• Heute hatte Antias den Nachmittag frei. Candidus war ausreichend bewegt und gut versorgt. Da war er ganz eigen. Schließlich musste er sich auf sein Pferd verlassen können. Dazu musste es gesund sein und ihm vertrauen. Gute Pflege und ständiges miteinander Arbeiten waren Pflicht. Er hatte Lucilla nichts davon gesagt, dass er jetzt bei der Reiterei war. Er wollte sie nicht unnötig aufregen. Sie wusste von seiner Vergangenheit als Auriga.


    Die Bäckerei wurde von den Leuten gut angenommen. Die Kundschaft wuchs mit jedem Tag. Antias hatte bedenken, dass Lucilla und Marei mit dem Ansturm fertig wurden. Deshalb half er in seinen freien Stunden in der Bäckerei. Mehlsäcke tragen, Feuerholz holen, Teig kneten und was so anfiel.


    Die letzen Arbeit war getan. Antias hatte sich im Atrium auf die kleine Bank gesetzt, die Beine ausgestreckt und döste vor sich hin.

  • Servius war anwesend. Marei fand es toll, wenn er daheim war und ihnen half. Immer wieder bewunderte sie seine Kräfte wenn er schwere Dinge, die sie allein gar nicht tragen konnte heben konnte. Trotzdem kam sie hin und wieder nicht drum herum, ihn über seine 'Schwächeanfall' beim Einzug in dieses Haus zu necken. Es war nur diese eine Neckerei, die Marei sich gestattete, sie wollte ihn keineswegs verärgern. Ihre Haare wurden länger, reichten fast bis zu den Schultern. Immer öfters trug sie selbst geflochtene Zöpfe und hatte sich überlegt, einen 'Pony' stehen zu lassen. Die Strähnen standen allerdings kreuz und quer ab, wenn sie sich die Stirn wischte. Dafür machte es Spaß die verschwitzten Haare mit einem Pusten wegzupusten. Servius saß schlafend im atrium. Zwei volle Becher süßen Saft in jeder Hand tragend, näherte sie sich dem dösenden Soldaten. "Servius... hast du Durst?" sprach sie ihn an. Sie brachte nicht nur zu trinken, sie trug Kekse in der sonnengelben Schürzentasche. Heute war sie besonders fleißig mit Kekse ausstechen gewesen. Lucilla war zufrieden und sparte nicht mit Lob. "Erzählst du mir was vom Kastell?"

  • Sein Kopf drehte sich in die Richtung aus der die Stimme kam. Ein Auge ging auf suchte die Person, die zur Stimme gehörte. " Riesen Durst...." sagte Antias grinsend. Er streckte sich und rutschte zur Seite. Klopfte neben sich auf den freien Platz. " Setz dich." Er nahm Marei die Becher ab, dass sie nichts verschüttete. " Warst du nicht wieder in der castra? Du darfst wann du willst." Antias zuckte mit den Schultern. Es war ihre Entscheidung, wann sie ging. " Jaaa, was erzähl ich dir. Das darfst du aber Lucilla noch nicht verraten. Ich habe ein Pferd. Er heißt Candidus. Ein ruhiger Hengst. Jeden Tag üben wir." Er beugte sich zu Marei. " Ich bin Eques, gehöre zur I. Turma, der Prima." er legte den Finger an die Lippen und grinste.

  • "Dann ist's ja ne gute Idee gewesen für deine starken Arme etwas zu trinken mitzubringen." gab sie scherzend zurück. Sie reichte ihm die Becher und platzeirte sich neben ihn auf die Bank. "Nein, ich war nicht wieder in der castra. Ich weiss nicht warum. denn Papa Baldemar war doch sehr traurig als ich ging und wenn mich wieder von ihm verabschieden muss, dann wird er sicher noch trauriger sein." gab sie in mehreren Atemzügen zusammen mti einer überaus nachdenklichen Miene preis. Sie hatte soviel zue rzählen, wie es war, was sie zu tun hatte und vor allem wie sie schlief. Die Alpträume schienen sich davon geschlichen zu haben. Marei war sich sicher, dass diese Pause eine vorübergehende Phase war. Insgeheim sehnte sie sich nach ihren Zieheltern. Was aber tun wenn die Gefühle übersprudelten? Servius erzählte von 'drüben'. "Nein, ich werde nichts nicht verraten!" gab sie mit ernster Miene kund. "Pof.. du hast ein Pferd? Candidus ist ein schöner Name. Was ist ein Hengst? Und was übt ihr?" Mähne und Schweif schneiden? Wohl eher nicht. Auf Pferden ging man (und frau?) reiten. Es war so lange her, seit sie auf einer Stute gesessen hatte und die Finger in die Mähne gekrallt hatte. "Servius.. das ist doch klar, dass du zur Legionis I gehörst. Das Kastell ist die Heimstadt der Legio I Traiana Pia Fidelis. " Marei hob ihren Becher um mit Servius anszustoßen. "Prost, dass dein Gurgl net verrostet!" Den Spruch hatte sie sich gemerkt, das kam nun davon, dass sie bis vor kurzem noch Tag für Tag Soldaten zugehört hatte.

  • Antias zog die Augenbrauen hoch. Den Spruch kannte er nicht. Klang aber lustig aus Marei's Mund. " Prost. " Der süße Saft schmeckte ihm. " Ähm.., ein Hengst ist ein männliches Pferd und Stute ist das weibliche Pferd." Was übten sie ? Eine komplizierte Frage. " Candidus muss ohne, dass ich ein Wort sage, wissen wohin und wie schnell er laufen muss. Wir lernen vom Pferd aus zu kämpfen. Wie wir in Formation reiten und dererlei." Antias hatte den Kopf wieder an die Wand gelehnt. " Willst du sie nicht doch mal besuchen? Dann kannst du gleich Candidus ansehen." Der Becher Saft war alle. Antias sah enttäuscht in seinen Becher. Kein Tropfen mehr drin. Für was süßes war er immer zu haben. Er zwinkerte ihr zu und flüsterte. " Hast du noch was süßes außer dem Saft dabei ?" Ein Kind, das ohne was auch immer aus der Backstube kam gab es nicht.

  • "Hengst ist Mann. Stute ist Frau." fasste Marei das soeben gehörte simpel zusammen und trank einen Schluck. Irgendwoher mussten die Pferde ja herkommen. seltsamer waren die meisten schon groß und überhaupt nicht klein. "Kriegen die wie bei den Menschen Kinder? Wie heißen Pferdekinder?" Sie versuchte sich vorzustellen was Servius übte. Bisher hatte sie immer nur den Soldaten zugesehen, die marschieren übten, aber nie den Reitern. Das musste sich schleungist ändern, wenn sie ihre Neugierde stillen wollte. "Wenn du gar nicht mit Candidus sprichst wie hört er dich denn dann? Versteht ihr euch gut?" Noch ein Schluck aus dem Trinkbecher bevor sie antwortete. "Ich weiss nicht, vielleicht sind die gar nicht da wenn ich zu Besuch komme. Die Herrin entscheidet immer spontan was sie den Tag über macht. Mhmm.. wenn sie nicht da sind kann ich immer noch den Stall besuchen." Da roch es, abgesehen von den Pferdeäpfeln, nach Heu und Stroh. "Wann vesorgst du Candidus denn im Stall? Dann komm ich um die Zeit rüber. Oder soll ich zum Exerzierplatz kommen und zugucken?" Natürlich würde sie heimlich zugucken müssen, sie durfte nicht stören und schon gar nicht ablenken. Sie griff in ihre Schürze, förderte einen Stoffbeutel zutage und schlug die Ecken auseinander: Plätzchen in Halbmondform. "Das sind Kekse mit Honiggeschmack. Lucilla weiss nicht ob sie die verkaufen soll oder nicht. Wir sind die ersten die diese probieren." Sie reichte Servius eines. "Wenn die gar nicht schmecken müssen wir was anderes finden.. vielleicht Plätzchen mit gehackten Walnüssen??"

  • Genau, die Pferdekinder hatte er vergessen. " Ja, so ungefähr wie bie den Menschen ist das. Die Pferdekinder heißen Fohlen." Marei war heute wieder sehr wissbegierig und Antias hatte gar keine richtige Lust von der Bank aufzustehen. Das passte gut zusammen. Geduldig beantwortete er ihre Fragen. " Ich schnalze mit der Zunge, verlagere mein Gewicht und drücke mit den Beinen in welche Richtung ich will oder ob er schneller oder langsamer laufen soll. Reden tue ich auch mit ihm. Er merkt an der Stimmlage was los ist." Candidus war ein kluger Hengst und sie verstanden sich richtig gut. " Wir verstehen uns sehr gut. Mittag's haben wir eine Pause. Dann bekommt er Wasser und Gerste. Du kannst auch auf den Campus kommen und mich dann in den Stall begleiten." Er beuge sich zu Marei und flüsterte. " Fragt einer, sagst du, du bist zum Pferd füttern eingeteilt." Seine Nase hatte ihn nicht getäuscht, frisch Gebackenes. Er nahm dankend den Keks, biss ab. "Mmmhhh....die kann Lucilla nicht verkaufen. Ich muss noch ein zweites davon essen. Mit gehackten Nüssen? ..." waren die genauso gut wie die hier, musste Lucilla mehr backen. Die waren lecker.

  • "Hengste. Stuten. Fohlen." Somit hatte sie die ganze Pferdefamilie zusammen. "Du schnalzt mit der Zunge und tust noch viel mehr, damit es dir gehorcht? Boah.. was ist wenn du müde oder traurig bist? Was tut Candidus dann?" Sie verzog das Gesicht, als sie hörte, was der Hengst zu essen bekam. Das war ja eklig. Nein, in ihrem nächsten Leben wollte sie ganz sicher kein Pferd sein. "Mal sehen, an welchem Mittag ich es schaffe, vielleicht dann wenn Lucilla wenig zu tun hat und mir erlaubt 'rüber' zu gehen." Abermals beugte sich Servius zu ihr und flüsterte mit leiser Stimme. Marei nahm es äußerlich gelassen hin, aber innerlich stieg das Mißtrauen über soviel Vertrautheit. Noch wußten der Soldat und die Bäckerin nicht was ihr widerfahren war. Und noch hatte sie nicht entschieden, ob sie ihnen davon erzählen sollte. Lucillas Verlobter war nett und freundlich. Dennoch hatte sie beim Einzug ins Haus damit zu kämpfen gehabt alleine mit Servius ihr Zimmer zu besichtigen. Der Weg mit ihm hierher war was ganz anderes gewesen, da war sie gefühlsmässig total durcheinander gewesen. Mit ihm in den Stall gehen und sein Pferd zu füttern? Im Stall wohnten Pferde, um die sich viele Menschen kümmerten... ganz alleine würden sie sicherlich nicht sein. "Ja." sagte sie schlicht nicht weiter auf seinen Vorschlag, was sie sagen sollte, eingehend. Sie bemühte sich auf die Plätzchen zu konzentrieren und möglichst unbefangen zu wirken. Marei biß ein kleines Stückchen ab. "Warum nicht verkaufen, Servius? Schmecken sie dir nicht? Die lustigen Hörnchen und die löchrigen Kringeln sind sehr gefragt, nur die Dinkelkekse nicht. Für die müssen wir uns etwas Neues überlegen, deshalb meine Idee mit gehackten Nüssen."

  • Ihre Begeisterung candidus zu füttern hielt sich in Grenzen. Marei mochte Pferde anscheinend nicht so sehr. Das war ja kein Weltuntergang. Vielleicht mochte sie andere Dinge lieber. Antias war ein bisschen enttäuscht, er dachte damit könnte er sie aus der Backstube locken. Vielleicht fiel ihm was besseres ein. " Wenn ich traurig bin? Dann versuchte er mich zu trösten. Bin ich müde und laufe vor ihm, stupst er mich an. Ja nicht einschlafen, hörst du!" Antias grinste bei Marei's Mutmaßung, dass ihm die Kekse nicht schmecken. " Sie kann sie nicht verkaufen, weil sie mir so gut schmecken. Die esse ich lieber alleine." Er stupste Marei an. " Die Idee mit den Nüssen will ich auch kosten. Aber jetzt bin ich echt satt. " Er fuhr mit der Hand über seinen Bauch. " Candidus wird sich bald beschweren, dass ich schwerer geworden bin. Ich esse zu viele Kekse."

  • Die Regale in der Bäckerei waren gefüllt, die Aushilfe stand bereit. Lucilla hatte den Rest des Tages frei. Servius letzte Worte schnappte Lucilla noch auf, ehe sie grinsend durch die Tür trat. "Ja, das glaube ich auch. Wir werden deine Ration kürzen müssen." Sein Bauch wölbte sich unter seiner Hand und Lucilla nickte in dessen Richtung. "Und wer ist dieser Candidus? Dein Ausbilder?" Auf der Bank war kein Platz mehr, deshalb blieb sie vor den beiden stehen. "Ich habe den Rest des Tages frei. Wollen wir auf den Markt gehen? Ein bisschen frische Luft und etwas Bewegung, vor allem für dich, Servius." Dabei musste sie sich wirklich anstrengen, ernst zu bleiben.

  • Wenn sie von Servius enttäuschten Gedanken wüsste, würde sie antworten: Dochdochdoch, ich mag Pferde, sehr sogar. "Das ist schön, wenn er merkt, dass du traurig bist." Sie versuchte sich einen stupsenden Hengst vorzustellen, aber sowas musste sie mit eigenen Augen sehen. Das Grinsen über die Kekse, die er für sich allein beanspruchte konnte sie nicht unterdrücken."Achsoooo.... ist das. Die Honigkekse sollen also allein für die Bäckerei reserviert werden, ja?" Ihr Keks verschwand im Mund und wenig später zerkaut im Magen. "Ich bin gespannt wie dieselben Plätzchen mit Nüssen schmecken." Wahrscheinlich total anders. Und wenn die nichts taugten, dann mussten sie weiterhin nach einem Ersatz für die Dinkelkekse suchen. "Hmmm.. vielleicht sollten wir noch probieren.. mit... Feigen oder Äpfeln?" Ihr Grinsen vertiefte sich zu einem amüsierten Schmunzeln. "Oha.. ein sich beschwerender Hengst in der ersten Legion.. wo gibts denn sonst sowas?!?" neckte sie ihn. Lucilla kam zu ihnen heraus. "Servius hat keine so große Ration wie ich." wandte Marei ein und fischte einen von ihren Keksen für Lucilla heraus. Servius sollte die Frage nach dem männlichen Namen selber beantworten, sie hielt mucksmäuschenstill. Marei stand von der Bank auf, um für die Bäckerin Platz auf der Bank zu machen. "Jaa.. gehen wir auf den Markt... es hat heute noch nicht geregnet." Natürlich mussten die bunte Tasche und die beiden Puppen auch dabei sein.

  • Die Stunden nach dem Abmarsch der Legion vergingen zähflüssig. Marei entdeckte, dass sie ihre Aufgabe, das Früchtebrot schmieren fortsetzen konnte. Ja, das war eine gute Beschäftigung, um mit geschäftigem Klappern die drückende Stille zu vertreiben. Zuletzt räumte sie alle benutzten Gegenstände sorgsam weg oder stellte es zu dem Stapel der abgespült werden musste. Die zahlreich geschmierten Brote schlug sie in Leinentücher ein, dass die lästigen Fliegen nicht dran kommen würden. Marei trug die Pakete in den Verkaufsraum und verstaute sie bei den unverkauften Broten. Die Tür war immer noch fest verschlossen. Die Aushilfe war nicht da, wahrscheinlich stand diese immer noch mit ihren Freundinnen an der Straße. Der Hocker stand noch da, wo sie ihn abgestellt hatte, damit Lucilla sich setzen konnte. Leise seufzend stellte Marei ihn an seinen Platz zurück und nahm selber drauf Platz. Mit dem Rücken gegen die steinerne Wand lehnend, zog sie auch die Beine hoch. Jetzt konnte sie sich gedanklich dem widmen was Stunden zuvor passiert war. Stumm strich sie über die Haare ihrer Puppe und starrte sie sorgenvoll an. Zum einen machte sie sich Gedanken wegen der Geheimnis-behalten-oder-verraten-Geschichte und zum anderen war sie traurig, dass sie Cimon und ihren Zieheltern nicht mehr begegnet war. Eine fette Träne nach der anderen bahnte sich einen Weg über ihre Wangen. Servius hatte nicht gesagt, ob er die Plätzchen verteilen würde, diese waren ihr einziges Zeichen, dass sie an die Freunde dachte.

  • Der Weg zurück nach Hause verlief schweigsam. Marei schien ebenso in Gedanken versunken, wie sie selbst. Während Marei in die Backstube verschwand, musste Lucilla erst einmal alleine sein. In ihrem Schlafzimmer stand sie zuerst nur unschlüssig vor dem Bett, das ihr im Moment viel zu groß erschien. Sie musste immer alleine schlafen, nur jetzt... Bei dem Gedanken sank sie auf die Matratze und grub ihr Gesicht ins Kissen. Tränen flossen unaufhörlich und nur ihr Schluchzen drang leise durch die Stille. Der Gedanke, er könnte nie wieder zurückkommen, geisterte durch ihren Kopf. Was sollte sie dann tun? Und was würde dann aus Marei?


    Als die Tränen schließlich versiegten, zwang sie sich, an Aretas letzten Satz zu glauben. Lucilla klammerte sich daran. Ja, er wird zurückkommen, er muß zurückkommen. Mit dem Zipfel der Decke wischte sie sich die letzten Spuren ihrer Tränen aus dem Gesicht und stand dann auf. Marei brauchte jetzt ihre Hilfe. Also ging sie in die Backstube und als sie sie dort nicht fand, in den Laden. Wie sie so traurig und sorgenvoll dasaß, hatte Lucilla sofort ein schlechtes Gewissen. Sie hätte sie nicht alleine lassen sollen. Vorsichtig strich sie ihr übers Haar und kniete sich neben den Hocker. "Nicht traurig sein. Sie kommen zurück. Sie werden alle zurückkommen. Ganz bestimmt!" Eine Strähne, die der Kleinen ins Gesicht hing, strich sie ihr hinters Ohr. "Du hast es doch gehört. Er hat es versprochen." Lucilla gelang ein glaubhaftes Lächeln. "Was hat er zu dir gesagt, dort oben?" Im Lärm der Menge hatte sie nicht alles verstanden, aber neugierig war sie schon immer.

  • Immer wieder wanderte Mareis Hand über Puppe Ninas helle Haare. Wenigstens die war noch bei ihr. Sie würde gut aufpassen, nicht auch diese zu verlieren, auch wenn es 'nur' eine Puppe war. Allerdings hatte Puppe Nina neuerdings Puppe Lucia als Gesellschafterin. Irgendwie gemein das ganze. Jeder um sie herum hatte wen anders nur sie nicht. Ja, wäre Esquilina hier, dann wäre sie nicht allein. Oh verflixt, ihre allerbeste Freundin wusste noch gar nicht wo sie jetzt wohnte. Schniefend zog sie die Nase hoch und zuckte schreckhaft zusammen, als Lucilla so unvermittelt vor ihr auftauchte. Sie hatte in ihrem Kummer gar nicht mitbekommen, dass die Bäckerin zu ihr gekommen war. Mit klopfendem Herzen lehnte sie ihren Kopf, der vom vielen Weinen schmerzte, gegen Lucillas streichelnde Hand. "Die 'Großen' müssen einfach allesamt zurückkommen, gell?" Ein weiterer leiser Seufzer entwich ihren Lippen. "Ja, er hat dreimal gesagt, er wird zurückkommen, also der Servius."


    Marei sah Lucilla an, sie hatte noch gar nicht nachgedacht, was das füre ihre Zukunft bedeuten würde. Das verratene Geheimnis und der plötzliche Abschied standen in ihren Gedanken im Vordergrund. "Er hat gesagt, wenn er zurückkommt., dass ich frei sein werde, also dass ich keine Sklavin mehr sein werde." Jetzt musste sie an ihre leibliche Mam denken. Marei versuchte die Tränen zurückzuhalten. "Weißt du, ich war schon von Geburt an frei, aber meine Mam, die hat entschieden, dass sie mich an den Sklavenhändler verkauft und der hat mich an die Flavier versteigert. Da war ich fünf Lenze jung." Ein neuerlicher Seufzer flog über ihre Lippen. "Und die haben mich dann als lebendes Hochzeitsgeschenk an die Aurelier weitergegeben. Seitdem musste ich von Anfang an in deren Küche arbeiten." Sie würde der Älteren alles weitere erzählen, wenn sie innerlich dazu bereit war. Mühsam schob sie die Gedanken beiseite. "Bist du sauer auf mich?" fragte sie mit bangem Blick. "Wegen dem Geheimnis?"

  • Sie sollte frei sein, das war gut. Hoffentlich konnte er sein Versprechen auch halten. Was, wenn er nicht zurückkehren würde? Was würde dann aus Marei? Nein, diesen Gedanken wollte sie nicht zulassen. Die Geschichte über ihre Vergangenheit rührte Lucilla fast zu Tränen. Eine Mutter, die ihre Tochter an einen Sklavenhändler gab. Das war grausam. Trotzdem wollte sie kein Urteil über die Frau fällen. Wer wußte schon, was der Grund war. Marei? "Wieso hat dich deine Mutter verkauft? Das tut mir wirklich leid. Hoffentlich hattest du es immer gut bei deinen Herrschaften." So wie ich, hätte sie beinahe hinzugefügt. Im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie nicht als Sklavin hier war und biss sich schmerzhaft auf die Lippe. Das war knapp.


    Dass Marei dachte, sie wäre sauer, schockierte sie etwas. Allerdings, wie sollte Marei wissen, wie sie reagieren würde. Liebevoll lächelte sie das Mädchen an, um ihr die Angst zu nehmen. "Nein, ich bin nicht sauer. Im Gegenteil. Servius hat dir ein Geheimnis anvertraut und du hast es nicht verraten. Ich wäre eher sauer, hättest du es mir verraten. Allerdings hätte ich es gerne früher gewußt. Soll ich dir ein Geheimnis verraten?" Lucilla sah sich um, als müsste sie sich vergewissern, dass niemand sie hören konnte. Verschwörerisch leise flüsterte sie ihr etwas ins Ohr. "Es gab eine Zeit, da wollte ich Wagenrennen fahren. Aber... das darfst du Servius nie verraten, ich glaube, dann wäre er sauer auf mich." Nun hatten sie auch ein Geheimnis, ein noch viel größeres. Lucillas Herz schlug gleich viel schneller, wenn sie daran dachte, dass sie sogar kurz davor war, ihren Traum zu verwirklichen.

  • "Mam hat etwas genommen, was die Leute 'Opium' nennen. Um unser Zimmer zu bezahlen, hat sie Männer zu uns nach Hause eingeladen und wenn die da waren, hat sie mir vorher heiße Milch mit einem seltsamen Geschmack zu trinken gegeben, von der ich fürchterlich müde wurde. So hab ich nie mitbekommen, was die Männer mit ihr taten. Sie war danach immer sehr traurig und wollte alleine sein." erzählte Marei mit leiser Stimme und wurde weitere Tränen los. Vielleicht verstand die Ältere, dass sie unter soetwas wie Verlustangst litt. Ebenso hatte sie sich noch nie damit beschäftigt, wer ihr leiblicher Vater war. "Irgendwann kam einer der Männer und hat gesagt, dass er mehr Geld für unser Zimmer haben will. Sie musste ihm von da an all ihr Geld geben was sie von den Männern bekam. Es reichte nicht immer..." Marei hob ihre Puppe von den Knien und drückte sie an ihre Brust. "Anfangs war es schwer bei den Herrschaften, weil die mich von der Milch entwöhnen mussten. Trotzdem haben sie mich behalten und in die Küche geschickt." Dass sie die Schule besucht hatte, wusste Lucilla von der Begegnung auf dem Kastellmarkt. Die begonnene und nie beendete Gärtnerlehre würde sie später erwähnen. Es war der erste Abend ohne Servius unterm Dach.


    Nein, ich bin nicht sauer. lautete Lucillas Antwort. Und trotzdem wäre sie sauer, wenn sie es verraten hätte? Verwirrt sah Marei sie aus ihren vom Weinen geröteten Augen an. Was denn nun? Hm.. war es das früher wissen? Dass sie beide nichts vom bevorstehenden Auszug der Legion gewusst hatten? Sicher, sie hatten viele Kunden in der Bäckerei gehabt, aber hatten jene in Klatsch- und Tratschlaune erwähnt, dass die Soldaten die Stadt verlassen würden? Marei nickte stumm und lauschte Lucillas leiser gewordenem Stimmenhauch, die ihre Ohrmuschel kitzelte. "Wagenrennen? Boah! Die sollen ziemlich aufregend sein... ich war noch nie bei einem solchen Wettkampf." staunte Marei mit flüsternder und staunender Stimme. "Ich behalt's für mich." schwor sie und ihre braunen Augen funkelten.

  • Strecken, gähnen und .... " Gehen wir über den Markt. Ein paar Sesterzen sind hier irgendwo." Umständlich suchte er seinen Geldbeutel, fand ihn endlich und stand auf. " Ich könnte einen Fleischspieß vertragen." grinsend ging er an Lucilla vorbei. Heute war ein besonderer Tag und da durfte es ein Fleischspieß sein. " Ihr bekommt auch was ab." meinte er großzügig. Das war nur ein Scherz. Lucilla und Marei konnten selber entscheiden was sie auf dem Markt haben wollten.

  • Lucilla konnte sich bei seinem Grinsen nicht zurückhalten und kniff ihm in den Po, als er an ihr vorbeistolzierte. "Wie großzügig." Sie wußte aber noch immer nicht, wer dieser Candidus war. Deshalb folgte sie ihm und piekte ihm in die Seite. "He, du verschweigst mir doch was. Los, raus mit der Sprache." Marei konnte in der Zwischenzeit ihre Puppen holen und sich die Schürze ausziehen. Bis sie fertig war, nutzte Lucilla die Zeit, gab Servius schnell einen Kuss und wartete auf eine Antwort.

  • " Au." Zuckte er beiseite, rieb sich über die Stelle und grinste frech weiter. Ihren Kuss erwiderte er, sah sie an, behielt sie in seinen Armen gefangen. " Nein, achso... nein, der ist ein guter Freund, der Candidus. Wir kennen uns noch nicht lange, aber kommen gut miteinander klar."
    Erzählte Antias ihr, dasss es ein Pferd war, hatte er keine Ruhe mehr. Deswegen hatte er zu Marei gesagt, dass ee sein Geheimnis ist. Einweihen, das machte er später. Erst durch die Ausbildung und wurde er bei den Eques genommen, dann erfuhr es Lucilla. Antias bekam es hin ihr dann auch Candidus vorzustellen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!