Geselliges Vergnügen und muntres Gespräch muß einem Festmahl die Würze geben.

  • In Begleitung des halbblinden Troilus hatte ihr Dominus seine Sklavin hinaus geschickt. Natürlich nicht ohne genaue Anweisungen an Cressidas Gehör dringen zu lassen. Sie sollte neue Tinte und Federn besorgen. Denn sls Scriba Personalis des Augustus würde ihr Dominus natürlich nicht mit alltäglicher und herkömmlicher Tinte auf Pergament schreiben. Zwar verstand es die Zwergin nicht wirklich, was man auch an ihrem verwunderten Gesichtsausdruck erkennen konnte. Doch ihr Dominus interessierte sich schon nicht mehr für sie. Und so verließ die Sklavin auch schon das Officium ihres Dominus und machte sich auf den Weg.


    Vor der Villa Aurelia drehte sich die Zwergin in Richtung des Nomenklators ihres Dominus herum. Mit gemessenen Schritten näherte sich das ungleiche Paar nach einer gefühlten Ewigkeit dem Mercatus Urbis. Doch dort konnte Cressida solch' Tinte nirgends entdecken. Hm. Vielleicht suchte sie auch einfach an der völlig falschen Ecke. Ein Blick gen Troilus und Cressida seufzte tonlos auf. Der halbblinde Mann könnte ihr auch nicht helfen. Wozu war er dann überhaupt mitgekommen? Er könnte ihr noch nicht einmal helfen, wenn sie zu Boden gestoßen würde.
    “Hm. Und jetzt?“
    Wollte die zwergische Sklavin von dem Halbblinden wissen. Erntete jedoch lediglich ein stummes blinzeln.
    “Wir könnten noch zu den Traiansmärkten gehen. Hier muss es doch irgendwo Tinte zu kaufen geben.“
    Moserte die aurelische Sklavin und stampfte dabei mit dem Fuß auf. Nicht nur das sie keinen Tintenverkäufer fand. In diesem Augenblick grummelte auch noch ihr Magen. Dss grummeln blieb Troilus nicht verborgen und so deutete er auf eine Taberna, die sich perfekt zwischen die Stände und Buden auf dem Mercatus Urbis schmiegte.


    “Mit leerem Magen denkt es sich so schwer.“
    Grinste die Zwergin und wartete bis Troilus ihr die Türe der Taberna öffnete. Mit empor gereckten Kopf betrat Cressida die Taberna Apicia und rümpfte sogleich ihr Näschen. Der Gestank nach Schweiß und Alkohol stach in ihre Nase. Doch schließlich fand Troilus einen freien Tisch und drehte sich nach der Zwergin um. Doch Cressida befand sich nicht mehr in seiner Nähe. Denn die Sklavin hatte für sich beschlossen, ihrer Neugierde freien Lauf zu lassen und sich in dieser Taberna erst einmal umzusehen.


    Sim-Off:

    reserviert

  • Angekommen in der Stadt, die ihr stets fremd war. Eine Stadt, die ihr Vater immer als Abgrund beschrieben hatte. Stella hatte nie verstanden, was ihr Vater an dieser Stadt fand, wenn er doch wenig Gutes berichten konnte und letztlich blieb ihr Rom bis heute ein Rätsel. Ein Rätsel, was sie gerne lösen würde aber sich zurückhielt, da manche Rätsel auch lieber ihre Geheimnisse behalten sollten. Ihr Vater war schließlich über diese Geheimnisse gestolpert, hatte sicherlich auch Geheimnisse zu diesem großen Rätsel hinzugefügt, um letztlich vom Abgrund verschluckt zu werden. Er kehrte niemals zurück. Diese Leere konnte sie bis heute nicht füllen. Erklärungen waren stets verhallt, Wünsche tonlos verklungen und jedes Schlaflied brachte keinen Schlaf. Stella war durch die letzten Getreuen versteckt worden, vor Jahren, bevor ihr Vater verschwand. Sie hatte es nie verstanden und bis zu diesem Tage war dort keine Antwort. Es wirkte merkwürdig entrückt, durch diese Stadt zu irren, die höchstwahrscheinlich ihren Vater getötet hatte. Aber nein, es war nicht die Stadt, da war sich Stella inzwischen sicher, nachdem sie durch die Straßen gewandert war.


    Es waren Menschen, die wahrscheinlich immer noch ihrem Tagwerk nachgingen. Sie wollte eine Antwort, warum ihr Vater verschwinden musste aber im Herzen wusste sie es längst, dass die Aufgabe, die ihn verbittert gemacht hatte, verantwortlich war. Einzig die Sehnsucht blieb, herauszufinden, was damals in dieser unheiligen Nacht geschah, als ihr Papa aufgebrochen war und sie und ihre Mutter zurückgelassen hatte, damals beinahe eine Frau aber noch ein Kind, heranwachsend aber noch nicht erwachsen und nun als Frau war diese Frage so groß, dass sie eine Antwort brauchte, um ihr zerissenes Leben irgendwie zu retten. Ihr Herz war gebrochen, zusammengehalten von der Erinnerung an eine Familie, die sich stets heimgesucht sah. Es war an der Zeit, dass Versteck zu verlassen, auch wenn es sicherlich Gefahr für sie bedeuten konnte. Stella fühlte diese schwere Last auf sich, als sie sich durch die Menge an Menschen bewegte. Die letzten Getreuen, bevor auch sie aufgebrochen waren, hatten sie einst gewarnt, als sie unter Tränen auf das verlassene Landgut gebracht wurde. Eine Warnung vor dunklen Mächten, die alles vernichten wollten, was ihr Vater geschaffen hatte. Und sie wollten auch sie holen, um alles auszulöschen, was ihr Vater liebte.


    Diese Angst kroch in ihre Augen, die umher huschten, eine Gefahr vermutend.


    Stella wusste, dass nicht alles verloren war aber vieles. Es lag Hoffnung darin, die Wahrheit herauszufinden, auch wenn es ihr eigenes Ende bedeuten konnte. Leider musste sie mit der Suche in Rom beginnen. Die letzten Jahre auf dem Landgut, mit nur wenigen Angestellten und Sklaven, waren für lehrreich gewesen. Stolz konnte sie sich nicht mehr leisten, da sie oft mit anpacken musste. Wo andere Töchter aus einem großen Haus Kleider und Schmucken erleben konnte, sich nicht sorgen brauchten, musste Stella im Dreck der Erde wühlen, Äcker bearbeiten und Mist schaufeln, da es schlicht an allem fehlte. Sie erinnerte sich nicht einmal daran, wie parfürmiertes Rosenöl roch, oder wie sich Gold auf der Haut anfühlte, denn alles, was sie noch kannte, war Arbeit. Viel Arbeit, die sie inzwischen wertschätzte, da sie ablenkte. Ihr wurde erlaubt, ein Leben zu leben, welches fern der Grausamkeit lag, welche ihr Vater stets von ihr fernhalten wollte. Zu ihrem Glück blieb sie nicht lange allein, denn ihre Mutter war einst nachgekommen, gebracht von den selben Getreuen, um mit ihr auf dem Landgut zu leben, welches versteckt gelegen, ein neues Zuhause wurde. Zwischenzeitlich war auch ihre Mutter verstorben, so dass Stella allen Mut zusammen genommen hatte, um der Frage nachzugehen, was damals geschehen war. Es schmerzte daran zu denken, dass nun auch ihre Mutter im Elysium war. Dort, wo sie selbst noch nicht war. Inzwischen Waise wollte sie sich nicht mehr verstecken, konnte es auch nicht mehr, da sie eine Nachricht erreicht hatte, dass ihr Vater ihr etwas in Rom hinterlassen hatte. Stella trug den Brief und wenige Sesterzen bei sich, war mit einem Viehwagen nach Rom gereist, um den Instruktionen zu folgen. Es würde sie ihrer Antwort näher bringen. Oder zumindest war es etwas, was ihr Vater möglicherweise hinterlassen hatte. Etwas aus der Vergangenheit, dem sie sich verpflichtet fühlte.


    ~~~


    In einfacher Kleidung, mit Dreck unter den Fingernägeln, fand sie die Taberna, die im Brief erwähnt wurde. Hier sollte sich eine Person befinden, die ihr weiterhelfen konnte. Ein alter Vertrauter sollte sich an diesem Ort befinden aber sie wusste nicht, wie sie ihn erkennen sollte. Stella erinnerte sich daran, was ihr Vater ihr beigebracht hatte. Sie hatte Fähigkeiten erworben, nicht nur durch harte Arbeit, die sie von anderen Frauen unterschieden. Die Arbeit ihres Vaters hatte ihn vorsichtig gemacht und so hatte er auch seine Tochter unterrichtet, damit sie selbst nicht unmittelbar in Gefahr geriet und sich selbst durchschlagen konnte. Seine Vorsicht war sicherlich begründet gewesen, wie sein Verschwinden bewiesen hatte. Ihre Talente und Fähigkeiten hatten ihr oft geholfen, gefährlichen Situationen zu entkommen und unentdeckt zu bleiben. Vielleicht war es auch die Gabe ihrer Mutter, die sie geerbt hatte.


    "Ey," jappste sie, als sie unsanft angerempelt wurde, während sie sich in der Taberna umschaute. "Pass' doch auf!" Stella konnte herausragend schimpfen. Ein paar wütende Flüche später, stand sie dort, blickte sich um, die Instruktionen des Briefes im Kopf rezitierend. Es musste einen Hinweis geben. Schließlich blickte sie neben sich und entdeckte dort eine sehr kleine Person, die nicht ganz ins Bild passte. Ein ungewohnter Anblick. Neugierig legte Stella ihren Kopf schief, so dass ihr zerzaustes Haar gut sichtbar wurde, da sich eine verfettete Haarsträhne verschob. Ja, Stella machte wahrlich einen Eindruck, dass sie frisch vom Bauernhof kam. Stella streckte ihren linken Zeigefinger aus, um die kleine Person anzustupsen, da sie befürchtete erneut zu fantasieren und wieder Bilder zu sehen. Ihr Finger berührte die Frau an der Schulter und erbrachte den Beweis, dass diese echt war. "Verzeihung," sagte Stella mit einem breiten Grinsen, um sich dahinter zu verstecken.

  • Die Aufmerksamkeit der kleinen Sklavin ruhte nachdenklich auf der Maserung des Tisches, die sie mit ihren zierlichen Fingerchen nachzeichnete. Sie hatte noch immer Hunger und in dem Ledersäckchen ihres Dominus befanden sich noch genügend Münzen. Mit diesem Gedanken rutschte die Zwergin von dem hölzernen Hocker, auf den sie vor wenigen Augenblicken mühselig geklettert war. Dabei presste sie die Münzen fest gegen ihre Brust und spürte ihren Magen noch immer rumoren. Oh. Sie hatte so großen Hunger. Was eigentlich verwunderlich war, denn Cressida war von kleinem Wuchs. Darauf sollte man die Griechin jedoch lieber nicht ansprechen, als sie sich zwischen den Beinen der Tabernabesucher hindurch zwängte. Während ihr teils belustigte, aber auch teils feindselige Blicke folgten. Tz! Die Römer hatten eben nur noch nie eine echte Zwergin zu Gesicht bekommen. Und so straffte das kleine Wesen ihre Schultern und reckte ihr Köpfchen in die Höhe. Was den Römern wohl bei ihrem Anblick durch den Kopf geisterte?


    Einer der Männer, der sichtlich angetrunken wirkte, verschlang sie regelrecht mit ihren Augen und deutetet anzügliche Gesten. Gesten die Cressida unwillkürlich erzittern ließen. Was dachte dieser Kerl von ihr? Das sie eine käufliche Dirne war? Als sich der grobschlächte Kerl dann auch noch in ihre Richtung beugtte, um nach ihr zu greifen, duckte sich die Zwergin rasch unter seinen zupackenden Händen. Man musste dazu sagen Cressidas Reflexe waren ausgezeichnet und so wuselte sie zwischen den Tischbeinen hindurch. Denn tatsächlich hatte sie sich zu Boden sinken lassen und krabbelte hastig außer Reichweite des Mannes. Und wieder einmal verfluchte sie ihren Dominus das er sie nicht gekennzeichnet hatte. Denn dann hätte sie nun diesem Kerl zeigen könnrn das sie die Sklavin des Scriba Personalis Imperatoris war und es wäre erst gar nicht zu dieser Irritation gekommen. Außer Reichweite und in einer geschützten Ecke rappelte sich die Zwergin vorsichtig empor und pustete sich eine ihrer dunklen Strähnen aus der Stirn. Erst jetzt blickte sie an sich hinunter und strich ihre Tunika glatt, die doch eigentlich viel zu kurz für die Kleinwüchsige war. Vielleicht hatte man sie aus diesem Grund für eine Dirne gehalten. Ein weiterer Punkt auf den sie ihren Dominus ansprechen würde. Doch jetzt, atmetet Cressida erst einmal tief durch und näherte sich der Theke, um dort eine der köstlich duftenden Suppen zu bestellen.


    Weit sollte Cressida jedoch nicht kommen, denn erneut stieß sie gegen etwas weiches und spannte ihren kleinen Körper augenblicklich an. Wenn es wieder dieser Römer war, dann würde sie ihm kräftig gegen das Schienbein treten. Doch es war keine männliche Stimme die an ihr Ohr drang. Es war eine ....weibliche Stimme und die Zwergin hob erstaunt ihren Kopf an. Und wie die Frau fluchte. Ein Grinsen legte sich bei diesen deutlichen Worten auf Cressidas Lippen. Während sie aus großen Augen empor blickte.
    “Ich bin nicht wie ein Mondkalb im Weg herum gestanden.“
    Konterte die Griechin mit einem spitzbübischen Grinsen auf den Lippen. Ein Vorteil wenn man bei einer Gauklertruppe aufwuchs. Denn an diese wurde Cressida verkauft, als ihre Mutter sie nicht mehr ernähren konnte. Ihr Vater war unbekannt. Abgehauen der Lump, so hatte ihe Mutter immer gesagt.


    Schließlich berührte der linke Zeigefinger ihre Schulter und Cressida blickte mit großen Augen zu der Frau empor.
    “Ich bin kein Geist. Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut.“
    Grinste die kleine Sklavin noch immer. Wobei sich das schelmische funkeln in ihren Augen intensivierte.
    “Deine Verkleidung als römische Bäuerin ist gut. Aber nicht perfekt ...Domina.“
    Mit diesen Worten gab Cressida zu verstehen das sie die Verkleidung der jungen Frau durchschaut hatte.
    “Der Dreck unter deinen Fingernägeln und deine fettigen Haare sollen darüber hinweg täuschen, dass du aus einer römischen Patrizierfamilie stammst.“
    Hier stellte die Griechin zwar lediglich Vermutungen an. Aber meistens traf sie genau ins schwarze.

  • Es war irritierend. Stella war einen Moment sprachlos, fast zurückhaltend und sie musste ihre Gedanken sortieren. "Du bist kein Geist," wiederholte sie abwesend, während sie erneut ein Trugbild vor sich glaubte. Manchmal geschah es, dass Stella die Welt anders sah, als andere. Bewegungen wurden Linien und Töne wurden Farben. So wurden auch die Stimmen der Fremden an diesem Ort Kunstwerke, die ihre eigenen Bilder malten. Stella hatte dies nie als Krankheit empfunden, denn ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass diese Fähigkeit kein Makel ist, sondern ein Geschenk. Die Welt wurde für Stella manchmal bunter, farbenfroher und allzu oft staunte sie selbst über die Veränderungen, die Töne auslösen konnten. Jede Stimme erzählte ihre eigene Geschichte, formte ihre eigene Farbe und Form, während Stella staunte. Auch Cressidas Stimme war eine Farbe. Es dauerte einen Moment, bevor die Magie endete und sich die junge Römerin wieder an der Stelle befand, von der sie vor wenigen Momenten fortgeflogen war. Nun sah Stella das schelmische Funkeln in den Augen der Fremden. Stella hörte zu. Und sie glaubte nicht richtig zu hören. "Ehm... Öhm," konterte sie mit merkwürdiger Grimasse. Nein, das konnte nicht sein. "Ich bin keine Patrizierin," sagte sie schließlich überzeugt. Die Fremde mochte Recht haben aber Stella tarnte sich an diesem Ort nicht, denn ihr war ihre eigene Erscheinung insoweit egal, solange sie keine Rolle spielte. Darüber hinaus sah sich Stella nicht als Patrizierin, da sie einen Großteil ihres jungen Lebens nicht als Adelsdame verbracht hatte. Sie hatte das Leben einer einfachen Landfrau gelebt, nichts Besonderes, fern von Rom und weit weg von allem, was eine Patrizierin auszeichnen würde. Stella vermochte etwas mit dem Begriff anzufangen aber sah sich nicht als solche, da sie die Verpflichtung ihres Namens, auch seinen Fluch, auch ohne besondere Vorrechte erfüllen konnte. "Wie kommst du darauf?" Eine neugierige Frage, die Stella herausgehoben betonte und eine wilde Geste mit ihrer linken Hand machte, damit die Unbekannte schnell fortfuhr.

  • In just diesem Moment drehte sich die kleine Zwergin elegant zur Seite. Damit ein römischer Bürger mit Hakennase und äußerst langen Beinen, nicht über sie hinweg steigen musste. Denn dabei passierten die meisten Unfälle und meistens war es Cressida die dabei zu Boden gestoßen wurde. Weil die Großen einfach nicht zu Boden blickten und alles niederwalzten was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit brachte. Tz! Wenn die Großen einfach besser auf ihre Umgebung achten würden, dann würde es auch viel weniger zu diesen Unfällen kommen. Nur wie sollte sie als Unfreie den Großen beibringen das diese besser auf den Weg achten sollten? Eben. Bei diesen Gedanken zuckte die Kleinwüchsige auch schon mit ihren schmalen Schultern. Und heftete ihren Blick mit Neugierde im Blick auf die junge Frau ihr gegenüber.


    “Nein. Ich bin tatsächlich kein Geist Domina.“
    Schmunzelte die Zwergin mit blitzenden Augen. Denn wenn dem so wäre, könnte man einfach durch sie hindurch schreiten und sie würde keinerlei Schaden nehmen. Eigentlich ein durchaus reizvoller Gedanke. Und das Schmunzeln auf Cressidas Lippen gewann tatsächlich an Intensität. Auch wenn der Zwergin noch immer unbegreiflich war wieso die Römerin wie ein Mondkalb geguckt hatte. Vielleicht hatte die junge Frau ja tatsächlich einen Geist gesehen? Bei diesem Gedanken lief es Cressida eisig den Rücken hinunter und sie rieb sich unbewusst über ihre Arme. Denn auch dort bildete sich eine Gänsehaut und die feinen Härchen stellten sich auf.


    “Du leugnest dein Erbe Domina. Wieso?“
    Vorwitzig hatte die Zwergin ihren Kopf nach vorne gereckt, und blickte zeitgleich nach oben. Um die junge Römerin genauer in Augenschein zu nehmen. Was gar nicht so einfach war in dem difusen Zwielicht das im inneren der Taberna herrschte. Abermals schmunzelte die kleinwüchsige Griechin zu der jungen Römerin empor.
    “Vor weeeem versuchst du dich zu verstecken Domina? Denn das du das tust sieht sogar ein Blinder.“
    Bei diesen Worten musste Cressida leise kichern und blinzelte im nächsten Augenblick hastig.


    “Oh. Ich weiß wie es ist wenn man verzweifelt versucht jemand anderes zu sein.“
    Energisch zwirbelte sie an einer herabhängenden Strähne und steckte diese schließlich mit einer resoluten Geste unter das Tuch, welches sie um ihre Haarpracht gewunden hatte.

  • Eine Melodie durchfuhr Stellas Kopf, ummantelte die Gedanken in einen leidigen Sanftmut, welcher für einen winzigen Augenblick die Verunsicherung veränderte. Stella blickte die Fremde frech an, wollte eine ebenso freche Antwort geben aber unterließ es. "Aber du siehst die Dinge, wie ein Geist," meinte Stella schließlich und kratzte sich am Schädel. Nur kurz aber so intensiv, dass sich eine Haarsträhne verzwirbelte und im Fett des Haares verklebte. Ja, jetzt stellte auch Stella selbst fest, dass sie dringend ein Bad brauchte. Die fettigen Haare gaben etwas von ihrem öligen Glanz an ihren Zeigefinger ab, den Stella nun betrachtete und die schmierige Masse mit dem Daumen glatt rieb. "Ich leugne es nicht," gab sie von sich und wischte ihre Hand an ihrer längeren Tunika ab. "Verstecken wir uns nicht alle?" Das war ihre persönliche Meinung. Sie hatte zwar nur wenige Menschen in ihrem Leben wirklich kennengelernt aber die meisten Menschen versteckten sich vor etwas. Meistens versteckten sie sich vor Verantwortung oder Pflicht. Die meisten Menschen lebten in den Tag hinein, einfach verdrängend, warum sie wirklich lebten. "Woran machst du fest, dass ich eine edle Patrizierin bin?" Stella wollte wieder auf diesen Punkt zurückkommen, da sie wahrlich nicht beabsichtigt hatte, heute verkleidet zu sein. Es hatte sich einfach ergeben, da die Reise und der Weg ihr übriges getan hatten. "Ich bin Stella," stellte sie sich nun doch vor und beäugte die kleine Fremde, die sehr merkwürdig war und vielleicht etwas zu viel erahnte. "Du weißt, wie es ist, jemand anderer sein zu wollen?" Das hatte sie deutlich mitbekommen. Stella wollte hier nachhaken, da genau diese Frage interessant war. Dies konnte ein wirklich spannendes Gespräch werden, welches nicht nur einfache Plauderei war, die sie so sehr hasste. Vielleicht sprang auch etwas zu Essen für sie dabei heraus. Stella hatte nämlich Hunger. "Ich bin gerne bereit mit dir zu reden aaaaaber...," sagte sie und grinste breit, so dass ihr perlweißen Zähne zum Vorschein kamen. "Lädst du mich auf einen Eintopf ein?" Immerhin konnte sie so das wenige Geld sparen, das sie besaß. Und sie würde es sicherlich noch brauchen. Armut war unangenehm, unfair und selten schön.

  • Aufmerksam und neugierig zugleich beobachtete die Zwergin die junge Frau, die auf Cressida einen höchst merkwürdigen Eindruck machte. Beinahe so als wäre sie nicht ganz richtig im Kopf. Diese Gedanken behielt die aurelische Sklavin jedoch für sich und neigte stattdessen ihren Kopf auf die Seite. Denn vor ihrem inneren Auge sah sie die junge Frau in ein hübsches Kleid gewandet. Und nicht in diesen Lumpen, die sie am Körper trug. So etwas trug nur jemand der etwas zu verbergen hatte oder sich versuchte unsichtbar zu machen. Wie ein Geist. Vielleicht war nicht die kleine Griechin die geisterähnliche Erscheinung, sondern ihr Gegenüber.
    “Hm. Vielleicht bist aber auch d u ein Geisteswesen Domina.“
    Dabei blitzte es schelmisch in den Augen der Sklavin auf. Während ihr Blick langsam über die durchaus abgerissene Erscheinung der jungen Frau glitt. Auch ihre fettigen Haare entgingen Cressidas intensiver Musterung nicht. Und als die junge Frau ihre öligen Hände an ihrer Tunika abwischte, würden dunkle Flecken auf ihrer Tunika zurück bleiben.


    “Wenn du es nicht leugnest. Wieso dann diese Maskerade Domina?“
    Bei diesen Worten hatte sich die Zwergin unwillkürlich näher gebeugt, denn am Nebentisch wurden Stimmen laut und Cressida verstand auf einmal ihr eigenes Wort nicht mehr. Ihre Ohren waren sowieso äußerst empfindlich. Doch jetzt würde sie ihre Ohren nicht bedecken. Jetzt ruhte ihre gesamte Aufmerksamkeit auf der jungen Frau. Und die Zwergin senkte ihren Blick.
    “Unser gesamtes Leben ist eine große Bühne und wir spielen unsere Rollen.“
    Plapperte Cressida jene Worte, die sie bei den Gauklern gelernt hatte. Dann hob die Zwergin abermals ihren Kopf an und schmunzelte in ihre Richtung.
    “Nenn mich Cressida, Domina.“
    Denn dies war der Name der ihr von ihrem Dominus gegeben wurde. Doch er nannte sie ohnehin jeden Tag anders. An Cressida hatte sich die Kleinwüchsige jedoch mittlerweile gewöhnt.


    “Ich lade Domina gerne auf einen Eintopf ein.“
    Grinste die Sklavin. Rutschte vom Hocker und wuselte davon. Die Münzen im Lederbeutel presste sie, wie so oft, fest gegen ihren Körper. Und wich Stuhl- und Tischbeinen aus. Zwischen den menschlichen Beinen zwängte sie sich einfach hindurch. Bis sie an der Theke ankam. Zwar dauerte es einige Zeit bis der Wirt auf sie aufmerksam wurde. Doch schließlich kehrte Cressida mit einem dampfenden Pott Eintopf zu der jungen Römerin zurück. Wenn sie die junge Frau wiederfand. Den Göttern sei gedankt, hatte sich die Römerin nicht von der Stelle bewegt und Cressida hielt ihr den Eintopf entgegen. Denn sonst könnte sie nicht auf den Hocker klettern.

  • "Sind wir nicht alle Wesen aus Geist und Materie?" Eine Frage, die Stella entgegnete. Scheinbar war sie an eine Philosophin geraten, was sehr ungewöhnlich war. Oft hatte sie diesen Gedanken gehabt, dass sie selbst nur eine Figur innerhalb einer Geschichte war. "Die Frage ist, ob der Geist über die Materie herrscht," äußerte die junge Frau etwas betroffen, denn sie glaubte, dass ihr Vater sie stets davor gewarnt hatte, die Natur ihrer Realität in Frage zu stellen. "Es ist keine Masquerade. Es ist eine lange Geschichte..." Stella wollte ehrlich sein aber konnte es nicht. Vieles hinderte sie daran, sich zu offenbaren aber vor allem hinderte sie daran, die schmerzhafte Erinnerung an diesen einen Tag vor Jahren, der ihr bis dahin schönes Leben vollständig zerstört hatte. Die Frage der Fremden traf Stella genau an diesem wunden Punkt, so dass sie einen Atemzug brauchte, um wieder ins Jetzt zurück zu finden. "Du hast vollkommen Recht. Das sagte mein Va..." Sie brach ab und wollte es nicht aussprechen. Nicht hier. "Es ist eine gute Weisheit." Ihr Herz wurde schwer, während sich die Fremde als Cressida vorstellte. Eigentlich wollte Stella nun gehen, damit sie Cressida nicht zu viel von sich preis gab. Wenigstens gab es gleich etwas zu Essen. "Danke," bestätigte Stella höflich. Stella wartete an Ort und Stelle, da sie ahnte, dass man sich schnell aus den Augen verlieren konnte. Cressida kehrte alsbald mit dem Eintopf zurück, den Stella aufmerksam und ehrlich dankbar entgegen nahm. "Danke! Danke!" Stellas Augen strahlten, während ihr der Duft einer guten Speise in die Nase stieg. Wirklich. Es war eine Erlösung für die wirklich hungernde Stella, die sich wenig wirklich leisten konnte. "Wollen wir uns dort auf die Bank setzen?" Die junge Frau deutete mitsamt der Schüssel zu einer niedrigen Holzbank mit einem Holztisch daneben. Der Holztisch wirkte abgenutzt aber sauber. "Und lass' bitte das Domina weg. Ich bin nicht deine Herrin," sagte sie und bewegte sich bereits einen Schritt in Richtung der Bank. "... eher Freundin," ergänzte sie mit einem sanftmütig freundlichen Lächeln.

  • “Wesen aus Geist und Materie?“
    Echote die Zwergin mit einem nachdenklichen Klang in ihrer Stimme und blickte an der jungen Römerin tatsächlich vorüber.
    “Ein jeder von uns ist formbare Masse.“
    War abermals Cressidas Stimme zu vernehmen. Doch diesmsl hatte sie ihr Augenmerk vollkommen auf Stella geheftet. So als wollte sie sich ihre Gesichtszüge in ihr Gedächtnis brennen.
    “Der Geist soll über die Materie, also über unseren Körper herrschen. Bedenkt man wie es wäre, wenn es auf umgedrehte Weise geschieht. Wir wären alle nur noch tumbe Befehlsempfänger.“
    Wie Sklaven. Und eine Gänsehaut kroch über Cressidas Rücken und ließ die feinen Häärchen in ihrem Nacken aufrichten.


    Die betroffene Miene der jungen Frau blieb der Zwergin verborgen, denn die wenigen Fackeln an den Wänden spendeten lediglich spärliches Licht.
    “Wenn es keine Maskerade ist. Was ist es dann Domina?“
    Eine lange Geschichte. Eine lange, traurige Geschichte. Zumindest wenn Cressida ihren Ohren trauen konnte. Denn der betrübte Klang in ihrer Stimme blieb der Kleinwüchsigen nicht verborgen.
    “Du willst dich offenbaren. Kannst es aber nicht, denn du hast das Gefühl dir wird die Kehle eingeschnürt.“
    Waren es reine Mutmaßungen die Cressida gerade anstellte oder wusste sie tatsächlich was die junge Frau quälte? Aber wie konnte sie das überhaupt wissen? Also doch reine Vermutungen.


    Den Lederbeutel verbarg Cressida erneut unter ihrer kurzen Tunika und kämpfte sich bis zur Theke durch. Dort wechselten Münzen den Besitzer und schließlich konnte die kleine Griechin der jungen Römerin den Eintopf präsentieren. Es war Lammeintopf und roch einfach köstlich. Sodass Cressida automatisch das Wasser im Mund zusammen lief. Den Eintopf drückte sie regelrecht in die Hände der Römerin und nickte anschließend auf deren Worte. Die Bank war tatsächlich äußerst niedrig und so konnte sich die kleinwüchsige Sklavin problemlos darauf niederlassen.
    “Keine Herrin. Eine Freundin?“
    Verwundert blickte Cressida in ihre Richtung und konnte nicht glauben was sie da soeben gehört hatte.
    “Ich wäre gerne deine Freundin.“
    Dabei huschte ein strahlen über das Gesicht der Zwergin.

  • "Du hast ein gutes Herz," meinte Stella. "Eine Seltenheit in dieser Stadt." Die junge Tibera wollte über den Eintopf herfallen, aber hielt sich zurück, um die inzwischen nicht mehr ganz so Fremde nicht zu verstören. Dabei hatte Stella einen sehr großen Hunger und würde gerne den gesamten Eintopf in einem Sturz hinunterschlingen. Müde nahm sie den beiligenden Holzlöffel und tunkte ihn die breiige Flüssigkeit mit groben Klumpen. Es fiel Stella schwer das Alter von Cressida einzuschätzen. Vielleicht war sie noch ein Kind oder viel mehr eine Heranwachsende. Es war auch nicht wichtig aber Stella würde gerne mehr wissen, damit diese großzügige Geste nicht von einer Fremden getätigt wurde. "Ich werde mich eines Tages dafür erkenntlich zeigen," erklärte Stella ernst und gab damit ein Versprechen ab. "Gutes soll stets mit Gutem vergolten werden," wiederholte sie etwas, was einst ihr Vater immer gesagt hatte und was sie sehr geprägt hatte. "Wo waren wir stehen geblieben?" Stella rührte den leckeren Eintopf einmal um und ass dann ihren ersten Löffel, der wahrlich einem Himmel gleich in ihrem Mund schmeckte. Hunger machte jedes Essen zu einer herausragenden Küche. "Mein Vater sagte immer, dass wir alle jemandem dienen, auch wenn wir es nicht wissen. Ich glaube, dass er vielleicht falsch lag aber der Gedanke, dass es diese Freiheit garnicht gibt ist einerseits beängstigend aber auch befreiend...," versuchte Stella wieder anzuknüpfen, während sie zwsichen Worten Eintopf über den Löffel in ihrem Mund verschwunden ließ. Die festen Brocken kaute sie heftig und schluckte sie erstaunlich unhöflich herunter. "Ich kann mich nicht offenbaren oder dir etwas sagen, da ich diese Freiheit nicht mehr besitze. Meine Geschichte ist auch nicht so wichtig, war sie vielleicht auch nie," plapperte sie ein wenig ernster aber behielt einen seichten Plauderton bei. "... ich bin einfach Stella und das reicht doch eigentlich, oder?" Vorerst musste das reichen. An diesem Ort war es ohnehin egal, ob sie einen großen Namen besaß oder auch nicht. Natürlich wäre es schön, jemand zu sein, der Bedeutung hatte oder auch nur eine Familie. Stella hatte keine Bedeutung, eigentlich für niemanden, und hatte auch keine Familie mehr. Gerne würde sie Cressida alles berichten, was sie in ihrem jungen Leben erlebt hatte aber dies war nicht die Zeit oder der Ort dafür. Auch wäre dies mit Trauer verbunden, die sie nicht zeigen wollte. "Diese Stadt hat schon vielen ihre Namen gestohlen," gab sie mysteriös von sich und gab damit Cressida ein Mysterium mit. "Ich bin nicht klug, nicht schön, nicht reich und kenne niemanden," erklärte sie. "Manchmal ist das auch gut so." Sie zog ihre Schultern hoch, biss nachdenklich auf den Löffel, ließ diesen kurz im Mund verweilen, bis sie ihn erneut in den Eintopf tauchte. "Cressida, wir sind oft damit besessen, jemand zu werden und vergessen dabei, dass wir längst sind," dachte sie laut nach und lächelte der mutmaßlichen Sklavin zu. "Erzähl mir etwas über dich. Ich bin neugierig," sagte sie und nickte Cressida aufmunternd zu. Stellas Augen weiteten sich dabei etwas. Auch konnte sie so von sich selbst ablenken.

  • Langsam drehte Cressida ihren Kopf in Stellas Richtung und spürte wie ihr das Herz tatsächlich schwer zu werden drohte. Denn exakt dieselben Worte hatte auch ihre Mutter verwendet. Sodass die Zwergin hart schluckte und sich kurzzeitig auf die Unterlippe biss.
    “Das hat auch meine Mutter gesagt. Ich hätte ein gutes Herz. Damals habe ich ihr nicht geglaubt. Und jetzt sagst du das gleiche.“
    Also musste doch etwas wahres an den Worten ihrer Mutter dran gewesen sein. Nur damals war die Zwergin noch zu jung gewesen, um die Worte ihrer Mutter richtig interpretieren zu können.


    Wie fahrig die Römerin nach dem Löffel griff und diesen langsam in den Eintopf tauchte, ließ Cressida spüren wie sich das Hungergefühl in ihrem Körper ausbreitete. Doch noch hielt sie sich zurück. Ihre neue Freundin benötigte den warmen Eintopf mit Fleischbeilage viel dringender als sie selbst. Obwohl ihr beim Geruch des Lammeintopfs bereits das Wasser im Mund zusammen lief. Doch noch bezähmte sie sich und hoffte das sie nicht allzu hungrig auf den Lammeintopf starrte.


    “Du willst dich bei mir erkenntlich zeigen? Nein Stella. Das habe ich gerne gemacht. Das war ein Freundschaftsdienst. Ohne Gegenleistung.“
    Dabei lächelte die Zwergin der Römerin ermutigend entgegen. Als Stella ihren Vater erwähnte, wenn auch nicht namentlich, wandte Cressida ihren Blick automatisch ab und heftete diesen auf die Oberfläche des deutlich zerschrammten Tisches.
    “Mein Vater hat meine Mutter direkt nach meiner Geburt verlassen. Mit einer Missgeburt möchte er nichts zu tun haben.“
    Tonlos gesprochen entwichen diese Worte über die Lippen der aurelischen Sklavin.


    “Eine jede Geschichte ist wichtig Stella. Denn es ist deine Geschichte.“
    Zart lächelte die Zwergin in ihre Richtung und war erleichtert, als Stella endlich ordentlich zu essen begann. Doch nicht für lange, denn da ließ sie erneut ihre Stimme erklingen.
    “Für mich bist du einfach nur Stella. Für einen Patrizier bist du die Tochter deines Vaters.“
    Ließ nun ihrerseits Cressida ihre Stimme in eine Art Rätsel erklingen und musterte die junge Frau mit einem funkeln in ihren Augen.


    “Du willst etwas über mich wissen? Nun gut. Ich erblickte in Griechenland das Licht der Welt. Meine Mutter war eine arme Bäuerin und verschacherte mich an eine Gauklertruppe. Dafür bekam meine Mutter eine Kuh und einen Ochsen. Die Gaukler waren nette Menschen. So zogen wir durch die verschiedensten Städte. Ich wurde in der Pantomime und im Geschichten erzählen ausgebildet. Nach und nach kamen auch einige Trickübungen dazu, wie zum Beispiel der Purzelbaum oder der Handstand.“
    Kurz pausierte die Zwergin und fuhr dann fort.
    “Auf einem solchen Fest befand sich auch mein Dominus und kaufte mich der Gauklertruppe ab. So kam ich in die Urbs Aeterna. Und damit endet meine Geschichte.“

  • Stella fühlte etwas. Es war eine Ahnung, dass etwas geschehen würde. Ein Deja-Vu. Sie war schon einmal hier gewesen, hatte genau dieses Gespräch geführt und ihr wurde in diesem Augenblick klar, dass alles in festen Bahnen verlief und sich stets wiederholte. Diese Wiederholung erschütterte sie. Diese Epiphanie zerstörte etwas von der gewonnenen Normalität dieses Gespräches. In Stellas Leben war wenig normal und noch weniger sie selbst. "Etwas stimmt nicht," sagte Stella und blickte sich um. "Wir haben dieses Gespräch schon einmal geführt, oder?" Die junge Frau beugte sich vor, um besser in den Raum zu blicken. "Es kommt mir so vor, dass wir schon einmal hier gesessen haben und genau dieses Gespräch geführt haben," meinte sie und lehnte sich dann wieder zurück. "Geschichten...," murmelte Stella und aß noch ein weiteren Happen und schob dann Cressida die noch halbvolle Schüssel hinüber. Stella ahnte, dass eine Sklavin sicherlich nicht viel Geld besaß und ebenso hungern konnte. Etwas sagte ihr, dass Cressida Hunger hatte. Vielleicht auch nur der Blick oder das sehr leise Magenknurren, welches Hunger immer von sich gab. Denn Stella war aufmerksam. "Hier," sagte sie und nickte Cressida aufmunternd zu. "Nimm' den Rest!" Zwar hatte Stella selbst noch Hunger aber Güte war etwas wertvolleres als ein völliges Sättigungsgefühl. Diese Demut hatte sie von ihrem Vater übernommen, der trotz seines harten Amtes, immer wieder Zeit fand, Menschen zu helfen. Vielleicht half er zu vielen Menschen.


    "Mein Vater...," griff Stella die Worte der nicht mehr fremden Cressida auf. "Mein Vater war ein besonderer Mann, der vielleicht mehr gelitten hatte und leiden musste, als viele vor uns. Er ist ein Beispiel für die Pflicht, die einen Mann zerstört. Nur die Liebe hielt ihn im Leben," erinnerte sich die junge Tiberia und lächelte bei einer wertvollen Erinnerung. "Er konnte atemberaubende Abenteuer berichten, hatte die Welt gesehen und in seiner Nähe war ich immer sicher. Er hatte immer eine Antwort auf jede Frage und konnte wunderbar jede Angst beruhigen..." Eine Träne fiel aus ihrem Auge, als sie an den Moment nach seinem Verschwinden dachte. "Er gab immer alles und fragte niemals nach etwas, was wir tun können. Er opferte sich auf, für Rom und für uns und am Ende...," sagte Stella mit brechender Stimme. "Nicht wichtig," brach sie ab und versuchte die Trauer zu bekämpfen, die sich ihrer Sinne bemächtigt hatte. Auch wenn es ein Deja-Vu war, eine ewige Wiederholung, wollte Stella durch diese Erfahrung gehen, denn ansonsten hatte sie nie eine Gelegenheit sich dieser Trauer zu stellen. Wie sehr sie doch ihren Vater und ihre Mutter brauchte. Diese Welt war zu groß für eine einsame Frau.


    "Verzeihung," jappste Stella und wischte sich die verbliebenen Tränen ab, die nicht mehr eisern zurückgehalten werden konnten. "Deine Geschichte ist ebenso traurig. Ich verstehe Menschen nicht. Wie kann eine Mutter ihr Kind verkaufen... und dein Vater einfach gehen," wollte Stella von sich ablenken und sich um die arme Cressida kümmern, die mehr Menschlichkeit bewiesen hatte, als jeder Römer in ihrem Leben bisher. "Du hättest etwas Besseres verdient als das," meinte Stella und schlug mit der Faust sanft auf die Tischkante. "Du bist Gauklerin geworden? Wenn auch nicht freiwillig und hast Menschen unterhalten. Ich habe nur im Dreck gewühlt und Karotten angepflanzt. Du hast Menschen Lachen und Lächeln geschenkt," erklärte Stella mit einem Lächeln, was von traurigen Augen umspielt wurde. "Welche von uns ist nun die Erhabene?" Eine Frage, die durchaus ernst gemeint war aber viel mehr ein warmherziger Scherz wurde. Stella sah völlig über den Kleinwuchs hinweg, da dieser für sie überhaupt keine Bedeutung mehr hatte. Cressida war einfach Cressida, ein guter Mensch. "Deine Geschichte endet hier nicht. Du schreibst sie jeden Tag," formulierte Stella und hoffte, dass Cressida nicht ihren Lebensmut aufgab und sich einfach ein Schicksal fügte. Stellas Leben bestand daraus, sich gegen das bittere Schicksal zu wenden und einen eigenen Weg zu finden. "Du hast mich vergessen. Ich bin doch nun auch Teil deiner Geschichte!" Die junge Frau schmunzelte.

  • Für einen kurzen Augenblick ruhte Cressidas Blick gar nachdenklich auf der jungen Frau. Beinahe wirkte ihr Blick so, als würde sie der jungen Frau bis auf den Grund ihrer Seele hinab blicken können.
    “Vielleicht sind wir uns bereits in einem früheren Leben begegnet Stella.“
    Leise gesprochen, entwichen diese Worte über die Lippen der Zwergin. Wobei sie sich tatsächlich näher gebeugt hatte. Auch wenn im inneren dieser Taberna der Geräuschpegel bereits hoch angesiedelt war, so wollte die kleine Griechin doch nicht das ihr Gespräch belauscht wurde. Auch wenn sich die aurelische Sklavin beim besten Willen nicht vorstellen konnte wer Interesse haben könnte ihr Gespräch zu belauschen.
    “Geschichten dienen der Unterhaltung. Aber auch der Verschleierung der Wahrheit.“
    Dabei umspielte ein feines Lächeln die Lippen der jungen Zwergin. Ahnte Cressida etwas? Aber woher? Schließlich kannte sie die junge Römerin, die ihr gegenübersaß, nur dem Namen nach. Oder verband sie etwas tiefergehenderes? Etwas von dem die junge Tiberia etwas wusste und Cressida lediglich den Hauch einer Ahnung hatte? Als ihr die junge Römerin schließlich die Schüssel entgegen schob, weiteten sich die Augen der kleinen Griechin.
    “Nein Stella. Dieser Eintopf ist alleine für dich bestimmt.“
    Und damit schob sie die Schüssel mit einer resoluten Bewegung zurück in Stellas Richtung.


    Die Worte über ihren Vater rührten etwas in Cressidas Innersten. Auch wenn sie nicht genau wusste wie sie dieses merkwürdige Gefühl einordnen sollte. So schwieg die Zwergin lieber und heftete ihren Blick auf die Tischoberfläche.
    “Du vermisst deinen Vater der nicht mehr unter uns weilt.“
    Mutmaßte die Kleinwüchsige und beobachtete eine jede ihrer Bewegungen.
    “Auch ich vermisse meine Mutter.“
    Ein jedes Kind vermisste die Eltern. Besonders diejenige die nicht mehr am Leben waren. Diese Gedanken behielt Cressida jedoch für sich und musterte die junge Römerin erneut mit diesem nachdenklichen Gesichtsausdruck.
    “Der Verlust deines Vaters hat dich gestählt und stärker denn je zurück kommen lassen.“
    Als würde die Zwergin eine Geschichte erzählen, sprach sie diese Worte an das Ohr der jungen Römerin gewandt.


    Geschickt verstand es ihr Gegenüber von ihrer eigenen Person abzulenken. So dass nun die Zwergin wieder am Zug war.
    “Für wertvolle Münzen verkauft eine Mutter auch ihr Kind an eine Gauklertruppe.“
    Sprach die junge Griechin mit stoischer Gleichmütigkeit in ihrer Stimme und blickte Stella erneut entgegen.
    “Ich bitte dich Stella, weine nicht mehr. Wir sind alle Teil eines großen Ganzen.“
    Unbewusst hatte die Zwergin bei diesen Worten nach Stellas Hand gegriffen und drückte diese zaghaft.

  • Sie wollte den Eintopf nicht, so entschied sich Stella, die Reste alleine, ganz für sich, zu verputzen. Sie genoss es, da sie endlich ein Gefühl der Sättigung erlebte und wirklich einmal satt war. Ein glorreiches Gefühl für eine arme Frau! Doch urplötzlich merkte sie, dass sie vielleicht zu viel gegessen hatte und ihr Magen daran garnicht gewöhnt war. Sie wollte rülpsen und tat es peinlich berührt auch. Sie überspielte ihre Attacke und sprach endlich weiter. "Schauspieler bedienen sich der Lüge, um eine Wahrheit zu zeigen," meinte sie allgemein auf Cressidas Aussagen. Ihr Vater war wohl ein Meister der Geschichte gewesen und hatte selbst ihr Leben oft gestaltet. Selbst ihre eigene Geburt war ja mehr oder minder eine Lüge gewesen. Niemand wusste, dass sie eigentlich als Tochter einer Sklavin zur Welt gekommen war und die Mittel und Fähigkeiten ihres Vaters hatten dafür gesorgt, dass sie als Römerin leben durfte. Ihr Vater war geschickt in der Lüge gewesen, was sie in dieser Sekunde denken ließ, ob er sie jemals belogen hatte. Wenn er andere belog, auch um sie zu retten, war es gut möglich, dass er auch seine Familie belogen hatte. Alles, was sie jetzt glaubte, konnte nicht wahr sein. Trotzdessen hatte sich Stella entschieden, im guten Glauben, den Briefen zu vertrauen. Ihr Vater war in ihrer Erinnerung zu gut, zu heldenhaft, so dass sie diesen Zweifel wirklich zulassen konnte.


    Es dauerte einen Moment, da Cressida einen wunden Punkt getroffen hatte. Einen Punkt, der sich nur schwerlich verbergen ließ. "Ja," antwortete Stella und blickte in die leere Schüssel, so als ob dort ein Abgrund wäre. Ein Abgrund, der ihr Leben verschlingen wollte. Auch Cressida vermisste jemanden. Stella blickte berührt auf. Sie suchte nach Worten aber fand keine. Doch, was Cressida dann sagte, konnte sie nicht wahrhaft glauben. "Ich bin nicht stärker. Nicht gestählt. Ich bin einfach nur hier. Der gleiche Mensch, der einfach seine Familie vermisst," war die Entgegnung, die fast zornig aus ihrem Mund brach. Doch der Zorn war blass, nicht deutlich, denn die reumütige Trauer lag in ihrem Gesicht. "Er fehlt," offenbarte sie ihren treibenden Gedanken. Das letzte Motiv all ihrer Handlungen. Sie musste wissen, was geschehen war, damit sie diese Lücke in ihrem Leben zumindest rudimentär verschließen konnte. Dieses Fehlen war der Abgrund, der Stella an allem hindert und gleichzeitig alles in ihrem Leben bewegte. Sie stand in seinem Schatten.


    "Deine Mutter verdient deine Gefühle nicht," meinte Stella mit halblauter Stimme, die sich ins Leise überschlug. "Sie hat dich verkauft!" Stella wollte nicht glauben, dass diese Grausamkeit einen nicht Menschen nicht verbittern konnte. Doch es zeigte nur, wie gut Cressida in ihrem Herzen war. Wie gut sie über das Leben dachte und Stella schämte sich dafür, dass sie insgeheim das Leben verfluchte. Stella konnte ihre einsamen Tränen nicht verbergen. Als Cressida ihre Hand griff, schluchzte Stella kurz auf, blickte Cressida wieder an. "Danke," war die Antwort, die mitfühlend, ehrlich und offen aus Stella sprach. Stella war dankbar dafür, dass sich jemand die Zeit nahm. Rom war doch nicht nur ein Abgrund. Hier lebten Menschen mit Herzen. Etwas, was sie nicht erwartet hatte.

  • Mit einem zufriedenen Grinsen beobachtete die Zwergin wie die Römerin tatsächlich nach dem Eintopf griff. Das Geräusch ihres Magens ignorierte Cressida geflissentlich und neigte stattdessen ihren Kopf kaum merklich auf die Seite.
    “Ich werde dir nichts wegessen.“
    Schmunzelte die Kleinwüchsige und beobachtete wie sich Stellas Finger um den Löffel legten und dieser in den Eintopf getaucht wurde. Endlich. Die Römerin sah tatsächlich viel zu dünn aus. Und das für eine Tochter aus patrizischem Haus. Diese Gedanken behielt die aurelische Sklavin jedoch für sich. Und dennoch ließ sie ihren Blick auf der jungen Römerin ruhen.
    “Willst du damit andeuten das alle Schauspieler Lügner sind?“
    Tatsächlich hatte sich die Zwergin bei diesen Worten aufgerichtet. Ob Cressida die Worte Stellas als persönlichen Angriff aufgefasst hatte? Nein. Bestimmt nicht. Denn dann hätte sie mit Sicherheit anders reagiert.
    “Bist du schon einmal wahren Schauspielern begegnet?“
    Wollte die aurelische Sklavin mit einem hellen funkeln in ihren Augen von der jungen Frau wissen. Vielleicht würde ihr Dominus die junge Patrizierin in die Villa Aurelia einladen und die Zwergin könnte dort ihre Kunststücke vorführen. Ein Gedanke der die Augen der Kleinwüchsigen vor Freude heller erstrahlen ließ.
    “Ich würde dir sehr gerne zeigen was ich bei den Gauklern gelernt habe. Vielleicht kommst du mich einmal in der Villa Aurelia besuchen?“
    Sprudelte es über die Lippen der Zwergin. Wobei sie mit großen Augen zu der Patrizierin empor blickte.


    Als Stella in Schweigen verfiel, zuckte die Zwergin leicht zusammen und wandte ihren Blick auf die Oberfläche des Tisches. Offensichtlich hatte sie mit ihrer Neugierde einen wunden Punkt bei der Römerin getroffen. Hart musste Cressida schlucken und biss sich auf die Unterlippe.
    “Du musst mir nicht antworten Stella.“
    Tatsächlich musste dies die Römerin wirklich nicht. Denn Tiberia Stella war eine freie, junge Frau. Und die Zwergin? Eine Unfreie. Da konnte sie sich schon glücklich schätzen das sie überhaupt in Gegenwart der Tiberia sitzen durfte. Ihr Dominus wünschte das sie zu seinen Füßen kniete. Doch diese Gedanken verscheuchte die kleine Griechin und zauberte stattdessen ein tapferes Lächeln auf ihre Lippen.
    “Zorn und Trauer können zu Waffen werden, wenn man sie stählt und schleift.“
    Augenblicklich verstummte die Zwergin nach diesen letzten Worten und blickte die junge Tiberia entschuldigend an.
    “Entschuldige. Ich habe unbedacht gesprochen.“
    Natürlich hatte sie das und eigentlich wäre es nicht erwähnenswert. Und dennoch musste es Cressida laut aussprechen.


    “Meine Mutter verdient meine Gefühle Stella. Sie hat mich zur Welt gebracht. Ohne meine Mutter und die Gaukler wäre ich nicht am Leben.“
    Ein entschlossener Glanz hatte sich bei diesen Worten in den Blick der Kleinwüchsigen geschlichen. Als sich dann Tränen in Stellas Augenwinkeln sammelte, ergriff die kleine Griechin nach ihrer Hand und streichelte beruhigend mit ihrem Daumen über Stellas Handrücken.
    “Ich mag nicht wenn du weinst.“
    Dabei blickte die aurelische Sklavin in Stellas Richtung und lächelte die junge Patrizierin an.
    “Was wirst du hier in der Urbs Aeterna machen Stella? Was hast du vor? Die Thermae besuchen? Das Wasser dort ist wunderbar warm.“
    Das sie in einem der Becken beinahe ertrunken wäre, musste ihre neue Freundin ja nicht wissen.

  • "Ja," antwortete Stella, während sie sich erneut an die Theatertage in dem kleinen Kaff erinnerte, was einst ihr Zuhause war. "Ich bin Schauspielern begegnet," erinnerte sie sich. "Sie haben bei uns ein wunderbares Stück aufgeführt. Eine Tragödie über einen heimkehrenden Soldaten aber es ist zu lange her, so dass ich das Stück nicht mehr wiedergeben kann." Stella war rücksichtsvoll, denn beim Theater verstand sie keinen Spaß. Man sprach entweder korrekt über ein Stück oder unterließ es. "Die Villa Aurelia?" Stella dachte nach. Ja, den Namen kannte sie noch. Irgendwie war der Name Aurelius in ihrem Schädel verhaftet gewesen, weil ihr Vater wohl häufiger dort verkehrte. Oder war es ihr Onkel Tiberius Caudex? Es war immer so viel Betrieb gewesen und ihr Vater sprach selten genau darüber, wohin er sich begab und auch Caudex war eher maßvoll im Umgang mit Informationen. "Ich glaube, dass du eine tolle Gauklerin bist!" Das glaubte Stella wirklich. Auch wollte sie Cressida ein wenig Bestätigung geben, denn Menschen brauchten Lob und guten Willen, damit das Leben nicht an Glanz verlor. Gerade Schausteller und Gaukler lebten von der wohlwollenden Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die Stella gerne gewährt hätte aber sie würde wohl zeitnah nicht in die Villa Aurelia kommen, da sie nicht einmal wusste, wo diese genau lag. "Ich denke, dass ich kein willkommener Gast wäre," versuchte sie also die Einladung abzulehnen, auch weil sie ahnte, dass eine Sklavin wohl keine sachgerechte Einladung in ein Haus einer römischen Familie aussprechen konnte. Nicht, dass sie Cressidas Einladung ablehnen wollte aber Stella würde keine Gelegenheit haben, wirklich zur Villa zu kommen. Es tat ihr ein wenig leid, denn Cressida war ein wundervoller Mensch, dem sie eigentlich nichts abschlagen wollte. "Gerne irgendwann mal...!" Eine Notlüge oder Behelf, der Stella eine zu harte Antwort gegenüber der armen Cressida ersparen sollte. "Schauspieler sind in gewisser Hinsicht Lügner, da sie nicht die Personen sind, die sie darstellen und Geschichten erzählen, die nicht immer wahr sein müssen," kehrte Stella wieder ins Gespräch zurück und nahm Cressidas Frage als willkommenen Anlass, ihre eigene Traurigkeit zu überspielen und das Gespräch von der Einladung weg zu lenken. Mit einer hektischen Bewegung wischte sie ihre Tränen fort, um sich wieder die Maske zu erlauben, eine Fälschung von sich selbst. "Du brauchst dich nicht entschuldigen," wiegelte sie ab und versuchte zu lächeln. Es blieb beim Versuch. Es dauerte einen langen Atemzug, bis Stella wieder bei sich war und war wirklich erleichtert darüber, dass Cressida das Gespräch auf zukünftige Aktivitäten in der Stadt lenkte. Etwas, was Stella nun gut gebrauchen konnte, denn wirkliche Pläne hatte sie nicht, außer den geheimen Anweisungen ihres (toten) Vaters zu folgen."Die Therme ist eine Idee," sagte die junge Tiberia und nickte Cressida zu."Kennst du interessante Orte, die ich gesehen haben muss?" Eine Frage, die Stella nicht nur aus Neugierde stellte.

  • Als die Tiberia von Schauspielerin in ihrem Dorf sprach, konnte man ein helles strahlen in Cressidas Augen entdecken. Da war es vollkommen nebensächlich das sich die Römerin nicht mehr wirklich an den Inhalt des Stücks erinnern konnte.
    “Und.. dieses Theaterstück hat dir gefallen Stella?“
    Es musste ihr gefallen haben. Anders konnte es sich die Kleinwüchsige nicht erklären.
    “Wir durften keine Tragödien aufführen. Unsere Stücke sollte zur Erheiterung und Belustigung dienen. So wollte es mein ehemaliger Besitzer.“
    Denn mit weinenden und melancholisch dreinblickenden Römern war wirklich niemand geholfen.


    “Die Villa Aurelia ist mein neues zu Hause.“
    Antwortete die Griechin und blickte mit einem fragenden Gesichtsausdruck zu der jungen Römerin empor.
    “Warst du schon einmal in der Villa Aurelia zu Gast?“
    Oh ja. Jetzt war Cressidas Neugierde geweckt und leicht beugte sie sich in Stellas Richtung. So hörte sie auch wie die Römerin ihr Talent der Mimenkunst lobte und Cressida spürte wie ihre Wangen vor Freude brannten.
    “Es hat mir immer Freude gemacht, wenn wir Auftritte hatten und wir unsere einstudierten Kunststücke präsentieren durften.“
    Blieb nur abzuwarten ob ihr Dominus der Kunst der Gaukeley ebenfalls so zugetan war, wie es die junge Tiberia war.


    Jedoch lehnte die junge Römerin ihren Vorschlag des Besuchs in der Villa Aurelia ab. Sodass Cressida enttäuscht ihren Kopf senkte. Dennoch war ihr innerlich das es ihr als Unfreie nicht zustand irgendwelche Einladungen auszusprechen. Da müsste schon ihr Dominus eine öffentliche Einladung an die Gens Tiberia ausstellen. Aber vielleicht würde er dies sogar tun, wenn sie ihn lieb darum bat?
    “Natürlich musst du meine Einladung ablehnen. Es stand mir als Unfreie nicht zu.“
    Entschuldigte sich die Zwergin und betrachtete eingehend die Maserung der Tischoberfläche. Hatte die aurelische Sklavin wirklich gedacht das die junge Römerin auf ihren Vorschlag einging? Wunschdenken kleine Cressida. Reines Wunschdenken.


    “Ich kenne noch nicht viele Orte in der Urbs Aeterna. Die Thermae oder aber die Wettkampfarenen. Dort finden Gladiatorenkämpfe statt.“
    Obwohl solche Kämpfe wohl nichts für eine junge Römerin waren. Und so senkte die aurelische Sklavin erneut ihr Köpfchen.

  • "Tragödien gefallen mir besonders," antwortete Stella und grinste dabei verschroben. Ohnehin mochte sie allzu einfache Unterhaltung nicht und hielt sich eher von den Stücken für das gemeine Volk fern. Natürlich hatten auch diesen ihren Reiz aber wirklich unterhalten konnte diese Stella nicht. "Auch Tragödien können in gewisser Hinsicht erheitern. Die Griechen nennen es Katharsis, dass durch das Leid welches man sieht, das eigene Leid gemildert werden kann. Konflikte, welche auf der Bühne dargestellt werden, können eigene Konflikte kleiner machen. Ich glaube aber, dass das nicht bei jedem funktioniert," sprach Stella über ihr Laienwissen in Theaterkunst. Es mochte auch nicht ganz korrekt sein aber Stella war noch nicht an einen echten Philosophen geraten, so dass sie diesen Zustand der
    Katharsis mit ihm hätte erörtern können. Es blieb nur rudimentäres Halbwissen aus schnell gelesenen Schriftrollen.


    "Ich war noch nie in der Villa Aurelia," überlegte sie laut und kratzte sich am Kopf, ob dies wirklich der Tatsache entsprach. Stella war sich recht sicher, dass sie noch nie dort war. Selbst als sie noch in Rom gelebt hatte, war sie nie dort gewesen. Meistens war Stella auch zu Hause geblieben, da sie ihre Umwelt und insbesondere die Straße als zu anstrengend empfunden hatte. "Kannst du nicht jetzt etwas aufführen?" Eine nicht ganz ernst gemeinte Frage, denn Cressida sprach derartig freudig über ihre Gauklerzeit, dass Stella fast schon zu neugierig war. Stella blinzelte.


    "Sei nicht so hart zu dir," meinte die Tiberia und schlug aufmunternd mit beiden Händen auf die Tischkante. "Ich halte nicht viel davon, wenn man sich selbst für Höflichkeiten verurteilt." Stella versuchte frech zu grinsen, was dieses mal auch gelang. "Es war ehrlich gemeint, dass ich einfach keine Zeit habe," log sie ein wenig aber meinte es doch ernst, dass sie unter anderen Umständen sicherlich gerne vorbeigeschaut hätte.


    "Ih! Gladiatorenkämpfe...," wiegelte Stella gleich ab und verzog dezent das Gesicht, wobei ihre Augen sich leicht verdrehten. Sie hasste Kämpfe und machte sich eigentlich nichts aus Waffen, obwohl sie selbst sicherlich besser als mancher Mann mit einem Dolch oder Schwert umgehen konnte. "Thermen klingt besser," nickte sie ab.

  • Aufmerksam lauschte Cressida ihrer Stimme und befand für sich im Stillen, dass die Stimme der Römerin einen weichen Klang hatte. Einen Klang dem die Zwergin gerne häufiger lauschen würde. Nur leider war dies kaum möglich. Außer die junge Frau besuchte sie dann doch in der Villa Aurelia. Hm. Vielleicht sollte sie ihre Stimme dahingehend dann doch erklingen lassen? Was aber wenn die Römerin überhaupt kein Interesse an derartigen Dingen wie der Gaukeley hatte? Also lieber schweigen und die junge Frau sprechen lassen.


    “Tragödien also.“
    Murmelte Cressida an sich selbst gewandt und würde sich diese Information merken. Jede Information war Gold wert, würde wohl ihr Dominus sagen. Nur das dieser nicht zugegen war und somit auch nichts davon wusste über was sich die Zwergin mit der jungen Römerin unterhielt.
    “Ich weiß von der griechischen Katharsis Stella.“
    Schmunzelte die aurelische Sklavin und blickte aus großen Augen zu der Tiberia empor.


    “Es gibt auch Menschen die sich am Leid anderer ergötzen.“
    War erneut die Stimme der Zwergin zu vernehmen. Bevor sie dann auch schon verstummte und kaum merklich ihren Kopf schüttelte.
    “Leid und Schmerz kann niemals etwas positives sein.“
    Dabei blickte sie die junge Frau direkt an. Auch wenn dieser Blickwechsel lediglich einen Wimpernschlag andauerte und die Sklavin ihren Blick niederschlug.


    Schließlich erklärte die junge Römerin das sie noch nie in der Villa Aurelia war und Cressida schielte aus dem Augenwinkel in ihre Richtung.
    “Ich werde meinen Dominus fragen ob er dich in die Villa Aurelia einlädt.“
    Dabei schmunzelte die Zwergin mit blitzenden Augen und klatschte leicht in ihre schmalen Hände. Bevor sie dann auch schon auf ihre fragenden Worte mit dem Kopf schüttelte.
    “Ich muss erst meinen Dominus um Erlaubnis fragen.“
    Erklärte Cressida mit purem Ernst in ihrer Stimme.


    “Dann.. hm.. frage ich meinen Dominus ob ich dich in die Thermae begleiten darf?“
    Auch wenn sie sich einen besonders guten Grund einfallen lassen müsste, wieso sie die fremde junge Römerin in die Badeanstalt begleiten wollte. Aber da würde der Zwergin schon etwas einfallen.

  • "Es gibt leider viele Menschen, die dies tun, Cressida. Ich glaube sogar, dass es zu viele sind," antwortete Stella nachdenklich, blickte dabei entrückt auf die Tischkante und dachte dabei an ihren Vater, der sich niemals am Leid ergötzte aber sicherlich vielen Menschen Leid gebracht hatte. Immer im Namen Roms. Was war schon Rom.... Sie hatte, bei allen verdammten keinen Göttern, keine Familie mehr. Ihr Bruder war weiterhin verschollen, ihre Mutter tot und ihr Vater sehr wahrscheinlich ebenso. Allein war sie. Und doch war da dieses Gefühl, dass es vielleicht ihr Schicksal sein musste, um für die Verfehlungen ihres Vaters zu zahlen. Leid wurde stets in Leid aufgewogen. Das hatte sie durch Pluto gelernt. Gutes, wie Schlechtes, wurde aufgewogen, entweder durch Zeit oder durch Handlung.


    "Ich stimme dir zu," war die Aussage, die Stella grübelnd aus ihrem Munde warf, wie ein schweres Stück Blei. "Ich glaube nur, dass manche zu dem Feind werden, den sie selbst bekämpfen wollten," sagte die Tiberia und dachte dabei an ihren Vater, der in seinem Schweigen mehr sagte, als er hätte mit Worten erklären können. Es war genau das, was er nicht beantwortet hatte, wenn sie fragte, was sie fürchten ließ. Es waren die blutigen Tuniken, die sie gefunden hatte und die Sklaven mühsam waschen mussten. Es waren die seltsamen Männer der Prätorianer, die ebenso schweigsam waren, die ihr noch bis heute Albträume brachten, da diese Soldaten stets vom kalten Hauch des Todes umgeben waren und eiskalt und emotionslos agierten. Ihr Vater hatte den Horror in ihr Haus gebracht. Nicht Fremde waren allein verantwortlich, denn er hatte sich angedient, sich ebenso Pluto verschrieben aber nicht nur um andere zu retten, sondern um viel mehr der Macht zu dienen. Diesem Rom. Wie sehr Stella diese Stadt zu verabscheuen begann, da sie viele Leben gestohlen hatte.


    "Ein Herz kann schnell mit Gier vergiftet werden. Ein Herz kann schnell mit Eifer vergiftet werden. Ein Herz kann langsam mit der Pflicht getötet werden," rezitierte sie ein Gedicht und blickte dann Cressida wieder an. Ihr Vater hatte Leid gebracht, um zu dienen. Sie würde Leid ertragen, um es zu beenden. Das Schicksal ihrer Familie musste gebrochen werden. Pluto war ihr Zeuge, dass sie bereit war, weiter zu machen und die schrecklichen Geheimnisse zu lüften, die ihre Familie begraben hatte. Kurz kehrte Stille zwischen beiden ein, da Stella einen Moment brauchte, um Luft zu holen. Immer noch lag die Düsternis schwer auf ihr.


    Sollte Stella Cressida darüber aufklären, dass sie derzeit keinen festen Wohnsitz hatte und nicht mal Briefe empfangen konnte? Stella entschied sich, dies offen zu lassen, denn es könnte die arme Cressida enttäuschen, dass Stella wirklich nicht das Leben lebte, was die kleine Gauklerin vermutete. "Du kannst gerne fragen," antwortete Stella mit einem Augenzwinkern, welches aber im aschweißen Angesicht der einsamen Tiberia eher ironisch wirkte. Es passte nicht. "Du kannst auch gerne fragen, ob du mich in die Therme begleiten kannst," ergänzte sie und lächelte nun warmherzig und ehrlich. Cressida war ein Sonnenschein, der auch die eisige Trauer einer Tiberia Stella durchbrechen konnte.

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