 v. Chr. Seine ausgesprochen freundschaftlicher Haltung zu uns Römern brachte durch seine geschickten Verbindungen schließlich die Lehre der Stoiker zu uns. Es kam zur Etablierung der stoischen Philosophie in der höheren römischen Bildung.
    Diesem folgten dann die jüngeren oder auch römischen Stoiker. Darunter der bereits verstorbene Lucius Annaeus Seneca und der noch heute lebende Epiktetos. Dieser ist ein ehemaliger Sklave und lehrt nun als Freigelassener diese Lehre*.


    Damit hatte Macer geendigt, die Teilnehmer hatten sich eine kleine Pause verdient, bevor es dann am Mittag weiter gehen sollte. Vielleicht hatte auch einer der Schüler noch eine Frage, die er nun stellen könnte.



    Sim-Off:

    * Zu den jüngeren Stoiker zählt man auch noch den Kaiser Marc Aurel. Der ist allerdings in diesem IR noch nicht einmal am leben, dennoch ist er für die Stoiker und die Prüfung wichtig :D.
    Zudem ist es somit bemerkenswert, dass unter den anerkannten Stoiker sowohl ein ehemaliger Sklave, als auch ein römischer Kaiser waren (Wichtig!).

  • Sim-Off:

    Kein Thema


    Seiana hatte sich rechtzeitig zu dem Kurs eingefunden, und wie üblich in diesen Tagen war ihrem Gesicht kaum eine Regung anzusehen. Sie war immer noch blasser als gewöhnlich, und wer genau hinsah, vermochte Schatten unter ihren Augen zu erkennen, aber im Übrigen hatte sie es in der letzten Zeit geschafft, sich wenigstens nach außen hin wieder eine halbwegs anständige Fassade aufzubauen. Es ging nicht an, dass ihr anzumerken war, wenn es ihr schlecht ging, fand sie. Und man konnte sich an vieles gewöhnen.


    Als die Teilnehmer verlesen wurden, hatte sie zwar leicht genickt, war aber still geblieben – immerhin war sie die einzige Frau, da war die Verwechslungsgefahr als nicht vorhanden einzustufen. Außer dem Duccier, dem sie ebenfalls kurz grüßend zunickte, konnte sie kein bekanntes Gesicht sehen, aber im Grunde war ihr das auch lieber so, hatte sie derzeit doch nicht das allzu große Bedürfnis, Konversation zu betreiben. Höfliche Konversation mit nicht oder nur flüchtigen Bekannten war eine Sache, aber wenn es darüber hinaus ging, wurde es häufig einfach anstrengend, die Balance zu halten zwischen Höflichkeit wahren und Grenzen setzen.


    Auf den Kurs selbst allerdings freute sie sich tatsächlich. Es hatte einen Grund, warum sie sich eingetragen hatte, mehr als nur den, dass es vielleicht nützlich war oder ihr, wie beispielsweise ihre Wirtschaftsstudien, bei der Verwaltung ihrer Betriebe helfen konnte. Ihr alter Lehrer in Hispania hatte ihr bereits die ein oder andere Grundlage beigebracht, und die Stoa war etwas, was sich durchaus mit ihrer Haltung, ihrer Meinung, in weiten Bereichen überschnitt. Insofern war es nicht nur allgemeines Interesse und das Wissen, dass die Lehren der Stoiker wichtig waren, sondern auch ein persönliches Interesse, dass sie dazu getrieben hatte, sich für diesen Kurs anzumelden. Und in der Tat hatte sie bereits eine Frage, als der Octavier, der den Kurs leitete, eine Pause machte in seinen Ausführungen. „Was meinst du damit, dass es ein Grundgedanke der Stoiker sei, sich selbst umzubringen? Es mag einige gegeben haben, die dies getan haben, wie beispielsweise Seneca, aber Selbsttötung an sich ist doch kein Bestandteil der stoischen Lehre oder Voraussetzung für einen Anhänger der Stoa. So weit ich weiß, ordnet Epiktetos den Tod sogar zu jenen Bereichen zu, die eben nicht der eigenen Kontrolle unterliegen und daher als gleichgültig zu beurteilen sind.“

  • Die einzigste weibliche Schülerin meldete sich zu Wort und als Seiana, so hieß sie doch gleich, mit ihrer Frage herausrügte zuckte Macer kurz mit den Augenbrauen. Die Teilnehmer oder zumindest die Decimerin waren offenbar schon durchaus mit der Stoa bekannt, sonst könnte sie nicht solch ein Wissen haben.


    Ein sehr interessanter Einwand, der mir zugleich die Möglichkeit gibt, euch den Sinn der Unterscheidung in drei zeitliche Abschnitte näher zu bringen. Der Selbstmord wird vorallem von den älteren Stoiker als Eigenschaft eines Weisen beschrieben, zudem wir aber erst später kommen werden. Die jüngeren Stoiker, zu den auch Epiktetos gehört, haben die stoischen Gedanken nicht komplett übernommen, auch Seneca hatte seine eigene Auslegung, sodass diese individuell auch den Selbstmord mehr oder weniger in den Mittelpunkt drängen können beziehungsweise konnten. Es war schwer Seiana eindeutig zu antworten, zumal er nicht wusste, in wie Weit sie die Stoa kannte.


    Wenn keine weiteren Fragen sind, dann können wir ja mit den Grundgedanken in der Stoa fortfahren. Dabei werden wir feststellen können, dass es Varianten der stoischen Lehre gibt. kurz blickte er sich um, ob alle mit dem Fortgang einverstanden sind....

  • Als dann keine weiteren EInwände kamen, entschied Macer die zweite und letzte Einheit für den ersten Tag abzuhalten.


    Weshalb er sich auch wieder erhob und räusperte, sodass die Schüler wieder aufmerksamer wurden. Wir haben uns bisher nur mit der Geschichte der Stoa und deren wichtigsten Träger beschäftigt und so ist es doch langsam an der Zeit, die eigentliche Lehre in Augenschein zu nehmen.
    Wie wir gerade schon bei der Frage von Seiana bermerken konnten, ist es nicht leicht, DIE stoische Lehre festzulegen, weshalb ich nun euch versuchen werde, die Hauptaspekte, die sich wie ein roter Faden durch die Zeit zogen, näher zu bringen:


    Generell wir die Stoa ähnlich dem Epikureismus in drei Bereiche gegliedert:
    Zum einen gibt es die Physik, die sich mit der Welt und den materiellen Gegebenheiten beschäftigt, dann die Logik, die aus Dialektik, Rhetorik und der Erkenntnistheorie besteht und schließlich der Ethik, das Zentrum einer jeden Philosophie. Ich werde mit der Physik beginnen, da diese die Grundlage für spätere Gedanken bildet und uns die Weltansicht im Blickwinkel eines Stoikers aufzeigt.
    Das Grundprinzip besteht aus der Vorstellung, dass die gesamte Welt eine einheitliche Substanz ist, welche durch eine göttliche Vernunft, genannt „Logos“ beseelt wird. Diese Gottheit war sogleich die sogenannte Urkraft, was nichts anderes als Einheit von Materie, Schicksal und Natur sein soll.
    Zudem steuert die Einheit aus der göttlichen Vernunft und der Urkraft alles auf der Welt, dabei geschieht nichts zufällig. Auch für jeden Menschen ist ein Schicksal, griechisch Heimarmene genannt, vorherbestimmt, welches er versuchen sollte zu erfüllen.
    Der Mensch selbst wird als ein Art Mikrokosmos, also ein Abbild des göttlichen Logos gesehen und wird dabei in der Seele vom sogenannten pneuma durchströmt. Dies ist ein Art geistiger Lebenshauch und kann jedem helfen seine Vorsehung zu erreichen. Dennoch spielt sich in der Stoa aber fast alles in der Vernunft ab, dies ist der beherrschende Teil des Menschen und steht über allem, egal ob über dem Sprachvermögen oder den fünf Sinnen.
    Eine letzte Vorstellung beinhaltet noch die Theorie über die Erdentstehung. Demnach entstanden diese nämlich aus einem Urfeuer. Nach einer sogenannten Weltperiode wird diese wieder untergehen und in einem neuen Urfeuer wieder entstehen.


    Nachdem wir uns nun die Grundlagen durch Betrachtung der Physik in der Stoa erarbeitet haben, können wir jetzt die Logik genauer untersuchen. Diese beinhaltet zum einen die Dialektik, die sich vor allem auf der Erkenntnistheorie stützt und zum anderen die Rhetorik.
    Dabei verfolgt die Logik das Ziel, den beherrschenden Teil des Menschen, die Vernunft, vor Irrtümern zu bewahren und Wege und Wahrheitskriterien für die Erfüllung des Schicksals zu finden.
    Als Voraussetzung dafür haben die Stoiker die Vorstellung, dass die Seele bei der Geburt einer unbeschriebenen Wachstafel gleicht, in die sich das Gesehene wie ein Siegel eindrückt und so Vorstellungen hervorrufen. Von diesen bleiben dann Erinnerungsbilder zurück, die durch Verknüpfung zu Erfahrungen werden. Die Vernunft bleibt dabei aber bestimmend und kann die Dinge erst wahrhaftig erfassen.


    Die Dialektik an sich dient dem Stoiker als ein Instrument, um zwischen wahren und falschen Vorstellungen zu unterscheiden. Wichtig dabei ist die Erkenntnistheorie, die beinhaltet, dass nur ein selbstbeherrschter Mensch die richtige Wahrnehmung hat, um diese Unterscheidung durchzuführen . Das Gegenteil dieses richtigen Menschen ist ein von Trieben und Gefühlen geleiteter, der zu diesem Handeln unfähig ist.
    Die Rhetorik ist uns schon aus anderen Gebieten bekannt und so ist sie auch in der Stoa lediglich die Kunst, die Erkenntnisse in gegliederter und sprachlich ansprechender Form mitzuteilen. Um dies zu verwirklichen waren Nachforschungen in der Sprachlehre von Nöten. Der uns inzwischen bekannte Chrysippos von Soli trug maßgeblich zu dieser Forschung bei und setzte viele grammatikalische Begriffe fest.
    Um das Zusammenwirken der beiden Begriffe in der Logik zu veranschaulichen, versuchte schon Zenon das Verhältnis von Dialektik und Rhetorik durch seine Hand aufzuzeigen:
    Eine geballte Faust für die wahrhaftig erfassten Gedanken der Dialektik einerseits und eine flach gespreizte Hand für die ansprechende Rede Rhetorik, die jeden erreichen und durchdringen soll, andererseits.


    Bevor ich euch nun für heute entlasse, möchte ich noch zum Zentrum jeder Philosophie kommen, der Ethik. In der Stoa wird in diesem Bereich versucht, ihren Anhängern die richtigen Verhaltensweisen aufzuzeigen, um das höchste Gut, nämlich die Weisheit, und das Erfüllen ihres Schicksals zu erlangen.
    Hier kommt zunächst die stoische Physik zu tragen. Demnach besitzt ja jeder Mensch eine Vernunft mit der er am Logos, der göttlichen Vernunft, teilhaben kann. Sie allein dient als Instrument um die Weisheit erlangen zu können.
    Laut der stoischen Logik giehen die Stoiker davon aus, dass die menschliche Seele von außen einströmender Sinneseindrücke Vorstellungen bekommt, was durch diesen Eindruck zu erreichen wäre. Nun entscheidet die Vernunft eines jeden einzelnen, welche Eindrücke sinnvoll oder nützlich und welche weniger nützlich wären.
    Hieraus lässt sich schließen, dass nur der richtige Gebrauch der Vernunft das wahre und höchste Gut ist!
    Demgemäß dient die Vernunft des Menschen also als Wegweiser und Mittel zur Weisheit, desweiteren der Selbsterhaltungstrieb als Motivation.
    Dabei war ein lebenslanges Bemühen um Selbstformung der Seele, welche jedem Schicksalsschlag standhält, und dem Leben nach gewissen Werten und Tugenden wichtig....


    Und genau um diese Werte und Tugenden dreht sich dann unser Unterricht am morgigen Tag. Ich erwarte euch morgen früh erholt. Wer noch eine Frage hat, darf sie jetzt stellen.


    Damit hatte Macer den ersten Tag geschafft. Auch wenn die Köpfe seiner Schüler vermutlich dampfen, vielleicht hatten sie ja doch einiges behalten, denn spätestens für die Prüfung sollten sie es...

  • Am nächsten Morgen war dann auch schon wieder Unterricht und Macer erwartete seine Schüler und begrüßte sie mit einem freundlichen Lächeln.
    Als alle eingetroffen waren, konnte er dann auch endlich loslegen.


    Salve Discipuli. Nachdem wir uns gestern in die Stoa eingearbeitet haben können wir heute etwas genauer nachforschen.
    Beginnen werden wir zunächst mit der Wertelehre, die sich wie gestern erwähnt in der Ethik in der Stoa wiederfindet.


    Um die Werte überhaupt begreifen zu können, ist zunächst eine Sicht eines Stoiker von nöten. In der Stoa betrachtet den Begriff des Werts sowohl subjektiv als auch objektiv.
    Die subjektive Wertung hängt mit dem impetus, also Trieb, jedes Lebewesens ab. Dieser setzt die Dinge in Beziehung zum eigenen Ich und untersucht, ob sie fördernd oder nicht fördernd sind. Wenn die Vernunft dabei richtig eingesetzt wird und der beherrschende Teil bleibt, nennt man dies den Willen. Im Gegensatz dazu steht der Wahn, der die triebgesteuerte Vernunft beschreibt und zu falschen Handlungen führt.
    Die objektive Wertung hingegen wird auf die Natur bezogen. Demnach ist nur das Leben, gemäß der Natur, nützlich und somit ein positiver Wert. Beim Tier kann man sich das mit den Instinkten erklären, bei Neugeborenen ist es das, was sie von Geburt an haben oder allmählich erfassen
    Die Stoiker verwenden nun allzu den Begriff des Guten. Das Gute ist nichts anderes als das Nützliche, es ist also im allgemeinen Sinn, das, was nutzen bringt.
    Als nächsten Schritt beziehen wir dies nun in die stoische Philosophie und zwar auf den Menschen und definieren das Gute im wahren Sinn, als nur das, was dem Menschen zum Erreichen seines Lebensziels verhilft.


    Dabei ist wichtig, dass sich das Gute in der Vernunft, im Logos, abspielt und ist somit nicht auf äußere Güter wie Reichtum oder Macht zu beziehen.


    Um den Stellenwert des Guten euch zu verdeutlichen, habe ich ein Zitat von Kleanthes:
    "Festgeordnet, gerecht, fromm und gottesfürchtig, voll Selbstbeherrschung, wertvoll, schön und gebührend, streng und eigengesetzlich, immer nützlich, frei von Furcht, Kummer und Schmerz, unerschüttlich, in sich geschlossen, ruhmvoll, ohne Dünkel, sanftmütig und tatkräftig, ein Besitz, der ewig bleibt."
    Hier kann man sehr schön erkennen, welch große Beudeutung die Stoiker diesem Begriff zumessen.


    Der größte Wert ist die Affektfreiheit durch Apathie, was nichts anderes als der Versuch ist Affekte, welche z.B. Lust, Unlust, Begierde oder Furcht sind, durch Leidenschaftslosigkeit zu beherrschen. Eine Parallele dazu bildet der Wahn, der zumeist aus den oben genannten Affekten besteht und als Gegenteil der gewünschten Affektkontrolle gilt.
    Ebenso wichtig sind Selbstgenügsamkeit, auch Autarkie und Unerschütterlichkeit, genannt Ataraxie, die Fähigkeit der emotionalen Gelassenheit bei Schicksalsschlägen und äußere Einwirkungen.


    Allerdings ist mit Apathi“ nicht das zurückgezogen Leben oder die politische Inaktivität gemeint, ganz im Gegenteil, viele Stoiker versuchen öffentlich Aufzutreten und politisch aktiv zu sein. Als bestes Beispiel dient hier Lucius Annaeus Seneca, der ja schließlich die gesamte Ämterlaufbahn bewältigen konnte.


    In diesen Gedanken spielt natürlich die Gemeinschaft eine wichtige Rolle.
    Der Grund für das gemeinschaftliche Denken ist die Ansicht, dass laut der Physik alle von demselben Logos berührt sind und somit alle Menschen, egal ob Griechen oder Barbaren, Bürger oder Sklaven, in einer gewissen Weise gleich sind. Die Abschaffung der Sklaverei spielt in der Stoa trotzdem zwar keine Rolle, sie sind aber in der Tat Kosmopoliten und hatten schon sehr früh die Idee eines Weltstaates.


    In der Gemeinschaft war auch die Freundschaft mit guten Menschen mit einbezogen. Allerdings sind Freunde auf dem Weg zur Weisheit lediglich Begleiter und können nicht alleine zum Erreichen verhelfen.

    Neben den Werten sind auch die sogenannten Kardinaltugenden Weisheit, Tapferkeit, Selbstbeherrschung und Gerechtigkeit wichtig. Dieser Kanon ist allerdings nur von der älteren Philosophieschule des Platons übernommen.
    Chrysipp unterteilte diese vier Tugenden auf peinlichste genau:
    So zählte zur Weisheit z.B. die Wohlüberlegtheit und die Zielstrebigkeit, zur Selbstbeherrschung z.B. der Ordnungssinn und der Anstand, zur Tapferkeit z.B. die Enthaltsamkeit, die Zuversichtlichkeit und der Mut und zur Gerechtigkeit z.B. die Wohltätigkeit, der Gemeinsinn und die Frömmigkeit.


    Dies ist das wichtigste über die Werte in der Stoa. Nach einer Pause kümmern wir uns dann um die Idealvorstellung dieser Philosophie.

  • Das waren nicht wenige Fakten, mit denen Macer hier jonglierte, doch war dies für Varus nicht gänzlich unbekannt und Neuland. Während seines Studiums war er mit dieser Thematik schon einmal in der Situation, sich damit auseinander setzen zu müssen. Vielleicht sollte dies ihm helfen, den Cursus erfolgreich abzuschließen.
    Er legte kurz den Griffel beiseite und blickte durch die Runde. Bis jetzt hatte er nur geschrieben, hate kaum Zeit, selber eine Frage zu stellen.

  • Nachem Macer am Morgen sehr viel Stoff durchgezogen hat, hatte er für den Mittag weniger geplant, schließlich wollte er seine Schüler auch nicht überfordern.


    Heute Mittag wollen mir uns mit dem kleinen Bereich des Idealbildes auseinandersetzen. Bevor wir dann morgen auch schon zum Ende gelangen.


    Das Idealbild in der Stoa wird der Weise genannt. Der Weise verkörpert alle idealen Vorstellungen, Werte und Tugenden der Stoa, also nicht nur die vollkommene Vernunft, was ihm zu immer rechten Handlungen verhilft, sondern auch die Kardinaltugenden.
    Dieses Idealbild für uns Menschen schier unerreichbar, selbst die Gründer wurden als keine bezeichnet. Man braucht aber dieses Ideal, um den Anhänger zu zeigen, wie man sich in bestimmten Lebenssituationen zu verhalten hat.
    Der uns bekannte Plutarch, der als Nichtstoiker und Kritiker dieser Lehre gilt, schreibt in einem Abschnitt über das Lebensgefühl eines stoischen Weisen folgendermaßen.
    "Der stoische Weise verliert auch im Kerker seine Freiheit nicht; man stürze ihn vom Felsen herab, er leidet keine Gewalt; man spanne ihn auf die Folter, er leidet keine Qual; man hacke ihm die Glieder ab, er bleibt unverletzt; fällt er auch beim Ringen, ist er doch unbesiegt; man schließe ihn mit Mauern ein, ihm gilt keine Belagerung; wird er von den Feinden verkauft, so ist er doch kein Gefangener "
    Dies klingt nicht nur für uns sehr übertrieben und unrealistisch, auch einige Stoiker leugneten dieses Ideal. Grund dafür war unter anderem auch die Tatsache, dass viele Kritiker sich an dieser Stelle festgehalten haben, um die Stoa ins lächerliche zu ziehen.


    Das war dann auch schon alles. Wir sehen uns morgen wieder.


  • Am nächsten Morgen war dann auch schon der vorletzte hereingebrochen. Macer wollte mit dem Stoff abschließen, um dann nach einer Vorbereitungsphase die Prüfungen auszuteilen.


    Salve discipuli, heute werden wir mit dem Cursus abschließen können. Passt also ein letztes Mal auf, damit ihr euch auch gut auf die Prüfung vorbereiten könnt.
    Wir haben noch zwei Themen vor uns, zum einen betrachten wir uns die Gegensätze zwischen dem Epikureismus und der Stoa und zum anderen schauen wir uns die Biographie eines römischen Stoiker, nämlich Annaeus Seneca an.


    So beginnen wir auch sogleich mit dem letzteren. Lucius Annaeus Seneca wurde 4 v. Chr. geboren und starb 65 n. Chr. Er wird wie oben erwähnt zu den römischen oder auch jüngeren Stoiker gezählt, weshalb er nicht mehr die Strenge und das Selbstvertrauen der ersten Stoiker besaß.
    Er wurde als Schüler der zwei Philosophen Attalus und Sotion in die stoischen Grundgedanken eingeweiht und entwickelte schon sehr bald eine eigene Auffassung der stoischen Lehre.
    Zunächst übernahm er von Attalus die Bescheidenheit und den Verzicht auf jeglichen Luxus, der den Verstand verunreinigen könnte. Weiter wurde er durch Sotion zu einem Vegetarier, da dieser der Überzeugung war, dass die tierische Seele die eigene Seele verunreinigen könnte. Sotion lehrte ihm auch die sogenannte tägliche Gewissenprüfung, bei der seine möglichen Fehler im Laufe eines Tages, die ihn zur unkontrollierten Handlung führen könnten, zu beherrschen versuchte.
    Nach seiner Ausbildung wurde Seneca zu einem angesehenen Politiker, er folgte dem Grundsatz der Stoa, der Gemeinschaft zu dienen. Dabei entdeckte er eine gewisse Ausgeglichenheit, die er durch das Verinnerlichen des stoischen Geist erreichte. Faulheit oder das träge Herumsitzen war für ihn tabu, auch wenn das Risiko des Existenzverlusts in der Politik sehr groß war.
    Entgegensetzt zu vielen anderen Stoiker glaubte Seneca an das Ideal des Weisen als erreichbares Ziel, sodass er den Versuch des Erreichens als wichtig erachtete. Für ihn war das höchste Ziel, die Ewigkeit in der Welt und das des Lebens zu erkennen und sich ihm anzunähern.
    Seneca war ein ausgesprochen geselliger Stoiker, er hatte viele Freunde, die er sogleich als seine Schüler und Lehrer bezeichnete. Um ihn selbst einmal zitieren zu dürfen: „Ohne das Du ist das Leben zwar möglich aber nicht lebenswert. Denn der Mensch soll tätig sein, tätig für die Gemeinschaft.“
    Er versuchte mit ihnen den inneren Fortschritt immer aufrecht zu erhalten.


    Als Seneca durch seinen politischen Erfolg immer mehr Macht und Berühmtheit erlangte, nutze er sie zunächst nicht schamlos aus, sondern verwendete es als Mittel der Kommunikation und zur Weiterbildung seines Geistes. Durch die stoische Lehre, war er befreit von der Gier nach äußeren Gütern, es ist also allein seiner stoischen Ruhe zu verdanken, dass aus ihm zeitweilich kein besessener Machtpolitiker wurde.


    Nach seiner Verbannung und der Wiederkehr durch Nero´s Mutter stand Seneca kurz vor seinem politischen Höhepunkt, den er im Jahre 56 n.Chr. durch Erreichen des Consulat schaffte, der zugleich zu seinem Verhängnis wurde. Seine Macht und seine Staatsmännerischen Fähigkeiten ließen ihn dazu verleiten, seinen Mitbürgern Gelder aus der Tasche zu ziehen. Dadurch erhöhte sich sein Lebensstandart zunehmend, nicht zuletzt durch Geschenke des Kaiser Nero, zu dessen Privatlehrer er inzwischen ernannt wurde.
    Seine Reden konnten die Menschen nicht mehr ausreichend befriedigen, viele warfen ihm gar Korruption vor. Schließlich musste er sich dem öffentlichen Druck fügen und zog sich komplett ins Private zurück. Senecas Versuch die Stoa auszuleben scheiterte an der Lehre selbst. Die auf Besinnung und Ruhe bedachte Lehre kann mit der erwünschten öffentlich-politischen Arbeit nicht verbunden werden.
    Letztendlich wurde ihm dies zum Verhängnis, eine Verwicklung in einer Verschwörung war schließlich sein Todesurteil.
    Doch selbst hier hatte er sein Treue zur Stoa nicht verloren, sein Selbstmord 65 n.Chr. ertrug er mit stoischer Ruhe.


    Gibt es noch Fragen zu Seneca und seinem stoischen Leben?

  • Irgendwie missfiel dem Flavier die immertägliche Anrede. Er war nicht nur älter, als sein "Magister", sondern in seinem Status als Consul designatus auch um Sphären höher - außerdem war er selbst Magister. Dann noch mit "discipulus" angeredet zu werden, ließ einen gewissen Ärger aufkommen, an dem er noch unzählige Minuten nach Beginn der Lehrstunde knabberte.
    Doch alsbald kritzelte auch sein stillus einige Notizen und Kommentare an die tabula.

  • Sermo wurde in den ersten Studen von der Vielzahl der Fakten und erschlagen. Er musste viele Notizen machen, um nicht gleich wieder alles zu vergessen und hatte somit wenig Zeit sich mit seinen Mitstudenten zu unterhalten und Kontakte zu knüpfen. Das wäre insbesondere schön gewesen, wenn er mit Flavius Furianus ein Gespräch hätte in Gang bringen können, doch der schien ebenfalls allzeit emsig konzentriert und wirkte überdies zeitweilig verdrossen. Womöglich, weil der Octavius sie alle als 'Discipuli', als Schüler, bezeichnete? Sie waren ja keine Kinder mehr.


    Sim-Off:

    Frage am Rande: Wann kann man mit dem Abschlusstest rechnen? Ich komme zur Zeit leider nicht dazu, mit voller Aufmerksamkeit im IR zu sein und habe deshalb auch noch nicht alles hier mitgelesen. Bleibt noch etwas Vorbereitungszeit?
    Ansonsten übrigens gefällt mir die Vorlesung sehr gut. ;)

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