Zum Tod des göttlichen Basileos

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    “Bitte... Ruhe! Bitte... Polites, Ruhe!“
    Das Theater des Dionysos war mehr als gut gefüllt. Die Ekklesia tagte heute mit fast vollständiger Anwesenheit aller Bürger der Stadt Alexandria. Aber dies war auch so beabsichtigt worden, hatten die Prytanes doch nicht nur innerhalb der Stadtmauern den Termin verkünden lassen, sondern ebenfalls Boten zu eben jenen ehrwürdigen Polites Alexandrineis geschickt, die außerhalb der zweitgrößten Stadt der bekannten Welt ihren Wohlstand auf den verstreuten Landgütern am Lacus Mareotis pflegten. Allerdings waren die Themen, die besprochen werden sollten, auch von enormer Bedeutung für die gesamte Polis. Nicht zuletzt ging es um die Zukunft der gesamten Bürgerschaft, und Gerüchte darüber hatten sich in den letzten Tagen verbreitet wie ein Lauffeuer.
    Und dementsprechend laut war es. Und dementsprechend aussichtslos waren die Bemühungen des Epinmitanographos Agapetos Mykenaios, Ruhe in die hunderten Männer und Frauen zu bringen, die sich hier auf die Bänke des Theaters bald schon quetschten.
    “Ich bitte euch... seid doch ruhig! Wir sind doch nicht hier bei den Barbaren, die alle durcheinander reden. Ruhe bitte!“ Doch seine Stimme wurde kaum weiter als über die ersten beiden Reihen hinweg vernommen. Auch seine beschwichtigenden Gesten, in der einen Hand die Papyrusrolle, von der er vorzutragen gedachte, die andere leer, wurden wohl nicht gesehen oder ignoriert.
    Überall wurde schon fleißig geredet und gestritten. Im Grunde wusste jeder, worum es hier gehen würde. Jeder hatte schon davon gehört über die eine oder andere Quelle: Der Schirmherr der Stadt, der göttliche Beschützer und alleinige Eigentümer von Alexandria, seinen Häfen, seinen Vorräten, der Bibliothek mit ihren Tausend Schriften, des Museions und aller Forschung dort, alleiniger Besitzer von Ägypten, Pharao, Gott und Kaiser zugleich, der göttliche Basileus war verstorben.


    ““Der Epinmitanographos fordert RUHE!“ brüllte einer der Nubier, die den Würdenträger als Leibwächter begleiteten mit donnernder Stimme, die auch noch in den letzten Reihen widerhallte. Schlagartig wurden die Gespräche beendet und in eiliger Hast bemühten sich alle noch stehenden, sich möglichst rasch hinzusetzen.


    “Äh, ja, danke.


    Polites! Bürger Alexandrias! Sicher habt ihr alle schon von den Gerüchten gehört, die mit den Seefahrern in die Stadt getragen wurden. Ich habe leider die traurige Pflicht, im Namen des gesamten Prytaneions zu verkünden, dass es war ist. Der göttliche Basileos und Imperator des römischen Reiches Gaius Ulpius Aelianus Valerianus ist tot, und mit ihm sein Sohn und legitimer Nachfolger. Ja, es ist wahr, dass sie ermordet wurden. Ja, es ist wahr, dass es keinen neuen Basileos im Moment gibt.
    Der Statthalter Roms ließ Mitteilung versenden an alle Städte des Reiches und hat auch eine Proskriptionsliste verfasst, allerdings keine Meldung zur Nachfolge des Kaisers.“

    Diese Nachrichten, so offiziell bestätigt, ließ er erst einmal für eine erste Reaktion sacken. Ab jetzt war es kein bloßes Gerücht mehr, sondern eine verkündete und feststehende Tatsache, und sicher würde der ein oder andere etwas nun zu sagen haben, wie man mit dieser Situation umzugehen habe.

  • Cleonymus saß nur wenige Meter vom Epinmitanographos entfernt, gemeinsam mit seinem Septimius Palaemon und Celeste, sowie seinen übrigen Klienten die weiter hinten saßen. Das der Kaiser tot war hatte Cleonymus bereits gewusst, doch die Nachricht das auch sein Sohn den Weg ins Jenseits angetreten hatte und somit der römische Thron vorerst leer blieb, war neu. Das würde mit Sicherheit einige Auswirkung auf ganz Aegyptus haben und der Ägypter schätzte es garnicht wenn sich jemand in seine Geschäfte einmischte ohne das er es mit einkalkuliert hatte ...


    Da sich sonst scheinbar niemand traute das Wort zu ergreifen erhob Cleonymus sich als erster ...


    "Geschätzter Kollege, Bürger und Bürgerinnen der Polis ... der Tod des göttlichen Basileus hat uns alle überrascht und schwer getroffen. Doch seid nicht beunruhigt wegen der ungeklärten Nachfolge, die Götter werden mit Sicherheit schon bald einen würdigen Nachfolger auserkoren haben! Doch bis es soweit ist sollten wir dem verstorbenen Basileus die Ehre erweisen die einem so großen und mächtigen Herscher gebührt und ihm ein Denkmal widmen das uns alle an seine glorreichen Tage errinnert!"


    Da nichteinmal Cleonymus wusste ob man den Kaiser mit irgendeiner bedeutsamen Tat in Verbindung bringen konnte hatte er lieber das Wort Tag gebraucht ... immerhin war ein jeder Tag im Leben eines Gottes glorreich ...

  • http://img638.imageshack.us/img638/4650/philetos.png “Nicht beunruhigt?“ fragte eine den meisten Bürgern der Stadt bekannte Stimme in die Stille hinein. Philetos Chatidakis war ein junger Mann, der gern und oft zu den Menschen sprach. Meistens waren es weniger nette Sachen über die Dinge, die seiner Meinung nach in dieser Stadt verkehrt liefen. Allerdings war er nicht irgendwer. Seine Familie war reich, er war ein gebildeter junger Mann und auf dem besten Weg, wirklich in das Pyrtaneion Alexandrias auch Einzug zu halten, trotz seiner jungen Jahre – und vielleicht gerade wegen seiner radikalen Ansichten.
    “Wann sollen wir denn deiner Meinung nach sonst beunruhigt sein, Ägypter? Der Basileos. Ist. Tot. Und wir haben. Keinen. Neuen. Sein Sohn ist tot. Und das offensichtlich schon länger. Wann kamen die ersten Meldungen in unseren Hafen? Vor zwei Wochen? Vor dreien? Und anstatt einen neuen Schirmherrn bekommen wir was? Proskriptionslisten?“
    Philetos stand auf und trat vor in die Orchestra, um von allen gesehen – und vor allen Dingen dank guter Akkustik gehört – zu werden. “Wenn ich dich daran erinnern darf, sind wir nicht nur irgendeine Stadt im Imperium der Rhomäer. Wir sind Alexandria. Wir sind eine FREIE Stadt. Einzig und allein dem Basileos unterworfen. Nun also frage ich, wem wir jetzt unterworfen sein sollen, da es keinen gibt? Dem Statthalter von Rom? Mit welchem Recht? Mit welchem Recht spricht dieser Mann überhaupt mit uns und nennt uns so seine Forderungen?“ Bei diesen Worten riss er einem entrüsteten Eponminatographos die Schriftrolle aus der Hand, auf welcher die Namen der proskriptierten Senatoren standen. “Mit welchem Recht, frage ich noch einmal, erhebt Rom jetzt Ansprüche an uns? Gerade du als Ägypter“, und er betonte das Wort erneut so, als wäre sein Klang allein eine Beleidigung, “solltest doch wissen, dass alles hier nur dem Pharao gehört. Alexander war der wiedergeborene Pharao. Der römische Kaiser war der wiedergeborene Alexander. Wir entrichten unsere Steuern dem Basileos. Wir senden unser Getreide dem Basileos. Wem sollen wir es senden, wenn nicht ihm? Wem schulden wir Gehorsam, außer ihm?“
    Er wandte sich jetzt wieder der versammelten Ekklesia zu, vor allem dem Block seiner Anhänger, die bereits durch laute Zustimmungsrufe Meinung machten und den jungen Mann unterstützten. “Ich bin nicht bereit, diese Stadt hier als Vasallen an die Rhomäer zu übergeben. Ihnen schulden wir nichts. Nur ihrem Kaiser. Und wenn sie keinen haben, dann ist das ihr Problem. Nicht unseres. Und daher bin ich der Meinung, dass Alexandria so lange als freie Stadt ihre Steuern und ihr Getreide und alle sonstigen Zahlungen und Lieferungen nach Rom einzustellen hat, bis unser Gott und Herrscher wie Phönix wiedergeboren ist und als Pharao und Basileos nach alter Sitte seine Stadt beschützt.“

  • Als die Nachricht ihn ereilte, dass die Ekklesia einberufen werden sollte, hatte Sermo sich sofort dafür entschieden, dort zu erscheinen. Er hatte erst vor kurzem die Proxenie verliehen bekommen und war beinahe euphorisch, endlich davon Gebrauch machen zu können. Und er hatte sich vorweg ausgiebig Gedanken gemacht und informiert, wie er im Theatron erscheinen wollte. Denn bekannterweise war das Verhältnis zwischen Griechen und Römern durchaus als gespannt zu bezeichnen und Sermo rechnete nicht damit, dass ausgerechnet der Tod des Basileus etwas daran ändern sollte.
    Sermo war also mit seinem Sklaven Cleon nach Alexandria geritten. Das ging nicht, wenn man eine Chlamys - Römer nannten sie auch Sagum - trug, weshalb er in seiner Soldatentunika in Alexandria einritt. In einem Wirtshaus kleidete er sich dann mit Cleons Hilfe um und erschien in einer scharlachroten Chlamys im Theatron. Cleon trug die dorische Form des Chitons, die Exomis, wobei die rechte Brust entblößt lag, um seinen Status als Unfreien zu verdeutlichen. Natürlich - das konnte man bei den Temperaturen im Februar wohl erwarten - trugen sowohl Herr als auch Sklave einen wärmenden Umhang um die Schultern. Sermo gab sich also bewusst hellenisch. Er hatte lange genug in Griechenland gelebt, um die Kleidung, Sprache und vor allem eine gewisse den Griechen eigene Arroganz über alle anderen Barbarenvölker nachvollziehen und auch selbst vorzeigen zu können.


    Es war ein Höllenlärm im Theatron. Seinen Sitzplatz wählte Sermo bewusst abseits des winzigen römischen Blocks. Vielmehr mischte er sich einfach unter die griechischen Männer, die aussahen als hätten sie sowohl etwas zu sagen als auch genügend finanzielle Kraft, um ihre Meinung notfalls so durchzusetzen. Cleon war direkt bei ihm. Zwar merkte er sofort, wie sich die Blicke der Anwesenden auf ihn richteten und es wurde wohl schon geredet, wer das sei, aber er ignorierte das komplett. Gerade machte einer der Umsitzenden Anstalten ihn anzusprechen, da brüllte ein Nubier nach Ruhe und die Menge verstummte.
    Der Eponmitanographos hielt eine kurze Ansprache zur Lage der Polis, daraufhin meldete sich der Gymnasiarchos zu Wort. Bis dahin war Sermo nicht unbedingt beeindruckt oder gar überrascht gewesen. Der Eponmitanographos hatte nichts neues verkündet und der Gymnasiarchos schwafelte pseudoberuhigendes Zeug, das hier hoffentlich niemand glaubte, der noch ganz bei Verstand war. Und dann, ohne Vorwarnung, passierte etwas für den Quintilius völlig unerwartetes. Da stand ein junger Kerl auf und machte Krawall, wie er es nicht erwartet hätte. Sermo musste zweimal hinhören, blinzelte ungläubig, wechselte einen irritierten Blick mit Cleon, der ebenso verwirrt schien. Was redete der denn da? War der noch ganz bei Trost? Dieser Bursche wollte ernsthaft, dass die Getreidelieferungen und Steuerzahlungen an Rom gestoppt wurden?


    Sermo saß da wie erstarrt, was darauf zurückzuführen war, dass sämtliche Körperfunktionen in diesem Moment zugunsten seines Hirn eingeschränkt waren. In seinem Kopf arbeitete es wie in einem Ameisenhügel. Er musste abwägen. Vorteile, Nachteile, Konsequenzen. Er rang mit sich, aufstehen, sitzen bleiben? Etwas sagen? Etwas schreien? Das könnte seine Chance sein. Das könnte auch sein Ende sein. Ein Seitenblick zum Römerblock, wo man entsetzt dreinschaute. Nein, er musste abwarten. Erst einmal die Reaktionen beobachten. Wer positionierte sich wo? Wer schloss sich dem Krawallmacher an, wer war dagegen? Wer sagte noch gar nichts? Wer war bloßer Mitläufer und erhob selbst seine Stimme? Sermo kannte ja nicht einmal den Eponmitanographos. Und die hier Versammelten kannte wiederum ihn nicht. Warum also gleich etwas sagen und sich hier selbst auf die politische Schlachtbank führen, bevor er überhaupt in die Nähe des Mastfutters gekommen war? Nein, Sermo wartete ab...

  • Oha, ein geborener Unruhestifter, wie Lucius Palaemon von seinem Platz in unmittelbarer Nähe des Gymnasiarchos bei den ungestümen Worten des jüngeren Mannes sogleich erkannte.
    Er war versucht zu fragen, wie sich der junge Herr das denn vorstellte mit dem Steuerboykott und der Zurückweisung römischen Machtanspruchs, wo doch zwei Legionen ihr Lager unweit Alexandrias unterhielten. Oder wie lange ihre Autonomie ohne diese zugleich als Schutzmacht fungierende Truppe wohl andauern würde.
    Doch seine Position erlaubte ihm vorerst nur die Rolle eines interessierten Beobachters; einfach das Wort zu ergreifen, konnte und wollte er sich nicht erlauben.
    Dass der Basileos tot war, immerhin der Mann, in dessen Namen ihm das römische Bürgerrecht verliehen worden war, war nichts neues, auch wenn die Verkündung durch den Eponmitanographos einer offiziellen Bestätigung gleichkam. Schockierender fand er da schon die Nachricht von der Existenz einer Proskriptionsliste. Es war zum Wohle der Polis nur zu hoffen, dass sich keine dieser angeschwärzten Männer in Alexandria aufhielten.


    edit: Rechtschreibung

  • Cleonymus hatte Mühe sein ägyptisches Temprament unter Kontrolle zu halten, er hatte schon oft dummen und ungestümen jungen Männern den Kopf gerade gerückt ... mittlerweile tat er das ja sogar schon fast Hauptberuflich doch dieser Philetos Chatidakis war ein Unruhestifter von besonderer Güte, der sicher auch noch an den Wörtern der Götter slbst zweifeln würde, wenn sie gegen seine eigene beschränte Meinung standen ...


    Unwirsch unterbrach Cleonymus also das heuchlerische Geplapper aus den hinteren Rängen wo Gestalten wie Philetos eben ihre Anhänger hatten ...


    "Hetzreden und phantasierte Hypothesen werden keinem nutzen! Deine absolut lächerliche Idee käme einem Aufstand gegen unsere eigenen Beschützer gleich! Noch vor wenigen Monaten hat EINE der römischen Legionen ein 4000 Mann starkes Heer von Barbaren und Banditen davon abgehalten den Handel auf den südlichen Handelsrouten gänzlich zum erliegen zu bringen! Was glaubst du wäre wohl passiert wenn keine römischen Legionen mehr da wären um uns zu schützen? Wärst du gen Süden aufgebrochen um die Handelsrouten zu sichern? Handelsrouten die Alexandria den Reichtum und Wohlstand beschert haben von dem wir alle mitlerweile profitieren?! Ich glaube kaum!"


    Cleonymus warf dem Störenfried der ihm mittlerweile ein warer Dorn im Auge geworden war einen herablassenden Blick zu ...


    "Wir zahlen diese Steuern nicht als Gefälligkeit gegenüber dem Basileos und es ist auch nicht der Basileos der all das Korn isst das wir nach Rom senden! Wir leisten diesen besonderen Beitrag zum römischen Imperium da uns der ehrenwerte Basileos dafür Gegenleistungen zugesichert hat. Wir alle, alle Bürger dieser großartigen Polis, leben in Frieden und Wohlstand weil Rom uns beschützt und fördert! Du magst ja mit all den Vorteilen der römischen Herrschaft aufgewachsen sein und sie für selbstverständlich halten, doch das gibt dir noch lange nicht das Recht sie für die zukünftigen Generationen auf Spiel zu setzen!"


    Am liebsten hätte Cleonymus diesen vorlauten Wicht nun auch gleich aus dem Theatron werfen lassen, doch leider legten diese Griechen ganz besonders viel Wert darauf das auch solch gesellschaftlicher Abfall sämtliche Rechte besaß ...

  • Sie hatte sich ein schlichtes hellblaues Kleid herausgesucht und angezogen. Dazu trug sie ein gelbes Tuch, das sittsam ihre Schultern bedeckte und als Schutz gegen zu genaue Blicke. Es war groß genug um noch ihren Kopf zu bedecken. Sie hatte ihre Haare hochgesteckt und einige Bänder einflechten lassen. Es war ein ganzer Pulk an Menschen, die gemeinsam mit Cleonymus eintraten. Wie er es gewünscht hatte, saß sie nun neben ihm. Ihr Tuch zog sie nur ein wenig zurück um besser sehen zu können. Auch sie hatte natürlich Gerüchte gehört und war doch sehr überrascht und auch geschockt sie bestätigt zu hören. Sie hatte einige Zeit in Roma gelebt und genug mitbekommen um zu wissen, dass es für das Reich nicht gut war. Warum man sich jetzt von diesem abwenden wollte, im Grunde die ganze Diskussion verstand sie nur kaum. Wenn sie ehrlich war, fehlten ihr einige Kenntnisse zur Geschichte um zu verstehen was hier los war. Sie nahm sich vor hier still zu sitzen und zuzuhören.

  • http://img638.imageshack.us/img638/4650/philetos.png So gut Cleonymus auch begonnen hatte mit seinen Ausführungen, so hatte er doch das eine kleine Wort gesagt, das kein Polites jemals in den Wort genommen hätte. Und welches auch dreiviertel des Theatrons mal eben dazu brachte, geräuschvoll nach Luft zu schnappen, inklusive Philetos, der mit einem Mal weiß anlief. “Herrschaft?“, krächzte er. “Römische HERRSCHAFT?“


    Ganz offensichtlich hatte er den jungen Mann für einen Moment doch aus dem Konzept gebracht. Offensichtlich hatte der junge Mann sich schon die Argumente auf die ersten Worte bereitgelegt, als Cleonymus ihm einen so großen Gefallen tat, das schlimme H-Wort zu sagen.
    Es dauerte also einen Augenblick, ehe er sich wieder so weit gesammelt hatte, um in gewohnter Manier zurückzufeuern. “Ich bin hier unter griechischer Demokratie aufgewachsen, genauso wie die zehn Generationen vor mir in den vierhundertundvierzig Jahren, in denen diese Polis nun steht, seit der göttliche Alexander die Weisheit hatte, sie zu gründen! Und auch die kommenden Generationen werden hier unter griechischer Demokratie der Polites Alexandrineis aufwachsen! Diese Stadt stand lange, bevor die Römer ihre Legionen hier hatten, und sie wird noch lange stehen. Sie war schon die Blüte dieser Welt, während die Rhomäer noch Ziegen gehütet haben auf den Hügeln, die sie heute ihre Stadt nennen!“
    Er machte einen wütenden Schritt auf Cleonymus zu, um seinen Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen. “Es ist traurig, dass der Mann, dem wir unsere Jugend anvertrauen, scheinbar die Gesetze seiner eigenen Heimat nicht kennt. In der Katastis Alexandria steht gleich zu Beginn, dass Alexandria von der Gesamtheit der freien Polites gelenkt wird. Nicht von Rom! Demokratia, Autarkia, Autonomia! Kommen dir diese Begriffe bekannt vor? Ich hoffe doch, sind es doch diese Werte, die unsere Kultur ausmachen.
    Und selbst in den rhomäischen Gesetzen steht, dass wir frei sind, nur dem Imperator unterworfen. Nicht dem Senat, nicht irgendeinem Mann in Rom, der uns hier wie seinen Lakaien Befehle schickt! Nein! Nur dem Basileos, der unser Schutzgott ist! Keinem Menschen. Und jeder, der daran zweifelt, ist ein Hochverräter und todeswürdig per Gesetz!“

    Und so hetzerisch die Worte doch waren, so erhob sich doch in der breiten Masse zustimmendes Gemurmel. Der Stolz der Griechen hätte niemals zugelassen, dass jemand wirklich über sie herrschen würde.
    “Und zu deiner Armee kann ich nur sagen: Ja, sie haben die Blemmyrer geschlagen. Ja, sie haben die Handelswege gesichert. Aber das haben sie für sich getan und für ROM. War Alexandria bedroht von ihnen? Die waren weit im Süden, noch südlich von Memphis und Theben. Wenn diese beiden großen Städte uns um Hilfe gebeten hätten, wäre Alexandria marschiert. Sicher ist es nett, die Legion zu haben, so dass wir uns den wirklich wichtigen Dingen zuwenden können und uns nicht im Abschlachten irgendwelcher Barbaren messen müssen. Aber brauchen wir sie? Nein. ROM braucht die Legionen. Wir nicht. ROM will das Getreide von den südlichen Gauen. Und aus keinem anderen Grund haben sie die Legionen geschickt. Nicht für unseren Handel. Nicht für unseren Wohlstand, den wir als größter Hafen der Welt ohnehin hätten. Sondern um ihre Getreideschiffe zu sichern, die mit unserem Getreide beladen sind. Also maß dir hier nicht an, die tapferen Männer dieser Polis zu beleidigen und als hilflose Opfer darzustellen ohne die Größe Roms. Wir haben dieses Reich verteidigt dreihundert Jahre noch ehe der erste Rhomäer seinen Fuß auf ägyptischen Boden gesetzt hat!“

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    ~ Sosimos von Korinth ~


    Eine alte und fast ein wenig leise Stimme erhob sich aus dem Gewirr des Gemurmels.
    “Ich muss Philetos Chatidakis insoweit zustimmen, dass wir wirklich eine freie Polis sind und dies auch durch Gesetze sowohl unserer Stadt als auch der Rhomäer geschützt ist. Und ich muss ihm ebenfalls zustimmen und beglückwünsche ihn zu seiner guten Rechtskenntnis, dass eine Änderung an diesen Gesetzen herbeizuführen und damit die Freiheit, Eigenständigkeit und Demokratie dieser Stadt und ihrer Bewohner zu beschneiden als Hochverrat angesehen wird und als eben solche mit dem Tode bestraft wird.“
    Sosimos holte kurz Atem. Diese Sitzungen strengten ihn an, fast noch mehr als die Verwaltung des Museions. Er war schon alt und der Regen machte seinen Knochen zu schaffen, und im Grunde war er mehr als gewillt, sowohl den Platz des Epistates als auch den des Gelehrten hier einem jüngeren, kräftigeren Mann zu überlassen. Nur konnte er auch nicht in Frieden seinen Lebensabend verbringen, wenn ein derart hitzköpfiger junger Mann zu solchen Reden griff. Und bevor dieser also seinen Sieg mit einem weiteren Kommentar fixierte, fuhr der alte Mann fort.
    “Deshalb bin ich mir auch sicher, dass der ehrenwerte Gymnasiarchos dieses Wort nur unüberlegt gesprochen hat und nicht in der Weise gemeint hat, wie du es hier interpretiert hast, Philetos. Immerhin sind wir seit über hundert Jahren den Rhomäern nun in Freundschaft verbunden, weshalb wir ihnen gerne das Getreide geben und dem Basileos unsere Steuern als Geschenk schicken. Seit über hundert Jahren halten wir uns an die Verträge, die wir in der Erkenntnis, dass der rhomäische Kaiser unser Schutzgott und der wiedergeborene Alexander ist, geschlossen haben. Und wenngleich der Basileos und sein Erbe nun verschieden sind und noch kein neuer Herrscher für Rom und vergöttlichter Alexander für Ägypten gefunden ist, so ist sein Stellvertreter, der Eparchos, noch sehr am Leben. Und auch ihm sind wir in Freundschaft verbunden.“

  • http://img638.imageshack.us/img638/4650/philetos.png Schon wollte Philotas sich freuen und dem Ägypter verbal endgültig den Todesstoß versetzen mit der Waffe, die ihm der stellvertretende Epistates so freundlicherweise in die Hände legte, als der alte Mann das vermeintliche Schwert in einen Löffel verwandelte. Doch kein Grund, nicht auch mit diesem zu versuchen, dem Archeprytanes das Herz herauszuschneiden.
    “Ich danke dem weisen Sosimos für seine Worte. Kaum einer hier wird bezweifeln, dass er der wohl erfahrenste und klügste Mann ist, der sich zu dieser Frage äußern kann.
    Aber – und dies sage ich nicht ohne den nötigen Respekt, den man vor dem Alter und der Weisheit dieses Mannes haben muss und welchen er zweifelsohne verdient hat als ehrbarer, griechischer Mann – er vergisst ein entscheidendes Faktum: Der Eparchos ist der Stellvertreter des Basileos. Wenn es keinen Basileos gibt, wie kann er ihn vertreten? Wenn der Basileos tot ist, wie kann er für ihn mit seiner Stimme sprechen?“

    Wieder stimmten die Anhänger des Chatidaken ein zustimmendes Gemurmel an, um ihre Nachbarn auf die Seite ihres Kandidaten zu ziehen. Und so wartete Philotas eine wohlplatzierte Kunstpause lang, ehe er weiterdozierte.
    “Nein, werte Polites, die Sache ist ganz einfach. Ganz Ägypten gehört dem Basileos, und wie bei jedem Verstorbenen geht sein Besitz an seinen Erben über. Gibt es keinen Erben, der innerhalb einer angemessenen Frist das Erbe von Rechts wegen beansprucht und auch von Rechts wegen beanspruchen darf, fällt dieses Eigentum der gesamten Bürgerschaft der Polis zum Nutzen von allen zu. So also gibt es nur die beiden Möglichkeiten, dass entweder ein neuer Basileos inthronisiert wird, dem wir dann natürlich in Einklang mit Recht, Gesetz und auch unseren Verträgen folgen, wie es sich gebührt; oder aber Ägypten gehört wieder sich selbst, der Vereinigung der freien Städte am Nil! Was aber in keinem Fall geschehen kann und geschehen darf, ist, dass die Rhomäer dieses Land für sich beanspruchen wie eine ihre Provinzen in Barbarien, die sie auspressen und die Minderwertigen als Sklaven auf ihren Märkten anbieten! Nein, Alexandria ist und bleibt immer eine freie Stadt, und wer für dieses Recht nicht bereit ist, zu sterben, der hat es nicht verdient, Bürger dieser Polis zu sein!“
    Jetzt war die Zustimmung schon lauter, denn wenn die Griechen auf etwas Stolz waren, dann auf ihre Freiheit und den Umstand, eben nicht Teil des Imperiums zu sein, sondern nur dem Kaiser unterworfen. Keine römischen Beamten, keine römischen Gesetze, nur ein paar römische Legionen zum gemeinsamen Nutzen und einige Verträge, die es zu erfüllen galt. Alles andere hätte der Stolz der Griechen nicht zugelassen.


    “Von daher sage ich, dass wir Rom nichts schuldig sind. Wir waren groß, lange bevor sie es waren. Über uns wird man noch in Jahrtausenden Lieder singen zum Klang der Kithara. Und auch dem Eparchos sind wir nichts schuldig! Hat ihn überhaupt schon einmal jemand zu Gesicht bekommen? Still und leise ist er in Basileia eingezogen. Wo waren die Spiele, wo die Feste, wo die Wettkämpfe? Wer sagt uns, dass der nächste Basileos ihn als Statthalter behält und nicht jemanden einsetzt, der seiner würdiger ist und besser für ihn spricht?
    Aus diesem Grunde bin ich der Meinung, dass wir bis ein Erbe feststeht, die Zahlungen an Rom einstellen, so dass der Erbe des Basileos und kein minderer Mann in den Genuss unserer Hände Arbeit kommt!“

  • Wenn Merula an diesem Tag überhaupt anwesend gewesen war - denn aufgrund seiner langen Abwesenheit und andauernder Zurückgezogenheit konnte hinterher niemand zu hundert Prozent bestätigen, ihn wirklich gesehen zu haben, so hatte er die Versammlung, der er hätte beiwohnen dürfen, nun sicher schon wieder verlassen. Denn wer den instabilen und von kleineren Paranoia verfolgten Iunier kannte, der wusste, dass er zu dem vielleicht kleinen, aber doch vorhandenen Teil der römischen Exklave in Alexandria gehörte, die nicht vorhatten, abzuwarten, wie die Sache hier ausgehen würde.
    Zu viele Unwägbarkeiten lagen vor, zu viele Animositäten lagen in der Luft.


    Ob er nun hier gewesen war oder nicht. Lucius Iunius Merula beschloss in jedem Fall an diesem Tag, Alexandria fürs erste den Rücken zu kehren. Vielleicht war es auch nicht das Schlechteste, als Römer erst einmal in Deckung zu gehen.

  • Cleonymus nickte demütig in Richtung des momentanen Vorstehers des Museions, scheinbar hatte er wiedermal vergessen in welcher Traumwelt die Griechen hier lebten, natürlich waren sie frei und konnten tun wie ihnen beliebte aber eben auch nur so lange bis sie es einmal übertrieben haben würden ... Rom konnte Alexandria binnen einer Woche in eine brennende Ruine voll mit Leichen und Trümmern verwandeln wenn sie nur wollten und genau das war der Hintergrund der in Cleonymus Augen eine Herschaft definierte ... wenn der Bevölkerung nichts anderes übrig blieb als zu gehorchen ...


    "Natürlich sind wir Rom nichts schuldig, aber wir sind wie du selbst sagst dem Basileos etwas schuldig ... und wenn du so darauf beharrst auch nur ihm! Aber wir beide wissen das es erneut einen göttlichen Basileos geben wird, wenn auch vielleicht erst in ein paar Wochen! ... Nun lasst uns annehmen wir täten was du vorschlägst, sparen uns die Steuern und schicken kein Korn ... schon nach ein paar Wochen wird Rom hungern und es wird in der Kasse Geld fehlen! Was glaubst du wird der Basileos bei seiner Rückkehr von uns halten, die wir ihm eigentlich immer die Freundschaft gelobt haben!? Er wird in ein Rom voller hungernder Männer Frauen und Kinder zurückkehren und sie alle werden mit dem Finger auf uns zeigen! Was willst du ihm dann berichten, wenn er dich fragt warum sein Volk hungert und seine Truhen leer sind, das du geglaubt hast das du es ihm während seiner Abwesenheit nicht schuldig warst? Bist du dem Fischer kein Geld schuldig für seinen Fisch wenn er gerade nicht in der Stadt ist?
    Ist es nicht Ehrensache das Alexandria sich gerade in einer so schweren Zeit dennoch um seine Freunde kümmert? Schließlich stehen Roms Legionen auch weiterhin bereit um uns vor Schaden zu bewahren, obwohl sie uns ebenfalls nichts schuldig sind! Sondern nur dem Basileos ihrem göttlichen obersten Befehlshaber! Würdet ihr wollen das sie im Falle der Gefahr einfach in Nikopolis verharren, da der Basileos uns ja während seiner Abwesendheit nichts schuldig ist?"

  • http://img638.imageshack.us/img638/4650/philetos.png “Dann müsste Rom jedes Jahr aufs neue in der Regenzeit verhungern, wenn das Meer unbefahrbar ist und kein Schiff ausläuft nach Norden! Die nächste Ernte und damit die nächste Lieferung nach Rom ist im nächsten Jahr, wie du sehr wohl weißt, nach dem Neujahrsfest!* Und wenn sie bis dahin keinen neuen Basileos haben, ja, dann finde ich, dass wir es Rom nicht als Freundschaftsdienst schulden, so viel von unserem Getreide zu schicken.
    Und auch dein Beispiel ist fehlerhaft, denn dem Fischer, der auf dem Meer ersäuft und der keinen Erben hat, dem schulde ich kein Geld mehr für seinen Fisch. Wem sollte ich es schulden, wenn nicht seinem Erben? Soll ich mein Geld an Fremde verschenken? Eher noch sollte ich es Poseidon opfern, weil er mich von diesem Fischer mit seinen Forderungen befreit hat.
    Nur selbst dies ist im Fall des Basileos nicht möglich. Welchem Gott sollte man dafür dankbar sein, dass ein Mörder unseren Beschützer umgebracht hat?“
    Ganz so vermessen war Philetos Chatidakis dann doch nicht, ein Dankopfer für die Götter vorzuschlagen, dass sie Alexandria von einem Tyrannen befreit hätten.
    “Und was die Legion angeht: Meinst du denn, da sie vom Basileos bezahlt werden, werden sie so glücklich sein, wenn sie keinen Sold bekommen, bis Rom einen neuen Imperator bestimmt hat? Was meinst du, von was sie vom Eparchos bezahlt werden würden? Von unseren Steuern! Und wenn wir sie schon bezahlen, dass sie uns beschützen, können wir auch direkt mit ihnen verhandeln und sie bezahlen wie Söldner aus fremden Ländern, die sie sind!“


    http://img593.imageshack.us/img593/8716/eustathios.png
    “Aber das, werter Philetos, könnte zu Streit führen. Ich denke nicht, dass die Rhomäer sich selbst als Söldner sehen und einfach nur dem folgen würde,d er sie bezahlt. Die Männer vielleicht, aber ihre Anführer? Ihre Legaten und Tribune? Das sind Römer aus alten Häusern, die sicher in ihrem Stolz gekränkt sein dürften, wenn du ihnen anträgst, sich ebenfalls von Rom zwischenzeitlich loszusagen.“
    Eustathios traute sich kaum, sich einzumischen. Zusammen mit den anderen Christen, die sich das Bürgerrecht in dieser Stadt verdient hatten, von allen aber mehr als kritisch beäugt wurden, saß er üblicherweise nur Still in dem kleinen Block von hell gewandeten Männern, die sich allesamt mehr als bewusst waren, dass sie nur solange in Alexandria ein friedliches Leben haben würden, solange sie weder den Griechen, noch den Römern, noch den Ägyptern und erst recht nicht den Juden auf die Füße traten. Es gab überhaupt nur eine Hand voll Männer aus dem Stadtteil Delta, die hier auf der Versammlung sprechen durften, und hätte Eustathios nicht Griechen als Eltern, säße er vermutlich auch nicht hier.


    http://img638.imageshack.us/img638/4650/philetos.png “Kaum zu erwarten, dass von deines gleichen vernünftige Worte kommen würden, Christianer! Und doch wundert mich, dass ausgerechnet von dir Worte zur Verteidigung der rhomäischen Ehre fallen. Erzählt ihr nicht überall ungefragt, wie sie euren Gott getötet haben?“, ätzte Philetos in Richtung der Christen, ehe er sich wieder dem Publikum zuwandte, das er als wertvoll betrachtete: Dem ganzen Rest.
    “Und so fern der Heimat, ohne die Macht ihrer anderen Legionen im Rücken, warum sollten sie da jemandem treu sein? Sie haben ebenfalls nur dem Basileos ihre Treue geschworen, und der ist nunmal tot. Und bevor wir unser Geld und unser Getreide einem Mann, der uns nur Anweisungen zukommen lässt, aber keine Informationen, in den Rachen werfen, sage ich, nutzen wir es. Behalten wir es für den Reichtum unserer Stadt, heben eigene Truppen aus! Die anderen Städte am Nil werden uns sicher folgen.“



    Sim-Off:

    1. Juni

  • Ein wenig schienen sich die Akteure im Kreis zu drehen. Und einige der jüngsten Aussagen des Chatidaken bewogen Palaemon, tatsächlich auch ein paar Worte in den Disput einzubringen. Natürlich ganz im Sinne des Gymnasiarchos, wie er meinte.
    Er nutzte eine kurze Pause und erhob sich, machte auf sich aufmerksam und begann schließlich zu sprechen:
    „Ich zögere, in die Debatte solch angesehener Männer einzugreifen, doch als in Alexandria geborener Bürger und Neffe eines Prytanen, der zugleich in einer der beiden genannten Legionen Roms gedient hat, wird mir das hoffentlich verziehen.
    Auch ich, Septimius Palaemon, danke dir, Philetos Chatidakis, dafür, mit welch beredtem Einsatz du in dieser schwierigen Zeit Freiheit und Unabhängigkeit unserer Polis und ihrer selbstverwalteten Institutionen verteidigst. Im übrigen ein Ansinnen, das unser verehrter Gymnasiarchos Cleonymus seit vielen Jahren zum Wohl und Gedeihen der Polis in die Tat umsetzt."


    Pausen zu machen fiel schwer vor so vielen Menschen, doch Palaemon zwang sich dazu, zumindest kurz innezuhalten und den Blick über das Publikum und zuletzt zurück zu dem engagierten jungen Redner zu schwenken, dessen Namen und Bedeutung man ihm von Cleonymus Parteigängern zugetragen hatte.


    „Wir vom Gymnasion“ - der Septimius benutzte diese zur Abgrenzung übliche Anrede eines griechischen Vollbürgers – „sollten aber in meinen Augen nicht deine Einschätzung der Legionen als einfache Söldnerbande aufgreifen, wie du sie uns vielleicht affektiv dargelegt hast. Vielleicht ist sogar der Christianer in dieser Sache einmal nicht gänzlich falsch gelegen.
    Ich habe feststellen dürfen, dass mit etwas gutem Willen und Entschlusskraft eine Zusammenarbeit zwischen Vertretern des Basileos und unserer Bürgerschaft sehr gut möglich ist, ohne dadurch gleich die Autonomie Alexandrias oder die römische Soldatenehre zu gefährden.“

    Diese Einschätzung trug natürlich die Prämisse in sich, die Lage ein wenig zu beschönigen und Missstände auszusparen.
    "In den Legionen und der Exilgemeinde der Romäer hier wirst du vielleicht mehr Worte der Koiné und gar des Attischen als italische Dialekte hören; Wir handeln mit ihnen, arbeiten, ja manchmal feiern wir sogar gemeinsam. Denkst du also nicht, dass dich deine Jugend zu einfach von Krieg und Sterben für die Heimat reden lässt?
    Und dass du bei den Städten im Süden auf offene Türen stoßen wirst, erscheint mir auch mehr auf Wunschdenken als auf Wissen zu beruhen.


    Wohlgemerkt, unsere Freiheit muss unter allen Umständen erhalten und in letzter Konsequenz auch verteidigt werden; aber warum ohne Not und ohne berechenbaren Plan Rhomäer in und vor der Stadt vor den Kopf stoßen und Stimmung entfachen, die die Gefahr in sich birgt, unserer aller Kontrolle zu entgleiten.“


    Damit hatte Palaemon gesagt, was er wollte. Ein paar Bekannte und Freunde von ihm, die nicht zu weit von ihm entfernt saßen, bekundeten ihre Zustimmung, vielleicht auch weil er bewusst vage blieb und vornehmlich bemüht war, Schärfe herauszunehmen.
    Im Grunde hielt es Palaemon für die beste Option, so lange abzuwarten und die Zeit mit gemäßigten Diskussionen zu verbringen, bis in Rom, oder wo auch immer, die Dinge ihren für Alexandria hoffentlich erfolgreichen Lauf genommen hatten. Und am Ende würde er sich sowieso nach den Wünschen des Gymnasiarchos richten, so lange diese nicht den Fortbestand seiner Heimat aufs Spiel setzten.

  • http://img638.imageshack.us/img638/4650/philetos.png Er konnte regelrecht fühlen, wie sich das große 'Aber' in der Rede Palaemons aufbaute. Erst lobte er ihn ja noch, dann kam schon die schützende Hand über dem Ägypter. Gefolgt von einer eloquenten Rede, die die Stimmung im Theater wirklich zu schwenken schien. Doch noch war Philetos nicht bereit, einfach so klein bei zu geben.


    “Ich denke eher, dass euer Alter euch zaudern lässt, wo meine Jugend mir die Kraft und den Mut gibt, das auszusprechen, was viele hier vielleicht nur heimlich denken: Dass wir groß... und reich... und mächtig genug wären, wie in den Tagen der Ptolemäer dieses Land auch ohne römische Hilfe zu regieren. Wie wir es auch seit unserer Freundschaft mit den Römern noch immer tun. Und dass wir keine Angst zu haben brauchen vor unseren eigenen Schatten.“


    Es kostete ihn Selbstbeherrschung, nicht seinen Worten einfach freien Lauf zu lassen, sondern sich zurückzunehmen und seine Worte sacken zu lassen. Vor allem, als sich nur zaghaftes Gemurmel breitmachte und nicht noch wie eben hehrer Beifall herrschte.


    “Also was schlägst du stattdessen vor, verehrter Palaemon? Hier zu sitzen und uns brav dem Statthalter Roms zu beugen? So zu tun, als wäre nichts geschehen? Oder wie ist dein Plan, mit den Soldaten umzugehen in ihrem Lager vor der Polis?“

  • Palaemon musste kurz schmunzeln, als er seine Bemerkung über Philetos vermeintlichen jugendlichen Übermut quasi 1:1 mit Verweis auf sein fortgeschrittenes Alter zurückbekam. Eine gesunde Mischung aus alt und jung galt eben nicht ohne Grund als gute Grundlage für erfolgreiche Arbeit.
    Aber er musste natürlich auf die Fragen eingehen:
    „Du willst wissen, was ich vorschlage?
    - Nun, ich sagte ja schon, dass ich nicht beabsichtige, den anwesenden hohen Archonten, den weiseren und alteingesesseneren meine Meinung aufzudrängen.“

    Es war nun einmal immer einfacher, Vorschläge anderer abzulehnen als eigene, gute Vorschläge zu machen.


    „Doch einige Anregungen möchte ich gerne vorbringen. Was spräche denn beispielsweise dagegen, mit den Stimmen der Ekklesia eine Verlautbarung zu verfassen und bekannt zu machen, in der wir erklären, treu zu den Verträgen mit dem Basileos zu stehen und das Gleiche von den Vertretern Roms zu erwarten.
    Wenn es auch 'nur' eine Wiederholung der Rechte und Gebote wäre, die uns die Katastasis ohnehin zusichert und auferlegt, so wäre es wohl zugleich ein starkes Signal, eine Feststellung, die unserer Position Ausdruck verleiht.“


    Der Veteran merkte, dass er sich kürzer fassen musste, wollte er die Empfänglichkeit der Staatsbürger für seine Worte bewahren, und sprach noch eine andere Option an.
    „Oder warum nicht eine Delegation mit den Praefecti der Legionen besprechen lassen – nicht als Bittsteller, sondern auf Augenhöhe, inwieweit es sinnvoll ist, die römischen Soldaten bis auf Weiteres verstärkt in den Kasernen Nicopolis' zu belassen. Sicherlich viel Symbolik, aber Kontinuität, Ausgleich und Betonung auf Gemeinsamkeit scheinen mir Punkte zu sein, die die Größe und Bedeutung Alexandrias auch in Zukunft sichern werden.“
    Den Eparchos ließ der Septimier aus, da er sich nicht sicher war, ob dieser die Legio Cyrenaica in Personalunion führte und was der Chatidake einige Minuten zuvor mit seinen Aussagen über den Statthalter eigentlich gemeint hatte

  • http://img638.imageshack.us/img638/4650/philetos.png “Eine Verlautbarung?“ Nein, die wäre sicherlich nicht in Philetos' ureigenem Interesse. Er wollte nicht aller Welt öffentlich zeigen, wie gern sich Griecher und Römer doch hatten! Er war hierher gekommen, um endlich einmal das in die Tat umzusetzen, wovon so viele schon so lange redeten: Ein Ende der Abhängigkeit von den Rhomäern, ein Ende der Schmähungen und die Rückkehr zu der guten, alten Zeit, als noch ein griechisches Herrschergeschlecht über Ägypten als höchste Macht herrschte. Ja, Philetos wollte gern die gute alte Zeit der Ptolemäer wieder zurück, selbst wenn die wohl auch nicht so glorreich gewesen sein mochte. In jedem Fall aber war das hier die beste Gelegenheit, zumindest einmal Stärke zu demonstrieren und zu sehen, wie weit seine Mitbürger zu gehen bereit waren!
    “Warum es erst verlautbaren, was unser Recht ist? Warum aufschreiben, was jeder eigentlich wissen muss?“ Nein, er wollte keine so friedliche Lösung des ganzen.



    http://img840.imageshack.us/img840/8731/michaelsheeny.jpg
    Zabadyah hingegen wollte sie unbedingt. Vom Rat der Juden der Stadt hier in die Volksversammlung sprichwörtlich eingekauft, wartete er still die Wortgefechte zwischen den höher gestellten Griechen und auch dem ägyptischen Gymnasiarchos ruhig ab und überlegte, ob er überhaupt etwas sagen sollte. So verrückt konnten ja nicht einmal die Griechen sein, hier einen Krieg anzufangen! Und doch kannte er mehrere Dutzend junge Hebräer, die sich nichts schöneres vorstellen konnten, als sich von den Römern loszusagen. Um dann bestenfalls über die Griechen herzufallen und Jahrzehnte der Schmähung und Unterdrückung zu rächen. Und damit waren sie nicht alleine. Nachdem die Römer Jerusalem vollständig verwüstet hatten vor gerade einmal 42 Jahren, schwelte viel alter Zorn, der durch die jetzige Situation sowohl in Alexandria als auch überall anders nicht unbedingt besser wurde. Aus dem Westen, besonders aus Kyrenaika, kamen mit den Handelsschiffen immer wieder auch Nachrichten, die beunruhigend waren.
    Ein Grund für Zabadyah, hier erst Recht dafür Sorge zu tragen, dass die Lage ruhig blieb und nicht noch eskalierte. Das letzte, was er brauchen konnte, waren wütende Römer, die wütende Hebräer dazu brachten, im Delta auf die Straßen zu gehen und einen kleinen Privatkrieg anzuzetteln.
    “Ich stimme dem Vorschlag des ehrenwerten Septimius Palaemon zu und begrüße seine weise Voraussicht, mit den Römern auf Augenhöhe zu verhandeln. Ebenso denke ich, dass der Vorschlag, die Römer zu bitten, zunächst verstärkt in Nikopolis zu bleiben, einen weisen Schritt, zu unser aller einvernehmlicher Freiheit, Sicherheit und Zufriedenheit.“


    http://img638.imageshack.us/img638/4650/philetos.png
    Jetzt war Philetos einen Moment sprachlos. Stimmten da jetzt die Christen UND die Juden für einen Ägypter und einen rhomäischen Griechen? Hatten die sich alle verschworen und eigene Pläne?
    “Gut, stimmen wir doch darüber ab, ob solch eine Verlautbarung geschrieben werden soll, und darüber, ob eine Delegation zu den Präfekten der Legionen gehen soll“, schimpfte er lauthals und forderte damit den Archeprytanos auf, seines Amtes zu walten.

  • Sermo war gespannt wie ein Flitzebogen. Diese ganze Debatte war ihm absolut nicht geheuer. Philetos Chatidakis war eindeutig auf die Art Krawall gebürstet, die Alexandria und die ganze Provinz sich zur Zeit definitiv nicht leisten konnten. Und die Sermo umso weniger schmecken musste, als er immerhin Tribun einer der Legionen war, die im Problemfall einschreiten mussten beziehungsweise würden.
    Cleon erkundigte sich - wie schon wegen des Krawallmachers - bei den umsitzenden Griechen nach den Namen der anderen Redner und war immer überraschter, als zunächst einer von dieser neujüdischen Sekte das Wort ergriff und dann ein Jude selbst vorsprach. Ganz zu schweigen von einem Griechen mit römischem Namen, der zum Gefolge des ägyptischen Gymnasiarchos gehörte. Das war doch alles höchst abstrus. So langsam verlor Sermo sich hilflos im Gewirr dieser Volksversammlung, die ihm im ersten Moment viel zu undurchschaubar war.


    Während Sermo der Diskussion zu folgen versuchte, ruhte sein Blick zwischenzeitlich auf dem Gymnasiarchos, dessen Reaktion auf die Reden er zu ergründen versuchte. Und als sein Blick dabei auch die Klientenschaft des Ägypters streifte, fiel ihm eine Person (Celeste) ganz besonders auf, der er zuvor keine Beachtung geschenkt hatte.
    "He, Cleon," raunte er seinem Sklaven zu, der sich widerwillig der Rede des Zabdyah abwandte und seinem Herrn einen fragenden Blick zuwarf. "Schau mal, da unten. Siehst du das? Die Frau da, die blonde?" Cleons Blick glitt einen Augenblick suchend umher. "Ach, die ist doch nicht zu übersehen! Direkt neben Ceonymus, sieht aus wie eine von jenseits der Alpes."
    "Oh ja, du hast recht." Cleon hatte sie offenbar entdeckt und schaute höchst verwundert auf die hübsche Blondine, die in ihrem hellblauen Kleid unbeteiligt der Diskussion folgte.
    "Kommt die dir nicht ziemlich bekannt vor?" fragte Sermo weiter, der jetzt plötzlich ganz unruhig wurde.
    "Nö, woher denn?"
    "Dummer Sklave," schimpfte Sermo mit rollenden Augen. "Erinnerst du dich nicht mehr an diesen Aushang, den wir auf dem Weg hierher gesehen haben? Da ging es doch um diese entlaufene Sklavin. 'Ohne Probleme aus den Provinzen des Nordens'. Komm schon, ist dein Gedächtnis ein Sieb?"
    "Ahja. Fünf Aurei Belohnung." Von Cleons Gesicht konnte man die langsam einkehrende Erkenntnis förmlich ablesen.
    "Fünf Aurei. Und wer sucht sie?" Sermo grinste breiter als breit.
    "Äh..."
    "Vala." Das Grinsen wurde monströs.


    Jetzt galt es einen Plan auszuhecken, wie man an die Frau herankommen könnte. Vielleicht war die Chance ja schon nach der Ekklesia gekommen, wenn alles durcheinanderwuselte. Dann gab es vielleicht eine Möglichkeit, sie in eine Nebenstraße zu stoßen und...oder man lenkte sie ab und bedrohte sie...oder man lud sie zum Essen ein...
    "Was denn, die wollen jetzt abstimmen? Was wird das hier überhaupt?" Sermo ließ sich von der Diskussion aus seinen Gedanken herausreißen. Jetzt konnte es spannend werden. Andererseits hatte Sermo keine Ahnung von den Mehrheitsverhältnissen in der Versammlung. Möglicherweise wurde es ja auch überhaupt gar nicht spannend. "Bona dea...was ein Stress..." Diesmal war es an Cleon zu grinsen.

  • Cleonymus hatte sich fast schon in sich selbst zurückgezogen, die Diskusion mit dem jungen Griechen hatte ihn mehr Nerven gekostet als sie einen Mann seines Alters und seiner Erfahrung hätte kosten sollen. Jedoch war er umso zufriedener mit der Leistung seines neuesten Klienten, der Septimier war tatsächlich ein Goldgriff gewesen, wäre sein politisches Talent zuvor bekannt gewesen hätte Cleonymus sicher weitaus mehr als nur ein Amt versprechen müssen um den Mann zu ködern ...


    Als der Unruhestifter schließlich die Abstimmung forderte konnte Cleonymus sich ein kleines Lächeln kaum verkneifen, die Mehrheit unter den Stimmberechtigten war ihm ja schließlich sicher ... wie eh und je ... zumindest war er davon mehr als überzeugt ...


    "Endlich mal ein vernünftiges Wort aus deinem Mund Philetos Chatidakis, eine Abstimmung halte ich nun auch für angebracht, immerhin sollen alle hier die Gelegenheit bekommen ihrem Gewissen nach zu entscheiden was das Beste für die Polis ist!"


    Einer der Helfer brachte bereits Tabulae und zwei weitere positionierten sich um die Zählungen vorzunehmen ...


    "Ich bitte euch jetzt also, freie Bürger der Polis Alexandria, abzustimmen ob die Polis eine Deligation entsenden soll, gemeinsam mit der Erstellung einer Verlautbarung um den Frieden mit den Römern zu wahren oder nicht!
    Wer dafür stimmt, also für Delegation und Verlautbarung, möge bitte jetzt die Hand heben!"


    Die Helfer zählten, stimmten die Zahlen miteinander ab und schrieben sie auf ...


    "Wer dagegen stimmt, möge bitte nun die Hand heben!"


    Wieder wurden die emsigen Helfer tätig ...


    "Und nun die Enthaltungen!"


    Abschließend wurde wieder gezählt und die Helfer verglichen die Zahlen mit dem zu erwartendem Ergebnis ...


    Sim-Off:

    Abstimmen dürfen alle im Tabularium als Polites Alexandrinos hinterlegten Bürger die zur Abstimmung im Theatron anwesend sind!


    Abgestimmt wird per: :dafuer: :dagegen: ?(
    Dafür: :dafuer:
    Dagegen: :dagegen:
    Enthaltungen: ?(


    Cleonymus: :dafuer:

  • Palaemon war erleichtert, als Philetos nach seinen eigenen septimischen Worten und denen des Zabadyah und der schwankenden Stimmung unter den Bürgern nichts anderes übrig blieb, als eine Abstimmung zu beantragen.
    Er hörte Cleonymus zu und stimmte natürlich für den Antrag, der im Wesentlichen seinen Vorschlägen entsprach.


    Einzig der Gedanke an seinen Ruf unter der Bürgerschaft Alexandrias bereitete ihm ein wenig Sorge. Würde ihm in Zukunft von den Griechen vorgehalten werden, dass er ähnlich wie die Vertreter der Juden und der Christianer argumentiert hatte?


    Palaemon: :dafuer:

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