• Der Granatapfelbaum



    Heute war der Festtag der Venus, also galt es seinem Liebsten etwas zu schenken. Venus war nicht nur die Ahnherrin der Römer und die Göttin der Liebe und des Begehren. Sie war die Göttin der Gärten. Somit fielen auch die Heilkräuter in ihren Bereich.


    Scato hatte ihnen letztens erst einen Vortrag über das ungesunde Garum gehalten. Garum war Wurmverseucht und konnte nicht gereinigt werden. Die Eier der Würmer blieben in der Soße. Allerdings konnte man den Menschen von den Würmern reinigen und zwar mit einem Heilkraut!


    Der Sud den man aus der Wurzel des Granatapfelbaumes gewann, tötete Bandwürmer ab. Zeitgleich war dessen Frucht ein Symbol der Furchtbarkeit und Liebe. Also was konnte man seinem Liebsten besseres zum Festtag der Venus schenken als einen Granatapfelbaum?


    Das kleine Bäumchen stand gut eingepflanzt und eingeschlämmt vor ihm, so wie es der Verkäufer erläutert hatte. Lurco blickte stolz auf das Gehölz herab. Scato würde sich hoffentlich über das Geschenk freuen.


    Nachdem er sich ausgiebig gereinigt hatte, schnappte er sich eine Wachstafel und fing an zu schreiben.





    Salve Scato,


    schau einmal in den Garten, dort steht für Dich ein Geschenk. Für meinen Medicus zum Festtag der Venus einen Granatapfelbaum. Seine Frucht symbolisiert Liebe und Fruchtbarkeit. Ebenso ist Venus die Göttin der Liebe und des Begehrens.


    Aber die Göttin wie auch der Granatapfelbaum sind weitaus mehr. Sie ist die Herrin über die Gärten und somit auch über die Heilkräuter. Und eines dieser Heilkräuter ist der Granatapfelbaum Stöckchen.


    Letztens noch wolltest Du uns alle vor dem ungesunden Garum bewahren. Hier nun die Lösung, falls es bereits jemanden erwischt haben sollte. Denn wusstest Du, dass der Sud aus der Wurzel des Granatapfelbaumes Bandwürmer tötet?
    Genau das tut der Sud.


    Selbstverständlich kannst Du Dir auch später die köstlichen Früchte schmecken lassen. Gleich was Du wählst, ob Heilung oder Schlemmerei, Du weißt was der Baum Dir damit sagt. Fühl Dich auf Deine Anhänger getippt.



    Dein Lurco






    Lurco griff sich ein Stück Pergament und schrieb darauf die Pflegeanweisung für den kleinen Baum.





    Salve Scato,


    Dein neuer Kräuterfreund hat folgende Vorlieben.
    Der Granatapfelbaum entwickelt sich am besten in lockerer, durchlässiger Erde mit einem hohen mineralischen Anteil aus Lavasplitt oder Sand. Passend wurde er von mir eingepflanzt.


    Der Granatapfelbaum steht an einem sonnigen Platz, da er es schön warm braucht. Wie mir der Händler sagte, kann der Granatapfelbaum zwar auch im Schatten überleben, aber dann wird er keine Blüten und Früchte tragen. Aus diesem Grund steht er in der Sonne.


    Natürlich hat Dein neues "Pflanzenkind auch Durst und Hunger! Wie bei den meisten Menschen, Tieren und Pflanzen ist hier die goldene Mitte der richtige Weg. Kürzere Zeiten über kann der Baum ruhig einmal trocken werden. Aber in seiner Wachstumszeit bitte nicht zu lang. Vor allem im Sommer hat er genau wie wir Durst und benötigt regelmäßig etwas zu trinken. Gib ihm am besten jeden Abend seine Ration. Aber achte darauf, dass er nicht in der Nässe steht, denn sonst schmeißt er sein Laub ab.


    Von Martius bis Sextilis möchte der Baum alle zwei Wochen etwas speisen, gibt ihm also Dünger. Damit er im kommenden Jahr viele Blüten trägr, müssen die Triebe im Herbst gut ausreifen. Deshalb wird ab Mitte Sextilis nicht mehr gedüngt und das Gießen nach und nach eingeschränkt.


    Der Granatapfelbaum möchte gerne wachsen wie im der Sinn steht. Er mag es nicht, wenn man ihm etwas abschneidet. Zurückschneiden solltest Du ihn also nur, wenn er zu groß geworden ist. Zu lange Triebe kannst Du im Winter kürzen. Allerdings trägt der Baum dann im nächsten Jahr weniger Blüten.


    Nun fragst Du Dich, wie hoch kann er denn überhaupt werden? Ein Passus bis ein Pertica wird der Granatapfelbaum hoch.


    Der Granatapfelbaum trägt bei der Blüte orangeroten glockenförmigen Blüten. Seine sich daraus später entwickelnden Früchte sind rundlich, gelbbraun bis rot gefärbt und ungefähr Faustgroß.


    Die Früchte sind sehr hübsch anzuschauen. Sie besitzen eine feste, ledrige Schale und enthalten sehr viele Kerne. Jeder einzelne ist mit saftigem, rotem Fruchtfleisch umhüllt. Die Kerne schmecken säuerlich-fruchtig und lassen sich zu Saft, Sirup und Süßspeisen verarbeiten. Natürlich kannst Du sie auch direkt roh verzehren.



    Dein Lurco






    Beide Schreiben, einmal die Wachstafel und einmal die Schriftrolle, legte Lurco Scato auf sein Bett. Danach machte er sich wieder auf den Weg zum Dienst.





    Urheber: Amnons s, keine Änderungen am Bild vorgenommen. Link: https://commons.wikimedia.org/…ate_tree01.JPG?uselang=de

  • Am frühen Abend trudelte Scato ein, der zum Spätdienst eingeteilt gewesen war. Begrüßt wurde er zunächst von Terpander, der sich nichts anmerken ließ. Im Atrium kam ihm dann, wie immer, sein blauer Pfau entgegen.


    "Na, du hübscher Narcissus?", zwitscherte Scato im leisen Singsang. Vögel liebten es, wenn man so mit ihnen sprach. Zu Vögeln hatte er seit jeher einen besonderen Bezug und verweigerte es seit seiner Kindheit, Vogelfleisch zu verzehren. "Schau, was der Papa dir mitgebracht hat!" Scato zückte einen kleinen Lederbeutel. Der Pfau reckte den Hals. Als Scato den Beutel öffnete, stieg ihm feuchter Erdgeruch entgegen. Er griff hinein und zog einen riesigen Regenwurm heraus. Er ließ Narcissus den Wurm aus seiner Hand picken, auch wenn das weh tat. Ganze sechsundvierzig fette Regenwürmer hatte Scato von den heutigen Straßenbauarbeiten für seinen Pfau mitgebracht. Narcissus fraß sie alle. "So, das war´s!"


    Scato zeigte beide Handflächen, als würde er sich ergeben, der Pfau kannte die Geste bereits, kam ihm aber trotzdem hinterher, als er in den Garten schlenderte, um nach den Kräutern zu sehen. In der Mitte des Beetes stand auf einmal ein kleiner Baum mit roten Früchten. Scato stieg vorsichtig zwischen den Pflanzen auf die Trittsteine, um ihn sich aus der Nähe anzusehen. An seinem Stamm lehnten eine Wachstafel und ein Pergament. Beides las Scato sich durch. Sein Grinsen wurde immer breiter und er küsste die Wachstafel.


    "Terpander", rief er, "hast du das schon gesehen? Lurco hat mir einen Granatapfelbaum geschenkt! Zum Festtag der Venus! Ist das nicht lieb? Ich lasse dir die Pflegeanleitung hier. Wenn du den Baum vertrocknen lässt, lasse ich dich verdursten. Gießt du ihn zu Tode, wirst du ertränkt."


    Solche Späße musste Terpander sich gefallen lassen, sein eigener Humor war schließlich auch nicht gerade freundlich. Scato pflückte die zwei reifsten Früchte, schaute noch einmal, ob mit den übrigen Pflanzen alles in Ordnung war, sagte Satibarzanes kurz Salve und verschwand dann samt der Früchte wieder in der Castra, anstatt hier ein paar Stunden Ruhe zu tanken.

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