• Elle für Elle, Meile für Meile zogen sie dahin.


    Je weiter sie sich von Italia entfernten, umso wilder wurde die Gegend. Zuweilen sind sie Dutzende von Meilen gefahren, ohne auf einen Menschen zu treffen oder einen bewohnten Hof zu sehen. Die Wälder seitwärts der Strassen wurden zusehends dunkler und dichter. Vor und hinter ihnen erstreckte sich die Strasse in ihrer scheinbaren Unendlichkeit.


    Bisher hatten sie Glück und wurden nicht überfallen. Avitus hatte Epulo, einem Händler aus Mantua, der ihn gegen ein angemessenes Entgelt mitgenommen hatte, nicht viel über sich erzählt. Sein Gürtel jedoch, an dem man ihn als Soldat identifizieren konnte, musste auf Epulo einen beruhigenden Effekt ausüben, denn die Anwesenheit eines Soldaten in seinem Zug schien ihm ein Gefühl von etwas mehr Sicherheit zu geben, auch wenn Avitus’ Bewaffnung lediglich aus einem Pugio bestand.


    Sie fuhren mit vier Wagen, die mit zum Teil römischem Wein, zum Teil mit Kirchen beladen waren. Der vierte Wagen war mit Proviant für den Zug selbst beladen. Epulo hatte vor, die Ware schnellstmöglich loszuwerden und zurückzufahren. Germania lag ihm offenbar nicht. Wenigstens war er froh, bis nach Mogontiacum mitgenommen zu werden.

  • Vielleicht würde er in Mogontiacum ja seinem Cousin begegnen, Reatinus. Vielleicht würden sie ja einen trinken können und Neuigkeiten austauschen… plötzlich schnitt ein Pfeil die Luft und einer der Sklaven fiel, von dem Pfeil in den Hals getroffen, um. Sein Blut spritzte auf die Steine der Strasse, was hieß, dass er verloren war. Ein weiterer Pfeil, und ein weiterer Sklave fiel, diesmal der Lenker des ersten Wagens. Sie wurden überfallen.


    Avitus sprang von Wagen und suchte hinter dem Wagen Deckung. Er verabscheute es, wie ein Tief von Schützen aufs Korn genommen zu werden. In einem Kampf Mann gegen Mann würde er den Angreifern gerne die Hälse „rasieren“, doch aus einem Hinterhalt beschossen zu werden… das trieb die Moral eines Mannes in den Keller.


    Immer mehr Pfeile zischten durch die Luft und sieben von ihnen lagen bereits auf dem Boden. Manche waren längst tot, andere röchelten oder zitterten, während sie apathisch versuchten zu begreifen, was um sie herum geschah. Avitus wusste, dass es wohl eine Frage der zeit war, bis sie alle tot waren. Er bedauerte, dass er seine Ausrüstung abgeben musste. Hätte er wenigstens ein Schild. Er sah sich um. Epulo lag getroffen am Boden, ein Pfeil ragte aus seinem Bein. Zumindest lebte er noch und schaute verzweifelt und hilfesuchend zu Avitus.


    Wenigstens wurden sie nur von einer Seite beschossen, so dass sie wenigstens ein paar Minuten rausholen konnten. Die Räuber mussten wohl noch nicht lange im Geschäft sein, wenn ihnen ein derartig anfängerhafter Fehler unterlief. Doch was nützte es ihnen schon. Avitus sah sich um. Wenigstens waren alle anderen in Deckung gegangen.


    Obwohl sie kaum mehr zehn Mann waren, kamen die Angreifer nicht raus und beharkten sie weiterhin mit Pfeilen. Avitus schüttelte mit dem Kopf und fluchte lautstark. So wollte er nicht draufgehen...

  • Das Hufgetrampel ließ Avitus’ Herz schneller schlagen. Er riskierte einen Blick über den Wagen und sah das Abzeichen einer Turma, die sich näherte. Offenbar eine Patrouille der Legio VIII Augusta. Er atmete tief durch. Der Pfeilbeschuss hatte aufgehört, denn auch die Angreifer mussten die Legionsreiterei bemerkt haben. Doch es war zu spät. Wie Raubvögel stürzten sich diese auf die Banditen und ließen die Sprache der Schwerter sprechen.


    Nach wenigen Augenblicken war es vorbei. Einige der Angreifer flüchteten zwar durch die Wälder, doch der Decurio ließ einige seiner Männer die Verfolgung fortsetzen, während er selbst mit dem Rest der Turma zu den Wagen ritt.


    Avitus trat aus der Deckung und ging auf den Decurio zu. Zum Gruß führte er seine rechte Hand zur linken Brust. An dieser Geste und seinem Gürtel erkannte ihn der decurio als einen Soldaten. "Miles Artorius Avitus, Decurio. Angehöriger der Cohortes Urbanae, freigestellt zwecks Versetzungsersuch zur Legio IX Hispana. Den Göttern sei dank, dass ihr Jungs hier aufgetaucht seid."


    Der Decurio grüßte zurück. "Ein Urbaner, ha? Nun, ja. Diese Bastarde," er deutete in Richtung, in die seine Männer die Verfolgung aufgenommen hatten, "haben euch ja ganz schön schwer erwischt, ha? Kannst von Glück sprechen, Miles, dass wir in der Nähe waren."

  • Nachdem sie die Wagen von den Pfeilen befreit haben und alles wieder halbwegs hergerichtet hatten, ging die Reise weiter, Die Kavallerie stellte vier Reiter ab, die ihnen Begleitschutz gaben. Die flüchtigen Angreifer wurden gefasst und in Ketten hinter den Wagen geschleift. Epulo konnte es sich nicht nehmen lassen, einem von ihnen die Zähne auszuschlagen, auch wenn er dabei eine Verschlimmerung seiner Wunde in Kauf nahm.


    Irgendwann jedoch musste die Eskorte abdrehen und die Gefangenen in ihr Lager bringen und der Zug setzte die reise alleine fort. Diesmal hatten sie jedoch den Segen der Götter auf ihrer Seite, denn die reise verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle. Schon bald kam Mogontiacum in Sicht und ein erleichtertes Aufatmen von allen Beteiligten war unüberhörbar. Auch Avitus ertappte sich dabei.


    Die Hälfte der Reise war geschafft. Den Rest wollte er auf dem Rhenus zurücklegen.

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