Officium | Klingende Münzen

  • Der flavische Pontifex beugte sich über die Tabulae, welche der hagere Kultbeamte Curiatianus ihm hatte vorgelegt.
    "Nun, dies ist in der Tat sonderbar. Hast du diese Tage mit dem Kalenderarchiv abgegli'hen auf exzeptionelle Ereignisse?"
    "Ja, Pontifex, es waren ganz normale Tage ohne Besonderheiten."
    "Was ist mit den weiteren Tempeln des Areals?"
    "Keine Auffälligkeiten. Ich habe auch schon mit der Händlergilde gesprochen. Sowohl die Gewinne, als auch die Ankunft von Warenladungen und Abreisen von Handelszügen waren nicht weniger als an anderen Tagen."
    Gracchus lehnte sich zurück und dachte einen Augenblick nach.
    "Seit wann treten diese Auffälligkeiten auf?"
    "Seit dem Herbst würde ich sagen. In den Akten bis Martius zurück konnte ich nichts weiter finden, davor habe ich nicht geprüft."
    "Gut. Sage Valerius Flaccus Bescheid, dass ich ihn sehen möchte. Und, Curiatianus, vorerst kein Wort über diese Angelegenheit außerhalb dieses Raumes. Ich möchte konkrete Belege, ehedem dies ein Thema im Collegium wird."
    Dererlei Untersuchungen waren stets eine heikle Angelegenheit. Der Pontifex minor indes war Gracchus allein deswegen schon vertrauenswürdig, den er ein Klient seines Freundes Lupus' war.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Tiberius wäre jedenfalls am Gebaren des Curiatianus nicht aufgefallen, dass irgendetwas nicht stimmte. Er war in aufgeräumter Stimmung als er in das Officum geführt wurde.
    Die Regia hatte eine eingespielte Mannschaft an altgedienten Kultbeamten. Unregelmäßigkeiten gab es eher selten, soweit Tiberius das festgestellt hatte.


    "Salve. Was kann ich für dich tun?", fragte er freundlich.

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - MANIUS FLAVIUS GRACCHUS

  • Gracchus wartete bis der Pontifex minor den Raum betreten und der Kultbeamte hinter ihm die Türe geschlossen hatte.
    "Salve, Valerius. Bitte, nimm Platz. Wir haben hier eine ... delikate Angelegenheit, welche in diesem Sinne vorerst äußerst vertrauli'h behandelt werden muss."
    Gracchus wies auf die Tabulae, die auf dem Tisch ausgebreitet waren.
    "Wie du weißt obliegt es Curiatianus die Einnahmen aus den Tempelspenden des Stadtgebietes zu verwalten. Curiatianus, bitte erläutere deine Entdeckung."
    Der Sekretär nickte, wies auf drei der Wachstafeln und schob sie näher zu Flaccus.
    "In der letzten Woche gab es mehrere Tage hintereinander einen auffällig geringen Betrag an Geldspenden im Tempel des Mercurius am Forum Boarium. Vielleicht wäre mir dies nicht einmal aufgefallen, hätte es in den Wochen zuvor nicht schon einmal ein paar einzelne Tage gegeben, an denen es genau in diesem Tempel sehr geringe Einnahmen gab. Für die letzte Woche sprechen wir hier von Beträgen im Bereich von vielleicht zehn Prozent der durchschnittlichen Tagessumme. Natürlich gibt es immer Schwankungen bei den Spenden, mal mehr und mal weniger. Im Tempel des Mercurius gibt es vorallem kurz vor den Wahlen signifikant höhere Einnahmen, wenn die Kandidaten Mercurius um Redegewandtheit bitten, oder im Frühjahr wenn sich viele Händler auf ihre Reisen begeben. Und in manchen Tempeln schwankt der Durchschnitt je nach Monat. Extrem geringe Beträge dagegen sind selten, vor allem an hintereinander folgenden, ganz gewöhnlichen Tagen. Ich habe natürlich auch den Kalender überprüft, an den Tagen mit den auffällig niedrigen Einnahmen gab es nichts besonderes."
    Da der Valerius nicht aus den unteren Rängen des Cultus Deorum aufgestiegen, sondern direkt in das Collegium aufgenommen worden war, setzte Gracchus zu einer Erklärung über das Prozedere der Verwendung der Opfergaben an
    "Der Aedituus eines Tempels sammelt die Münzspenden und Wertgegen..stände über den Tag hinweg regelmäßig ein, wie auch die übrigen Opfergaben regelmäßig aus der Cella abgeräumt werden."
    In den größeren Tempeln gab es bisweilen in den steinernen Altären Schlitze, durch welche Münzen direkt in die Keller darunter fielen, doch dies war in dem betroffenen Tempel nicht der Fall.
    "Die Gaben werden im Keller des Tempels oder einem Raum in einem Nebengebäude aufbewahrt, der fest verschlossen ist, die Münzen zudem in einer verschlossenen Kassentruhe. Nur der Aedituus hat zu beidem den Schlüssel, ein weiterer ist in der Regia aufbewahrt. Die ver..derblichen Gaben werden später vergraben, die essbaren verteilt. Am Abend, wenn die Tempel geschlossen sind, werden die Geldspenden und Wertgegenstände eingesammelt. Pro Stadtteil sind dafür zwei Kultbeamte zuständig, stets die gleichen, die geleitet werden von zwei calatores und einem bewaffneten Mitglied der Stadtwa'he."
    Die Stadt hatte immerhin ein großes Interesse an diesen Geldern, floss doch nur ein Teil davon direkt in den Cultus Deorum, ein weitaus größerer jedoch in die Kassen des Staates.
    "Sie leeren die Kasse, notieren per Tempel den Betrag, sowie Art und Anzahl der Wertgegenstände, und bringen diese und die Münzen zur weiteren Verwaltung in die Regia. Die Akten werden hier am nächsten Morgen von Curiatianus bearbeitet."
    Ein Seufzen echappierte Gracchus.
    "Du siehst also, Valerius, es gibt viele Augenblicke, in denen ein Betrag abhanden kommen könnte, sofern es nicht doch alles nur Zufall ist. Ein Dieb könnte Münzen noch aus der Cella ent..wenden, oder aus dem Aufbewahrungsraum, allfällig gar mit einem nachgebildeten Schlüssel. Der Aedituus könnte Münzen unterschlagen, oder die Beamten, welche das Geld einsammeln. Insbesondere die beiden letzteren Mögli'hkeiten wären überaus ... delikat für den Cultus Deorum."
    Er ließ dies kurz wirken. Interne Zwischenfälle brachten stets die Gefahr von Zwist und Misstrauen - intern, sowie extern -, da oft mit einem Male ein jeder dazu tendierte, die Ausnahme als Regel zu vermuten.
    "Welches Vorgehen würdest du vorschlagen?"
    Selbstredend hatte Gracchus bereits eine Idee, doch wollte er zuerst sich anhören, was der Pontifex minor anempfehlen würde.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Tiberius hatte dem Pontifex pro magistro mit hochgezogenen Augenbrauen zugehört. Der Verdacht, dass bei dieser Anomalie nicht alles mit rechten Dingen zu gegangen war, lag auch für Tiberius nicht eben fern. Die Gaben für die Tempel stellten erheblich Reichtümer dar, besonders für diejenigen, die von Haus aus nicht so begütert waren. So mussten die Spenden für viele auch eine Versuchung darstellen, die leicht unwiderstehlich werden konnte.
    Er dachte einen Moment nach.


    "Nun. Zunächst würde ich den Weg, den eine Spende normalerweise nimmt, von Anfang bis Ende untersuchen. So können wir feststellen wo das Leck im Rohr ist. Wenn in den Cellae alles in bester Ordnung ist und das eigentliche Spendenaufkommen im Tempel normal, dann wissen wir, dass beim Einsammeln oder Transport etwas "abhanden kommt" oder bei der Buchung Fehler passiert sind."


    Akten waren immer anfällig für Fehler, die einem Beamter aus Müdigkeit oder weil er andere Probleme hatte, unterlaufen mochten. Aber wenn Unregelmäßigkeiten in den Akten regelmäßig wurden, steckte oft genug ein krimineller Wille dahinter.


    "Dazu sollten wir die beteiligten Aeditui und Beamte auf jeden Fall intensiv aber natürlich diskret befragen. Eigentlich habe ich vollstes Vertrauen in die Leute des Cultus. Aber eine Garantie gibt es leider auch hier nicht. Aber mein Verdacht geht aber auch in die Richtung nachgemachter Schlüssel. Kriminelle sind findig. Ein alter Jurist erzählte mir einmal von einer Bande, die unbemerkt Tunnel in eine ganze Reihe von wohlhabenden Häusern gegraben haben. Gallier aus den Alpen, die ihr halbes Leben in Stollen verbringen, können sowas durchaus. Will heißen, wir können kein Möglichkeit ausschließen.
    Wenn alle Befragungen nichts ergeben, müssten wir wahrscheinlich... unangenehmeren Mitteln greifen und die Tempel und ihre Bediensteten... nun, eingehender beobachten... lassen."


    Spionage und Denuziation waren zwar dazu angetan, schnelle Ergebnisse zu liefern. Allerdings war die Qualität dieser Ergebnisse oft genug zweifelhaft.


    "Wobei es soweit hoffentlich nicht kommt.


    Bei der Frage der Ermittlungstaktik haben wir nun zwei Möglichkeiten. Entweder wir suchen heimlich, still und leise nach dem Leck. Damit würden wir auf jeden Fall die Reputation des Cultus am besten schützen, aber es könnte länger dauern. Oder man rennt aufgebracht zu den Tempeln, veranstaltet einen Aufstand und zetert möglichst laut herum, damit der Missetäter mitbekommt, dass wir ihm auf der Spur sind. Dann macht er möglicherweise einen Fehler oder kommt sogar zu dem Schluss, dass die Sache zu heiß geworden ist und stellt seine Operation ein. Im Sinne der Reputation des Cultus würde ich allerdings erstere Möglichkeit vorziehen."


    Das war, was Tiberius spontan dazu einfiel.

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - MANIUS FLAVIUS GRACCHUS

  • Während Valerius sprach, hob sich Gracchus' linke Hand und er begann seine Unterlippe damit zu kneten. Fasziniert folgte er dem Gedanken der Tunnel und sah einem Moment lang vor seinem inneren Auge eine Gruppe zwergenhafter Gallier, welche mit Schaufeln und Hacken sich einen Tunnel unter dem Quirinal hindurch in die Villa Flavia gruben. Er würde unbedingt den Maior Domus anweisen müssen, die Kellerräume und Hypokausten regelmäßig zu kontrollieren nach etwaigen Durchbrüchen. Unter dem Forum Boarium indes schien ihm die Gefahr ein wenig geringer, der Grundwasserspiegel war ob des nahen Tibers knapp unter dem Boden, sodass ein Tunnel durch das Erdreich nur schwierig bestand würde haben. Indes schloss er diese Möglichkeit nicht aus, was wusste er schon von kriminellen Machenschaften? Den Boden im Keller des Tempels zu kontrollieren würde nicht schaden.
    "Nun"
    , setzte er sodann an und ließ seine Hand sinken.
    "Wenn es einen Dieb gibt, so ist es unabdingbar ihn zu fassen. Wir dürfen nicht tolerieren, dass jemand sich an den Schätzen des Staates bedient, denn hierbei geht es nicht nur um die Reputation des Cultus Deorum. Es geht um Re'ht und Gesetz in Rom."
    Dies nicht nachzuverfolgen und aufzuklären könnte hinwieder durchaus auf den Cultus Deorum zurückfallen.
    "Den Täter zu alarmieren und allfällig damit niemals zu identifizieren ist daher keine Option. Darob stimme ich dir zu, wir sollten eine klandestine Ermittlung vorerst bevorzugen."
    Zumindest bis sie sicher waren, dass dies nicht bloßer Zufall war, und bestenfalls bereits wussten, ob der Dieb innerhalb oder außerhalb des Cultus zu finden war, mochte der Flavier noch keine Spezialisten für Ermittlungen hinzuziehen.
    "Zuvörderst sollten wir schlicht den Tempel in Augenschein nehmen. Wir können eine un..angekündigte Routineinspektion durchführen, vordergründig um den baulichen Zustand zu begutachten. Dies ist nicht allzu ungewöhnlich. Dabei können wir uns unauffällig umsehen nach etwaigen Tunneln, Spuren eines Einbruches, welche nur demjenigen ins Auge fallen, der danach sucht, oder sonstigen Ungereimtheiten."
    Zwar war sich Gracchus durchaus gewiss, dass er kein Spezialist für solche Art Untersuchungen war - abgesehen davon, dass er alle Ausgaben von 'Sklave Gaius ist der Beste' gelesen hatte, und somit zumindest theoretische Kenntnisse besaß -, doch sich ein wenig umzusehen konnte nicht schaden.
    "Weiters könnten wir ein kleines Opfer vollziehen, im Laufe dessen eine größere Summe gegeben wird. Wir könnten am nächsten Morgen na'hprüfen, ob mindestens diese Summe ihren Weg in die Regia gefunden hat."

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Tiberius nickte. Das klang nach einem Plan.


    "Gut. Benötigen wir noch etwas bevor wir zur Inspektion schreiten?"


    Wenn sie schon etwas Theater aufführten, brauchten sie vielleicht noch ein paar Requisite. Pläne vielleicht? Einen Architekten?

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - MANIUS FLAVIUS GRACCHUS

  • Der Flavier schürzte die Lippen und sann einen Augenblick nach.
    "Eine Tabula für Notizen, sonstig wohl nichts. Wir werden uns von dem zuständigen Aedituus alles zeigen lassen. Bei dieser Art Inspektion geht es zumeist nur darum sich einen Überblick über den allgemeinen Zustand des Tempels zu ver..schaffen, wiewohl den Aeditui zu zeigen, dass dem Cultus auch Kleinigkeiten am Herzen liegen."
    In Friedenszeiten war es schlussendlich besonders wichtig, dass staatliche Gebäude in vollem Glanze erstrahlten, schürte anderweitiges doch oft allzu schnell Gerüchte über eine marode Finanzlage des Reiches. Bisweilen evozierte dies in Gracchus das Gefühl, je geringer die Probleme der Menschen, desto gewaltiger ihre Entrüstung und ihr Gewese ob dieser. Doch dies war ein philosophischer Gedanke für einen Tag mit geringeren Problemen als ein potentieller Diebstahl. Gracchus erhob sich.
    "So lasse uns denn zur Tat schreiten."

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