Unterwegs mit dem neuen Kollegen

Schon am Vortag, nachdem er das Bewerbungsgespräch mit Titus Decimus Verus erfolgreich abgeschlossen hatte, hatte Macer noch in den Personallisten geblättert. Entschieden hatte er sich nicht, wo er den neuen Aquarius einsetzen sollte. Da er sich für heute aber ohnehin vorgenommen hatte, mehrere Abteilungen aufzusuchen, wollte er den neuen Kollegen einfach mitnnehmen, überall vorstellen und dann würde sich vielleicht rasch etwas ergeben.

Über einige Akten gebaut saß Macer daher in seinem Büro und wartete darauf, dass der neue Aquarius eintreffen würde.

"Salve, Decimus Verus", erwiderte Macer den Gruß und klappte nur Augenblicke später die Akten zusammen, über denen er gerade gesessen hatte.

"Ich stelle fest, dass du pünktlich bist, obwohl wir keine genaue Zeit vereinbart hatten. Das ist sehr gut. Die Planung der Kanäle wird allerdings warten müssen, wir schauen erst einmal bei der Rechnungsabteilung vorbei."

Er erhob sich von seinem Platz, griff zu einem Bündel Tafel auf der Ecke des Tisches und verließ dann gemeinsam mit dem neuen Aquarius das Büro.

"Die Cura Aquarum unterteilt sich in vier große Abteilungen", erläuterte er auf dem Weg ins Büro der Rechnungsabteilung. "Zuerst ist da die Abteilung für Wasserbeschaffung, die sich um die Aquädukte kümmert, die das Wasser aus den Bergen hier nach Rom in die großen Speicher leiten. Dann die Abteilung für Wasserverteilung und Abrechnung, die für die Strecke von den Speichern bis zu den Brunnen, Großverbrauchern und Haushalten zuständig ist. Sie teilt sich in mehrere Unterabteilungen, eine davon ist die Rechnungabteilung. Die sitzt hier." Und genau in diesem Augenblick hatten die beiden Männer das betreffende Büro erreicht.

Macer öffnete die Tür, bat kurz um die Aufmerksamkeit aller Anwesenden und stellte den neuen Aquarius kurz vor. Dann erläuterte er die Aufgaben dieser Abteilung etwas genauer und wartete, ob Decimus Verus vielleicht Fragen dazu hätte.

"Ganz genau, alle Abrechnungen, die das Wassergeld betreffen, werden hier durchgeführt. Auch alle anderen Abrechnungen werden hier gemacht, aber dieser verbleibende Rest ist kaum nenneswert", erläuterte Macer.

"Hier arbeiten nur Scribae und die beiden Leiter dieser Abteilung, wobei einer der beiden Leitungsposten derzeit unbesetzt ist. Für Hausbesuche nehmen sie sich manchmal Techniker mit, aber das ist selten nötig."

Macer führte dann noch kurz ein Gespräch mit dem anwesenden Leiter, überreichte ihm das Bündel mit Tafeln, welches er aus seinem Büro mitgebracht hatte und verabschiedete sich dann. Sein gemeinsamer Weg mit Decimus verus führte ihn dann aus der Basilica Iulia hinaus und über ein paar Straßen.

"Von der Zahl der Angestellten her ist das eine der kleineren Abteilungen. Die Aquäduktaufsicht hat zum Beispiel schon mehr Arbeiter, weil diese ständig die Leitungen kontrollieren müssen. Irgendwo sind immer Reinigungstrupps im Einsatz, um eine Verstopfung der Aquädukte zu verhindern. Du weist, wie viele Aquädukte Rom derzeit mit Wasser versorgen?", fragte er dann, um auf dem Weg noch ein wenig das Wissen des Aquarius zu testen.

Macer schüttelte schmunzelnd den Kopf. "Da hätten wir bald eine Überschwemmung in Rom, wenn es 19 wären. Es sind nur 9, aber derzeit reichen sie aus." Der neue Aquarius würde also durchaus noch Bereich finden, in die er sich erst einarbeiten müsste.

"Die Aquädukte verfügen alle über Revisionsschächte in regelmäßigen Abständen. Über diese kann man in die Rinne steigen und diese reinigen. Entscheidender ist aber immer der Quellbereich, wo sich das Wasser in mehreren Becken sammelt, bevor es in die Leitung kommt. Ein Senkbecken dient dort dazu, dass sich Verschmutzungen im Wasser absetzen können und nicht direkt in die Leitung gelangen. Diese Brunnefassungen, Zusammenführungen in Senkbecken müssen regelmäßig gereinigt werden. Dafür sind einige Kräfte permanent im Einsatz."

Sie erreichten einen der kleineren Wasserverteiler im Stadtgebiet, an dem die Bürger in einer Zisterne sofort Wasser entnehmen konnten und der Wasser auf kleinere Rohrleitungen verteilte. Auch hier saßen zwei Männer der Cura Aquarum und bewachten das Becken. "Das hier ist eine der vielen Verteilstellen im ganzen Stadtgebiet", erläuterte Macer dem Aquarius. "Zu jeder dieser Anlagen gehört eine mehr oder weniger große Gruppe von Arbeitern, die die reibungslose Funktion sicherstellen und für die Aufsicht im zugehörigen Stadtbezirk verantwortlich sind. Sie gehören auch alle zur Abteliung für Wasserverteilung und sind mit über 400 Leuten die zahlenmäßig stärkste Untergruppe."

Vom Wasserverteiler aus schlug Macer einen Weg in Richtung Tiber ein, denn sein nächstes Ziel lag direkt am Fluss. "Neben der Wasserbeschaffung und Wasserverteilung sind wir auch für die Entsorgung zuständig", erklärte er auf dem Weg. "Das fängt bei den Rinnen an den Seiten der Straße an und hört bei der Cloaca Maxima auf, die vom Forum bis zum Tiber führt. Dazu gibt es zahlreiche weitere Kanäle unter dem Straßenpflaster, die dafür sorgen, dass wir keine nassen Füße bekommen und unser Dreck sich nicht in den Straßen stapelt. Auch diese Kanäle müssen überwacht und die Zuflüsse gelegentlich gereinigt werden. Wie bei den Aquädukten funktioniert das über Revisionsschächte. Der Personalbedarf ist deutlich geringer als bei der Verteilung, weil das Kanalnetz insgesamt etwas kleiner ist und vor allem leichter zu handhaben als die Vielzahl an Brunnen, Bädern und Hausanschlüssen."

Sie erreichten das Forum Boarium, unter dem der Ausfluss der Cloaca Maxima in den Tiber lag. Am Rande des Forums betraten sie ein Gebäude und Macer stellte den Aquarius den Anwesenden vor. "Hier hat ein Teil der Kanaltruppe ihre Büros. Viel ist hier allerdings nicht zu tun. Die Arbeiter sind zum Teil mit ihren Kollegen von der Verteilung in den Bezirken untergebracht und sollen ja auch nicht am Schreibtisch sitzen, sondern Kanallöcher putzen. In diese Abteilung wirst du wahrscheinlich zu Beginn den besten Einblick bekommen, weil ich dich wie gesagt mit zur Kanalinspektion nehmen werde. Ein Platz für einen Aquarius wäre hier auch noch frei."

"Nun, das ist gut, dann werden wir wohl etwas für dich finden", gab Macer zur Antwort und verließ dann wieder das Büro, da es offenbar keine Fragen mehr gab.

"Soweit das in dem kurzen Rundgang möglich ist, haben wir dann von den drei großen Abteilungen Beschaffung, Verteilung und Entsorgung jeweils was gesehen. Bleibt der Planungsstab als kleinste der Abteilungen", erklärte Macer und schlug wieder den Weg Richtung Basilica Iulia ein. "Der Planungsstab besteht nur aus einigen Technikern, die für komplette Neubauten, Bedarfsberechung und ähnliches zuständig sind. Die großen Bauarbeiten werden nicht von uns selber durchgeführt, dafür hätten wir gar nicht genug Arbeiter. Stattdessen werden sie für Unternehmer ausgeschrieben und eben jene Ausschreibungen stellt der Planungsstab zusammen. Dann werden zum Beispiel Leitungsführung und Leitungsgröße vorgegeben und verschiedene Anbieter machen ihr Angebot, zu welchem Preis sie das Projekt realisieren können. Häufig kommen dann Änderungsvorschläge, die gelegentlich sogar in der Planung berücksichtigt werden. Aber meistens machen meine Leute ihre Sache sehr akribisch und schließlich kennen sie sich mit der nötigen Technik noch am besten aus."

Auch wenn Macer bisher noch kein einziges Großprojekt geleitet oder abgeschlossen hatten, schien er schon ziemlich stolz auf diese Abteilung und ihre Leistungen zu sein.

Nach wenigen Augenblicken erreichten sie so wieder die Basilica Iulia. Macer steuerte aber nicht sofort sein Büro an, sondern einen anderen Raum.

"Dann schauen wir mal, wo wir dich für den Anfang unterbringen. Ein Platz und einen Tisch müssten wir hier jedenfalls schon mal haben."