Die Volksversammlung im Monat Phaopi DCCCLVII A.U.C.

  • Die Sonne strahlte schon am Morgen heiß und erbarmungslos auf die Stadt hernieder. Doch gleichwohl die Bewohner von Alexandria noch ganz im Taumel der Begrüßungsfeierlichkeiten des Praefectus und die Leute von all den Ereignissen und Feiern aufgekratzt waren, so bahnte sich ein weiteres großes Ereignis an.


    „Bürger Alexandrias, heute ist die Ekklesia. Alle, die als Polites Alexandrinos gelten, sind aufgerufen an den Geschicken und dem öffentlichen Leben der Stadt teil zu haben. Kommt herbei, kommt zahlreich. Die Ekklesia findet im Theater statt.“


    Über all in der Stadt marschierte ein Keryx, ein Herold entlang, und rief die Bürger der Stadt dazu auf sich im Theater zu versammeln. Sein Heroldstab pochte dabei laut auf dem steinigen Untergrund. Und schon seit Tagen war die Ekklesia das wichtigste Gesprächsthema, nach der Ankunft des Praefectus in Alexandria. Die Menschen strömten schon am frühen Morgen in Richtung des Theaters, um diesem Spektakel und wichtigem Ereignis des Jahres beizuwohnen. Vor dem Theater standen einige Männer des noch amtierenden Strategos und begutachteten die heran nahenden Menschen mit Argusaugen. Einer der Männer, ein grobschlächtiger Kerl, packte einen Mann an der Schulter. „Moment! Keine Metöken...bist Du auch ein Polites...? Hah, hab ich mir doch gedacht.“ Mit einem Schlag auf den Rücken wurde der Mann fort getrieben, der sich in die Ekklesia einschleichen wollte, obwohl er doch kein Bürger der Stadt war und die Ephebia nicht abgeschlossen hatte.


    Um das Theater waren schon früh am Morgen zahlreiche Buden aufgebaut worden. Fliegende Händler drängten sich durch die Menschenmasse. Ein kleiner Jahrmarkt schien sich hier zu entwickeln. Kissen wurden verkauft, getrocknete Datteln und süßlicher, ägyptischer Dattelwein. An andere Stelle machten sich die Zauberer und Wahrsagerinnen bereit, um den Bürgern noch schnell einen Ratschlag oder einen Wahltipp mit auf den Weg zu geben. Oder um ihre Zaubermittel oder Amulette noch an den Mann zu bringen. Zahlreiche Katzen streunerten zu den Füßen der Menschen. Einige römische Soldaten marschierten vor das Theater, misstrauisch beobachtetet von so manch einem der Hellenen. Arme griechische Alexandriner, Polites in reichen Gewändern und mit zahlreichen Sklaven oder so manch ein Eingebürgerter betrat das Theater, um an der Volksversammlung teilzunehmen.


    So auch Kallinos und Lydos. Beides Männer aus dem Randgebiet des Brucheion. Zügig hatten sie sich noch einige Datteln und etwas Dattelwein gekauft, Lydos noch eine alte ägyptische Hexe um Rat gefragt ehe beide in das Theater traten und sich nach ihrem Demagogen umsahen. Ohne Zaudern setzten sie sich in den Wahlblock, dem sie angehörten. „Sind viele Leute zur Wahl aufgestellt?“, fragte Lydos und kaute dabei einige Datteln. „Hm...keine Ahnung, Skopas wird schon wissen, für wen wir stimmen sollen. Aber ich hab gehört, es sind ein paar neue Gesichter dabei.“, erwiderte Kallinos. Lydos hob die Augenbrauen. „Ach, tatsächlich?“ Kallinos nickte bekräftigend. „Jawohl, die wollen den Krateiden an den Sack gehen.“ Lydos lachte lauf auf. „Na, mal sehen, nicht solange wir hier abstimmen können.“ Beide kicherten vergnügt. „Meinst Du, die bringen das noch mal wegen der neuen Weinsteuer...“, fragte Lydos dann. Kallinos zuckte mit der Schulter. „Nicht, wenn sie nicht noch mal so eine Schlägerei haben wollen...“ Beide sahen auf als Skopas an sie heran trat und einige freundliche Worte mit ihnen wechselte.


    Und das Theater füllte sich weiter...

  • Umgeben von einer Schar gekaufter Bürger in ihrem traditionellen Mantel erschien auch Leonidas. Zu dieser besonderen Wahl hatte er sich selbstverständlich auch besonders herausgeputzt. Wieder einmal reichlich Schminke und Parfum - es würde schwer werden, heute Aufmerksamkeit zu erregen. Daher hatte er sich zusätzlich einen kleinen Stab an Begleitern beschafft.


    Gemeinsam setzten sie sich relativ weit vorn nieder - schließlich hatte Leonidas mit dem zuständigen Beamten gesprochen, dass auch er kandidieren wollte. Und dafür musste man sich vorstellen und eine endlos lange, ermüdende Diskussion über sich ergehen lassen - besonders, wenn die Krateiden der Feind waren!


    Als er auf den Gang trat, blendete ihn die Sonne, doch schnell erkannte er, wie viele Bürger erschienen waren - besonders beängstigend war hierbei die Gruppe, die hinter der gesamten Krateiden-Familie saß! Auch Skopas erkannte er - der hatte doch letztes Mal für den Vater von Eudoxos gestimmt und mit ihm all seine Freunde...hoffentlich hatte Timokrates seinen Teil der Abmachung erfüllt!

  • Eine unglaubliche Masse von Menschen belagert den Platz bis weit hin auf die Agora raus. Denn zwar ist das alexandrinische Dionysostheater groß, aber die Anzahl der alexandrinischen Bürger ist noch weitaus größer. Deswegen fällt es einem Einzelnen, der ein wenig zu spät ist, auch nicht sonderlich leicht, sich bis ins Theater hinein zu kämpfen.


    "Ups!... Sorry!..."
    "Heeeeey...!"
    "Kannst du nicht aufpassen?!"
    "'Tschuldigung, kommt nicht mehr vor - ich muss weiter- ..."


    Dieser zu Späte, der gerade einen Wettbewerb in "Wer tritt die meisten Zehen" gewinnen zu wollen scheint (eine höchst unorthodoxe griechische Sportart übrigens), heißt Timokrates und hat vor, zu den Wahlen zu kandidieren. Er trägt die schlichtere offfizielle Tracht eines alexandrinischen Bürgers, farblich schlicht und einfach, wie man es von einen Demokraten verlangt. Um aber auch nicht allzu demokratisch zu erscheinen, hat er sich durchaus leicht ins Zeug gelegt, aber nicht so auffällig wie sonst.


    Irgendwann schaft er es - Dreistigkeit siegt! - , das Innere des Theaters zu betreten, wo er auch bald Leonidas mitsamt Fanblock entdeckt. Sein eigenes Klientel ist über das Theater verteilt, schließlich hält er wenig von der traditionellen Inszenierung von Machtverhältnissen in der Ekklesia. Er zieht es vor, es so aussehen zu lassen, als wären verschiedene Leute aus verschiedenen Fraktionen auf einmal von ihm überzeugt.


    Mutig kämpft er sich zu Leonidas vor, wo er sogleich einen Klienten wegscheucht und sich neben ihm setzt.


    "Chaire, mein Bester! Tolles Wetter heute, gell? Sag mal, wer sind denn diese Krateiden?"


    Sim-Off:

    Sorry die Verspätung. Aber ihr wisst ja, es gibt da sowas, genannt RL... -.^ :D

  • Fröhlich, teils schon sehr erbittert und manche voll der Inbrunst über die kommenden Tagespunkte wurde in dem großen Theater bereits diskutiert. Währenddessen füllten sich das Theater weiter. Ein besonders eitler Gecke betrat das Theater im Gefolge von zahlreichen Sklaven, die wie Liktoren ähnlich ihm den Weg bereiteten. Der dicke Mann mit einer hohen, schwarzen Perücke und ägyptischer Schminke, dazu einem leuchtend rot und goldenem Gewand fühlte sich scheinbar als einer der wichtigsten Männer des Tages. Als oberster Priester der synnaoi theoi hatte er heute die Aufgabe dem Stellvertreter des Kaisers, den Praefectus Aegypti, in der Ekklesia und dem politischen Leben willkommen zu heißen. Genau genommen eigentlich nur mit einem symbolischen Akt, der Rest würde wie immer von den Amtsträgern voll führt werden. Doch für diesen kleinen symbolischen Akt hatte sich der Priester zünftig in Schale geworfen mit einem intensiv duftendem Moschusgeruch eingehüllt und watschelte nun blasiert durch die Menschenmenge.


    Auf der Ehrentribüne wurden noch die letzten Maßnahmen ergriffen. Zahlreiche Sklaven eilten hin und her und rückten noch mal die Überdachung zurecht, die den Praefectus vor der heißen Sonne schützen sollte. Manch einer der alexandrinischen Bürger starrten nicht angetan von all dem Pomp nach oben, widmeten sich dann jedoch wieder dem aktuellen Tagesgeschehen und den zahlreichen eifrig geführten Diskussionen.


    Noch ein weiterer eitler Pfau betrat das Theater. Ein schlaksiger, junger Mann, groß gewachsen und mit zahlreichen Kringellöckchen. Ebenfalls ein Abkomme der einflussreichen Krateidenfamilie, wenn auch ein junger Spross und noch unerfahren auf dem Parkett der Politik. (Namentlich auch als Kalikleas bekannt.) Doch eingebildet, als ob er schon alle Ämter durchlaufen und die Welt gesehen hätte, wandte er seine lange Nase mal nach rechts, dann nach links und ging, gefolgt von seiner Anhängerschar, zu der rechten Seite des Theaters, wo er sich nieder setzte.


    Aufmerksame Beobachter sahen überall die jetzigen Amtsträger, auch der Gymasiarchos war zu erspähen. Somit würde es sicherlich nicht mehr allzu lang dauern, bis die Ekkklesia offiziell eröffnet wurde. Schließlich war nur bis Sonnenuntergang Zeit alle Punkte zu klären und Wahlen zu vollführen. Doch scheinbar wurde noch auf eine Person gewartet...

  • Der Praefectus Alexandriae et Aegypti betrat das Theatron. Mehrere Beamte der Regia Praefecti begleiteten ihn. Wo es notwendig wurde, sollten die ihm das weitere Geschehen erläutern, ihn in Fragen des alexandrinischen Verfassungsrechts beraten, oder einfach nur übersetzen, wenn der Praefectus etwas nicht ganz verstanden hatte. Außerdem kannten sie den kürzesten Weg zur Ehrentribüne.


    Dort angekommen grüßte Germanicus Corvus mit erhobener Hand in das weite Halbrund hinein und ließ sich nieder. Die ägyptische Sonne brannte an diesem Tag bereits zu dieser Stunde unbarmherzig und er war sehr froh, dass man für ihn ein Sonnensegel aufgezogen hatte. Es fehlte eigentlich nur noch ein erfrischendes Getränk.

  • Die Amtsträger marschierten natürlich ebenso feierlich und voller Würde in das Theater ein, wie es der Praefectus tat. Ihr Erscheinen hatte den Charakter einer religiösen Zeremonie (und in der Tat war es das eigentlich auch) und sie setzten sich auf ihre Stühle mitten auf der Theaterbühne, die nur ihnen vorbehalten waren.


    Als der Präfekt eintrat, verbeugten sich die Prytanen ehrfürchtig um den Mann zu grüßen und der Rest des Theaters tat es ihnen gleich. Der Eponminatograph freute sich sichtlich darüber, dass der Praefectus anscheinend über gute Berater verfügte und seinen Platz an der Ehrentribühne annahm. Er hatte schon den ein oder anderen Präfekten miterlebt, der sich bei seinem ersten Besuch den faux pas erlaubte, sich zu den Prytanen zu setzen, wo er diskret darauf hingewiesen wurde, dass das nicht sein Platz sei. Denn die Alexandriner mochten es nicht besonders, wenn jemand ihre Sitten und Bräuche verletzte, ein denkbar schlechter Einstieg für einen Prafekten. Aber heute schien alles glatt zu laufen.


    Der Archiprytane stand auf und hob beide Hände in die Höhe um die versammelten Bürger zur Ruhe zu weisen und die Ekklesia zu eröffnen...

  • Zitat

    Original von Timokrates Kyrenaikos
    Mutig kämpft er sich zu Leonidas vor, wo er sogleich einen Klienten wegscheucht und sich neben ihm setzt.


    "Chaire, mein Bester! Tolles Wetter heute, gell? Sag mal, wer sind denn diese Krateiden?"


    Leonidas entdeckte seinen Wahlgenossen erst, als dieser neben ihm auftauchte und das ganze noch etwas enger machte. Offensichtlich setzte er diesmal auf Bescheidenheit, denn er hatte ihn schon in weitaus pompöserer Aufmachung gesehen.


    "Chaire, darf ich Dir Archelaos, Diagoras, Marinos, Dropides und Apollonios vorstellen?"


    Nacheinander deutete er auf seine Sitznachbarn - alles mehr oder weniger einflussreiche Männer, die Leonidas für sich hatte gewinnen können. Dann beantwortete er die Frage.


    "Die Krateiden sitzen da drüben. Der Große da ist Kalikleas, daneben Eudoxos."


    Diesmal deutete er auf den rechten Flügel, wo er schon vorhin seine Erzfeinde begutachtet hatte.

  • Der Archiprytane hatte sich erhoben und gemahnte die Versammelten zur Ruhe.


    “Das ist der Archiprytanus, er führt den Vorsitz der Ekklesia.“, flüsterte Lyros dem Praefectus zu, wobei er den Amtstitel des Mannes lateinisch verballhornte.

  • Germanicus Corvus nickte. Darauf wäre er auch alleine gekommen.


    Noch immer schwatzten einige der Anwesenden ungeniert miteinander und ignorierten dabei die Worte des Vorsitzenden. Es ging nach Corvus' Empfinden recht undiszipliniert zu und er fragte sich, ob es bei römischen Volksversammlungen früherer Tage wohl ähnlich gewesen war oder ob es am speziellen Naturell der Alexandriner lag. Er ahnte, dass sich so eine Ekklesia sehr lange hinziehen konnte.

  • Der Archiprytane, die Hände hoch erhoben, wartete bis das Geplärre und Gezeter auf den Sitzreihen endlich aufhörte. Jetzt war seine große Stunde. Theatralisch erhob er seine Stimme:


    "Das Volk der Alexandriner hat sich hier und heute im Theatrum eingefunden, um frei geboren und unter freien Himmel aus freien Stücken seine Geschicke selbst und unabhängig zu bestimmen! Mit dem Segen der Götter und Kraft meines Amtes erkläre ich die heutige Ekklesia für eröffnet!"


    Er legt eine kurze Pause ein, um den Spruch auf die Bürger wirken zu lassen. Dann schreitet er mit dem Text fort, nun weniger pathetisch und ernsthafter.


    "Polites, Freut euch! Denn in seiner unendlichen Güte hat uns unser Basileus, der göttliche Iulianos einen neuen Eparchen gesandt! Lasst uns also nach alter Sitte Dekios Germanikos Korvos in unseren Reihen begrüßen! Kyrie Iulianos! Kyrie Roma!"


    Der Archiprytane senkt die Arme und wünscht sich ein Gläschen Wasser. Außerdem fragt er sich, wie oft er diesen Schwulst noch widerholen muss. Im Theaterrund dagegen hebt wieder ein Geschrei an, diesmal ein Geschrei des Jubels.

  • 'Dekios Germanikos Korvos' erhob sich von seinem Platz und grüßte nochmals die Versammelten, so wie er es bereits bei seinem Eintreffen getan hatte.


    “Habt Dank!“, rief er mit lauter Stimme und ergänzte dann pflichtschuldig: “Es ist mir eine große Ehre, dieser Versammlung des freien und autonomen Volkes von Alexandria beiwohnen zu dürfen.“


    Die immer wieder betonte Selbstständigkeit und Autonomie Alexandrias war natürlich in weiten Teilen wie eine Amphore ohne Inhalt und geriet gelegentlich sogar zur Farce. Ohne Rom würde hier Chaos und Barbarei herrschen, davon war Corvus überzeugt. Aber es gehörte sich für einen besonnenen Statthalter, dieses Schauspiel brav mit zu spielen, wenn er sich nicht unnötig in Schwierigkeiten bringen wollte. Die Alexandriner waren in der Frage ihrer nominellen Souveränität bekanntlich recht empfindlich.

  • Eigentlich wollte Timokrates gerade noch seinen Senf dazu geben, da wird schon der Eparchos angekündigt, der ja anscheinend einen Narren an der Stadt gefressen hat. Obwohl er wahrscheinlich keine große Wahl hatte. Timokrates vermutet, dass er durch die Alexandriner mehr oder weniger in seine Rolle hinein gezwungen wurde. Zumindes wirkt seine Antwort ein bischen müde. Eigentlich kann er einem fast schon Leid tun.


    Sehen kann er den Eparchen allerdings wiederum nicht, denn überall hagelt es Standing Ovations und vor Timokrates haben es sich augenscheinlich einmal wieder zwei Schränke bequem gemacht. Wahrscheinlich scheint es Timokrates Schicksal zu sein, den Eparchen nie zu sehen...

  • Die Eröffnung verfolgte Leonidas dann eher gelangweilt - zu oft hatte er das schon erlebt. Auch der Eparchos wurde immer mehr oder weniger ähnlich angekündigt.


    So sah er zwar zu, zeigte aber keine Freudesregung.

  • Nikolaus, gerade Neubürger geworden, hatte seine beste Tunika angelegt. Zuvor hatte er sie und seine Stiefel bei einem kleinen Straßenhändler ausbessern lassen. Dafür hatte er fast den ganzen kläglichen Rest seines Vermögens ausgegeben. Nun stand er in der Menge der Bürger. Das Theatron war noch nicht voll besetzt. Er sah sich um. Er meinte, in der Menge und ein gutes Stück von ihm entfernt Timokrates Kyrenaikos gesehen zu haben. Doch der Kopf, der ihm bekannt vorkam, verschwand sogleich wieder, ehe Nikolaus ihm zuwinken konnte. Nikolaus war etwas zu spät gekommen, er hatte einen großen Teil der Eröffnungsrede verpasst. Das fade Gesülze des Decius Germanicus Corvus hatte er noch vollständig miterlebt, und er musste grimmig lachen. Das ist also der neue Praefekt meiner neuen Polis, dachte Nikolaus. Er unterließ es, ihn auszubuhen. Das wäre erstens nicht vorteilhaft gewesen, zweitens fand er allzu heftige Ausbrüche seinerseits unpassend. Er suchte weiter nach Timokrates Kyrenaikos. Neben ihm sah er einen Mann stehen, der sich die Rede offenbar teilnahmslos anhörte. "Entschuldige, darf ich dich fragen, was von diesem Eparchen zu halten ist? Ich bin noch nicht allzu lange in dieser Stadt, muss ich zugeben, daher ist er mir unbekannt."

  • Timokrates wird langsam ungeduldig. Wo bleibt eigentlich dieser Nikolaus? Hektisch schaut er sich um. Und tatsächtlich, da, weiter unten, meint er den Athener ausfindig gemacht zu haben! Begeistert deutet er Leonidas die Postition des Mannes.


    "Sieh, da ist der Athener, von dem ich dir erzählte."

  • Was jetzt folgte, war ein Ritual, das jeder Mensch aus dem Osten allzu gut kannte: In mehreren demokratischen Abstimmungen, die jedes Mal eine absolute, begeisterte Mehrheit fanden gelobten die Alexandriner feierlich, die Entscheidung des Basileus, Corvus die Oberaufsicht der Stadt und der Provinz zu betrauen anzuerkennen und zu begrüßen. Auch die Ehrenbürgerwürde wurde ihm anerkannt. Auf weitere Sofortmaßnahmen wie der Verleihung von Ehrentiteln oder der Widmung eines Tempels in Corvus Namen wollte man vorerst noch absehen, schließlich war er ja eben doch nur der Präfekt und nicht der Kaiser selbst. All dies hatte Zeit und würde schon noch zwangsweise irgendwann mal folgen, sollte der Präfekt sich als Wohltäter für die Griechen gegen die Ägypter erweisen oder ein dezentes Hinweisschreiben aus dem Palast kommen, das erwähnte, dass der Präfekt gerne einen Titel für sich haben wollte.


    Dann kam der eigentlich interessante Teil der Ekklesia. Nachdem alle Diskussionen beendet waren, stand der Archiprytane erneut feierlich auf und bat zur Ruhe:


    "Bürger Alexandrias! Schreiten wir nun zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung: Die Wahl der Prytanen und Archonten. Irgendwelche Vorschläge?"


    Statt des zu erwartenden heillosen Durcheinanders blieb es erst einmal ruhig, denn die Bürger warteten darauf, dass die Demagogen das Wort ergriffen, in deren Reihen natürlich jeder wusste, welche Posten die jeweils anderen vorschlagen würden...


    Sim-Off:

    Der Praefectus Alexandriae et Aegypti hat ebenfalls Stimm- und Rederecht ;)

  • Nikolaos hatte nun Timokrates in der Menschenmenge wiedergefunden. Er winkte ihm zu und bahnte sich einen Weg zum Mann aus Kyrene. Die Menge war, wie üblicherweise auf derartigen Veranstaltungen, die Nikolaos schon aus Athen kannte, laut und aufgeregt. Es wurde diskutiert, geflucht, nebenbei gegessen, und allenthalben kam ein fliegender Händler vorbei, der versuchte, den Bürgern zur Versüßung der Volksversammlung Pfeigen, Datteln, Honig und andere Süßigkeiten anzudrehen. Einige besonders unfeine Menschen hatten sich liegend ausgebreitet und nahmen auf den Stufen des Theatrons alleine den Platz von vier bis fünf Sitzenden ein. Nikolaos meinte, einige sogar schlafen zu sehen. Neben einem solchen Mann hockte ein anderer, der offenbar versuchte, den Schlafenden zu wecken und ihm mitzuteilen, dass nun die Ämter vergeben würden. Endlich war Nikolaos in Timokrates Nähe gelangt. Neben diesem stand ein anderer Mann, mit dem sich Timokrates offenbar gerade unterhielt. "Chaire, Timokrates. Es ist gut, dass ich dich hier gefunden habe." Nikolaos musterte den anderen Mann. "Chaire. Mein Name ist Nikolaos Athenos. Darf ich fragen, wie du heißt?"

  • Während die Prytanen unten die Ehrerbietungen an den Eparchen regelten, reckte Leonidas den Hals, um dem Fingerzeig von Timokrates zu folgen. Er war tatsächlich ein ziemlich hübscher Junge. Und schon kam er auf ihn zu. Nikolaos hieß er also.


    "Chaire, ich bin Leonidas, Sohn des Philotas"


    stellte er sich vor und lächelte ihn an. Dabei schätzte er ihn jedoch ab. Vom Aussehen her zweifelsohne eine Publikumsliebling, aber ob er auch rhetorisch gewandt war?

  • Während seine beiden Kollegen sich einander vorstellen, hört Timokrates zur Abwechslung einmal ein bisschen zu und atmet ein bisschen die lebenslustige Atmosphäre der Ekklesia ein (wobei atmen selbstverständlicherweise metaphorisch gemeint ist). Ein sehr amüsantes Schauspiel, wie sie alle reden und reden und dem Eparchen auf "demokratischen" Weg mit allen möglichen Ehrungen überschütten. Manchmal scheint es Timokrates so als sei der Mensch zum Kriechen geboren. Über diese Vorstellung muss er ein wenig kichern.


    Dann heißt der Archiprytane die Ekklesia um Ruhe und der interessante Teil der Ekklesia beginnt: Die Wahlen. Timokrates schaut zu Aristophanes und heißt ihm mit seinem Blick, sich als ranghöchster in der Gruppe zu melden und seine Kandidaten vorzuschlagen.

  • "Ich bin erfreut, dich kennenzulernen, Leonidas. Timokrates erzählte mir bereits von dir." Das war zugeben totum pro pars, wie Römer es ausdrücken würden, Timokrates hatte die Familie des Leonidas erwähnt, nicht diesen selbst. Nikolaos bemerkte, dass Timokrates zu einem weiteren Mann hinübersah, der aber außer Hörweite war, sodass Nikolaos ihn nicht selbst fragen konnte. "Kannst du mir sagen, wer dieser Mann da ist? Er scheint von großer Bedeutung in der Polis zu sein, doch ich muss gestehen, dass ich ihn nicht kenne, da ich gewissermaßen noch fremd in Alexandria bin, wobei mich Timokrates bereits über viele Dinge informierte." Er stellte diese Frage in seiner ihm typischen sauberer und eleganter Koiné, die jedoch bei ihm mit einem leichten attischen Akzent gewürzt war, was sie noch vornehmer klingen ließ. Seine Stimme war für sein junges Alter erstaunlich tief und fest. Sie strahlte etwas vertrauenerweckendes aus, doch Nikolaos Blick hatte etwas undurchsichtiges.

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