Plutarchs Reisen | Der Pharos

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    Während ich so am Bug saß, wurde das Feuer am Horizont immer größer, die Mannschaft und die wenigen noch wachen Passagiere (meist Landratten mit Seekrankheit) immer hektischer und aufgeregter.


    Bald stieg der feurige Stern am Horizont höher und noch ein Weilchen später konnte man schon den Schaft des riesigen Turmes in der Ferne erkennen. Auch das Land - zumindest die Insel Pharos - zeichnete sich jetzt schon deutlich vom Meer ab. Und obwohl es schon tief in der Nacht war, eilten immer mehr Leute zu mir aufs Deck. Schon bald bildete sich eine gespannte und aufgeregte Menschentraube an der Vorderseite des Schiffes. Jeder wollte den Leuchtturm bestaunten. Sogar die mitreisenden Kinder wurden von ihren Eltern geweckt, da letztere wussten, dass ihre Kinder ihnen das Verpassen der Hafeneinfahrt Alexandrias wohl niemals verzeihen würden. Ehrfürchtiges Staunen herrschte und für die Menge an Menschen war es bis auf einige wenige Gespräche verhältnismäßig ruhig.


    Dann kam der Turm immer näher. Jetzt wurden die Konturen sichtbar, wie eine riesige Säule, dreigeteilt und aus massigem Stein ragte das Bauwerk, das Sostratos von Knidos einst den Königen schenkte, vor uns in den Himmel. Staunen machte sich breit und irgendwo murmelte einer ehrfürchtig: Der Pharos! Auch die sonst so abgehärteten und welterfahrenen Seemänner konnten ihr Staunen nicht verbergen. Der Kapitän des Schiffes selbst, mit dem ich mich vor ein paar Stunden unterhalten hatte, offenbarte mir, dass der Anblick des Leuchtturms ihn immer wieder ins Erstaunen versetzte.


    Kein Wunder, dass der Turm uns ins Staunen versetzte. Schließlich ist er eines der Sieben Weltwunder. Und das zu Recht! 150 Meter ragt der Koloss in die Höhe und Tag und Nacht brennt oben an seiner Spitze ein riesiges Feuer, das in der Nacht durch Pech oder Petroleum, am Tag aber durch riesige Hohlspiegel, die das Sonnenlicht reflektieren, erzeugt wird. Kein anderer Leuchtturm hat solch eine Reichweite.


    Langsam näherte sich das Schiff dem Hafen und die Küste der Insel lag zum Greifen nah vor uns. Das Leuchtfeuer des Turmes beleuchtete die nächtliche Landschaft wie es sonst nur ein voller Mond bei klarem Sternenhimmel vermag.


    Man konnte jetzt schon den kleineren Leuchtturm auf dem gegenüber liegenden Ufer der Halbinsel Lochias, den Pharilion, sehen. Dann tauchten die riesenhaften Monumentalstatuen der ersten Königspaare der Ptolemäer im ägyptischen Stil vor dem Gebäude auf, die den Reisenden mit ihren steinernen Blicken seit Jahrhunderten willkommen hießen.


    Und welch ein Wunder, der Turm hörte gar nicht auf zu wachsen. Immer größer, immer breiter und immer höher erhob er sich über unsere Köpfe! Das Gebäude war dreigeteilt: Der Turm hatte eine quadratische Grundfläche, die bis in ca. 60 Meter Höhe konisch aufstieg. Dem folgte nach der ersten Aussichtsplattform (denn man kann das Gebäude betreten) ein weiterer, 30 Meter hoher Turm mit oktagonalem Grundriss. Darüber steht ein 10 Meter hohes Rondell, in welchem das Feuer brannte. Und wenn man genau hinsah, konnte man an der Spitze des Gebäudes noch die Bronzestatue des Zeus Soter sehen. Ein ehrfürchtiges Raunen ging durch die Menge.


    Lange Zeit schipperten wir am Leuchtturm vorbei, um den gefährlichen Riffen zu entgehen, die die Hafeneinfahrt schützten, doch viel zu kurz erschien uns der Augenblick, da hatte das Schiff den Turm schon wieder hinter sich gelassen.
    Doch das nächste Wunder ließ nicht lange auf sich warten: Vor uns leuchteten und flackerten jetzt die Myriaden von Lichtern der Stadt, die niemals schläft...


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