• Ein paar Neugierige und Freiwillige hatten sich eingefunden, also begann Claudius mit ungewohnt spaßiger Miene sein Vorhaben zu erklären.


    "Soldaten der LEGIO I, ich habe euch etwas aus der Academia Militaris mitgebracht, was euch "begeistern" wird. Es stammt von keinem Geringeren als unserem alten Legaten und war Bestandteil des Examen Secundum, das ich kürzlich abgelegt habe. Alle Offiziersanwärter wären also gut beraten, hier dran teilzunehmen, vor allem du, Priscus."


    Mit einem Grinsen im Gesicht bückte sich Claudius und hob eine Lederschlaufe auf, die vor seinen Füßen lag.

    "Eine Waffe, mit der man viel Spaß haben kann",
    begann er das ungewöhnliche Teil vorzustellen. "Sie ist nicht leicht zu handhaben, erfordert viel Übung, ist aber bei Beherrschen sehr effektiv und nicht zuletzt geht einem die Munition nie aus und auch die Waffe selbst ist jederzeit ohne Probleme verfügbar."


    Claudius sah in die Runde und betrachtete die Gesichter der Soldaten, bevor er fort fuhr.


    "Im Gegensatz zu unserem geschätzten Purgitius Macer werde ich euch aber ein paar Tipps für die Handhabung geben. Seht her! Die Lederschlaufe hat zwei Riemen. An einem dieser Riemen ist eine Schlaufe, die ihr euch um einen Finger binden müsst. Macht ihr das nicht, fliegt euch die Waffe samt Munition davon. Oder eben nichts von all dem."


    Claudius grinste erneut.


    "Als Munition könnt ihr Steine nehmen. Ich würde zu ovalen raten und sie sollten vom Gewicht her zwischen 20 und 50 Gramm liegen. Als Kriegswaffe wird sie natürlich vielmehr mit Bleigeschossen bestückt, aber die Zeiten ihres regelmäßigen Einsatzes sind lange vorbei. Jetzt schleudert ihr die gesamte Angelegenheit und Schleudern hat was mit Schnelligkeit zu tun. ;) Im rechten Moment wird dann der unbefestigte Riemen losgelassen. Es muss nicht erwähnt werden, dass der rechte Moment dann erreicht ist, wenn das Geschoss Richtung Ziel schleudert. :D Unser Feind ist der Holzpfahl dort hinten. Wer trifft, hat die Amphore gewonnen. Also, ran an den Feind."


    Claudius war gespannt, wer zuerst vortrat und wie die Ergebnisse ausfallen würden.

  • Priscus sah eine solche Schleuderschlaufe nicht zum ersten Mal, da hier und da immer mal wieder Kameraden mit einem solchen Ding übten. Er selber hatte sie nie sonderlich gemocht, er war eher ein Freund der Geschütze. Aber da sein Centurio ihn schon explizit ansprach, trat er nach vorne und ließ sich die Schlaufe reichen.


    "Dann versuche ich mich mal daran", schloß er sich dem lockeren Umgangston seines Vorgesetzten an und griff nach einem Stein. In Anwesenheit des Centurio verkniff er sich, gleich einige Soldaten zum Sammeln von geeigneten Steinen zu schicken, was auf dem ordentlich gefegten Platz gar nicht so leicht sein dürfte.


    Ein paar Mal bewegte er die Schlaufe ohne Stein durch die Luft, dann legte er das Geschoß ein und ließ das Gerät erst einmal kreisen. Als er meinte, das richtige Gefühl entwickelt zu haben, beschleunigte er die Bewegung und ließ dann den einen Riemen los. Mehr nach oben als nach vorne schoß der Stein davon und kam eine Zeit lang später nicht allzu weit entfernt wieder herunter.


    "Können wir nicht lieber Vögel jagen statt des Holzpfahls?"

  • "Priscus, ich gehe jede Wette ein, dass du beim nächsten Versuch dir wünscht, ich hätte Wühlmäuse zum Abschuss freigegeben."


    Claudius drückte mit selber Kraft die Schulter seines Optios wie er bemüht war, sein Lachen zu unterdrücken.


    "Aber tröste dich, ich habe in der Academia auch nicht besser ausgesehen; die Handhabung will eben gelernt sein. Einen Versuch hast du noch. Wenn es dann nicht klappt, teilen wir uns die Amphore heute Abend."


    Nochmals klopfte der Centurio auf die Schulter seines Unteroffiziers und trat anschließend beiseite. Es war ja auch nicht ganz ungefährlich, im Schleuderkreis stehen zu bleiben.

  • Priscus brummte irgendeine abschätze Bemerkung über Wühlmäuse, Vögel, Schleudern, Pfähle oder sonst etwas und begann mit einem zweiten Versuch. Er wusste nicht ganz so genau, was er eigentlich anders machen sollte als beim ersten Mal, also verließ er sich einfach wieder auf sein Gefühl. Als das Geschoss die Schlaufe verließ, flog es dann auch schon flacher als im ersten Versuch, aber immernoch in einem ziemlich schlaffen Bogen in Richtung des Pfahls und kam schon weit vorher zu Boden.


    "Soso. Das ganze jetzt also noch flacher und viel stärker, und die Barbaren bekommen Hagel um die Ohren, richtig?"


    Zumindest die Theorie hatte er inzwischen völlig erfasst.

  • "So in etwa."


    Claudius griente.

    "Ganz unterhaltsam, oder? Das waren sicherlich auch die Gedanken unseres alten Legatus, als er uns in der Academia mit dieser Übung beglückt hatte. Ich finde, wir haben uns die Amphore heute redlich verdient."


    Vor allem wenn man bedenkt, dass Claudius ja nicht einen Finger krumm gemacht hatte. Der Centurio war mit dem Verlauf sehr zufrieden.


    "Fasst du mal mit an?"


    In dem Fall - sie hatten Dienstschluss und die Übung war mehr als Spaß gedacht - fand der Centurio das Erteilen eines Befehls unangebracht. Außerdem trug sich das Ding zu zweit bequemer.
    Unwillkürlich kamen bei Claudius Erinnerungen an seine Grundausbildung auf, als er und Vitulus eine Wasseramphore holen mussten und er sich mit der Amphore abgemüht hatte, während Vitulus mal locker die kleinen Becher spazieren trug. Waren schon tolle Zeiten, damals ... Wobei - das Leben als Optio unter dem Kommando des Aureliers und das Leben als Centurio mit einem Mann wie Priscus als Optio war ebenfalls ein sehr gutes. Claudius hätte es bisher nicht besser treffen können.

  • Priscus guckte nicht ganz so zufrieden mit sich selbst und fand es weniger unterhaltsam, mit einer wirkungslos erscheinenden Waffe zu hantieren. Da der Centurio die Übung beendete, störte ihn das aber nicht allzu lange und der Aufforderung zum Anfassen an der Amphore kam er gerne nach.


    "Klar doch."


    Die Frage, warum Vesuvianus die Amphore erst auf den Platz getragen hatte, wenn sie jetzt wieder weg getragen werden sollte, verkniff er sich mit einem harmlosen Grinsen und fragte stattdessen nach den Erlebnissen an der Academia.


    "Was lernt man außer dem Umgang mit der Schleuder denn noch an der Academia?"

  • "Naja, gelernt haben wir dem Umgang ja auch nicht wirklich. War wohl nur zur Demonstration und praktischen Übermittlung des theoretischen Wissens gedacht", erklärte Claudius, während er die Amphore auf seiner Seite anhob.


    "Da gab es noch eine weitere Demonstration längst überholter Kampftechniken. Mit dem heutigen Wissen und unserem Ausbildungsstand an den modernen Waffen mal eben das Taktieren aus einer Phalanx heraus, noch dazu mit den unhandlich langen Speeren und einem Schild, der mit einem Scutum auch nicht soo viel zu tun hat, das war recht interessant. In dem Fall war weniger die Handhabung als vielmehr eine ausgeklügelte Taktik von den Lehrgangsteilnehmern gefragt, die sich eben kurzerhand auf die Vor- und Nachteile der anders gearteten Waffen einstellen mussten. Der Abschnitt gefiel mir, obwohl ich mir mehr Mitarbeit von anderen Teilnehmern gewünscht hätte."


    Ein paar Schritte lief Clauddius schweigend.


    "Klar, dass der größte Teil der Ausbildung theoretischer Natur ist."

  • "So viel Praxis hätte ich gar nicht erwartet", musste Priscus ehrlich erstaunt zugeben. "Ich dachte immer, die Academia macht nur so eine theoretische Ausbildung mit Vorlesungen und Büchern und so. Die Praxis holen sich die Offiziere doch bei den Einheiten."


    Priscus war nicht immer mit den Tribunen seiner Legion zufrieden gewesen und hielt nicht viel von denen, die nur theoretische Kenntnisse hatten und wenig vom Alltag der Soldaten wussten.


    "Aber auch das was ihr da in der Praxis macht, scheint dann ja für den Alltag nicht viel zu nützen."

  • "So, da wären wir", sagte Claudius und schickte sich an, die Amphore vor der Baracke abzustellen. Als er Priscus’ Bemerkung vernahm, wiegte er nachdenklich den Kopf.


    "Och, das kann man sehen, wie man will. Eins zu eins ist es sicher nicht umsetzbar, aber es schult zumindest den Geist, sich vor ungewöhnliche Aufgaben gestellt zu sehen und brauchbare Lösungen zu finden. Das ist ganz offensichtlich auch nicht jedem Kursteilnehmer leicht gefallen. Vor allem habe ich eine annähernde Nichtbeteiligung der zivilen Studenten festgestellt. So richtig brauchbare Vorschläge kamen eigentlich nur von den Offizieren. Ich frage mich ohnehin, warum Zivilisten zur Militärakademie müssen bzw. warum man sie lässt."

  • Wirklich viel konnte Priscus zu dem Thema nicht mehr beitragen.


    "Mir sind Zivilisten, die wenigstens mal an der Academia waren und dann Tribun werden immer noch lieber, als irgendwelche Patriziersöhne, die sich wie Mars persönlich vorkommen, nur weil ihr Vater dem Chef einen Beutel Goldstücke gegeben hat."


    Für einen jahrelangen Optio waren solche jungen Kerle ein echtes Greuel.


    Hewohnheitsmäßig wollte er nach dem Abstellen der Amphore erst einmal in seine Stube, seine Rüstung loswerden, bis ihm auffiel, dass sie nach Dienstschluß ja schon gar keine mehr trugen. War ihm bisher auch selten passiert, dass er das nicht merkte, aber so blieb er halt einfach da und wartete darauf, dass die Amphore geöffnet wurde.

  • "Tjo, also bei mir hat das mit dem Beutel Goldstücken nicht geklappt", erwiderte Claudius grinsend, als er den Korkverschluss entfernte.


    "Die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Nichts ist mehr wie es früher war, denn jeder Patriziersohn, der jemals dieses Lager betreten hat, durchläuft die Mannschaftsdienstgrade von ganz unten an bis er es vielleicht mal schafft, in den Stab zu kommen. Vielleicht", wiederholte Claudius und winkte gleichzeitig einen Legionär seiner Einheit heran.


    "Hol mal deine Kameraden. Sie sollen ihre Becher mitbringen, einen für mich und den Optio zusätzlich."

  • So ganz konnte sich Priscus mit den Äußerungen seines Centurio nicht einverstanden erklären, aber letztlich kam es an diesem schönen Feierabend auch nicht darauf an. Er war nach ihm zur Legion gekommen, soviel wusste er, aber dass er jetzt schon Centurio war, lag in der Tat wohl kaum an seiner patrizischen Herkunft. Priscus fiel auf, dass er gar nicht genau wusste, wie alt er war - müsste in etwa in seinem Alter sein.


    "In der Tat, vielleicht ihn den Stab. Wer von unten kommt schafft es ja ganz selten. Allzu viele kenne ich nicht. Vielleicht auch ganz gut so, wer irgendwann als Tribun wiederkommt, sollte vielleicht nicht unbedingt die Leute kommandieren, mit denen er früher die Stube teilte."

  • Gemächlich mit ihren hölzernen Bechern in der Hand kamen Galerianus und seine Kameraden auf den Platz vor den Quartieren.
    Die Abendsonne schien milde vom Himmel herunter und die Zikarden musizierten munter vor sich hin, genau die richtige Atmosphäre für einen kleinen Umtrunk befand der Aurelier.

  • Der Centurio, der längst seinen Feierabendton aufgelegt hatte, winkte die Männer heran.


    "Wer zuletzt kommt, muss sehen, was übrig bleibt. Also ran an die Amphore. War jemand so umsichtig und hat an die Becher für mich und den Optio gedacht?"

  • Ein Miles namens Bassus trat vor und überreichte Optio und Centurio ihre Becher.
    Galerianus ließ sich gleich reichlich einschenken und genoss den kühlen Wein, ein wahrer Balsam für den Körper, wenn dieser den ganzen Tag der Hitze aufgesetzt war.

  • Mit einem Kopfnicken bedankte sich Claudius für den gereichten Becher. "Ah, Bassus, umsichtig wie immer."


    Bevor der Centurio Platz nahm, stellte er sich mal neben die eine und mal neben die andere Gruppe. Oft waren es komplette Contubernia, die auf einem Haufen standen. Der Stubenzusammenhalt war groß und behielt auch über die Dienstzeit hinaus Bestand. Claudius förderte, wo er konnte, das kameradschaftliche Verhältnis der ihm untergeordneten Milites.


    Schließlich setzte er sich zu Priscus, in dessen Nähe auch neue Probati und ein paar Legionäre saßen. Für ihn nahe liegend, schnitt er ein aktuelles Thema an, um seinen Frust mal loszuwerden. :P


    "Mich nerven diese absurden Frauen in Männerämtern ab. Letzten Herbst, als ich an einigen Stabsbesprechungen teilnehmen durfte, herrschte hier eine einhellige Meinung unter den Offizieren: Man wollte keine dieser Frauen mehr im Lager sehen. Jede zivile Dienststelle verfügt über Angestellte beiderlei Geschlechts und kann genauso gut einen Mann entsenden. Der Caesar hatte sich zu dieser Zeit nicht gegen die Ansichten seiner Offiziere ausgesprochen. Vielleicht sollte ich ihn mal wieder daran erinnern."


    Mehrere große Schlucke folgten den Worten Claudius', denn er gab einiges an Frust, den sich der Centurio runterspülen musste.


    "Priscus, du alter Haudegen, hast da eine tolerantere Einstellung, ich weiß, aber die Mehrzahl der Offiziere und Soldaten in der Prima sieht das eben anders. Mantua ist Mantua und nicht der verkommene Sumpf andernorts."

  • Galerianus grinste bei den Worten des Centurios. Oh, wie wahr waren seine Worte, Frauen in politischen und verwaltungstechnischen Ämter waren gegen alle Tugenden Roms, es war beinahe ein Frevel an den Göttern.
    Umso mehr er darüber nachdachte, umso mehr wurde aus seinem Lächeln eine wütende Fratze, er umschloss den Weinbecher so fest, dass das spröde Holz bereits zu knacksen begann.
    "Frauen und Politik......Frauen und die Legion.... gibt es größere Frevel?..." entfuhr es ihm lauter als es ihm lieb war....

  • "Recht so! ... Galerianus war dein Name?"


    Nach kurzer Überlegung beantwortete sich der Centurio die Frage selbst. Ja, seine Erinnerung dürfte ihn da nicht trügen. Dass der Mann ein Aurelier war, blieb hingegen sofort haften. Die Aurelier besiedelten die LEGIO I in erheblichem Maße. Claudius hatte schon etliche während seiner langen Dienstzeit kennen gelernt.
    Auf jeden Fall würde er sich den Mann merken. Seine Untergebenen konnten auch außerhalb der Dienstzeit Pluspunkte sammeln.

  • Priscus nahm das von einem Soldaten mitgebrachte Trinkgefäß entgegen und schenkte sich ein. Er trank langsam und in kleinen Schlucken. Der Wein war gut, besser als das, was er normalerweise trank, wenn er welchen bekam.


    Als der Centurio das Frauenthema ansprach hielt er sich zurück. Es passte nicht zu ihm, Meinungsdifferenzen mit ihm vor den Probati auszutragen. Zumal seine Meinung ohnehin nicht entscheidend war. Er murmelte ein paar unverständliche Worte, als der Centurio ihn direkt ansprach und seine Gedanken wanderten aus unerfindlichen Gründen wieder zu der Lupa mit den langen braunen Haaren, die er an einem Abend bei den Ludi Floralia getroffen hatte.


    Ein weiterer Schluck Wein brachte ihn wieder zurück zur Truppe. "Mir ist egal, wer kommt. Zivilist ist Zivilist."

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