[Triclinium] Wahlkampfmodus II - Gespräch mit Cossus Malleus

  • Es war früh und doch war Curio schon zwei Stunden auf den Beinen. Er hatte sich angezogen - dieses Mal trug er bereits seine Toga -, gefrühstückt und war danach mit Acanthos seine Tagesplanung durchgegangen. Es standen einige Besuche, die nächste größere Veranstaltung würde erst morgen stattfinden, ansonsten hätte er auch noch früher aufstehen. Im Moment war aber grade am Anfang und der Schlafmangel noch längst nicht so gravierend, wie er in zwei Wochen sein würde, wenn die Wahlen auf dem Forum durchgeführt wurden. Er kannte das schon aus seinem letzten Wahlkampf, auch wenn der sich lediglich auf den Vicus Apolliensis beschränkt hatte. Jetzt, wo es um die Einwohner aller Vici ging, gab es ungleich mehr Termine, angefangen beim Vieraugengespräch bis hin zum auffälligen Wahlkampfauftritt mit einer kurzen Ansprache.


    Jetzt stand aber bereits der erste Termin des Tages an. Das Triclinium war wieder mit zwei Stühlen, dem kleinen Beistelltisch, einer Kanne mit Wasser, eine weitere mit Wein zum selbermischen - Curio würde sich um diese Uhrzeit freilich auf Wasser beschränken - und zwei Bechern. Acanthos hatte Curio in Kenntnis gesetzt, dass der erste Termin mit einem Veteranen war, Cossus Malleus war sein Name, der offenbar den Macedonen direkt angesprochen hatte. Nun gut, Curio sollte es recht sein, wenn sein Scriba ihm die eine oder andere Aufgabe abnahm. Danach hatte der Macedone wieder mit einer Tabula hinten an dem großen Tisch Platz genommen und wartete nun, dass d, Lias Gespräch begann. Da betrat auch schon Liam mit Cossus Malleus den Raum.


    Cossus Malleus für den Termin mit dir.


    sagte der Ianitor vor sich hin grummelnd.


    Danke, Liam. Salve, Cossus Malleus, nimm doch bitte Platz.


    sagte der junge Helvetier und deutete auf den rechten Stuhl, während er sich auf den linken setzte. Liam wiederum verließ den Raum und zog die schweren Vorhänge zu.

  • Der schmallippige Ianitor geleitete Malleus zunächst einen langen Gang entlang in’s Atrium, dann am zentral gelegenen Wasserbecken vorbei auf eine Wand aus Vorhängen zu, die den Raum dahinter, zweifellos das Triclinium, sowohl vor neugierigen Blicken als auch von Kälte und Zugluft abschirmten. Mit entsprechend anheimelnder Wärme empfing ihn dann auch das sparsam möblierte Speisezimmer. Sehr angenehm. Hier ließ es sich schon eine Weile aushalten. Der wartende Helvetier machte einen frischen und ausgeschlafenen Eindruck, wirkte dabei aber sichtlich weniger angespannt als am Tag zuvor auf dem Forum. Das würde sich im Laufe der nächsten Stunden sicher wieder ändern. Wenn Malleus an all die Termine auf der Tabula des Schreibers dachte, tat ihm der junge Bursche fast leid.


    „Salve, Helvetius Curio.“, erwiderte er höflich nickend den Gruß des Hausherren und nahm dann auf dem angebotenen Stuhl Platz. „Lass mich dir zunächst meinen Dank aussprechen. Dass du bereit bist, mir, einem Wildfremden, trotz der gewiss erdrückenden Last an Verpflichtungen ein paar Augenblicke deiner kostbaren Zeit zu opfern, ist eine sehr noble Geste, die ich durchaus zu schätzen weiß.“ Doch, doch – er konnte schon, wenn er wollte. Und wenn sein Gesprächspartner einen anständigen Eindruck machte, was hier der Fall war, wollte er auch. Nachdem er, wie es sich gehörte, einen anerkennenden Blick durch den Raum hatte gleiten lassen, fuhr Malleus ohne Umschweife fort. Endloses Gefloskel war nicht seine Sache, und der Helvetier hatte ja auch nicht ewig Zeit.


    „Nun, ich habe um diesen Termin ersucht, weil ich nach meiner Heimkehr bislang noch nicht wieder Fuß fassen konnte, und die Hoffnung hege, dass ein ortserfahrener und kenntnisreicher Mann wie du mir vielleicht einen Rat geben könnte, wie oder wo ich eine sinnvolle Betätigung finden kann. Ich bin ein paar Meilen östlich des Flusses geboren, musst du wissen, und habe den Großteil meiner Kindheit hier im Vicus verbracht. Aber in den vergangenen dreissig Jahren hat sich doch eine ganze Menge verändert. Die Männer, die zu Zeiten der Flavier hier das Sagen hatten, sind alle längst tot. Viele meiner alten Freunde ebenfalls, die übrigen sind fortgezogen. Zugegeben, ich hatte mir das alles etwas leichter vorgestellt. Mit den Jahren verklärt man eben manches ...“


    Nachdenklich blickte er vor sich in’s Leere. Ob dieser noch junge Mann das nachvollziehen konnte? Wahrscheinlich nicht. Der war wohl eher ein kühler Rationalist, und frage sich vermutlich eher, was sein Gegenüber die ganze Zeit getrieben- und warum er für seine späten Jahre nicht vorgesorgt hatte. Gute Frage. Warum hatte er eigentlich nicht?
    Malleus verscheuchte derlei unnütze Grübeleien mit einem Kopfschütteln und sah lächelnd zu Helvetius Curio auf. „Wenn es nicht so furchtbar theatralisch klänge und ein klein wenig mehr der Wahrheit entspräche, könnte man auch sagen, die schiere Not hat mich zu dir getrieben.“

  • Curio war gelinde gesagt überrascht, dass sein Gegenüber hier direkt zum Punkt kam. Allerdings positiv überrascht. Also hörte er erstmal zu und rief sich dabei die wenigen Informationen ins Gedächtnis, die Acanthos ihm gegeben hatte. Es war nicht viel, aber besser als gar nichts.


    Nun, Acanthos hier hat ein gutes Wort für dich eingelegt, da ist es also selbstverständlich, dass ich dich empfange.


    Natürlich hatte auch noch eine ganze Menge mehr reingespielt, zum Beispiel dass der Mann ein Veteran war und Curio nunmal in seiner Vergangenheit nicht nur mit Veteranen zu tun hatte, sondern auch mit aktiven Soldaten und er hier natürlich auch in einer Soldatensiedlung wohnte und diese nunmal auch ein großes Unterstützungspotential ausmachten. Zwar durften nur die Offiziere auch wählen, sodass das Wählerpotential deutlich geringer war, aber unter dem Schutz von Soldaten zu stehen hatte schon seine Vorteile


    Mittlerweile musste er sich auch daran gewöhnen, dass ihm seine Gesprächspartner Honig ums Maul schmierten, so auch jetzt. Aber das blendete er aus, musste er wohl auch, denn Höhenflüge konnte er eh nicht gebrauchen.


    Dann werde ich mir mal Mühe geben, eine Lösung für dich zu finden. Aber erzähl mit doch bitte noch etwas über dich. Acanthos sagte, du seist Veteran. Bei welcher Einheit hast du gedient und mit welchem Rang bist du ausgeschieden? Wo wohnst du zurzeit? Einfach, was du für wichtig erachtest.


    Curio wollte Informationen bevor er hier seine Hilfe anbot. Nicht, dass er hier für irgendeinen zwielichten Kerl bürgte, da war er schon einmal fast mit auf die Nase gefallen, wobei es für seine Schwägerin und seine Nichte ja auch fast lebensgefährliche Folgen hätte haben können.

  • Zusehends entspannt lehnte sich Malleus zurück. Die Reste seiner schlechten Laune wichen allmählich einer wachsamen Aufgeräumtheit. Dass dem Gastgeber offenbar ebensowenig an gedrechselten Wortpreziosen lag wie seinem Gast, kam diesem sehr entgegen. Malleus hatte die Miene des antwortenden Helvetiers aufmerksam beobachtet. Grundsätzliche Ablehnung hatte er in dessen Zügen nicht ausmachen können, vielmehr ein sachliches distanziertes Interesse. Zudem stellte er naheliegende Fragen und erging sich nicht in den üblichen klugscheißerischen Kommentaren über das offenkundige Unvermögen mancher Veteranen, nach ihrer Dienstzeit auf eigenen Füßen zu stehen. Näheres über die Hintergründe seines Gegenübers erfahren zu wollen, war sein gutes Recht und mehr als verständlich.


    „Ja, das ist richtig, Helvetius Curio. Veteran.“, begann Malleus nickend, schlug den Mantel zurück und klopfte bestätigend auf sein Cingulum. „Ich habe meinen Militärdienst in Pannonia geleistet, bei der Ala Prima Tungrorum Frontoniana. Also .. nach der Grundausbildung bei der achten Cohors Breucorum in Castrum von Bonnensia. Beendet habe ich die fünfundzwanzig Jahre Dienstzeit im Rang eines Duplicarius.“
    Wieder konnte er über manche Punkte seiner Vita nur den Kopf schütteln. Duplicarius. Ein Witz. Dabei wäre er zweifellos ein weit fähigerer Decurio gewesen als dieser Drecksack Ceballinus, dessen eigentliche Aufgaben er ohnehin weitgehend übernommen hatte. Aber was nützte es, darüber nachzusinnen, das war alles schon Ewigkeiten her. Mit einem trockenen Räuspern schluckte er die Erinnerungen an seinen Intimfeind hinunter und fuhr fort.


    „Nun ja, die darauffolgenden Jahre habe mit verschiedensten Tätigkeiten in Italia verbracht. Stipator, Tabernabetreiber, Speicherwache auf dem Emporium in Roma, Transportaufseher über die Lastkähne eines Gewürzhändlers, zuletzt Faktotum auf einem Weingut bei Ostia und nebenbei Kampfausbilder eines Sprösslings der dort ansässigen Familie. Tja ...“ Malleus strich sich nachdenklich durch den grauen Bart. Verdammt seltsames Gefühl, nüchtern und sachlich von der Vergangenheit zu berichten als sei es die eines anderen. Nun, im Rückblick, betrachtet, zusammengefasst in ein paar dürren Sätzen, nahm sich sein Leben aus wie ein einziger geschäftiger Nachmittag. Nicht mehr. Und was von alldem an Bildern und Empfindungen übrig geblieben war, begann bereits zu verblassen. Es war eine Pest, altern zu müssen.


    „Irgendwann ..“, nahm er den Faden schließlich wieder auf, „.. hat es mich dann zurück an die Orte meiner Kindheit gezogen. Und da bin ich nun. Im Moment wohne ich im .. also bei .. Potitus Bulbus, einem Schweinezüchter. Eine annehmbare und vor allem preiswerte Bleibe, an der es nichts auszusetzen gibt. Nur werden sich meine finanziellen Mittel spätestens bis zum Fest der Ostara .. also, ich meine im Aprilis .. erschöpft haben. Etwas Geld habe ich über die Jahre zwar ansparen können, aber ein Großteil davon steckt mittlerweile in der Gerberei meines Bruders Sebald, vielleicht kennst du ihn. Bis das mal Früchte trägt, hab’ ich mich wohl längst zu Tode gelangweilt oder bin verhungert." Letzteres war natürlich blanker Unsinn, gestand er sich mit einem leichten Grinsen ein. Auf welche Art auch immer er diese Welt einst verlassen mochte, der Hunger würde ihm gewiss nicht den Garaus machen, so viel war sicher.


    Geradezu amüsiert über die absurde Vorstellung seines Hungertodes lächelte er dem Helvetier zu. “Bevor du fragst, Helvetius Curio .. nein, eine Anstellung bei meinem Bruder ist definitiv keine Option für mich. Ich bin mir für kaum etwas zu schade und habe auch keine hohen Ansprüche an mein Entgelt, aber für meinen Bruder zu arbeiten, kommt nicht in Frage.“

  • Curio hörte interessiert und konzentriert zu. Der Mann schien ja viel herumgekommen zu sein, zuerst bei den Einheiten in Pannonia, später in Italia und nun wieder in seiner Heimat hier in Germania. Der junge Helvetier konnte ja jeden verstehen, der in seine Heimat zuückkehrte. Er wollte ja schließlich auch nicht weg von hier und erst recht nicht das riesige, unpersönliche, ja, regelrecht verdorbene Rom. Dass es Malleus lediglich bis zum Duplicarius gebracht hatte, war für den jungen Helvetier kein Problem, allerdings erklärte es, warum er trotz regulärer Dienstzeit kein Bürgerrecht vorzuweisen hatte. Das wiederum war hier in der Provinz wenn überhaupt nur ein winziger Makel, schließlich gab es hier kaum wirklich unüberbrückbaren Schranken zwischen Bürgern und Peregrinen, seine Schwäger hatte ja auch (noch) kein Bürgerrecht und seine Nichte war, zumindest nominell, auch Peregrina.


    Ein sehr beeindruckender Lebenslauf, Cossus Malleus. Du scheinst ja auch viel rumgekommen zu sein und entsprechend auch schon Erfahrungen in den privaten Betrieben gesammelt. Nur der Vollständigkeit halber: Darf ich davon ausgehen, dass du lesen und schreiben kannst, vielleicht sogar rechnen?


    Schließlich ging es darum, alle möglichen Berufswege für den Veteranen auszuloten und da gehörten dann auch Fähigkeiten dazu, die ihn vielleicht auch außerhalb seiner bisherigen Stellen erwarten konnten. Allerdings war dafür auch ein anderer Faktor entscheidend, nähmlich Malleus selber.


    Jedefalls würde mich noch interessieren, was für eine Anstellung du dir vorgestellt hast. Es gibt ja zahlreiche Möglichkeite, nicht nur in Tätigkeiten, bei denen du körperliche Stärke und Kampferfahrung mitbringen müsstest, zum Beispiel in der Stadt- oder Provinzverwaltung.


    Curio traute es dem alten Haudegen eigentlich nicht zu, dass er sich ernsthaft langfristig an einen Bürojob binden wollte, aber ausschließen konnte er das freilich auch nicht. Eine Anstellung als Scriba, besonders in der lokalen Verwaltung, wäre schnell organisiert. Nichtsdestotrotz ging der junge Helvetier eher davon aus, dass sich der Veteran eher für eine Sicherheitsaufgabe interessierte, für die er aber ebenfalls sehr geeignet schien.

  • Zuhören konnte der junge Helvetier, das musste man ihm wirklich lassen. Malleus hatte Jahre gebraucht, sich diese Tugend auch nur leidlich anzueignen und war noch heute kein Ausbund an Langmut und Zurückhaltung. Auch ein knappes Jahrzehnt als Zivilist hatte es nicht vermocht, ihm den wortkargen Kasernenton gänzlich auszutreiben. Knappe Antworten waren ihm die liebsten, im Idealfall solche, die der Frage zuvorkamen. Sich in epischer Breite über seine Person auslassen zu müssen, war ihm im Grunde zuwider. Schon gar vor Fremden. Erst recht vor Leuten, die mehr aus Neugier als aus aufrichtigem Interesse in den dunklen Ecken seiner Vita herum bohrten. Entsprechend zufrieden registrierte er, dass Helvetius Curio nicht zu letzterer Sorte gehörte. Der wollte schlicht das wissen, was er wissen musste. Immerhin, das musste sich Malleus wiederholt vor Augen führen, wollte er etwas von Curio, nicht umgekehrt. Obgleich er das Gefühl hatte, bereits die ersten Fusseln auf der Zunge zu spüren, blieb er daher aufgeschlossen und mitteilsam.


    „Lesen und Schreiben sind kein Problem.“, beruhigte er den Helvetius, „Das hab’ ich schon als Junge erlernt. Der Onkel, bei dem ich aufgewachsen bin, hat auf sowas einigen Wert gelegt. Rechnen .. nun ja ..“ Malleus kratzte sich brummend am Kopf. „Also .. rechnen .. hm .. kommt drauf an, was du darunter verstehst, Helvetius Curio. Sicher, wenn konkrete Werte oder reale Mengen dahinter stehen, kann ich mit Zahlen durchaus umgehen, das schon.“ Zusammenzählen. Abziehen. Vervielfachen. Teilen. Solcherlei Kram. Klar, er war ja kein Trottel.
    „Wenn du aber diese hirnerweichenden hellenischen Spinnereien meinst, muss ich passen. Mein Waffenschüler in Ostia hatte einen korinthischen Calculator als Hauslehrer. Was der höheres Rechnen nannte, nenn’ ich fortgeschrittene Geisteskrankheit. Also, Rechnen, ja. Phantasieren, nein.“ Höheres Rechnen. Griechischer Mist. Wie man so hörte, hatte es in den einstigen Polis Achaias’ nur so gewimmelt von degenerierten Schwachsinnigen. Kein Wunder, dass es denen nie gelungen war, der römischen Zivilisation etwas entgegenzusetzen. Da er seinen Gesprächspartner für einen realistisch denkenden Mann hielt, ging Malleus einfach mal davon aus, dass solch geistige Purzelbäume erst gar nicht von ihm erwartet wurden.


    Die Frage nach seinen eigenen Vorstellungen erwies sich wiederum als nicht so einfach zu beantworten. Freilich, es stimmte, was der Helvetier sagte. Malleus war viel rumgekommen und hatte auch allerlei Erfahrungen gesammelt. Trotzdem überwog die Anzahl der Tätigkeiten, an denen er sich bislang noch nicht versucht hatte. Haushoch. Nicht eben einfach, sich auszumalen, wie er sich auf Dauer in einem stickigen Officium machen würde oder als notierender Scriba im Hintergrund. Was das betraf, war man also wieder bei seinem Talent zu Langmut und Zurückhaltung angelangt.


    „Nun, ich will mich nicht besser darstellen als ich bin.“, versuchte er die Fragen des Hausherren offen und ehrlich zu beantworten, „Natürlich gehörte es sowohl auf dem Weingut als auch bei der Aufsicht über die Gewürzkähne zu meinen Aufgaben, Buch zu führen. Hab’ ich auch immer ganz anständig hinbekommen. Allerdings hat mich die Erledigung dieser Teilaufgaben ungleich mehr Zeit gekostet, als ihnen eigentlich zugemessen war, wenn du verstehst. Auflistungen und Kalkulationen, die dein Scriba gewiss binnen eines Vormittages abarbeiten würde, haben sich bei mir immer erheblich in die Länge gezogen. Ein Dummkopf bin ich keineswegs, verfüge im Gegenteil über eine recht flinke Auffassungsgabe, die sich jedoch jenseits von Schreibpult und Tabulae weit effektiver nutzen lässt. Beispielsweise im Bereich des Personen- und Objektschutzes. Ob nun unter aktiver oder auch planender Beteiligung. Ich darf mir einen geschulten Instinkt attestieren, der es mir nicht nur ermöglicht, sich entwickelnde Situationen schnell und folgerichtig einzuschätzen, sondern ihnen auch mit den jeweils adäquaten Mitteln zu begegnen oder, wo es möglich ist, ihnen vorzubeugen. Grundsätzlich möchte ich noch einen Umstand betonen: Gemäß meiner persönlichen Ehrauffassung bemisst sich der Grad meiner Zuverlässigkeit nicht an der Höhe des Verdienstes. Ich bin nicht korrumpierbar. Wen ich als Dienstherren anerkenne, entscheide ich selbst. Wem ich aber diene, dem diene ich auch bis zur letzten Konsequenz.“


    Malleus bekräftige seine Sätze mit einem ernsten Nicken und lehnte sich dann seufzend wieder zurück. Bei den Nornen, so viel am Stück hatte er seit Jahrzehnten nicht mehr gequatscht. Nun hing ihm die Zunge aber endgültig in Fransen.

  • Curio musste lachen, als Cossus Malleus von den "hirnerweichenden hellenischen Spinnereien" sprach. Natürlich erwartete er nicht, dass sich jemand hier in der Provinz mit der höheren und äußerst abstrakten Mathematik auskannte. Selbst Curio selbst hatte diese nur ansatzweise gelernt und ebenfalls nicht viel damit anfangen können. Allzu tief waren seine Lehrer dort aber ohnehin nicht eingestiegen, sie waren hier ja schließlich weder in den großen Schulen Achaias, noch in Alexandria oder Rom, wo man sich, soweit er wusste, ja auch einfach mal aus Spaß mit diesen höheren Zahlenspielerein beschäftigte. Mit der Praxis hatten sie aber nur dann zu tun, wenn man es mit Spezialisten zu tun bekam, mit Architekten zum Beispiel, die die Statik eines Gebäudes auszurechnen hatten - worin Curio ja zumindest in seiner Amtszeit als Magister Vici erste Erfahrungen hatte sammeln, allerdings nicht den komplexen Rechnereien des duccischen Architekten folgen können. Stattdessen hatte er sich einfach darauf verlassen, dass die Rechnungen korrekt waren, während seine Aufgabe darin bestanden hatte, Arbeiter sowie Material zu beschaffen, die Arbeiten zu überwachen und gleichzeitig stets auf Fristen zu achten.


    Nein, nein. Die höhere Mathematik ist hier bestimmt nicht vonnöten. Die wichtigsten Rechenarten jedoch sehr wohl. Erfahrungen in der Buchführung und -prüfung ermöglichen dir zudem bestimmt weitere Perspektiven, auch wenn du sie zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht nicht oder noch nicht verfolgen möchtest.


    Was danach folgte, überraschte Curio derweil weniger. Er sah sich selbst vor allem im Objekt- und Personenschutz. Acanthos hatte ja auch erwähnt, dass der Veteran in ihrem ersten Gespräch einen entsprechenden Satz hatte fallen lassen. Grade die Betonung der Loyalität gefiel dem jungen Helvetier außerordentlich.


    Gestatte mir das Eingeständnis, dass ich nicht wirklich überrascht bin. Als ehemaliger Soldat bleibt man natürlich gerne bei seinen alten Aufgaben. Ich hatte glaube ich noch nicht erwähnt, dass mein Vater ein Legionsveteran ist, ich weiß also wovon ich rede.


    Gut, sein Vater betrieb ein Weingut, allerdings hatte er sich ja bis jetzt nie wirklich von seinem Militärdienst trennen können, verkehrte weitgehend mit seinen alten Kameraden, von denen auch einige auf dem Weingut lebten und arbeiteten und hatte nicht zuletzt durch regelmäßigen Drill und tägliches Training dafür gesorgt, dass sein ältester Sohn ebenfalls zu den Adlern gegangen war und hätte es wohl am liebsten gesehen, wenn sein zweitältester, Curio selber, ebenfalls in den Execitus eingetreten wäre.


    Als Malleus geendet hatte und Curio den Eindruch erhielt, dass er etwas zu trinken gebrauchen konnte, deutete er auf die beiden Krüge und Becher.


    Du kannst dich gerne bedienen. Dafür stehen die Sachen ja hier.


    sagte er mit einem freundlichen Nicken, bevor er dann damit fortfuhr, die Möglichkeiten für einen Personen- und Objektschützer aufzuzählen.


    In den von dir angestrebten Bereichen gibt es derweil einige Möglichkeiten. Du könntest entweder in den Postdienst treten und dich dort an eine der Grenzstationen versetzen lassen, wo es ja auch darum geht, die Pferdewechselstationen zu leiten, aber natürlich auch vor Banditen zu beschützen, oder du trittst als Apparitor in den Dienst des Statthalters, um dort mit für dessen Sicherheit zu sorgen und zuletzt die Arbeit für einen städtischen Amtsträger. Alle Kandidaten, die ich kenne - mich eingeschlossen - sind grade damit beschäftigt, ihre Officia vorzubereiten, damit sie nach ihrer Amtseinführung gleich mit der Arbeit beginnen können. Alle diese Posten haben ihre Vor- und Nachteile. Im städtischen Dienst zum Beispiel gibt es keine regulären Apparitores, da diese immer direkt im Dienst der einzelnen Amtsträger stehen. Deine Dienstzeit wäre also auch auf die Amtszeit des Amtsträgers beschränkt, es sei denn, du wirst danach noch im privaten Dienst weiterbeschäftigt oder in späteren Amtszeit erneut eingesetzt. Als Apparitor der Provinz wiederum müssen wir erstmal schauen, dass wir dich beim Statthalter bekannt machen und im Postdienst käme wahrscheinlich mehr Schreibarbeit auf dich zu, als du vielleicht möchtest.


    erklärte der junge Helvetier, goss sich etwas Wasser in seinem Becher und lehnte sich ebenfalls zurück. Seine Händen waren vor seinem Bauch zusammengelegt und so wartete er nun auf die Erwiderung von Malleus. Auch hier hatte Curio einen kleinen Verdacht, der natürlich auch auf den Bericht von Acanthos zurückging.

  • Mathematik. Das war das Wort. Malleus nickte vielsagend. Richtig, mit dieser wohltönenden Bezeichnung hatte der Calculator seine verschlungenen Gedankenknäuel verbrämt. Dass sich der Helvetius offenbar etwas näher mit diesen Hirngespinsten beschäftig hatte, löste in seinem Gast zunächst einen Anflug von Argwohn aus, der sich allerdings sofort wieder in Wohlgefallen auflöste, als Curio die militärische Vergangenheit seines Vaters erwähnte. Malleus quittierte dieses Detail mit einem strahlenden Lächeln. Wenn das so war, brauchte er sich um seinen Gastgeber keine Sorgen zu machen. Als Sohn eines Veteranen waren ihm ganz gewiss die richtigen Werte vermittelt worden. Pflichtbewusstsein, Disziplin, Haltung, Ehrgefühl und all die Tugenden, die einen aufrechten Mann von einer rückgratlosen Krämerseele unterschieden. Sehr erfreulich. Fast hätte er sich ganz entgegen seiner Prinzipien dazu hinreißen lassen, Curio’s Angebot anzunehmen und sich etwas einzuschenken, besann sich aber gerade noch rechtzeitig. „Danke. Vielleicht später.“ Um seinen Durst zu löschen, war er nicht hergekommen.


    Entspannt aber aufmerksam lauschte er den weitern Ausführungen des Helvetiers. Ohne Zweifel, hier war er beim Richtigen gelandet. Der Mann hatte Ahnung und wusste Malleus’ Qualifikationen realistisch einzuschätzen. Der erste Vorschlag erschien zunächst am verlockendsten. Eine der weit verstreuten Mansiones zu leiten, konnte Malleus bei den Plänen, die er mit seinem Schwein von Schwager hatte, sehr zupass kommen. Poststationen waren Sammelbecken für Tratsch, Gerüchte und Informationen aller Art, und die richtigen Informationen ließen sich in Fällen wie diesem nicht mit Gold aufwiegen. Sollte er auch noch das Glück haben, an einer der Ostrouten, gar der nach Nida, eingesetzt zu werden, würden sich daraus Möglichkeiten ergeben, von denen er am Vortag noch nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Aber genau da lag auch das Problem. Eine vermeintlich vielversprechende Ausgangslage konnte leicht zu überstürzten Aktionen verleiten. Alles zu seiner Zeit. Der Sieg liebt die Sorgfalt, wie die Romani zu sagen pflegten. Zudem war er kein Mann leerer Worte. Wenn er eine Position übernahm, füllte er sie auch aus. Unbeeinflusst von persönlichen Befindlichkeiten. Sich als Amtsdiener zu bewähren war daher eindeutig die bessere Alternative. Besser für ihn und alle Beteiligten.


    Wenn es sich so verhielt, wie Curio sagte, war der Weg in die direkten Dienste des Legaten der weitaus umständlichere. Vielleicht mit etwas mehr Ansehen verbunden als die Arbeit für einen der Amtsträger, schon möglich, aber auf Dinge wie Ansehen gab Malleus einen feuchten Flatus. Die Befristung der Dienstzeit bekümmerte ihn ebensowenig. Er war kein naiver junger Träumer mehr. Oft genug hatte er erlebt, wie wetterwendisch das Schicksal sein konnte. Wer wusste schon, was vor ihm lag? Langfristig planen zu können, mochte ja durchaus erstrebenswert sein, grenzte aber nach seiner persönlichen Erfahrung an Hybris. Im schlimmsten Fall würde er sich nach Auslauf der Amtszeit eben neu orientieren müssen. Außerdem blieb die Möglichkeit, sich durch herausragende Dienste doch noch beim Statthalter zu empfehlen. Was nun die in Frage kommenden Amtsträger betraf, lagen seine Präferenzen bereits wohlsortiert vor ihm, besser gesagt, saßen vor ihm. Fragte sich nur, ob der rührige junge Helvetius, der ihm mittlerweile fast schon sympathisch geworden war, überhaupt Verwendung für ihn hatte. Wenn nicht, würde Malleus die Wahl seines künftigen Dienstherren einfach dem Ratschluss Curio’s überlassen.


    „Ich muss sagen, werter Helvetius Curio, die Auswahl an Möglichkeiten, die du mir darlegst, übersteigt sogar die optimistischsten Hoffnungen, die ich in diesen Besuch gesetzt hatte. Allein schon dafür danke ich dir. Nun, wie du ja selbst sagst, ist der Postdienst in erster Linie ein Kampf mit dem Stylus und daher nach meinem Dafürhalten wohl eher für einen gesetzteren Zeitgenossen geeignet. In einer Anstellung als Amtsdiener könnte ich meine Anlagen sicher besser ausreizen. Allerdings verfüge ich, wie schon erwähnt, nicht gerade über besonders tragfähige Beziehungen. Das heißt, um mich als Apparitor bei einem deiner Amtskollegen zu empfehlen, bedürfte es deiner Vermittlung oder zumindest deiner Empfehlung und somit weiterer zeitraubender Umstände deinerseits.“ Malleus brachte sein Bedauern in einem tiefen Brummen zum Ausdruck, das nach einigen Atemzügen in leises Lachen mündete. „Wozu lange um den heißen Puls rumreden. Du brauchst nicht zufällig einen?“

  • Bingo! Er hatte es sich doch gedacht, denn Acanthos hatte ebenfalls gesagt, dass Malleus auf dem Forum etwas dazu gesagt hatte, dass man sich schon vernünftig schützen sollte oder sowas in der Hand. Curio besah sich sein Gegenüber weiter. Er hatte bei jedem einzelnen Punkt von Malleus' Ausführungen genickt, wenn er deren Schlüsse nachvollziehen konnte. In der Tat, als Stationarius würden die schriftlichen Aufgaben diejenigen im Bereich des Objektschutz weit überschreiten. Schließlich machten Banditen ja nicht jeden Tag Jagd auf die immergleichen Poststationen, nein, das wäre ja auch ausgesprochen dämlich, denn irgendwann würden sie dort wahrscheinlich von einer schlagkräftigen Centurie erwartet und niedergemacht werden. Es gab sicherlich viele vertrottelte Räuber, aber die hatten ja in der Regel eine deutlich kürzere Lebenszeit als die Cleveren dieser Sorte und die wiederum waren klug genug, nur dann und wann zuzuschlagen. Für den Posten beim Statthalter, auch da stimmte Curio seinem Gegenüber nickend zu, war viel, viel Vorbereitung nötig, wenn nicht sogar der Eintritt in das duccische Klientel, das im Falle des Statthalters ohnehin schon ziemlich überlaufen sein dürfte. Der letzte Gedankengang schließlich war ebenso nachvollziehbar: Wenn er in die Dienst irgendeines anderen Lokalpolitikers treten wollte, warum wäre er ausgerechnet hierher gekommen? Er hätte ja auch einfach direkt zu dem Politiker seiner Wahl gehen können, so wie er es wahrscheinlich genau hier auch getan hatte.


    Nun, wie ich bereits sagte, suche ich tatsächlich noch den einen oder anderen Amtsdiener - natürlich nur unter der Voraussetzung, dass ich auch tatsächlich gewählt werde.


    Curio besaß sicherlich nicht die Hybris, sich hier bereits als sicheren Sieger darzustellen. Das passte nicht zu ihm, zumal er ja auch darauf bedacht war, trotz aller Nähe zu den Ducciern und deren Parteigängern im Ordo decurionum, den weitaus größten Teil des Wahlkampfes selbstständig und unabhängig zu schultern. Nicht, dass er die Unterstützung eines duccischen Parteigänger ablehnen würde, aber er würder andererseits auch ganz sicher nicht die Reihen der Decurionen abklappern und bei jedem mit seiner Familienbeziehung und Klientelbeziehung zu den Ducciern hausieren gehen. Die Duccier sollten nicht den Eindruck bekommen, dass er ausschließlich an ihrem Togazipfel in den Wahlkampf zog, sondern auch durch eigene Kraft in der Lage war, die Ämter zu erreichen, die er erreichen wollte, was eine Hilfe von duccischer Seite wiederum freilich nicht ausschloss.


    Deine bevorzugte Beschäftigung liegt ja im Personenschutz und genau dort würde ich dich auch sehen, indem du mir zum Beispiel bei öffentlichen Auftritten oder Terminen auf dem Forum, dem Markt oder den Vicinalmärkten vorangehst oder bei meinen Sprechstunden in der Curia für Ruhe und Ordnung sorgst. Doch suche ich zudem jemanden, der auch in der Lage ist, Informationen für mich zu sammeln oder Erkundigungen einzuholen. Ein Schnüffler sozusagen.


    Curio legte die Hände ineinander, während sein Blick weiter auf Malleus ruhte. Eine solche Zusatzqualifikation würde sich sicherlich auf die folgenden Gehaltsverhandlungen auswirken, denn dass er den Veteranen in sein potentielles Officium aufnehmen würde, stand für den jungen Helvetier schon nicht mehr zur Debatte. Vielmehr ging es darum, ob Malleus auch eine gewisse Flexibilität mitbrachte, durch die ein größeres Einsatzspektrum für den Veteran eröffnet werden könnte. Schließlich gab es genug Männer, ehemalige Veteranen oder einfach nur mutige Draufgänger, die zum Beispiel in der Lage waren, Störenfriede aus der Curia zu entfernen. Doch gehörten viele von diesen Kerlen nicht unbedingt zu den hellsten Öllampen, sodass sie eben auch nichts anderes konnten, als genau diese eine Aufgabe.

  • Der Gesprächsfluss strömte eindeutig der richtigen Mündung zu. Tatsächlich hatte Helvetius Curio Bedarf an einem guten Mann, und fürwahr, ein guter Mann saß vor ihm. Freilich hieß das noch nicht, dass er sich bereits für Malleus entschieden hatte, aber die Art wie er seine Vorstellungen konkretisierte, ließ doch auf ein gesteigertes Interesse schließen. Einem gänzlich aussichtslosen Bewerber hätte er wohl kaum eröffnet, worauf es ihm neben dem üblichen Personenschutz vor allem ankam.
    „Ein Schnüffler.“ schmunzelte Malleus hintergründig. „Ich verstehe.“


    Und ob er das tat. Als stolzem Veteranen der Ala brauchte man ihm über die essentielle Bedeutung von Sondierung, Feindaufklärung und Informationsbeschaffung nichts zu erzählen. Was das betraf, hatte seine Arbeit und die seiner Kameraden bereits unzähligen Legionarii den Arsch gerettet. Wie im Großen so im Kleinen. Selbstverständlich würde es nicht darum gehen, gefangenen Dakern oder Iazygen die Rückenhaut abzulösen oder ihnen glühendes Eisen in den Anus zu rammen, sondern um verlässlichen Instinkt, die nötige Beharrlichkeit und ein gerüttelt Maß an Fingerspitzengefühl. Hirnlose Brachialgewalt war hier eindeutig nicht gefragt. Um Curio effektiv schützen zu können, würde sich die Anwendung körperlicher Gewalt freilich nicht gänzlich vermeiden lassen. Ein entsprechender Informationsstand konnte sie allerdings in den meisten Fällen bereits im Vorfeld obsolet machen. Das politische Geschäft – gleichviel, ob nun in den italischen Metropolen oder den Civitates der Provinzen – glich weniger einem offenen Schlachtfeld als einem mit Fallen gespickten Pfad durch unübersichtliches Gelände. Es gab die gedungenen Angreifer, Aufrührer und Stänkerer, gewiss. Daneben gab es aber auch die gedungenen Opfer. Provokateure, die einzig und allein dafür bezahlt wurden, sich von den Gefolgsleuten des politischen Gegners auf möglichst spektakuläre Art und Weise schädigen zu lassen, um es ihrem Auftraggeber zu ermöglichen, dem Kontrahenten einen Strick daraus zu drehen. Da brauchte es schon einiges an Gespür und Hintergrundwissen, wollte man seinem Schützling keinen Bärendienst erweisen.


    Dass der Helvetier den immensen Wert von Informationen kannte und zu schätzen wusste, konnte die Überzeugung seines Gastes, dem richtigen Mann gegenüber zu sitzen, nur bestätigen. Natürlich würde Curio von einem Schnüffler nicht nur Informationen erwarten, die für seine Sicherheit relevant waren, sondern auch - und vermutlich größtenteils - solche, die seiner Karriere dienten. Das war Malleus vollkommen klar und kam seinen eigenen Interessen weit mehr entgegen als der junge Helvetius ahnen konnte. Trotzdem ließ er sich mit der Antwort Zeit, deutlich mehr Zeit, als nötig gewesen wäre. Zeit für sich selbst, aber in erster Linie für Curio. Ihn mit Worten für sich einzunehmen war ja schön und gut, aber wenn der junge Bursche nicht selbst zu spüren begann, dass er seinem Gesprächspartner vertrauen konnte, half alles Gerede nichts.


    „Nun denn, geschätzter Helvetius Curio.“ beendete Malleus schließlich das nachdenkliche Schweigen. „Bei aller Bescheidenheit gehe ich einfach mal davon aus, dass wir uns über meine Eignung zum Personenschützer weitestgehend einig sind. Da bin ich ohne Zweifel dein Mann. Kommen wir also auf die von dir erwähnte Zusatzqualifikation zu sprechen. Nun, was ich Dienst bis zu letzten Konsequenz genannt habe, beinhaltet selbstredend weit mehr als die Bereitschaft, mich im Zweifelsfall für dich abstechen zu lassen. Ich erachte das Beschaffen und Auswerten von Informationen als geradezu unabdingbar für einen umfassenden Schutz des mir Anvertrauten. Dass ein Mann deiner Profession nicht allein an vorbeugendem Wissen interessiert ist, sondern auch Nutzen aus dem einen oder anderen schmutzigen Detail zu schlagen weiß, liegt auf der Hand. Auch in dieser Beziehung kannst du meiner Loyalität gewiss sein.


    Allerdings werden dafür früher oder später ein paar zusätzliche Sesterzen vonnöten sein. Nicht für mich selbst wohlgemerkt. Zunächst wird es eine ganze Weile dauern, bis man mich dem Amtsträger Helvetius Curio zuordnet. So lange kann ich bedenkenlos den unbedarften neugierigen Einfaltspinsel spielen. Wenn sich aber erst einmal bis zur letzten Kuhweide herumgesprochen hat, dass ich deinen Schutz übernommen habe, wird manch parteiischer Informant mir persönlich mit Argwohn begegnen. In solchen Fällen wird es nötig sein, auf einen von mir unterwiesene und geführten Helfer - nennen wir ihn Unterschnüffler - zurückzugreifen. Jemand, der nicht mit deiner Person in Verbindung gebracht werden kann. Auswahl und Instruktion eines solchen Unterschnüfflers darfst du getrost mir überlassen, nur werden eben noch weitere Kosten anfallen. Dies nur der Erwähnung halber, denn ich wette die Hinterbacken meines Hengstes, dass du auch solche Eventualitäten bereits in deine Überlegungen mit einbezogen hast. Oder liege ich da falsch?“


    Mit gutmütig erhobenen Augenbrauen lächelte er dem findigen jungen Mann zu und füllte sich endlich den Becher. Vier fingerbreit Wein. Drei fingerbreit Wasser. Ein gutes Mischungsverhältnis für die Tageszeit.

  • Curio gefiel, was er hörte. Und dem weitaus größten Teil konnte er zustimmen. Natürlich hätte Malleus sein Gesicht irgendwann verbraucht und natürlich gab es viele Informationen nicht umsonst, wenn er andere dafür anstellte, diese zu beschaffen. Es fielen weitere Worte, bei denen Curios Bauchgefühl ein weni rebellierte und wiederum andere, die sich in der Theorie ganz hervorragend anhörten, in der Praxis aber noch entsprechend umzusetzen waren. Doch das gehörte ja zu dem Beginn jeder beruflichen Beziehung dazu.


    Nun, wir sind uns einig. In Vielem. Fast in allem. Doch möchte ich an dieser Stelle bereits drei Dinge anmerken, die ich dir der Fairness halber mitteilen möchte. Erstens. Es ist nicht mein Stil, meine politischen Gegner solange mit Dreck zu bewerfen, bis sie darin untergehen, und es ist ebensowenig mein Stil, sie mit körperlicher Gewalt auf meinen Kurs zu zwingen.


    Ein einziges Mal hatte er körperliche Gewalt abseits staatlicher verordneter Bestrafung gutgeheißen und bis heute spukte dies in seinem Hinterkopf herum. Er war überzeugt davon, dass es richtig gewesen war, dass sein Bruder den Petronier verprügelt hatte, weil dieser Alpina ausgenutzt hatte, was sie beinahe ihr Leben gekostet hatte. Aber politische Gegner damit unter Druck setzen? Nein, dass lag ihm so gar nicht.


    Du darfst mich gerne naiv nennen und mir ist ebenso bewusst, dass meine Gegner im Zweifel nicht zimperlich mit mir umgehen werden. Dennoch möchte ich meine politischen Gegner lieber mit Argumenten überzeugen, als mit einer gut gewetzten Klinge. Ebenso glaube ich kaum, dass eine Schlammschlacht irgendetwas gutes mit sich bringt. Natürlich höre ich mich gerne Informationen jeglicher Art an, machen wir uns nichts vor, es ist immer wichtig, zu wissen, was in der Stadt vorgeht, aber solange es nicht klare Beweise für ein Verbrechen sind, werde ich nichts davon nutzen.


    Er war nicht perfekt und er konnte schlecht von seinen Konkurrenten und Gegnern im Ordo decurionum verlangen, dass sie es waren. Er wollte mit politischen Vorhaben und deren Umsetzung überzeugen und nicht mit irgendwelchen Erpressungen oder Informationsvorsprüngen.


    Zweitens. Loyalität und Vertrauen. Ich bin bis zum jetzigen Zeitpunkt gut damit gefahren, nur wenigen Menschen bedingungslos zu vertrauen. Alle diese Menschen begleiten mich schon lange und haben sich dieses Vertrauen hart erarbeitet. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich dich in diesen Kreis werde aufnehmen müssen, damit du deine Aufgaben erfüllen kannst und ich dir dabei nicht völlig überflüssigerweise im Weg stehe. Gib mir aber bitte Zeit damit. Es wird nicht von heute auf morgen funktionieren, aber glaube mir bitte eins. Alle, die sich mir gegenüber als loyal gezeigt haben, werden ebendiese Loyalität auch von mir erfahren. Am Vertrauen allerdings werden wir beide gemeinsame arbeiten müssen.


    Malleus würde merken, dass Curio seine Versprechen einzuhalten pflegte. Es würde vielleicht aber ein bisschen dauern, aber er musste wohl lernen, seinen engen Kreis größer zu ziehen, je weiter er die Karriereleiter aufsteigen würde. Aber da war noch etwas, etwas außerordentlich Wichtiges.


    Drittens. Meine Familie. Meine Familie, und dazu zähle ich nicht nur meine Frau und mein Kind, das - so die Götter wollen - bald zur Welt kommen wird, sondern auch meine Schwägerin Alpina und deren Tochter, auf die ich während der Abwesenheit meines Bruders zu achten habe, und alle Sklaven und Bediensteten, die unter diesem Dach wohnen, genießt meinen vollumfänglichen Schutz. Angriffe gegen diese sind Angriffe gegen mich und sind - entsprechend zu beantworten. Sollte dir während deiner Tätigkeit zu Ohren kommen, dass irgendwas gegen diesen Kreis geplant wird, bitte ich dich, mich umgehend zu informieren. Wir werden dann gemeinsam entsprechende Vorkehrungen treffen.


    Wenn es um seine Familie ging, hörte bei ihm jeder Spaß auf. Seine Frau hatte schon genug damit zu tragen, den Haushalt zu führen, seinen Sohn großziehen und dann und wann an seiner Seite öffentliche Auftritte wahrzunehmen, Alpina half der Gesellschaft mit ihrer Tätigkeit mehr, als so mancher großmäulige Aufschneider, und alle anderen sorgten dafür, dass sein Leben und seine Karriere so verlaufen konnte, wie sie es tat. Wer einen von ihnen ins Visier nahm, nur um dem jungen Helvetier zu schaden, hatte mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu rechnen und diese waren sicherlich nicht durch Mildtätigkeit geprägt. Nein, die hatten sie nämlich in dem Moment verspielt, als sie sich nicht mit ihm selbst auseinandersetzen wollten, sondern lieber seine Umgebung zu attackieren.


    Curios Stimme war ernst geworden, sehr ernst. Grade bei seinen letzten Worten. Er wollte sich nicht vorstellen, einen Menschen seiner näheren Umgebung zu verlieren, aber je höher er stieg, desto mehr Leute gab es, denen genau das nicht gefiel. Einigen von ihnen traute er es sogar zu, diese Grenze des Anstandes zu überschreiten.


    Also, kommen wir soweit überein?


    Die Frage kam sicherlich nicht aus dem Nichts. Curio hatte wohl bereits mehr als deutlich gemacht, dass er sich schon mitten in den Einstellungsverhandlungen befand. Zwei Punkte standen nun noch auf der Agenda, aber vorher wollte er wissen, ob Malleus bereit war, diese drei Punkte zu akzeptieren.

  • Malleus behielt die Hand am gefüllten Becher, drehte ihn langsam zwischen den ausgestreckten Fingern hin und her, führte ihn aber nicht an die Lippen. Noch nicht. Ob es tatsächlich einen Anlass gab, ihn zu erheben, würde sich erst erweisen, wenn der Hausherr mit seinen Ausführungen zu Ende war. Es deutete zumindest alles darauf hin. Die Punkte, die Curio aufführte, waren schlüssig und nachvollziehbar. Gewiss, es fielen dabei auch Bemerkungen, die zu einer Ergänzung geradezu herausforderten, aber Malleus ließ sich nicht hinreißen, lauschte stattdessen mit ausdrucksloser Miene, quittierte die eine oder andere Aussage mit einem zustimmenden Nicken und hielt sich ansonsten bedeckt. Er hatte das Seine gesagt. Alles Weitere lag bei Helvetius Curio. Zusätzliche Kommentare würden das Gespräch nur unnötig in die Länge ziehen. Im Wesentlichen war man sich ja einig, und angesichts der Tatsache, dass sein Gegenüber ihm trotz allen Einvernehmens noch immer ein Fremder war, durfte man Curio ein gewisses Maß an Vorsicht und Zurückhaltung nicht verdenken. Ganz im Gegenteil. Wenn der Helvetius sein Vertrauen weiterhin so sparsam verteilte, wie es offenkundig in seiner Natur lag, war das Malleus nur recht. Auch für den Versuch seines Dienstherren in spe, ihn bereits im Vorfeld etwas an die Kandare zu nehmen, hatte er vollstes Verständnis. Dass seine angedeutete Herangehensweise für die Verhältnisse in einer Provinzcivitas überspitzt und unnötig martialisch wirken musste, war ihm völlig klar. Nur hatte er schon zu viele böse Überraschungen erlebt, um sich nicht auf alle Szenarien, und seien sie noch so unwahrscheinlich, entsprechend vorzubereiten. Das lag eben wiederum in seiner Natur. Und seinem Schützling konnte das nur zugute kommen.


    Alles in allem, und abgesehen vielleicht von ein paar Restbedenken, die sich im Laufe der Zeit fraglos von selbst zerstreuen würden, hatten sich die beiden ungleichen Männer also offenkundig verstanden. Auf Curio’s abschließende Frage, ob sie überein kamen, konnte es daher nur eine Antwort geben:


    „Ja, das tun wir, Helvetius Curio. Wir kommen überein.“ Malleus ließ seine unbewegte Maske fallen und bedachte den jungen Helvetier mit einem verständnisvollen Lächeln. „In allen genannten Punkten. Und gewiss auch, was den Verdienst eines anständigen Apparitoren angeht. Ich nehme an, da gibt es allgemein übliche Sätze, an denen du dich orientieren wirst. Ich werde deinem Vorschlag also mit Interesse lauschen, dann so tun, als müsste ich ihn mir noch einen Moment durch den Kopf gehen lassen, um ihm schließlich aller Wahrscheinlichkeit nach höchst zufrieden zuzustimmen.“ Vertrauen gegen Vertrauen. Genau darum ging es hier.

  • Curio nickte zufrieden. Einigkeit in diesen Punkten war ein guter Anfang, wobei er natürlich in der Zukunft auch froh sein würde, wenn Malleus Meinungen äußern würde, die denen des Helvetiers widersprachen, aber aus seiner Sicht aus welchen Gründen auch immer sinnvoller, sicherer oder generell besser wären. Diese Aussprachen sollten sich natürlich auf die Vier- oder Sechsaugengespräche, weil Acanthos ja auch meistens dabei sein würde, beschränken, die sie hier oder abseits der Öffentlichkeit haben würden.


    Im Anschluss daran schnitt Malleus aber nun das Gehaltsthema an. Der junge Helvetia musste überlegen, nickte dann aber erneut.


    Nun, die normale Entlohnung eines ungelernten Apparitors beträgt 10 Sesterzen.* Allerdings glaube ich kaum, dass die Höhe bei denen Qualifikationen angemessen ist. Zudem werden sich deine Aufgaben ja nicht darauf beschränken, mir voranzugehen, sondern zugleich auch ganze Sicherheitskonzepte zu entwickeln und weiterhin, wie besprochen, Informationen zu sammeln oder sammeln zu lassen. Mit Blick darauf bin ich bereit, dir den doppelten Apparitorlohn von 20 Sz. zu zahlen zuzüglich einem Vorschuss auf deine Recherchetätigkeiten von weiteren 10 Sz. Dies macht insgesamt 30 Sz., die dir von Acanthos hier wöchentlich ausgezahlt werden.


    sagte der Helvetier mit ruhiger Stimme. Mit dem zusätzlichen Aedilsgehalt würde das zum Glück problemlos möglich werden. Als Magister Vici hatte er ja noch in der prekären Lage gesteckt, kein festes Einkommen zu haben, da er ja auch nur noch ehrenamtlich im Tempel mitgearbeitet hatte.


    Allerdings gibt es da eine weitere Sache: Natürlich kann der Apparitor eines Aedils nicht in einem Schweinstall... wohnen. Hast du dafür bereits eine Lösung?


    Curio seinerseits sah zwei Möglichkeiten, von denen er allerdings die eine noch sondieren musste.


    Sim-Off:

    *WiSim-Lohn eines Statthalterapparitors im Tabularium

  • „Das Ende krönt das Werk.“ murmelte Malleus wolkig, weil ihm schlichtweg nichts Geistreicheres einfiel, um seine Verblüffung zu überspielen. Beim Schweife Slepnirs’, das war ein verdammt anständiges Angebot, das der Helvetius ihm hier unterbreitete. Eines, das er gar nicht ablehnen konnte, wenn er noch einigermaßen bei Trost war. Mit zehn Sesterzen hatte gerechnet, mit fünfzehn geliebäugelt. Zwanzig Sesterzen pro Woche waren erfreulich, nicht unangemessen selbstredend, aber dennoch höchst erfreulich. Zumal auch der Betrag, den Curio für Recherchen veranschlagt hatte, realistisch angesetzt war. Damit ließ sich arbeiten. Und mit dem jungen Helevtier, dessen klar umrissene Gehaltsvorstellung jedwedes Feilschen hinfällig machte, gewiss ebenso. Malleus war’s zufrieden.


    Was ihn allerdings wirklich verdutzte, weit mehr noch als der anstandslos in Aussicht gestellte Verdienst, war die Sache mit seiner Bleibe. Was um alles in der Welt war denn an einem Schweinestall auszusetzen? Noch dazu, wo es sich um einen jüngst erst von Schweinen befreiten Schweinestall handelte, einen bloßen Stall also, der nun Pferde und einen Veteranen beherbergte? Sicher, größere Empfänge würde er da keine abhalten wollen, nichtsdestotrotz passte einer wie er da vorzüglich rein. Immerhin war er in einem Langhaus geboren, was ja genau genommen auch nichts anderes war als ein Stall. Gut, zugegeben, der Stall, in dem er momentan wohnte, konnte seine ehemaligen Insassen nicht verleugnen, Schweinemist roch eben noch eine Spur penetranter als Pferdedung,. Aber es war gemütlich da drin. Gemütlich, warm und vor allem günstig. Dazu kam, dass er dort jederzeit Luitberga, die Sonne seiner Lenden, empfangen konnte, ohne vorher irgend jemanden fragen zu müssen. Vor allem aber hatte er seine Ruhe. So ein Stall war verflucht nochmal was Feines. Trotzdem war Curio’s Einwand eine gewisse Berechtigung nicht ganz abzusprechen. Es fing schon damit an, dass Malleus verfügbar sein musste. Zudem hatte der Helvetius auf seinen Ruf zu achten. Ein Apparitor, der sich jeden Morgen erst einmal aus dem klammen Stroh wühlen musste, um seinen Dienst anzutreten, war da wohl nicht gerade hilfreich. Andererseits herrschte im Municipium nicht gerade ein Überfluss an bezahlbarem Wohnraum, um diese Jahreszeit schon gar nicht. In seinem Stall hatte er wenigstens ein Dach über dem Kopf.


    Derart beschäftigt mit Selbstrechtfertigungen bezüglich seiner Wohnsituation hätte Malleus fast vergessen, die von Curio dargelegten Konditionen zu kommentieren. Nicht, dass es da viel kommentieren gegeben hätte.
    „Nun, Helvetius Curio, dein Angebot ehrt mich gleichermaßen wie es dich ehrt. Selbstverständlich nehme ich es an. Ich danke dir. “ Das war nun also das. Zeit, anzustoßen? Noch nicht. Blieb noch dieses eine leidige Thema.


    „Tja, was meine Unterkunft betrifft .. nein, mit einer Lösung kann ich da im Moment nicht aufwarten.“ Ein leichtes Grinsen bemächtigte sich Malleus’ Zügen. „Bis gerade eben wusste ich ja noch nicht einmal, dass ich ein Problem habe.“ Gewiss war das nicht die Antwort, die sich sein Gegenüber erhofft hatte, aber was sollte er machen? Jetzt, wo die Räume beheizt werden mussten, schlugen die Zimmerwirte die Hälfte der Miete nochmal oben drauf, wenn sie sie nicht gar verdoppelten. Hinzu kam, dass viele Reisende vom frühen Winter überrascht worden waren und zusätzlich hier festsaßen. Auf die Schnelle eine neue Bleibe zu finden, würde sich schwierig gestalten. „Da werde ich mich wohl schleunigst umhören müssen. Bei meinem Bruder Sebald zu wohnen, kommt jedenfalls ebensowenig in Frage, wie für ihn zu arbeiten.“

  • Es hatte einmal ein Gespräch in der Runde des Fabriciers gegeben. Da hatten sich die ehemaligen Stadtbeamten über die Bezahlung der Mitglieder ihrer Officia ausgelassen. Einer der ehemaligen Aedile, der ohnehin als sparsam, wenn nicht sogar als geizig bekannt war, hatte den Standpunkt vertreten, dass man seinen Untergebenen ohnehin nicht trauen könne, wenn sie nicht in einem klaren Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Dienstherren stünden. Eine gute Entlohnung sei daher nur Perlen vor die Säue geworfen. Ein ehemaliger Duumvir wiederum hatte die gegensätzliche Meinung vertreten, dass ein gutbezahlter Untergebener nicht nur verlässlicher arbeite, sondern zugleich auch zufriedener in seiner Anstellung sei. Dadurch würde die Hemmschwelle für illoyales Verhalten und Bestechlichkeit potenziell steigen. Curio hielt die Argumentation des gewesenen Duumvirs für nachvollziehbarer. Daher verstand es sich von selbst, dass er die freien Bediensteten ordentlich entlohnte und auch die Sklaven ein Taschengeld bekamen. Zudem legte er Wert auf ein gutes Verhältnis zu allen Bediensteten, ob frei oder unfrei, auch wenn sich dieses freilich zumeist erst entwickeln mussten.


    Gut.


    Curio nickte also, als Malleus das Gehaltsangebot annahm, gab Acanthos ein Zeichen, dass er dies auch schriftlich fixieren sollte, damit das auch ja nicht irgendwo unterging. Allerdings stand noch die Frage nach dem Wohnraum aus. Es stand für den jungen Helvetier außer Frage, dass seine Bediensteten in Ställen lebten. Dabei überraschte es ihn nicht, dass er jetzt spontan keine Lösung dafür sah, doch es hätte ja möglich sein können, dass er bereits eine Kammer oder sowas in Aussicht hatte, wenn er nur ein regelmäßiges Einkommen vorweisen konnte. Das war aber offensichtlich nicht der Fall, was aber auch kein Problem darstellen sollte.


    Es gibt diverse Möglichkeiten. Du hast dich ja bestimmt über mich informiert und weißt daher auch, dass ich im städtischen Kult des Apollo Grannus Mogon tätig bin.


    Da er das ja in seinem Wahlkampf praktisch bei jedem Auftritt laut hinausposaunte, sollte das eigentlich bald die ganze Stadt wissen.


    Hinter dem Apollo-Tempel befindet sich ein Haus, in dem im Obergeschoss Wohnkammern für Gäste des Cultus vergeben werden. Als ich zuletzt mit den Kammern zu tun hatte, war die Auslastung sehr gering, sodass dort auch jetzt noch etwas frei sein sollte. Deren Kosten halten sich in gesunden Grenzen. Das wäre natürlich nur eine Übergangslösung bis der Winter vorbei ist und sich die Wohnungssituation in der Stadt wieder entspannt. Im Laufe der Amtszeit müsstest du dich also selbstständig nach einer Kammer umsehen, wobei du mich natürlich gerne als Referenz angeben könntest.


    Nummer 1. Der Vorteil bestand darin, dass er recht unabhängig sein würde und sich nah am Forum befände. Der Nachteil, dass er recht abseits der Casa lebte und nicht immer greifbar wäre.


    Ich kann dir zudem eine zweite Möglichkeit anbieten. Hier im Haus befindet sich eine ungenutzte Taberna mit einer Einliegerwohnung mit kleinem Atrium und zwei Zimmern. Die Taberna könntest du in Absprache mit mir nach eigenem Ermessen nutzen und dir dort auch für die Zeit außerhalb meiner Amtszeit ein kleines Gewerbe aufbauen. Hier müssten wir allerdings über eine angemessene Miete verhandeln.


    Nummer 2. Vorteilhaft war, dass er direkt im Haus wohnte und sich damit die Option auf eine eigenständige Lebensgrundlage zu schaffen. Allerdings waren solche Einheiten gefragt und die hier würde deutlich teurer werden, als eine einfache Kammer.

  • In Malleus begann es zu arbeiten. Zunächst einmal sprach alles für Curio’s zweitgenannte Alternative. Hier in der Casa Quartier zu nehmen, würde ihm seine Aufgabe, den Helvetius und dessen persönliches Umfeld vor Ungemach zu bewahren, erheblich erleichtern. Er hatte sich durchaus zu Herzen genommen, was Curio über seine Familie gesagt hatte, und schloss deren Schutz selbstverständlich in seine Dienstauffassung mit ein. Sollte es da irgendwelche Probleme geben, wäre er bereits vor Ort und müsste nicht erst von einem Boten herbeigerufen werden. Zudem konnte er sich so ein unverstellteres Bild von ebenjenem Umfeld machen, was für eine realistische Einschätzung der Lage ohnedies unabdingbar war. Was Luitberga betraf, würde er freilich umdisponieren müssen. Gewiss, er brauchte sich ihrer nicht zu schämen, sie war ein stolzes, aufrechtes und zuverlässiges Weib, keine verschlagene kleine Lupa. Dass sie in der Taberna der Duccier arbeitete, machte sie noch lange nicht zur niederen Dienstmagd. Nur hatte sie hier bei den Helvetiern rein gar nichts zu suchen. Wenn er einigermaßen sparsam mit seinem Verdienst umging, sprach aber nichts dagegen, den lauschigen Platz in Bulbus’ Koben auch weiterhin für allerlei Erbauliches zu nutzen. Ein Mann brauchte schließlich etwas, woraus er Kraft schöpfen konnte.


    Auf den ersten Blick überwogen also die Argumente für eine Anmietung der leerstehenden Räume im vorderen Bereich der Casa. Eine auf ein Minimum reduzierte Reaktionszeit, Einblick in die familieninternen Vorgänge, die Möglichkeit kurzfristig anberaumter Besprechungen, das leichtere Einbeziehen des helvetischen Haushaltes in eventuell nötige Schutzmaßnahmen, alles schätzenswerte Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen waren. Vorteile natürlich in allererster Linie für Helvetius Curio. Vom finanziellen Standpunkt betrachtet kam diese Alternative für Malleus einer Torheit gleich. Sicher bestand theoretisch die Möglichkeit, sich mithilfe der Räumlichkeiten ein Zubrot zu schaffen, nur bestand sein Händchen für gewerbliche Unternehmungen aus nichts als fünf Daumen. Wenn er da an seine Erfolge als Weinhändler dachte .. nun ja.


    Für Curio dagegen barg diese Lösung keinerlei Risiko, im Gegenteil. Wenn das Gehalt seines Apparitors zum Großteil als Miete für ein bislang ohnehin ungenutztes Objekt wieder in die eigenen Schatullen zurückströmte, beziehungsweise diese erst gar nicht verließ, hatte er sich letztlich für kleines Geld umfassenden Schutz gesichert. Das war auch völlig in Ordnung so. Jeder musste sehen, wo er blieb. Vorausgesetzt, die Miete würde sein Gehalt nicht auffressen, schien Malleus die zweite Variante trotz allem noch immer die vernünftigere. Was ihm daran sauer aufstieß, hatte daher auch nichts mit den Kosten zu tun, sondern wieder einmal mit seiner ureigensten Natur. Der Gedanke, quasi zu einem Teil des helvetischen Hausstandes zu werden, schmeckte ihm ganz und gar nicht. Er war kein Atriensis, schon gar kein Aushilfsianitor und erst recht kein Leibdiener. Außerdem ließ er sich nicht gerne auf die Finger schauen, gleichviel von wem. Aber bevor er sich mit derlei Bedenken herumschlug, musste er eine Zahl hören. Wenn die entsprechend hoch ausfiel, erübrigten sich weitere Überlegungen sowieso. In diesem Fall würde es dann eben eine Dachkammer hinter dem Apollotempel werden. Auch nicht zu verachten, und – zumindest nach Ansicht des ehrenwerten Helvetius Curio – in jedem Fall besser als ein Stall. Malleus sah das naturgemäß etwas anders, wollte in diesem Punkt aber auch nicht den eingeschnappten Starrkopf spielen.


    „Ja nun, das sind gewiss zwei sehr vernünftige Alternativen, jede für sich genommen mit gewissen Vorteilen verbunden. Wem sag ich das. Ich denke aber, was meine Aufgaben und damit deine Sicherheit anlangt, sind die Argumente, die für eine Einquartierung in der Casa sprechen, geradezu bestechend. Natürlich gehe ich nicht davon aus, dass du dir in deinen vergleichsweise jungen Jahren schon genug Feinde gemacht hast, um dich Tag und Nacht bewachen zu müssen. Aber eine wohlplatzierte Natter kann mehr Chaos anrichten als ein Sack voll Vipern. Wer dir oder deiner Familie wirklich Übles will, hält sich nicht an die Besuchszeiten. Insofern ist dein zweiter Vorschlag fraglos zu favorisieren. Da stellt sich nun allerdings die Frage nach der Machbarkeit. An welchen Mietsatz hättest du da gedacht? So in etwa?“

  • Curio war es eigentlich gleich, ob Malleus eine der beiden Alternativen annahm und wenn, welche er nehmen würden. Der Stall war aber für den jungen Helvetier keine Dauerlösung, es sei denn, er würde zu einem reinen Wohnort umgebaut. Aber welcher Landwirt konnte sich sowas schon leisten? Deswegen blieb er auch recht entspannt, während der Veteran die Vorteile der Einliegerwohnung herausstrich. Hier wollte Curio aber noch etwas klargestellt wissen.


    Also erstmal möchte ich anmerken, dass wir einen sehr zuverlässigen Ianitor haben, an dessen Stellung ich nicht zu rütteln gedenke, sowie einen weiten Custos Corporis, der mit deiner Einstellung in erster Linie als Begleiter meiner Frau und meiner Schwägerin agieren wird, zumal meine Schwägerin auch regelmäßig von Gebärenden in der Nacht gerufen wird. Hier im Haus sind wir also so sicher, wie man in den eigenen vier Wänden eben sein kann, solange jetzt keine wütende Menge versucht, sich Zugang zu verschaffen. Das würde sich aber, falls es denn - die Götter mögen es verhüten - wirklich soweit kommen sollte, ohnehin nicht verhindern oder höchstens verzögern lassen.


    Curio hatte diesen Aspekte bisher noch gar nicht bedacht, da es keine Hinweise darauf gab, dass einer seiner Gegner tatsächlich eine Schlägertruppe engagieren würde, um ihn - und dann vermutlich auch seine Familie - aus dem Weg zu schaffen. Allerdings hatte er auch kein Interesse daran, sein Haus in ein Militärlager umzubauen, in dem Glauben, dadurch ließe sich eine noch größere Sicherheit für dessen Einwohner erreichen. Ohnehin würden da die beiden Hausherrinen nur gegen revoltieren, da sie doch eher zu den freiheitsliebenden Menschen gehörten.


    In der Tat wird die Miete für Taberna und Wohnung nicht günstig und leider sind diese auch nur gemeinsam vermietbar, da die Wohnung ausschließlich durch die Taberna betreten werden kann. Mindestens zehn Sesterzen müsste ich dafür veranschlagen und wahrscheinlich wird mir Acanthos hier raten, sogar noch mehr zu nehmen, 15, wenn nicht sogar 20 Sz., um die laufenden Kosten zu decken. Natürlich hätte ich Verständnis dafür, wenn dir das zu viel ist, zumal es ja gut die Hälfte deines Lohns ausmachen würde. Die Kammer hinter dem Apollo-Tempel wäre indes natürlich deutlich günstiger.

  • Runa war auf der Suche nach ihrem Mann, von dem sie wusste, dass er heute erst später Termine hatte. Man hatte ihr auch gesagt, dass er das Haus noch nicht verlassen hat, so wollte sie die Gelegenheit nutzen um noch ein paar Kleinigkeiten mit ihm zu besprechen. So platze sie nun mitten in das Gespräch der beiden Männer.
    „Curio...“ Erst jetzt nahm sie wahr, dass ihr Mann nicht allein war. „Oh. Hej.... Ich mein Salve... Ich wollte nicht stören. Currio, wenn du nachher bevor du gehst noch einen Moment Zeit hast?“

  • Malleus hörte sich in Ruhe an, was der Hausherr über Aufgabenverteilung, Lageeinschätzung und Mietkonditionen zu sagen hatte und ließ dann ein zustimmendes Brummen vernehmen. Der Helvetius wollte keine Fremden im Haus. Völlig nachvollziehbar. Ebenso nachvollziehbar war auch der für ihn unerschwingliche Mietpreis. Damit hatte er schon gerechnet. Die Ideallösung war eben nicht immer die beste Lösung. Dass Curio ihm trotz Kenntnis der hohen Miete diese Alternative überhaupt vorgeschlagen hatte, nahm er mal so hin, und zog seine Schlüsse daraus. Nahe beim Forum zu wohnen, noch dazu in einer bezahlbaren Bleibe hatte jedenfalls auch seine Vorteile. Von dort waren es nur ein Paardutzend Schritte zur Taberna Silva Nigra und etwas mehr als eine Viertelmeile zu Bulbus’ Stallungen, wo Funkan und Procella untergebracht waren. Das passte alles ganz gut. Malleus würde nach getaner Arbeit etwas Abstand haben und seinen Dienstherren dennoch zügig erreichen, wenn der seine Hilfe benötigte. Und falls es die Situation erforderte, konnte man immer noch eine Feldpritsche in die leere Taberna stellen, für eine Nacht oder zwei. Weiter würde er in den privaten Kreis des Helvetiers nicht vordringen. Er hatte Curio durchaus verstanden. Vollkommen. Mit einem knappen Nicken nahm er die Hand vom Weinbecher und verschränkte gemächlich die Arme vor der Brust.


    „Ich verstehe, Helvetius Curio. Schön. Dann werde ich mich also um eine der Gästekammern des Cultus bemühen und mich parallel nach einer längerfristigen Lösung umsehen. Das sollte zu machen sein. Gehe ich recht in der Annahme, dass ein Umzug erst vonnöten sein wird, wenn deine Amtseinführung erfolgt ist?“

  • Sehr gut. Damit hätten wir von meiner Seite alles geklärt. Ich würde mich jedenfalls freuen, dich in mein Officium aufzunehmen, falls ich gewählt werde.


    sagte Curio zufrieden. Eigentlich hatte er nicht erwartet, dass er so schnell noch jemanden für sein Officium finden könnte. Aber er musste wohl lernen, dass die Leute jetzt auf ihn zukamen, wenn sie etwas wollten, während das bis jetzt immer andersherum gewesen war. Er hatte ohnehin noch viel zu lernen, vor allem musste er damit zurecht kommen, dass er mittlerweile nicht mehr der Junge war, der vollkommen abgerissen hier in Mogontiacum angekommen und nur durch die Vermittlung seines Bruders bei Alpina in der Casa Atia aufgenommen worden war. Er war nun wer in dieser Stadt, wenn auch klar gebunden an die Duccier, aber es gab bereits Menschen, die ihn für so wichtig hielten, dass sie sich sogar mit Bitten um Gespräche an ihn wanden.


    In der Tat sind alle Abmachungen abhängig davon, ob ich gewählt. Bis dahin kannst du...


    Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment betrat Silvana den Raum, sich offenbar nicht bewusst darüber, dass er schon so früh einen Gesprächstermin hatte. Wie immer, wenn er seine Frau sah, stockte er kurz und sein Blick wurde erfüllt mit einer Mischung aus Liebe, Milde und Stolz darauf, dass er Silvana seine Ehefrau nennen durfte. Zu Hause ging es freilich noch gut, während er sich außerhalb des Hauses schon sehr zusammenreißen musste, dass er nicht wie ein verliebter Grünschnabel aussah. So auch jetzt, da sie ja nicht alleine waren.


    Ähm... Runa. Natürlich. Ähm... Darf ich dir Cossus Malleus vorstellen? Er ist Veteran der Grenzkohorten und bewirbt sich um eine Stellung in meinen Officium. Cossus Malleus, dies ist meine Frau Duccia Silvana.

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