Colis Quirinalis | Die Quirinalia

  • Wie durch ein göttliches Wunder ging es mit meiner Gesundheit in den letzten Tagen rasch aufwärts. Schon vor drei Tagen hatte ich das Bett verlassen und den Sonnenschein im Garten der Villa Flavia genossen. Doch so sehr mir diese Ruhe auch gut tat, so dringlich war die Aufgabe meinen Gott gebührend zu ehren. Da gab es einfach keine Krankheit.


    Wenig Zeit für viel zu erledigende Dinge. Eine Handvoll Priester und eine Weitere jener Jungen die es mal werden wollten, stand mir zur Seite. Sie schufteten wirklich hart. Dienten mit Freude und Tatendrang und schafften das, was ich in meinem Zustand sonst nie vollbracht hätte...


    Erst fern, dann immer näher, lauter, melodisch und durch einfache Instrumente unterstützt drang der Gesang der Salier an das Ohr der Römer. Ein langer Festzug durchströhmte an diesem Tag die Straßen des Quirinaldistriktes. Ich hatte mich etwas weiter hinten eingereiht. Dort wo sich die Grenze zwischen den Tänzern und Läufern befand. Zwar war es mir eine Freude den Saliern in ihren archaischen Rüstungen beim Tanz zuzusehen, doch so stark fühlte ich mich dann doch noch nicht.


    Da ein Festzug vor den Tempeln üblicherweise zum Stehen kam, reihte ich mich aus und trat auf die Stufen des Quirinustempels zu. Dieser Zug aber war anders, er war urrömisch. Eine über hunderte von Jahren verwurzelte Tradition und ein Fest das nicht nur den Quirinal mit Leben, mit Musik und mit Tanz erfüllte, sondern ganz Rom.


    So zogen die Spieler, die Tänzer, die Sänger, die freudig lachenden Menschen weiter, um Rom zu durchqueren. Sich mit anderen Umzügen zu treffen, zu feiern und sich daran zu freuen, das heute die Quirinalia stattfand. Ich schaute ihnen noch eine Weile nach, blickte dann zur Anderen Seite der Straße, denn es hörte sich so an, als käme der nächste Stadtteil mit seinem Aufgebot an Tänzern und Sängern in Reichweite.


    Die Statue des Gottes war nach draußen gerückt worden, er konnte sich dem ganzen Schauspiel als Geehrter nicht nur im Ton sondern auch im Blicke widmen. So wie es mir gefiel, so hoffte ich, das auch Quirinus daran Gefallen finden würde...

  • Zwischen den übrigen Mitgliedern der Collegien ist auch Victor an diesem Festtag in der Prozession eingereiht. Während der Parentalia gibt es in den geschlossenen Tempeln viel für die 'Verwaltung' des Cultus Deorum zu tun, daher ist Vic froh, dass er an diesem Tag der Zeremonie zu den Quirinalia folgen darf. Später nach der Zeremonie würde er sicher irgendwo in Rom noch an einem der Feste teilnehmen, denn neben Quirinus werden am heutigen Tag auch die Fornacalia zu Ehren des Ofengottes begangen.


    Der Gesang, das rythmische Klopfen der Schwerter, das Klirren der Rüstungen und das Stampfen der schweren Schuhe der Salii Collini auf den Boden liegt über dem gesamten Prozessionszug. Sogar die etwas weiter hinten folgenden Musikanten werden fast übertönt. Bei den Salier könnte sich Vic auch noch gut sehen, doch leider ist diese Sodalität den Patriziern vorbehalten. Ein wenig hat Vic das Gefühl, dass der gesamte Cultus Deorum nur noch den Patriziern vorbehalten ist. Gerade das heutige Ritual steht mal wieder unter der Leitung eines Flaviers - manchmal scheint es, als gäbe es in ganz Rom nur noch Opfer unter der Leitung eines Flaviers. Vic beäugt den Sacerdos Lucullus misstrauisch. In der Regia hält sich noch immer das Gerücht, dass die Flavier die Spitze des Cultus übernehmen wollen und von dort aus bis in den Kaiserpalast ist es nicht mehr weit. Darum hält Vic es für seine bürgerliche Pflicht, diese Patrizier ganz genau im Auge zu behalten. 8)

  • Während die Umzüge in den vielen Festtagsstätten einkehrten, kamen immer mehr Gläubige zum Tempel des Quirinus geströmt. Nach den offiziellen Umzügen war ein großes, blutiges Ofer geplant, das an einem so wichtigen Tag vom Flamen selbst abgehalten wurde.


    Meine Aufgabe war dabei bescheidener. Ich stand auf einem kleinen Podest und lockte die Zuhörer, Bürger und Römer heran, auf das sie dem großen Mahl mit Freuden zusehen konnten. In diesem Jahr war es mir wichtig die Traditionen ins Gedächtnis zurückzurufen und so formte ich Silben, die jene Tugenden besonders verlangten...


    "Mein Blick
    wandert hinauf
    In die unendlichen Weiten
    Des Gestirns
    Schmerzhaft die Erinnerung
    Zu sehen
    Wie nichtig und klein
    Ist doch unser aller Sein"


    Ein kurzer Vers, der für Aufmerksamkeit sorgte, zu lauschen und vorallem näher zu treten. Derweil waren die Vorbereitungen fast abgeschlossen. In der Glut des ewigen Feuers räkelten sich bereits die ersten Weihrauchblättchen.


    Während Rom in den letzten Monaten eher stagnierte, nahm eine Zahl von Männern zu, die sich um des öffentlichen Friedens nicht all zu sehr scherten. So ging ich mit meiner nächsten Werbung darauf ein:


    Ein Ungeziefer ruht
    In Staub und trocknem Schlamme
    Verborgen, wie die Flamme
    In leichter Asche tut.
    Ein Regen, Windeshauch
    Erweckt das schlimme Leben,
    Und aus dem Nichts erheben
    Sich Seuche, Glut und Rauch.
    Aus dunkler Höhle fährt
    Ein Schächer, um zu schweifen,
    Nach Beute möcht’ er greifen
    Und findet bessern Wert:
    Er findet einen Streit
    Um nichts, ein irres Wissen,
    Ein Banner, das zerrissen,
    Ein Volk in Zwietracht.
    Er findet, wo er geht,
    Die Leere dürft’ger Zeiten,
    Da kann er schamlos schreiten,
    Nun wird er ein Poet;
    Auf einen Kehricht stellt
    Er seine Schelmenfüße
    Und zischelt seine Grüße
    In die verblüffte Welt.
    Gehüllt in Niedertracht
    Gleichwie in eine Wolke,
    Ein Lügner vor dem Volke,
    Ragt bald er groß an Macht
    Mit seiner Helfer Zahl,
    Die hoch und niedrig stehend,
    Gelegenheit erspähend,
    Sich bieten seiner Wahl.
    Sie teilen aus sein Wort,
    Wie einst die Gottesboten
    Getan mit den fünf Broten,
    Das klecket fort und fort!
    Erst log allein der Hund,
    Nun lügen über tausend;
    Und wie ein Sturm erbrausend,
    So wuchert jetzt sein Schund.
    Hoch schießt empor die Saat,
    Verwandelt sind die Lande,
    Die Menge lebt in Schande
    Und lacht der Schofeltat!
    Jetzt hat sich auch erwahrt,
    Was erstlich war erfunden:
    Die Guten sind verschwunden,
    Die Schlechten stehn geschart!
    Wenn einstmals diese Not
    Lang wie ein Eis gebrochen,
    Dann wird davon gesprochen,
    Wie von dem schwarzen Tod
    Und einen Strohmann baun
    Die Kinder auf der Heide
    Zu brennen Lust aus Leide
    Und Licht aus altem Grau’n.


    Der Platz füllte sich merklich. Zwar hoffte ich das die Stadtteilbewohner meine Worte deuten konnten, doch sicher war ich keineswegs. Nicht nur der Bürger trat zu dieser Zeit an die Pforten der Tempel, denn gab es ein feines Opfer, gab es auch was zu holen. Dann wenn der Gott gespeist hatte, erhofften sich die Meisten heir ein gutes Stück Fleisch, das jeden Mann und jede Frau samt Kinderschaar wieder über einige Tage mit gutem Tischmahl brachte.


    Noch einen Gedanken zur Ehr und das Opfer würde vor Schaulustigen stattfinden können. Ob es was half den römisch Städtern Moral zu predigen? Wer wußte das schon, ich auf keinen Fall, dazu lebte ich meine Tage zu zurück gezogen...


    Wenn du nach Ehre strebst, die dir die Welt soll geben,
    So mußt du, statt dir selbst, ihr zu Gefallen leben.
    Nicht leben in der Tat, nur leben auf den Schein;
    Nicht was du selber willst, was sie will, mußt du sein.


    Wenn du nach Reichtum strebst, nach welchem alle streben,
    mußt du darum in Kampf mit allen dich begeben;
    Was andre haben, mußt du dir verloren achten,
    Und was du haben willst, zu rauben ihnen trachten.


    Und wenn du gar zugleich geehrt willst sein und reich,
    So mußt du sein der Welt ein Freund und Feind zugleich;
    Mußt stehlen ihren Schatz und stehlen ihre Gunst;
    Das ist die mißlichste und undankbarste Kunst.


    Darum rat' ich: Laß die Welt, wen sie will ehren, ehren,
    Und ihren Sold, wer ihn begehren will, begehren.
    Sich selbst in Ehren und sich selber reich zu halten,
    Ist Mannes Würd' und Kraft, derselben sollst du walten.



    Die Aufgabe war getan, die Fläche vollgefüllt und so begab ich mich mit einem zufriedenen Nicken zu den anderen Priestern, um die Feinheiten des Flamen bei der Opferung ganz nah zu sehen, aufzunehmen und im Geiste zu sichern. 8)

  • Da Macer in Rom keine nahen Familienangehörigen hatte, mit denen er nach traditioneller Art dieses uralte römische Fest feiern konnte, begab er sich nach der feiertagsüblichen morgentlichen Begrüßung der Sklaven seines Haushaltes und der Klienten rasch auf die Straße und zu jenem Platz, auf dem in seinem Stadtviertel die Quirinalia gefeiert wurden. Nach ahnend, dass ungefähr 1900 Jahre später und etwas weniger Kilometer weiter nördlich zur selben Zeit Menschen aus einem völlig anderen Anlass bunt kostümiert durch ihre Stadtviertel ziehen würden, mischte er sich gut gelaunt unter die Feiernden und lauschte den laut vorgetragenen Versen zum Feiertag. Routiniert wie immer gingen die Priester und Opferhelfer danach ihrer Tätigkeit nach und schienen besonderen Gefallen daran zu haben, dass ihnen Quirinius dabei zuschaute.

  • Vic steht mit kritischem Blick in der Menge und kratzt sich verwundert am Hinterkopf. Wahrscheinlich muss man doch Patrizier sein, um im Cultus Deorum weiter zu kommen. Von dem, was Flavius Lucullus alles von sich gibt, versteht Vic zumindest nur die Hälfte (oder noch weniger) und er ist sich nicht wirklich sicher, was der Sacerdos mit seinen Worten sagen will. Aber dass der Flavier seine Anweisungen direkt vom Flamen Quirinalis bekommt und deswegen heute ganz vorne steht, das hat Vic schon mitbekommen. Typisches Patriziergeklüngel, aber wenigstens schieben die Flamines so nicht immer alles an die Septemviri ab.


    Da es aber der Feiertag des vergöttlichten Romulus ist und die Patrizier sich irgendwie alle auf diesen berufen, sieht Victor davon ab, sich weiter über die Umstände zu wundern. Stattdessen richtet er seine Aufmerksamkeit wie beinahe alle anderen Zuschauer nach vorne um dem Opfer des Flamen zu folgen.

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