• Zu den größten Annehmlichkeiten der Domus Praefecti gehörte das in seiner Größe und Ausstattung verschwenderische Balneum – das private Bad.


    Decius Germanicus Corvus genoss an diesem Tag den Luxus eines entspannenden Bades im eigens für ihn angeheizten Warmwasserbecken, als ihm ein Besucher angekündigt wurde.


    Der große Nubier erschien, der an der Porta wachte. Er verneigte sich ehrfurchtsvoll und sagte: Ein Mann will dich sprrrechen, Herrr! Errr sagt, sein Name ist Lucius Iunius Silanus.“


    Den kannte Corvus natürlich, denn Silanus war einer seiner Tribune bei der XXII. Legion. Zwar wunderte er sich, weshalb er ihn hier im Palast aufsuchte, aber ohne merkliches Zögern antwortete er: “Lass ihn zu mir.“
    Jedoch machte er keine Anstalten, dass wohlig-warme Wasser zu verlassen.

  • Silanus folgte dem Nubier, der ihn durch das Innere des prachtvollen Domus führte, ehe sie bei einer großen Türe ankamen. Als der junge Tribun durch diese Türe trat, glaubte er im ersten Moment, dass sich der Skalve geirrt haben musste und wollte bereits umdrehen. Er befand sich in einem ziemlich geräumigen und wesentlich prachtvolleren Bad, als das seine, das bereits den Standard eines privaten Balneum bei weitem überschritt. In diesem Moment erblickte er den Präfekten, der sich in einem Becken mitten im Raum entspannte. Silanus nahm sofort Haltung an und starrte peinlich berührt an die gegenüberliegende Wand.


    "Verzeiht Praefectus! Ich wusste nicht...... Wenn der Sklave etwas gesagt hätte, dann wäre ich später noch einmal gekommen oder hätte gewartet. Ich wollte euch nicht stören. So dringend ist mein Anliegen auch nicht."

  • “Salve Iunius Silanus! Ach, ach, nur keine falsche Zurückhaltung.“, antwortete Germanicus Corvus und winkte ihn zu sich heran.
    “Raus aus den Klamotten und rein ins Vergnügen. Hier ist noch Platz und das Wasser ist wunderbar geheizt.“
    Das war eine unmissverständliche Aufforderung mit ihm zu baden. Corvus schien wirklich gelöster Stimmung zu sein.

  • "Oh! Vielen Dank Praefectus."


    Silanus hatte sich zwar bereits frisch gemacht bevor er zu diesem Besuch aufgebrochen war, aber dem Präfekten einen solchen Wunsch abzuschlagen, hielt er für wenig Empfehlenswert. Es blieb ihm daher nichts anderes über als sich seiner Kleindung zu entledigen, die sofort einer der Haussklaven in Empfang nahm und sich zum Statthalter in das Bad zu gesellen. Das Wasser war tatsächlich wunderbar geheizt, allerdings war sich der junge Tribun nicht ganz sicher, ob das bei den Temperaturen draußen tatsächlich eine Wohltat war. Er pflegte zu Hause seine Sklaven anzuweisen, das Badewasser eher etwas kühler zu lassen. Doch eine Diskussion über die Wassertemperatur anzufangen hatte wohl ebenso wenig Sinn, wie das Bad abzuschlagen. Silanus lächelte den Präfekten daher dankbar an, als er ins Wasser steig und platzierte sich in seiner Nähe am Rand des Beckens.


    "Damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet, als ich mich auf den Weg zu dir machte. Aber es ist durchaus eine entspanntere Atmosphäre für ein Gespräch."

  • Corvus nickte versonnen.


    “Es geht nichts über ein Bad.“, stellte er versonnen fest.


    “Aber da du eigentlich nicht deswegen zu mir gekommen bist: Weshalb sonst?“


    Natürlich war er sich der Tatsache bewusst, dass Iunius Silanus ihn noch nie außerhalb des Lagers von Nikopolis aufgesucht hatte. Es musste also einen besonderen Grund geben.

  • "Nun ich habe gerade ein paar dienstfreie Tage und gehört, dass du dich ebenfalls in Alexandria aufhältst. Da wollte ich die Chance nutzen mich hier mit dir über ein privates Anliegen zu unterhalten."


    Erst jetzt viel Silanus ein, dass der Praefectus vermutlich darüber bescheid wusste, wann seine Stabsoffiziere anwesend waren und wann nicht und die Erklärung daher vollkommen unnötig war. Er ließ sich jedoch nicht davon unterkriegen und lächelte seinen Vorgesetzten freundlich an.


    "Es geht um meine weiblichen Verwandten, die teilweise erst vor kurzem zu meinem Haushalt dazu gestoßen sind. Sie sind teilweise noch recht jung und in vielen Dingen unerfahren. Ich denke ihnen würde die Führung und vielleicht auch Freundschaft einer selbstbewussten und weltoffenen römischen Matrone recht gut tun. Ich hatte gehofft, dass ihr sie vielleicht in die Gesellschaft eurer Frau einführen könnt. So lernen sie gleich von Beginn an den Umgang mit der römischen und alexandrinischen Oberschicht und auch wie man sich in ihren Reihen richtig verhält und benimmt."

  • “Eine ausgezeichnete Idee.“, fand Corvus. “Aelia wird sich ganz bestimmt über Gesellschaft freuen. Wie heißt deine Verwandte? Ist es die, die ich vor einiger Zeit im Theatron kennen gelernt habe?“


    Das Aelia ihm wegen genau dieser jungen Frau später eine Eifersuchtsszene gemacht hatte, dass schien er vollkommen vergessen zu haben.

  • Silanus nickte dem Präfekten zu und antwortete.


    "Um genau zu sein geht es um zwei Verwandte. Iunia Varilia, die du bereits im Theatron kennen gelernt hast, ist die eine, mein sechzehnjähriges Mündel Axilla die andere. Ich denke für beide wäre es nicht schlecht hier in Alexandria ihre ersten Kontakte zu knüpfen und etwas aus dem Haus zu kommen."

  • “Zwei? Aha. Ja, natürlich, ich bin einverstanden.“, antwortete Corvus und er schien ganz entzückt zu sein. Aber dann fiel ihm doch noch etwas ein: “Natürlich... ähm... ich werde mit meiner Frau sprechen. Sie wird ganz bestimmt begeistert sein.“
    Ob er sich da so sicher sein konnte?

  • Silanus nickte erfreut. Der Präfekt zeigte also Verständnis und ihn auf seiner Seite zu haben, war bereits ein großer Gewinn – dachte er zumindest. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sich die Frau des Statthalters groß gegen dessen Wünsche wehren oder aussprächen konnte. Daher sah er es schon als ziemlich fix an, dass seine Verwandten demnächst Einzug in der Oberschicht finden konnten.


    "Ich danke dir Praefectus. Gib mir einfach Bescheid, wann ich die beiden vorbeischicken kann, um sich deiner Frau vorzustellen."

  • "Ich danke dir Praefectus! Es wäre uns eine große Ehre."


    Silanus nickte bestätigend auf die Frage des Präfekten.


    "Ja, meine Verwandte Iunia Urgulania wird dir bestimmt etwas sagen. Sie wurde auch vor kurzem zum Eutheniarchos gewählt, mein Vetter Iunius Varus dient als Legionarius in der Legio XXII und meine Cousine Iunia Attica ist auch vor kurzem in Alexandria eingetroffen. Sie wird dir vielleicht auch etwas sagen, da sie lange Zeit am Kaiserhof gedient hat."

  • “Iunia Attica? Ja, ich glaube, ich erinnere mich. Sie war bereits in meiner Zeit bei den Cohortes Praetoriae auf dem Palatin. Man sagt, sie hätte in besonderem Maße das Vertrauen des verstorbenen Kaisers genossen.“


    Das war höflich zurückhaltend formuliert. Denn eigentlich munkelte man noch viel mehr, nämlich, dass der verstorbene Ulpius Iulianus einst sogar um ihre Hand angehalten und – Skandal! – sich einen Korb geholt hätte.

  • Silanus nickte nur bestätigend, wollte jedoch auch nicht näher auf Einzelheiten eingehen, die ihm teilweise bekannt oder auch nicht bekannt waren.


    "Du siehst also, dass meine Gens hier in Alexandria regen Zulauf in letzter Zeit hatte. Ich hoffe, dass wir in dieser Provinz ein weiteres Standbein für unsere Gens bilden können. Die ersten Schritte dazu sind aus meiner Sicht getan. Rom ist derzeit ja leider wieder sehr verwaist, was unseren Zweig der Gens betrifft. Aber alles in allem habe ich das Gefühl, dass es wieder bergauf geht.


    Wenn du die Frage erlaubst. Wie sieht es bei dir aus Praefectus? Hast du dir bereits Gedanken über weitere Zukunftspläne gemacht?"

  • “Ach nein.“, log Germanicus Corvus. “Ich diene Rom dort, wo der Kaiser mich hin schickt. Es hat ihm gefallen, mir diese Provinz anzuvertrauen. Das ist ein große Ehre und ich bin zufrieden. Aber wenn er morgen andere Aufgaben für mich hat, dann werde ich sie erfüllen, wie es sich für einen getreuen Soldaten gehört.“
    So viel Selbstlosigkeit war natürlich geheuchelt. Selbstverständlich hatte Corvus schon häufiger darüber nachgedacht, wohin ihn seine Karriere noch führen könnte und was zu tun war, um sie weiter zu befördern. Das Problem war nur: Höher konnte er gar nicht mehr aufsteigen. Das Amt des Praefectus Aegypti war nach den üblichen Vorstellungen bereits die Krönung einer ritterlichen Karriere.

  • Der Satz des Präfekten erinnerte Silanus daran, dass auch er früher oder später darauf bedacht sein sollte, seine Karriere weiter zu fördern. Es war nicht so, dass er es im Moment nicht gut hatte. Der Posten war angenehm ruhig und Alexandria eine Stadt in der man durchaus angenehm leben konnte. Doch musste man sich alle Möglichkeiten offen lassen. Es war daher sofort klar, dass es der richtige Zeitpunkt war, um beim Präfekten diesbezüglich nachzuhacken.


    "Praefectus! Ich möchte die Gelegenheit gleich auch nutzen um ein weiteres Anliegen vorzubringen. Und zwar würde ich gerne einen weiteren Kurs auf der Academia Militaris besuchen. Das Examen Tertium wäre mein nächster Schritt um auch höhere, wichtigere Aufgaben annehmen zu können. Gibt es die Möglichkeit dieses Examen auch hier in Alexandria abzulegen?"

  • Germanicus Corvus tauchte unter und kam prustend wieder an die Oberfläche.
    “Ja.“ *prust* “Natürlich. Er wischte sich mit dem Handrücken das Wasser aus den Augen. “Das kannst du auch hier bei uns machen. Dafür musst du nicht nach Rom. Im Lager haben wir extra eine Außenstelle der Academia. Der Schreiber dort hat alle nötigen Unterlagen.“
    Er strich sich durch das nasse Haar.
    “Wenn du das dritte Examen machen willst; von mir aus gerne. Da hast du meine volle Unterstützung.“

  • "Wunderbar! Dann werde ich mich demnächst im Castellum erkundigen. Ich danke dir. Von meiner Seite aus wäre das dann alles gewesen."


    Silanus hatte mit seinem Vorgesetzten nun alles besprochen, was es von seiner Seite aus gab. Vielleicht wollte dieser jedoch selbst noch etwas loswerden. Er sah ihn fragend an.

  • Nein, der Präfekt sah nicht danach aus, als hätte er noch irgendein dringendes Bedürfnis, irgendwelche Fragen, Aufträge oder Wünsche. Vielmehr sah es so aus, als würde er gleich, im wohlig warmen Wasser liegend, eindösen.

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