Servitriciuum | Hungrig und abgerissen, ...aber frei ?

  • Die Sklaven die ihr auf dem Weg zum Servitriciuum begegneten, glotzten sie und Dracon verständnislos an. „Das ist ein Bote, der gerade eine Nachricht für meine Domina aus Germania bringt,“ erklärte sie, wenn die Blicke zu aufdringlich wurden.
    In der Küche besorgte sie ihm ein großes Stück Brot, Käse und zwei lukanische Würstchen, die eigentlich für die Herrschaften bestimmt waren. Außerdem brachte sie ihm eine Kanne mit verdünntem Wein und einen Becher. „Setzt dich!“, befahl sie ihm und deutete auf einen Schemel, der neben dem Tisch stand. „So und jetzt erzählst du mir, was passiert ist!“

  • Wie ein kleiner Junge an der Hand seiner Mutter, ließ er sich von Candace mitziehen. Ehrlich gesagt wusste er nicht, wie er sich ihrer resoluten Art hätte erwehren sollen. Die Aussicht auf was zu Essen und eine neue Tunika minderten den Drang dieses überhaupt zu wollen. Was ihn störte, waren die Blicke der Sklaven. Wie ein Spießrutenlauf kam es ihm vor. Er wich den meisten Blicken aus. “ Candace du kriegst Ärger.” flüsterte er ihr zu. Unbeirrt ging sie mit ihm ins Servitricium. Aber er war derjenige, der frei und ungezwungen seinem Leben nachgehen konnte und saß nun am Tisch und wurde von einer Sklavin mit Essen versorgt. Das lief verkehrt, das war nicht gut. Letztendlich wurde Candace wegen ihm bestraft und er landete im Carcer der Urbaner, oder bei einem der Claudier. Man wusste nie, wie die Herren des Hauses drauf waren.
    Ihr setz dich war eindeutig. Sie duldete von ihm keinen Widerspruch. Dracon traute sich nicht einen Muchser zu machen. Kein widerwilliges Brummen. Er setzte sich artig auf den Schemel. Das Essen auf dem Tisch lockte. Würste, Käse, Brot…..sein Denkapparat war kurzzeitig lahmgelegt. Was wollte Candace? Achso, sie wollte wissen….Mmhhh, eine Wurst, nur einen Bissen…Er riss sich zusammen. Das Essen durfte ihm nicht so dermaßen den Verstand vernebeln, dass er alles andere vergaß. Einen Schluck Wein genehmigte er sich. Musste er alles erzählen? Er wollte so gar nicht. Candace ließ bestimmt nicht locker. Seufzend und nur widerwillig begann er zu erzählen. “ Ich war nur einen Wein trinken. Morrigan tauchte plötzlich auf und da waren die zwei von den Claudiern. Wir trennten auf der Flucht vor ihnen. Ich bin entkommen. Später erfuhr ich durch Apolonia, dass sie Morrigan erwischt hatten. Es wurde für uns zu gefährlich im Lupanar. Alles ging den Bach runter. “ Die Hilfe durch den Helvetier ließ er weg. Bis jetzt tat sich von der Seite her nichts. Leere versprechen glaubte Dracon. Was war von einem Römer anderes zu erwarten gewesen. Apolonia hatte zu viel von dem Helvetier erwartet. Dracon war von vornherein skeptisch und traute dem Römer nicht über den Weg. Ein Grund war, er hatte Dracon die ganze Schuld an dem Schlamassel gegeben. “ Ich muss jeden Tag aufpassen, dass sie mich nicht erwischen, aber ich komme zurecht. “ sagte er nicht sehr überzeugend. “Das hier ist nur eine Ausnahme. Mir geht’s wirklich gut.” Er war ein mehr als schlechter Lügner. Die Würste zogen ihn magisch an, er griff zu. Iss wie ein Mensch, egal wie groß der Hunger ist. Zeig den Römern, dass du kein Barbar bist. Er biss hinein, nahm ein Stück Brot dazu. Nicht Schlingen, kauen. Verdammt ich hab Hunger! Zähle beim kauen. Er versuchte ruhig zu bleiben. Am liebsten hätte er alles in sich reingestopft. So wie es ihm eben in die Finger kam. Vor Candace riss er sich zusammen. “ Gut, lange nicht so gut gegessen.” gab er kleinlaut zu. “ Ich werde dann auch gleich wieder verschwinden.” Ein scheuer Blick zu Candace. Bis eben hatte er vermieden sie anzusehen.

  • „Lass das mal meine Sorge sein“, hatte sie ihm zugeflüstert. Nun, da er endlich vor ihr saß und mit Essen und Trinken versorgt war, konnte er gar nicht mehr anders, als sein Geheimnis zu lüften. Candace interessierte es brennend, endlich zu erfahren, was im Lupanar tatsächlich geschehen war und was ihn letztlich dazu veranlasste, unterzutauchen. Denn dass er keinem geregelten Leben mehr nachging, war eindeutig sichtbar.
    Zu Anfang schien er erst noch mit sich ringen zu müssen, ob er zuerst etwas aß oder zu erzählen beginnen sollte. Schließlich entschied er sich für Letzteres. Die Sklavin zog sich ihrerseits einen Schemel herbei und setzte sich zu ihm. Gebannt hörte sie ihm zu und musste feststellen, dass sich ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet hatten. Man war ihm und den beiden anderen claudischen Sklaven tatsächlich auf die Spur gekommen. „Sie haben Morrigan erwischt?“, rief sie entsetzt. „Das ist ja furchtbar!“ Candace konnte sich lebhaft vorstellen, was sie Morrigan nach ihrer Ergreifung angetan hatten und noch antun würden. Mit Sicherweit waren die Claudier nicht weniger nachtragend als die Flavier, wenn es darum ging, dass sich ihr Besitz aus dem Staub gemacht hatte. Sie hatte schon genügend Bestrafungen beiwohnen müssen und konnte erahnen, welch schreckliche Tortur das alles war.
    Er berichtete ihr weiter, was die Konsequenz für ihn daraus war. Natürlich ließ er dies in einem rosaroten Licht erscheinen und wollte ihr damit weismachen, dass alles gar nicht so schlimm für ihn war. Candace aber nahm ihm das nicht ab. In ihrer Vorstellung musste es furchtbar sein, täglich damit rechnen zu müssen, entdeckt zu werden und ständig auf der Hut sein zu müssen. Deshalb käme für sie eine Flucht niemals in Frage.
    „Ja sicher und im Sommer wird es endlich schneien,“ gab sie ihm zynisch zur Antwort. „Dracon, sieh dich doch an und mach dir doch nichts vor! Du bist auf der Flucht und lebst von der Hand in den Mund. Wenn das deinem Wunsch nach Freiheit entspricht, dann bin ich froh, Sklavin zu sein. Komm iss jetzt!“ Candaces Freude über das Wiedersehen hatte einer latenten Traurigkeit Platz machen müssen. Sie konnte sich einfach nicht darüber freuen, ihn in solch einer prekären Lage wiedergefunden zu haben und es war offensichtlich, dass sie ihm helfen musste! Ganz egal wie.


    Während sich Dracon über das Essen hermachte, überlegte sie angestrengt, was zu tun war. Allmählich wurde ihr klar, dass sie ihm alleine nicht helfen konnte. Dazu brauchte es jemand, der mehr bewirken konnte, als sie. Ihre Herrin… ob sie ihre Herrin darum bitten sollte? Vielleicht hatte sie ja Verständnis. Sie hatte zuweilen die Flavia als recht nachsichtige und gutmütige Frau erlebt, besonders wenn es um Liebe und Zuneigung zu einem anderen Menschen ging. Wenn sie sie dazu brächte, in Dracon mehr als nur einen entlaufenen Sklaven zu sehen, dann konnten sie vielleicht mit ihrer Hilfe rechnen...
    Innerhalb von Minuten hatte Dracon alles, was sie ihm vorgesetzt hatte, vertilgt und wollte auch schon wieder gehen. Doch bevor er sich erheben konnte, legte sie ihre Hand auf seine. „Du willst schon gehen? Aber wohin? Dracon, ich bitte dich, bleib hier. Hier bist du sicher, denn hier wird dich niemand vermuten. Bitte!“ Mit ihrem sorgenvollen Ausdruck auf ihrem Gesicht sprach sie auf ihn ein und wollte ihn zur Vernunft bringen. Sie war sich nun sicher, dass nur ihre Herrin ihnen helfen konnte. Doch das musste sie Dracon erst noch schmackhaft machen.

  • Von wollen war keine Rede, er musste gehen. Die Flavier kannte Dracon nicht im einzelnen. So wie sein Dominus gab es für ihn keinen zweiten, davon war er überzeugt. Auf dem Weg zum Servitricium waren sie auf andere Sklaven des Hauses getroffen. Einen gab es immer, der seine Position im Haushalt stärken wollte und der verriet ihn vielleicht an einen der Herren im Haus. Dracon malte sich aus, was Candace zustoßen könnte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Seine kleine zarte Blume sollte nicht wegen ihm leiden. “ Candace ich muss gehen. Du kannst mich hier nicht verstecken, ohne das es deine Domina erfährt.” Hier bleiben ? Ein Bett, Essen, einen geregelten Tagesablauf. Bis dahin war alles gut. Die Kehrseite, ein Dominus mit unbekanntem Charakter. Wie der mit einem entlaufenen Sklaven umsprang? Entlaufen? Geflüchtet vor einer Bestrafung. Schließlich war er der letzte der Centho lebend gesehen hatte. Vielleicht hätte man ihn für seinen Tod verantwortlich gemacht. Da war die Alternative mit Morrigan zu gehen besser. Das was er jetzt durch machte war nie so geplant. “ Ich finde einen Platz.” Was für einen? Viel blieb da nicht übrig. Ein Drecksloch irgendwo in der Subura oder am Tiberufer. Immer auf der Hut vor den Urbanern und Vigilen. Dracon saß da, die geballten Fäuste auf dem Tisch und starrte vor sich hin. Er wusste nicht wie es weitergehen sollte. So hilflos hatte er sich auch nach Centhos plötzlichem Tod gefühlt.

  • Wenn er jetzt ging, dann sah sie ihn vielleicht nie wieder! Diese Vorstellung trieb ihr die Tränen in ihre Augen. Doch Dracon wollte sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Er glaubte nicht daran, hier sicher zu sein, was man durchaus auch nachvollziehen konnte. Solange er nicht unter dem Schutz von einem Dominus stand oder seine Freilassung beweisen konnte, war er vogelfrei. Jeder, der sich ein Zubrot verdienen wollte, konnte ihn an die Vergiles ausliefern. Candace aber wollte so schnell die Hoffnung nicht aufgeben.
    „Du musst nicht!“, rief Candace schluchzend. „Meine Domina wird uns helfen. Ich bin mir ganz sicher! Sie hat Centho über alles geliebt und wäre nur zu gerne seine Frau geworden. Das hat sie mir immer und immer wieder erzählt. Und du, du bist ein Teil von Centho. Du warst sein Sklave und sein Freund. Sie wird dich nicht so einfach ausliefern. Du kannst ihr deine Dienste anbieten, dann wird sie sicher eine Lösung finden. Da bin ich mir ganz sicher! Weißt du noch, wie sehr sie dich angehimmelt hat, als du gegen Angus kämpfen musstest? Wenn du willst, können wir sofort zu ihr. Um diese Zeit hält sie sich für gewöhnlich in ihrem Cubiculum auf und liest.“ Candaces Tränen waren bereits wieder getrocknet. Nun lächelte sie sogar wieder. Sie musste sich natürlich bewusst sein, dass das Ganze auch nach hinten los gehen konnte. Doch sie vertraute auf ihre Herrin. Wenn Dracon ihr sogar noch etwas über Centhos letzte Tage oder gar über seinen Tod berichten konnte, dann würde sie ihn ganz sicher nicht einfach so ausliefern.
    Candace war nun zu allem bereit. Sie stand auf und warf auch Dracon einen ermutigenden Blick zu. Nun hatte er die Chance, seinem Leben eine neue Wendung zum Besseren zu geben.

  • Vor sich hin starrend saß Dracon weiter am Tisch. Keinen Milillimeter bewegte er sich. Er scheute sich davor selbst zu entscheiden wie es weiter ging. Er hoffte auf eine Lösung und die lieferte ihm Candace. Eine mögliche Lösung. Nicht unbedingt die perfekteste. So eine brauchte er nicht. Die hier gab ihm die Möglichkeit bei Candace zu bleiben. Was er aufgab? Im Augenblick, Hunger, Dreck, Angst vor der Entdeckung. Was aber, wenn die Domina nicht so ragierte wie Candace hoffte? Für Dracon ein Katrastrophe. Candace wurde unerreichbar für ihn, welche Strafe ihn dann erwartete war ihm fast gleichgültig. Ohne Candace war alles egal. Nicht mal das Bergwerk oder die Arena flößten ihm dann noch Angst ein.
    Damals beim Kampf gegen Angus ….Eine Zeit die er sich komischer Weise sofort zurück wünschen würde. An Kraft und Geschicklichkeit hatte er nichts eingebüßt. Die Tage des versteckens hatten seine Sinen geschärft. Leise Zweifel waren trotzdem da. Er gab seine “Freiheit” auf nicht, die beste, aber frei. Was er wirklich bereit dazu? Wie sich seine Freiheit jetzt gab, würde sie nicht sehr glücklich verlaufen. Ihr Reden holte ihn aus seiner Erstarrung.
    “ In ihrem cubiculum. Sie liest. “ brummelte er. Lesen hatte er nie gelernt. Als Sklavenjunge gab es für ihn nur die Feldarbeit bis man ihn an den Ludus verkaufte und zum Gladiator ausgebildet wurde. “ Bist du dir ganz sicher, dass sie mich nicht an die Claudier ausliefert?" Fragte er unsicher. “ Ich weiß nicht, Candace.” Dracon stand unvermittelt auf. “ Bring mich zu ihr.” Was sollte passieren. Schlechter als die Tage in der Subura konnte es nicht werden. Das hoffte er und er vertraute auf Candace.

  • Dracon rührte sich nicht. Er saß immer noch da und es schien so, als kämpfte er den schlimmsten Kampf seines Lebens mit sich selbst. Doch auch Candace bewegte sich keinen digitus von ihrem Platz weg. Geduldig wartete sie auf seine Entscheidung. Sie wusste, wie schwer es für ihn war, wenn man, so wie Dracon, einmal die Freiheit hatte kosten dürfen.
    Schließlich schien ein kleiner Funke auf Dracon überzuspringen, eine Millisekunde lang glaubte er, alles könne sich doch noch zum Guten wenden. Doch dann kehrte der Zweifel wieder zurück und mit dem Zweifel, der durchaus berechtigt war, auch die Angst, vor dem, was ihn erwartete, wenn Domitilla ihnen nicht helfen wollte. Candace wollte erst gar nicht so weit denken. Sie wusste nur eins, dies war ihre einzige Chance, für sie beide, damit sie zusammenbleiben konnten und vor allen Dingen damit er nicht weiter in Angst vor der Entdeckung dort draußen in der Gosse leben musste.
    „Ich weiß nur, dass sie unsere einzige Chance ist, Dracon,“ antwortete sie ruhig aber voller Überzeugung. Sie sah in seinem Gesicht, dass es in seinem Kopf arbeitete, wie er das Für und Wider gegeneinander aufwog. Zuerst schienen seine Zweifel doch größer zu sein, doch dann entschied er sich unvermittelt und erhob sich. Er war dazu bereit! Candaces Herz machte einen Sprung vor Freude. Sie umarmte ihn und küsste ihn vor Freude. Ihr langersehnter Wunsch schien sich nun endlich doch noch zu erfüllen. Doch sie wusste, das dies nur der erste Schritt war. Weitere, noch viel schwierigere würden noch folgen.


    „Gut, dann komm mit!“ Candace ging voraus. Sie verließen das Servitriciuum und begaben sich in den Teil der Villa, in der die Herrschaften ihre Räumlichkeiten hatten. Natürlich waren die Gänge keinesfalls mit denen des Sklaventraktes zu vergleichen. Hier war es hell und sauber, der Boden aus Marmor und sie Wände und Decken mit herrlich bemaltem Stuck verziert. Endlich erreichten sie eine Tür, vor der Candace stehen blieb. Die Klopfte und öffnete vorsichtig die Tür.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!