hortus | Ein nachdenklicher Aurelius am Wasser

  • Gleich bei meinen ersten Streifzügen durch den riesigen Hortus der Villa Aurelia in Roma war mir der kleine, malerisch gelegene Fischteich aufgefallen. Von meiner Kinderzeit und meinen damaligen Besuchen in Rom her hatte ich mich an diesen gar nicht mehr erinnern können. Umso mehr bewunderte ich nun seine kluge Anlage: Er lag versteckt hinter dichtem Gebüsch und von einer Trauerweide bestanden, so dass man ihn von weitem nicht sehen konnte, und doch so, dass das Licht sich bei hohem Sonnenstand strahlend auf der Oberfläche des Wassers spiegelte.


    Genau dieser traumhafte Anblick bot sich mir auch an diesem Hochsommer-Abend. Die Hitze des Tages hatte sich schon ein wenig geneigt, die Weide spendete zusätzlichen Schatten und Kühlung, und doch glitzerten noch Sonnenstrahlen im Wasser. Ich hatte den Teich schon einige Male umrundet, da das Schilfgras zurückgeschnitten worden war. Nun hockte ich mich hin, und malte mit meinem Finger Kreise in das Wasser, die sich immer weiter zogen und meine Gedanken mit sich führten in die Ferne.



    Sim-Off:

    Wenn jemand mag ... :)

  • Sim-Off:

    Mag! :)


    Die rothaarige Keltin hatte sich ein klein wenig im riesigen Heim der Aurelier eingewöhnt, und neben der großen Aufgabe, für die junge Sisenna zuständig zu sein, gab es für sie immer wieder das ein oder andere zusätzlich zu erledigen, wie es für jeden Sklaven eigentlich immer genug Arbeit gab. Über Langeweile hatte sie sich bisher nicht beklagen können, und vielleicht hatte das auch verhindert, dass sich Cadhla zu sehr in ihre Heimat zurücksehnte, es war ihr bisher einfach noch kaum ein Augenblick geblieben, in dem sie nicht irgend etwas zu tun gehabt hätte - Müßiggang war etwas für die Herren im Haus, nicht für die Sklaven.
    So auch an diesem warmen, sonnigen Abend in der ewigen Stadt, nach der Zeit der Mittagshitze mussten im Garten der Villa die Blüten und wasserdurstigen Pflanzen gegossen werden, eine Aufgabe, für die es viele Eimer Wasser zu schleppen gab, aber dank des direkten Wasseranschlusses der Villa an ein nahes Aquädukt mussten sie zumindest nicht zu einem Brunnen laufen, sondern konnten aus einem großen Wasservorrat schöpfen.


    Es war der achte Eimer, den sie in einem großzügig angelegten Blumenbeet auskippte, in geschickt gezogene kleine Bewässerungsgräben, die quer durch das Beet führten, verborgen durch kunstvoll gesetzte Pflanzen, deren Blätter die Sicht auf die Erde verbargen. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn, und der andere Sklave, der mit ihr gemeinsam diese Arbeit erledigte, hatte sich wohl zum Ausruhen hinter eine andere Hecke verzogen, sodass auch Cadhla ein wenig verschnaufen konnte. Neugierig auf den Rest dieses so sorgsam gebändigten Stücks Natur schlich sie um die Ecke der angrenzenden Hecke herum, folgte dem frischen Geruch nach Wasser - sicher, jeder hätte gesagt, dass man Wasser nicht riechen konnte, aber die Nähe des Wassers war zu spüren, die Luft wirkte frischer auf die von der Hitze ausgedörrte Haut der Keltin. Und ihr Instinkt hatte sie nicht getäuscht, da war tatsächlich eine kleine Wasserfläche, wohl ein Zierteich, denn sie sah sich bewegende Fischleiber unter der glatten Fläche des Wassers.


    Seltsam, sie schien Wellen zu schlagen - verblüfft folgte sie mit ihrem Blick den Kreisen auf dem Wasser, um in einiger Ferne Cedric zu erkennen, der dort am Ufer kauerte und mit dem Wasser spielte. Unvermittelt lächelte sie, aber gleichzeitig begann sich auch ein mulmiges Gefühl in ihrem Inneren breit zu machen - was, wenn er sie nun dabei erwischte, dass sie nicht ihre Arbeit tat? Das würde sicher Ärger geben. Um nicht weiter aufzufallen, ging sie langsam rückwärts und wollte gerade hinter der Hecke verschwinden, als sie mit ihrer dünnen Sandale in eine kleine Wasserlache trat, darin ausrutschte und im Bemühen, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, ohne in die Hecke zu fallen, über den Steinplattenweg taumelte. PLATSCH! machte es, das Wasser geriet enorm in Wallung, die Fische stoben eilig davon und eine deutliche Welle schwappte auf Aurelius Cotta zu, während eine sichtlich bedröppelte Keltin klitschnass im Wasser sitzen blieb und am liebsten im schlammigen Grund des Teiches versunken wäre.

  • Sim-Off:

    Freut mich! =)


    Ich folgte träumerisch den Kreisen, die von meiner Fingerspitze aus immer weitere Kreise zogen und denen zuletzt nur das Ufer des Teichs eine Grenze setzte. Eine kleine Ursache und eine große Wirkung; ein kleiner Anstoß, der eine Bewegung auslöste, die sich immer weiter fortsetzte. Mein Blick wanderte weiter über das Ufer des Teichs hinaus und immer höher bis zum Himmel, an dem sich nur hauchzarte Schleierwolken zeigten. Würde das meine Zukunft sein? Selber nur wie ein Atom, dessen Bewegung aber weitreichende Folgen verursachen würde; an einem bestimmten Platz, aber mit Sorge um das ganze Imperium?


    Während ich diesen Erwägungen nachhing, war ich weit davon entfernt, irgendeinen Stolz oder Überheblichkeit in mir zu fühlen. Im Gegenteil fühlte ich die Verantwortung, die meine Geburt mir auferlegt hatte, in dieser Stunde wie eine Last. Hatte ich mich eben noch mit der Fingerspitze im Wasser, die Kreise malte, gefühlt wie der Unbewegte Beweger, so war ich doch alles andere als das Denken, das in seiner göttlichen Abgeschiedenheit nichts als sich selber sucht.


    Ich seufzte auf. Bald würde ich in dieser Villa wenigstens nicht mehr so ganz allein sein, die "Germanen" - so hatte ich die Mitglieder der gens Aurelia inzwischen getauft, die in Germania bei Corvinus weilten - würden ja in Kürze hierher zurückkehren. Aber fingen damit nicht auch schon neue Sorgen für mich an? Drei Frauen hatte Corvinus im Schlepptau, drei erwachsene Frauen der gens Aurelia. Und vor Frauen hatte ich mich schon immer ein wenig gefürchtet; ich wusste einfach nichts mit mir anzufangen in ihrer Gegenwart, war nervös und gehemmt. Zeigte das nicht auch nur wieder, dass all diejenigen Recht hatten, die mich seit meiner Kindheit dafür schalten, dass ich zu hölzern und zu ernst sei? Resigniert sagte ich mir, dass dem wohl so sein müsse, und wollte mich schon erheben, um wieder nach der Villa zurückzugehen.


    Da bemerkte ich ganz in der Nähe plötzlich ein Rascheln und Schritte, die nicht von einem Tier sein konnten. Sisenna! - war natürlich mein erster Gedanke. Meine Lippen zogen sich in die Breite zu einem Lächeln, und jede Sorgenfalte war sogleich von meiner Stirn verschwunden. Na warte, dachte ich mir, sie weiß ja nicht, dass ich hier bin; die werde ich gleich erschrecken! Ich legte mich auch schon entsprechend auf die Lauer, als auf einmal mit einem lauten Klatschen jemand ins Wasser des Teichs fiel. Ich war entsetzt, denn natürlich befürchtete ich für Sisenna das Schlimmste und wollte schon selber ins Wasser nachsteigen. Das war Cadhlas Schuld! Wie konnte sie Sisenna so alleine lassen! Es war hohe Zeit, dass man diese Sklavin einmal tüchtig auspeitschte!


    Mein Zorn verschwand allerdings so schnell, wie er gekommen war, als sich aus dem Fischteich ein erwachsener Mensch aufrappelte und im Wasser sitzen blieb - Cadhla selbst, ohne Sisenna. Ich sank wieder in meine Hock-Position zusammen, so dass wir uns jetzt fast Auge in Auge gegenübersaßen, und schnaufte durch. Ihre grünen Augen fielen übrigens in diesem Moment gar nicht mehr so auf wie sonst, wo sie sich so hinreißend von den roten Haaren abhoben, denn die Sklavin war über und über von grünlichem, schleimigem Schlamm bedeckt. Ihre Haare klebten klatschnass am Kopf, auch die unvermeidliche Strähne, die sonst immer den Blick in ihre schönen Augen trübte. Dies alles registrierte ich jedoch nur beiläufig, da mein sorgenvoller Blick zunächst den Fischen galt, die sich allerdings offenbar gut gehalten hatten. Erst da bemerkte ich, dass die wässrige Schlammfontäne, die Cadhla ausgelöst hatte, auch mich nicht verschont hatte. Ich sah an mir hinunter, und mir wurde klar, dass mein zweiter längerer Ausflug in den hortus der villa Aurelia in Roma mir nun schon die zweite Tunika ruiniert hatte. Ein Griff in meine Haare und in mein Gesicht brachte dann die Erkenntnis, dass ich kaum besser aussehen musste als mein Gegenüber und dass wir beide im Moment mit Leone hätten verwechselt werden können.


    Doch es war seltsam; ich konnte mich darüber irgendwie gar nicht mehr aufregen. Hatten mich die Anspannungen der vergangenen Tage und Wochen einfach zuviel Kraft gekostet, und gerade eben auch noch die Angst, dass Sisenna in den Teich gefallen sein könnte? Jedenfalls musste ich mich sehr beherrschen, um nicht in lautes Lachen auszubrechen, denn ein starker Reiz dazu durchzuckte meinen ganzen Körper wie bei einem jungen Mädchen. Ich ergriff mit meiner rechten Hand einen Klumpen Schlamm und tat mit einem breiten Grinsen so, als wolle ich ihn Cadhla ins Gesicht werfen - was ich aber natürlich nicht tat. Stattdessen ließ ich die Hand sinken, richtete mich langsam auf und schaute an mir herunter: Ja, ich sah zum Fürchten aus, und selbst das edle Leder meiner Sandalen hatte sich ganz vollgesogen mit Wasser.


    Was sollte ich jetzt tun? Maron hatte ich an diesem Abend frei gegeben; er war in die Stadt gegangen; wo genau er sich herumtrieb, wollte ich lieber nicht wissen. Sollte ich nach Sklaven rufen? Wir waren aber weit vom Hause entfernt, und möglicherweise würde man mein Rufen nicht hören. Mein Blick richtete sich wieder auf Cadhla, die immer noch ganz verschämt im Wasser des Teichs saß. Was hatte sie nur hier gewollt? Wollte sie mir etwas wegen Sisenna sagen? Oder war sie mir nachgeschlichen? Ich hatte lange nicht mehr mit ihr geredet, aber Maron, der sie natürlich nicht aus den Augen ließ, hatte mir berichtet, dass sie inzwischen ganz ordentlich Latein spreche. In der komisch-abstrusen Situation, in die sie uns beide gebracht hatte, kam mir nun der Gedanke, das doch einmal zu überprüfen.


    Ich straffte meine Haltung und versuchte, eine möglichst strenge Miene aufzusetzen, unter der jedoch bereits, wie mir schien, mein Lachen durchschimmerte. Ich streckte ihr meine rechte Hand entgegen. Mit künstlich tiefer Stimme sagte ich zu ihr:


    "Es ist mir bekannt, dass auch in eurer Mythologie in Britannia Wesen existieren, die in Seen wohnen. Damit ich weiß, ob du so ein Wesen bist oder unsere gute alte Cadhla aus Fleisch und Blut - gib' mir deine Hand und komm' schon endlich aus dem Wasser."


    Dann konnte ich mein Grinsen nicht mehr verbergen.

  • Er war fast komplett nass geworden und sah mindestens so schlimm aus wie ich - au weia, das roch geradezu nach Ärger, wenn man als Sklave eins nicht tun durfte, war es, den Herren in irgendeiner Form Ärger zu bereiten. Und dass er einer der Herren des Hauses war, hatte ihr eine der älteren Sklavinnen aus der culina mit viel Geduld erklärt. Ihr Latein war, zumindest fühlte es sich für Cadhla so an, immernoch absolut unzureichend, aber sie konnte sich zumindest unter Zuhilfenahme von Händen und Füßen verständigen - wirkliche eigene Gedanken umfasste ihr Latein jedoch noch lange nicht. Appius Aurelius Cotta, und das Aurelius hieß, dass er zur Familie der Aurelier gehörte. Wieso ihn seine Eltern wie eine Straße genannt hatten, war ihr zwar nicht klar - ebenso, wie ihr entging, dass die via Appia aus zwei verschiedenen Worten bestand und nicht ein ganzes war, wie sie es noch dachte - aber zumindest klang der Name wichtig. Für sich selbst gesehen blieb es jedoch bei Cedric, oder Appius Aurelius Cotta Cedric? Egal, sie hatte es jedenfalls geschafft, sich richtig in Schwierigkeiten zu bringen.


    Nass bis auf die dünnleinerne Unterwäsche - Römer wollten Sklaven mit Lendentüchern, soviel hatte man ihr auch beigebracht - fühlte sie die Präsenz des jungen Mannes überdeutlich in ihrer Nähe. Ein dicker Batzen Schlamm glitt über ihre Stirn, dann die Wange entlang und tropfte mit einem leisen Geräusch auf ihren Oberkörper, blieb dort kalt kleben und gab dem malerischen Bild eines braungrünlichen Schlammonsters noch einen weiteren Akzent mit. Hätte sie nicht gewusst, dass es dafür richtig bösen Ärger geben würde, hätte sie herzlich über ihr Missgeschick gelacht, denn auch er sah mit einer braungrünlichen Schicht Schlamm auf den edlen Kleidern mehr als lächerlich aus - wie ein Sumpfmonster, das versucht hatte, sich schick anzuziehen und daran sehr heftig gescheitert war.


    Als er die Hand bewegte, zuckte sie zusammen, denn sie hatte einen Schlag erwartet, wie es üblich war, wenn ein Sklave etwas falsch machte, aber er schlug sie nicht - erst als er den Arm wieder sinken ließ, dämmerte ihr, dass er wohl spielerisch so getan hatte, als wollte er etwas nach ihr werfen. Dennoch blieb sie eine Weile so sitzen, als müsste sie einen Hieb abwehren, mit erhobenen Händen, damit ihr Gesicht nicht sofort getroffen würde. Aber warum grinste er so? Plötzlich wurde seine Miene wieder ernster, und wenigstens diesmal formten seine Worte einen Sinn, dem ihre holprigen Sprachkenntnisse mit weit heraushängender Zunge hechelnd folgen konnten. War er denn gar nicht böse auf sie? Immerhin hatte sie dafür gesorgt, dass er schlimmer aussah als mancher Torfstecher oder Sumpffischer, auch wenn es solches in diesem heißen Land sicher nicht gab, hier musste ja jeder Sumpf austrocknen.
    "Es tun mir leid, dominus, ich bin ...rutschen? ... auf Wasserpfütze," sagte sie stockend und blickte ihn mit einer Mischung aus Vorsicht und einem gesunden Misstrauen an.


    Der eben noch gebrauchte Eimer trieb auf der sich langsam beruhigenden Wasseroberfläche zu ihr zurück und bevor sie seine Hand griff, nahm sie den Eimer mit, würde sie ihn verlieren, würde es sicher auch wieder Ärger geben, es gab überhaupt grundsätzlich eine Menge Ärger, wenn man irgend etwas herumliegen ließ. Sein Grinsen verunsicherte sie noch ein gutes Stück mehr. Fand er das etwa lustig? Gab es vielleicht gar keine Strafe für sie? Blinzelnd wischte sie sich, als sie am Ufer neben ihm stand, eine Handvoll Schlamm aus dem Gesicht und blickte ihn fragend an. "Du musst baden, dominus, du aussiehst wie ein Sumpftoter, nur lebendig."

  • Na, das war ja mal wieder typisch Maron gewesen: Bei seiner Einschätzung der Latein-Kenntnisse Cadhlas hatte er mächtig übertrieben. Da hatte wohl der optische Eindruck, den die rothaarige Sklavin auf ihn machte, den akustischen Eindruck beeinflusst. Ich jedenfalls lauschte schmunzelnd ihrer sprachlich holpernden Entschuldigung.


    Die ängstliche, ja, fast misstrauische Art, mit der sie mich ansah, machte mich allerdings nachdenklich: Hatte sie tatsächlich immer noch eine solche Angst vor mir? Nun ja, immerhin hatte ich eben ja kurz angedacht, sie "tüchtig auspeitschen" zu lassen - aber das war doch nur aus fast hilfloser Sorge um Sisenna gewesen! Jetzt tat mir die Überlegung natürlich Leid. Auf der anderen Seite hörte ich in mir auch eine ganz seltsame Stimme, die mir sagte, dass es mir vielleicht im Leben und in meiner Laufbahn noch dienlich sein könne, wenn ich in der Lage sei, anderen zumindest Respekt einzuflößen.


    Diese neue Erwägung war hier im Angesicht einer besudelten Cadhla aber nun ganz und gar unpassend, und so verscheuchte ich sie entschlossen. Ihr Misstrauen mir gegenüber gründete sich hoffentlich nicht darauf, dass ich immer so Respekt erheischend wirkte. Allerdings hatte ich wirklich lange nicht mehr mit ihr gesprochen, was ja auch wegen ihrer - wie ich hatte feststellen müssen - immer noch schwachen Latein-Kenntnisse nicht ganz einfach war. So war ich froh, als sie wenigstens meine Hand nahm und sich dabei helfen ließ, sich aus dem Wasser des Teichs zu erheben, ohne auf dem glitschigen Untergrund erneut auszugleiten. Vorher hatte sie aus dem Wasser noch einen Eimer an sich genommen, den ich bis dahin noch gar nicht gesehen hatte; er verriet mir den Grund für ihre Anwesenheit im Garten: Der Hausverwalter hatte sie wohl dafür eingeteilt, den hortus zu bewässern.


    Den kurzen Moment, in dem ich ihr dabei half aufzustehen, nutzte ich, um einen Blick auf ihre Hand zu werfen. Was ich sah, überraschte mich: Statt einer zarten, weichen Frauenhand, wie ich sie mir ausgemalt hatte, hielt ich eine starke Arbeitshand, die unmöglich allein aus der kurzen Zeit bei uns hier in der villa Aurelia in Roma resultieren konnte. Was hatte sie vorher gemacht, in ihrer Heimat? - Der Anblick und das Gefühl ihrer Hand weckten meine Neugierde. Und wenn sie schon noch nicht ganz so gut Latein sprach, vielleicht konnte sie mir wenigstens etwas von solchen alltäglichen Dingen erzählen. So richtete ich also wieder einige, langsam und deutlich gesprochene, Worte an sie.


    "Ich hoffe, du hast dir nicht weh getan! Sag mal, Cadhla, zu Hause in Britannia, was hast du da gemacht? Bäuerin? Vieh? Pferde?"


    Während der Frage, ob sie sich verletzt habe, hatte ich sie besorgt gemustert: Sisenna würde Cadhla sicher sehr vermissen, wenn diese etwa der Bettruhe bedürfen würde; aber danach sah es nicht aus. Dann blickte ich wieder nach ihrer Hand und bemerkte, dass ich ganz vergessen hatte, diese loszulassen, und immer noch in meiner Hand hielt. Ich erschrak über mich selbst, ließ die Sklavin los und schaute ihr wieder in die Augen, aber das war irgendwie noch ... ich wusste nicht, wie das war. Jedenfalls war sie kein mythisches Wesen, sondern Cadhla aus Fleisch und Blut.


    Zum Glück öffnete auch Cadhla jetzt ihren Mund, und was sie sagte, brachte mich so zum Lachen, dass alle anderen Gedanken davongetrieben wurden wie Wolken von frischem Wind. Wenn sie besser Latein gekonnt hätte, wäre ihr Rat eine Frechheit gewesen; wenn wir hier nicht in dieser seltsamen Lage gesteckt hätten, auch - aber so lachte ich laut auf. Sie riet mir tatsächlich, ich solle ein Bad nehmen, nein, ich müsse ein Bad nehmen, weil ich aussähe wie ein Sumpftoter! Nachdem ich wieder zu Luft gekommen war, sah ich ihr, breit grinsend, ins Gesicht.


    "Ah, du musst dich aber auch waschen! Was glaubst du, wie du aussiehst! Vae, wie eine gorgo!"


    Und dabei schüttelte ich mich mit absichtlich übertrieben gespieltem Ekel, dass reichlich Schlamm von mir spritzte. Denn eigentlich war sie ja alles andere als eklig.

  • Alles begann zu trocknen - erstaunlich, wie schnell Schlamm zu trocknen begann, das war ihr bisher noch gar nicht so extrem aufgefallen - und entsprechend unwohl fühlte sich die Keltin nach und nach, denn es schien ihr, als sei selbst bis unter das Lendentuch der klebrige Schlamm geglitten. Am liebsten hätte sie sich diese lästige Kleidung vom Leib gerissen und wäre nochmal in den Teich getaucht, diesmal, ohne den Schlamm vom Grund aufzuwirbeln, um sich das klebrige Zeug abzuwaschen, aber es war angesichts der Anwesenheit eines ihrer Herren keine wirklich gute Idee. Sie wollte auch gar nicht so genau wissen, wie er wohl auf einen solchen Anblick reagieren würde, zumindest waren das Gedanken, die sie sich lange genug schon verboten hatte, kein Grund, es jetzt noch zu ändern. Wenigstens schien er all das, was ihm geschehen war, nicht allzu ernst zu nehmen, und als er dann auch noch lachte, nachdem sie ihm ein Bad empfohlen war, fiel zumindest ein kleiner Teil der Last von ihrem Herzen, der sich dort aufgetürmt hatte, seit sie in den Teich gerutscht war.


    "Ich waren Kämpfer für Dorf. Mit Speer und Waffe. Auf Pferd reiten und kämpfen, um schützen Familie und alle," erklärte sie eifrig, denn es war das erste Mal, dass jemand ernsthaft Interesse für sie gezeigt hatte, seit sie in dieses Land gekommen war. Dann erst bemerkte sie, dass er noch immer ihre Hand hielt, sanft, nicht drückend, sondern auf eine Art und Weise, die ihr freundlich erschien - seine Finger waren so ganz anders als die Hände, die sie bisher gefühlt hatte, weicher, schlanker, aber dennoch nicht ohne einen männlichen Griff. Und schon endete die Berührung, sie blickte ihn ebenso an wie er sie, und wieder schlich sich ein zaghaftes Lächeln auf ihre Lippen. Seine Augen blickten so freundlich, dass ihr der Name, dem sie ihm insgeheim gegeben hatte, als umso passender erschien. "Dein Volk uns überfallen, und kämpfen, und ich gefangen, als ich kämpfen für meine Familie. Es waren harter Kampf, und viele sterben, viele verloren in Kampf, aber guter Kampf. Wir nur verloren, weil weniger," erklärte sie sachlich und rettete sich über die jäh entstandene Verlegenheit.


    Nicht einmal Wut lag im Klang der Stimme, denn diese Wut war ihr längst verloren gegangen, auf dem langen Weg aus ihrer Heimat, durch das fremde Land der Germanen, über die höchsten Berge der Welt bis in diesen Ort der Sonne, inmitten dessen Rom lag.
    "Gorgo? Was sein gorgo?" fragte sie unvermittelt und hielt dann inne, von seinem Lachen nun doch angesteckt. Die Situation war auch zu seltsam, wenn man sie als Beobachter betrachtet hätte, wäre sie sicherlich ausgesprochen gut für eine comedia geeignet gewesen. "Wir beide müssen waschen, aber Du zuerst, weil Du sein dominus und ich nur servus." Zumindest die römische Dringlichkeitsverteilung hatte sie inzwischen recht gut verstanden, in allem kamen die Herren zuerst, und dann vielleicht irgendwann ihre Sklaven. "Ich Dich waschen sollen? Sein großes Bad hier in Haus, aber nur für dominus, nicht für servus." Auch das war eine Lehre aus den Gesprächen mit den bereits im Haus vorhandenen Sklaven: Immer anbieten zu helfen, wenn einer der Herren keine Hilfe wollte, dann würde er es schon sagen. Blinzelnd blickte sie Cotta an und erst einige Augenblicke späte wurde ihr bewusst, wie zweideutig ihr Angebot klingen musste - eine unschöne, weil kräftige Röte schoss ihr ins Gesicht und machte selbst ihre vielen Sommersprossen unkenntlich.

  • Ich versuchte ein Mann zu sein, jeden Tag, seitdem ich hier in der villa Aurelia in Roma angekommen war, versuchte ich nun schon ein Mann zu sein, die Klarsicht eines Mannes zu zeigen, die Durchsetzungsfähigkeit, die Selbstbeherrschung. Gerade meine ersten Tage hier hatten mir in dieser Hinsicht einiges abgefordert, vor allem, was die Sorge um Sisenna und ihre Betreuung anging. Aber auch mein eigener Weg war ja noch so ungewiss, und ich war keineswegs sicher, dass ich die in mich gesetzten Erwartungen würde erfüllen können.


    Vielleicht war es deshalb, dass ich mich in dieser absonderlichen, "schlammigen" Situation gegenüber einer Sklavin wieder wie ein kleiner Junge benahm und mich stark schüttelte, so dass ich sie erneut mit Dreck vollspritzen konnte. Als ich mir wieder meiner Rolle und ihrer Rolle bewusst wurde, hörte ich natürlich sofort damit auf, obwohl es mir gut getan hatte, einmal wieder so albern sein zu können. Ich wurde wieder ernst, wie ich es meistens war, und zu dieser ernsten Stimmung tat das, was Cadhla mir nun über sich erzählte, ein Übriges.


    Kämpferin war sie in ihrer Heimat gewesen, Reiterin; also wirklich so etwas wie eine Amazone, wie ich es schon einmal kurz über sie gedacht hatte, als sie mir an ihrem Ankunftstag vorgestellt wurde. In einem ruhigen Ton erzählte sie davon, wie ihr Dorf von römischen Truppen besiegt worden war, dass viele ihrer Genossen getötet worden waren und sie selbst - das sagte sie nicht, aber ich konnte es mir natürlich denken -, und sie selbst in die Sklaverei verschleppt worden war.


    Dass die Dinge in der Welt unterhalb des Mondes so gingen - wer wusste das nicht. Auch ich wusste, wie man zu Sklaven kam, wenn diese Ware knapp wurde; keiner hatte es mir so richtig erzählt, jeder wusste es einfach. Ich hatte mir darüber auch nie Gedanken gemacht, mir höchstens gesagt, dass ich mir keinen solchen Ruf zu erwerben gedachte, jeden Morgen nach dem ientaculum erst einmal einen Sklaven auszupeitschen als munteren Start in den Tag. Nun stand diese Sklavin hier vor mir, und ihre Geschichte ging mir ein wenig zu Herzen. Etwas aber ließ mir doch einen kalten Schauer den Rücken hinunter rinnen: der sachliche Ton, in dem sie das alles geschildert hatte. Empfand sie denn keine richtige Trauer mehr? Oder Wut? Oder war sie etwa so eiskalt, dass sie Rachepläne schmiedete? Sie war Kriegerin, konnte nach eigenen Angaben - im Gegensatz zu mir - mit Speeren umgehen und mit anderen Waffen. Würde sie sich eines Tages, gewandt wie eine Katze, von hinten anschleichen und mir ein Messer, und sei es eines aus der culina, in den Rücken rammen? Schwebte etwa Sisenna in Gefahr?


    Die Gedanken in meinem Kopf überstürzten sich, und es machte mir große Mühe, nicht vollends den Überblick zu verlieren und in Panik zu verfallen. In diesem Moment keimte in mir die Erinnerung auf an dieses Gefühl, das ich kurz zuvor gehabt hatte, als Cadhla noch im Wasser des Teichs gesessen hatte, offenbar voller Angst und Misstrauen mir gegenüber - das Gefühl oder besser der Gedanke, es könne mir noch von Nutzen sein, wenn ich über die Fähigkeit verfügte, anderen Respekt vor mir einzuflößen. In dieser Situation mit all den bedrängenden Fragen in meinem Kopf schien es mir unabdingbar, diesen Zug nun auszuspielen. Ich trat einen Schritt von Cadhla zurück, sah sie stechend an und fragte mit kalter, zynischer Stimme:


    "Wir Römer haben dir nichts Gutes getan. Hasst du uns? - Hasst du mich?"


    Bei der letzten Frage fiel meine Maskerade. Würde ich diese Rolle vielleicht eines Tages virtuos spielen können - in diesem Augenblick vor Cadhla konnte ich es nicht. "Hasst du mich?", und meine Stimme war weich geworden, ein bisschen höher im Ton, zögernd; meine Augen, fragend sicherlich, doch auch hoffend.


    Ich wartete gar nicht auf die Antwort, sondern wandte meinen Blick von der Keltin ab. Die Sonne war fast untergegangen, es dämmerte, und die Vögel ließen nurmehr ihr monotones Krächzen hören wie an jedem Abend. Meine Haut fing an zu jucken, weil der Schlamm an mir allmählich trocknete; ein Blick auf Cadhla zeigte mir, dass es ihr genauso erging. Ein Lachen zuckte um meine Mundwinkel, denn nun sah sie wirklich immer mehr aus wie ...


    "eine gorgo. Du wolltest noch wissen, was eine gorgo ist."


    Ich erklärte nun mit Armen und Beinen, so dass der trocknende Schlamm nur so von mir abbröckelte:


    "Eine gorgo hat Flügel. Ihre Haare sind Schlangen. Sie ist sehr hässlich. Wer sie anschaut, wird zu Stein. Du siehst jetzt aus wie eine gorgo."


    Bei diesen Erklärungen und den Verrenkungen, die ich dabei machte, musste ich selber schon wieder schmunzeln, wurde aber ernst, als ich daran dachte, dass Cadhla mich ganz und gar nicht in einen Stein verwandelt hatte und dass sie auch nicht hässlich war - und dass wir uns außerdem schleunigst waschen mussten, woran die gewissenhafte Sklavin mich nun selbst erinnerte. Waschen ja, nur wo und wie? Wir waren beide eigentlich viel zu schmutzig, um direkt in die villa zu gehen, selbst wenn wir beide den Eingang für die Sklaven benutzten. Es rächte sich jetzt also doch, dass ich Maron ausgerechnet heute einen freien Abend gegeben hatte.


    Nein, ich konnte noch soviel überlegen; mir fiel nichts ein. Vielleicht aber wollte mir auch nichts einfallen; von einem weiblichen Sklaven war ich seit meiner Kindheit nicht mehr gewaschen worden, aber ich sah jetzt keine Alternative, zumal Cadhla sich ebenfalls reinigen musste. Unsicher sah ich sie an - von Respekt-Einflößen war keine Rede mehr. Mir kam es so vor, als sei sie stark errötet, aber das mochten auch ihre Sommersprossen sein, die in der Dämmerung so aussahen; bei solch schwachem Licht hatte ich die Sklavin schließlich noch nie gesehen. In der Kindersprache, die ich keineswegs Sisenna gegenüber, wohl aber bei Cadhla gebrauchen musste, obwohl die wahrscheinlich in meinem Alter war, sagte ich zögernd:


    "Wir müssen uns waschen, aber wo? Wir sind so schmutzig ..."


    Dabei strich ich mir noch einmal lächelnd durch die Haare und streifte zwischen meinen Fingern verklumpten Schlamm heraus.

  • Langsam legte Cadhla den Kopf schief und blinzelte. Was für eine verrückte Frage! Fast hätte sie gelacht, denn wie absurd war es, dass ein Herr eine Sklavin fragte, ob sie ihn hassen würde. Jeder normale Mensch, der einigermaßen seine Freiheit zu schätzen wusste, musste seinen Herrn hassen, der ihm diese Fesseln auferlegte, aber gleichzeitig wusste sie auch, dass es nicht die beste Idee war, dies allzu deutlich zu sagen. Nicht zum ersten Mal wünschte sich die Keltin mehr Worte, um auszudrücken, was sie meinte, doch das Latein war keine Sprache, die man über Nacht lernte, auch seine Nuancen auszukunden kostete so manchen begeisterten Dichter sein Leben lang aus, ohne wirkliche Kunstfertigkeit zu erlangen - wie mochte es da erst einer Frau geben, die gezwungen war, diese fremdartige Sprache zu lernen, um sich wenigstens ein wenig verständigen zu können.


    Schließlich, nachdem sie über ihre Antwort eine ganze Weile nachgesonnen hatte, räusperte sie sich nachdenklich und erklärte: "Du mich nicht fangen und verletzen, dich ich nicht hassen, dominus. Du nicht nehmen Schwestern mit Gewalt zu sich, töten Mutter, Vater und Neffen. Ich hassen Männer, die getan haben, weil Freude gehabt am Töten, aber nicht Dich. Es nicht genug Worte geben, um sagen, was denken über schlechte Menschen, die tun Böses, weil gern Blut sehen wollen."


    Schließlich, nach einem weiteren, abgelaufenen Gedankenprozess, fügte sie etwas vorsichtiger an, wohl auch verwirrt durch den sich so ins Weiche verändernden Klang seiner Stimme: "Es doch ohnehin egal, ob ich hassen sein, was bin. Es sich nicht ändern. Ich werden sein Sklave für lange." Wieder klang sie sachlich, denn die Tatsache, was sie war, war in diesem Moment unbestreitbar.
    Die schieren Ausmaße Roms, einer Stadt, die sie nicht wirklich kannte, hatten sie eventuelle Fluchtpläne auch erst einmal verschieben lassen, denn es machte, wie es war, kaum Sinn, sich durch ein fremdes Land, über das sie nicht genug wusste, nach Hause durchschlagen zu wollen, ein Zuhause, das nicht einmal mehr existierte, weil es zerstört worden war.


    Glücklicherweise meldete sich wieder eine weitere unbestreitbare Tatsache bei ihr - der überall klebende Schlamm, dessen Jucken immer unerträglicher wurde. Wie schafften es nur die Froschfänger, sich unter diesem klebrigen Zeug sogar noch zu verstecken? Cadhla war, als müsste sie im Viereck hüpfen, um das Jucken loszuwerden, das sich so unwillkommen in ihre Aufmerksamkeit drängelte. Die Erklärung Cedrics, was eine Gorgo war, ließ sie unwillkürlich schmunzeln, wirkte er doch, als wolle er eine fremdartige Art Tanz aufführen, mit den Händen und Füßen gleichzeitig.


    "Ich nicht sein kann gorgo, weil Du nicht sein Stein," stellte sie mit der bestechenden Logik einer Frau fest, die sprachentechnisch noch gezwungen war, so ziemlich alles wortwörtlich zu nehmen, was es überhaupt zu verstehen gab. "Aber wenn Schlamm trocknen und werden hart, dann ich bin wie gorgo, weil du nicht mehr laufen." Kurz überlegte sie, aber das Wasserproblem war zumindest für ihre Verhältnisse schnell gelöst.


    "Es geben großes Loch mit Wasser für putzen. Ich kann Eimer holen und Dir über Kopf schütten, dann ein bisschen Dreck ist weg und Du kannst gehen in villa. Und dann ich Dich waschen?" Es war eine recht unorthodoxe Idee, einen Patrizier mit dem für Putzarbeiten gesammelten Regenwasser grundzureinigen, aber wenn er eben nicht ins Haus wollte - für einen Moment überlegte Cadhla, ihn einfach in die schlammfreie Zone des Teichs zu tunken, aber wenn das jemand sehen würde, wäre es sicher nicht leicht, sich zu erklären, und sie wollte nicht unbedingt in den ersten Tagen Ärger bekommen, weil jemand dachte, sie wollte Cedric ertränken.

  • Trotz des Juckens des Schlamms, das immer unerträglicher wurde, war ich hoch konzentriert, als Cadhla dazu ansetzte, auf meine Frage nach ihrem möglichen Hass zu antworten. Diese Entgegnung fiel ihr sichtlich schwer, und ich glaubte, richtig zu liegen, wenn ich annahm, dass ihr hier nicht nur die lateinische Sprache zu schaffen machte. Allerdings hoffte ich auch, dass sie nun nicht eine möglichst diplomatische Antwort geben würde, sondern eine einfache und wahre. Obwohl es immer dunkler wurde, schaute ich angestrengt auf ihre Lippen und ihre gesamte Mimik, damit mir nur nichts entgehen würde von ihrer wahren Meinung; noch angespannter lauschte ich.


    Ihre Antwort bestätigte in meinen Augen meine Annahme, dass ihr das Nachdenken über meine Frage einiges abverlangte. Traurige, ja furchtbare Erinnerungen mussten in ihr hochsteigen an jenen schrecklichen Tag, von denen ihre Worte bruchstückhaft erzählten. Und auch mich ließ diese Schilderung nicht kalt. Denn die unangenehme Frage stieg in mir hoch, ob auch mein Interesse am Militärischen etwas mit der Mordlust und der Blutgier zu tun hatte, von der Cadhla gerade gesprochen hatte. Außerdem fragte ich mich, ob es richtig gewesen war, das Mädchen, nachdem es erst so kurz hier in einer völlig fremden Welt war, mit dieser Frage zu konfrontieren. Ich war so, versuchte immer, solche traurigen Dinge sofort anzugehen; mit Sisenna hatte ich es auch so gemacht, aber mittlerweile hatte ich meine Zweifel, ob dies richtig gewesen war, das würde die Zeit zeigen. Im Falle Cadhlas kam natürlich hinzu, dass ich ja um Sisennas Sicherheit besorgt sein musste, das war schließlich meine Pflicht, also hatte ich mit der Frage nach dem Hass nicht warten können. Aber war diese Pflicht wirklich die Antwort darauf, dass ich Cadhla jetzt schon danach gefragt hatte? Ich wusste es nicht.


    Ich wusste auch nicht, was ich inhaltlich von ihrer Antwort halten sollte. Sicher machten es ihr ihre sprachlichen Schwierigkeiten nicht eben leichter, sich adäquat auszudrücken. Doch kam mir ihre Entgegnung trotzdem reichlich diplomatisch vor. Und ich konnte es mir ja irgendwie auch denken: So eine Art keltische Amazone wie sie konnte die Sklaverei nur als eine Schmach empfinden. Das Dumme dabei war: Je besser ich sie verstehen zu können glaubte, desto ratloser war ich, was ich nun tun sollte. Ich brachte nur ein Gestammel zustande:


    "Es tut mir Leid, was mit deiner Familie geschehen ist. Ich kann es leider nicht ändern, es ist Vergangenheit. Jetzt bist du hier, und ich hoffe, du wirst sehen, dass nicht alle Römer so sind. Dein dominus Aurelius Corvinus, mein Vetter, ist ein sehr guter Mensch."


    Jedenfalls schien mir von Cadhla keine unmittelbare Gefahr auszugehen, im Gegenteil, ich war schon drauf und dran, ihr quasi väterlich eine Hand auf ihre Schulter zu legen, obwohl ich wohl kaum älter war als sie. In diesem Moment erinnerte mich die Sklavin jedoch daran, dass ich bald zum Stein zu erstarren drohte, wenn ich mich nicht endlich waschen würde. Ihre messerscharfen Kommentare zur gorgo und zum Stein machten mich lachen - wobei das Messerscharfe mich auch schon wieder nachdenklich stimmte. Ich kam aber gar nicht mehr dazu, darüber erneut ins Grübeln zu verfallen, weil gorgo - äh, Cadhla - mich jetzt mit einem bestechenden Gedanken verblüffte. Wieder musste ich lachen:


    "Ja, putzen, das ist gut. Wir sind so schmutzig, wir müssen uns unbedingt putzen!"


    Ihr Einfall war einleuchtend, passend, frappierend gut. Daran gab es nichts auszusetzen. Allerdings fühlte ich mich doch noch ein wenig anders als ein Marmorfußboden, auch wenn ich jetzt nach den Worten Cadhlas vielleicht gleich zu Stein erstarren würde:


    "Danach muss ich aber noch ins balneum. Und du auch."


    Schließlich war sie auch kein Marmorfußboden, nicht einmal eine richtige gorgo.

  • Anscheinend gefiel ihm ihre Antwort nicht, denn er schwieg nicht minder lange als sie zuvor geschwiegen hatte, um die richtige Antwort auf seine Frage zu finden. Gab es denn überhaupt eine Antwort? Sie hätte so vieles sagen wollen, so vieles sagen können, aber ein kleiner Teil ihres Inneren hielt die Keltin davor zurück, nicht zuletzt, weil es hier ohnehin niemanden gab, der einen Wortschwall ihrerseits hätte verstehen können. Ohne Waffe war sie nackt, geschändet, denn in die Hand einer Kriegerin gehörte eine Waffe, nichts sonst, auch kein Eimer zum Wassertragen, kein Schwamm zum säubern eines anderen Menschen, die wenigsten Kriegerinnen banden sich an andere, weil es nur wenige Männer gab, die auf Dauer damit zurecht kamen, eine ebenso kampfesmutige Frau zu haben, wie sie sich selbst rühmten.


    Seine wohl tröstend und freundlich gemeinten Worte hinterließen, soweit sie glaubte, den Sinn verstanden zu haben, dennoch einen schalen Nachgeschmack. Es war Vergangenheit, ja, und doch würde sie nicht vergessen. Der Brauch der Rache war ein sehr alter Brauch, und sie hatte sich die Gesichter derer gemerkt, die ihrer Familie das Schlimmste angetan hatten, das man sich denken mochte. Sie würde nicht vergessen, niemals.


    So nickte die Keltin indes nur, und versuchte zu lächeln. Er schien wirklich kein schlechter Mensch zu sein, und seine Worte klangen trotz aller Ironie des Schicksals ehrlich. Ihre Haltung blieb denn auch so entspannt, wie man sein konnte, wenn einem am ganzen Körper der Schlamm festklebte - und dass er über ihre Worte lachte, erleichterte sie, fürchtete sie doch immernoch, sie könnte etwas falsch gemacht haben und neuerlich falsch machen. Ein einziges Mal war sie von ihrem Sklavenfänger bestraft worden, und diese Strafe hatte sie sich sehr gut gemerkt.


    "Du kommen mit zu Wasserloch?" fragte sie schlicht und drehte sich einfach in die Richtung, um ihm den Weg zu zeigen - die Hausherren mochten die Orte, an denen die Sklaven arbeiteten, nicht unbedingt kennen, und sicher war sicher. So schritten sie voran, während sie noch immer den Eimer gut umfasst hielt, damit er nicht verloren ging, und die Keltin führte Aurelius Cotta zu jenem Ort, an dem das Regenwasser gesammelt wurde - zwar besaß die Villa Aurelia auch eine Zisterne, in dem das saubere Wasser vom aquaeduct zwischengelagert wurde, bis man es brauchte, aber für die Putztarbeiten musste das Regenwasser, das man an den wenigen Schlechtwettertagen sammeln konnte, ausreichen.


    Es war einer der weniger prunkvollen Orte der Villa, und wer bisher die verzierten und schönen Räumlichkeiten genossen hatte, mochte durch die kühle Nüchternheit einer zweckmäßigen Einrichtung, weitab von den Blicken der patrizischen Bewohner, überrascht sein. Hier wurde gearbeitet, nicht bewundert, und genau so sah es aus. Cadhla tauchte ihre Hände und den Eimer in das kleine Nebenbecken, in dem das Wasser ein bisschen schmutzig schien, um dann mit schlammfreien Händen den Eimer erneut zu füllen und abwartend zu Cotta zu blicken - die Dusche war bereit, jetzt fehlte nur noch das willige Opfer, welches sie mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen erwartete.

  • Zwischen der keltischen Sklavin und mir trat ein langes Schweigen ein, das ich als drangvoll und beengend empfand. Irgendeine Scheu hielt mich davor zurück, sie die ganze Zeit unentwegt anzusehen; sie mochte vielleicht an ihre Familie denken und an ihre Heimat, und dabei sollte sie mein fragender Blick nicht stören. Als ich doch wieder zu ihr hinsah, während sie noch immer schwieg, wurde ich gewahr, dass sie keine Miene verzogen hatte; nichts, gar nichts verriet das Gesicht dieser Kriegerin über das, was sie in diesem Moment dachte.


    Ich senkte meinen Blick wieder, beobachtete Cadhla aber weiterhin aus den Augenwinkeln und stellte mir dabei vor, wie es wohl wäre, wenn ich ihr in ebensolcher Dämmerung, wie sie jetzt hier herrschte, in einem der dichten Wälder Britanniens begegnen würde, ganz allein an einem Platz verschattet von Dickicht und Gehölz, ich dabei vielleicht als centurio, sie als keltische Amazone. Sie würde ebenso schauen wie jetzt, ohne Hass, ganz konzentriert auf ihr Kriegshandwerk, und ich fühlte, bei mir würde es ebenso sein. Dann würden wir uns ansehen, wohl wissend, dass nur einer von uns das Unterholz aufrecht wieder verlassen würde, würden den Kampf annehmen, voller Respekt voreinander, und wüssten noch nicht, wer ihn gewinnt.


    Mit Gewalt gegen mich selbst machte ich mich los von diesen Gedanken. Mochte so etwas Wirklichkeit gewesen sein für sie, für mich war es leider Traum, und wir standen hier nicht im britannischen Unterholz, sondern immer noch im hortus der villa Aurelia in Roma, und wir waren einander nicht gleichberechtigt, sondern ich war Aurelius Cotta und sie eine Sklavin. Seltsam jedoch, dass nur ein Tag, vielleicht nur wenige Stunden im Leben der Cadhla darüber entschieden hatten, dass es so gekommen war. Nein, nein, die Keltin würde das niemals vergessen, und ich hoffte, die Götter hatten sich bei dieser Entscheidung etwas gedacht.


    Cadhla führte mich jetzt zu dem Wasserloch, wo sie mich abzuspritzen gedachte. Ich nestelte an meinen Sandalen, die von der Nässe schon erste Zersetzungszeichen aufwiesen; da ich ungeübt darin war, dauerte es einen Moment, bis ich sie inklusive Halbmond endlich von meinen Füßen gestreift hatte; sie waren wohl nicht mehr zu retten. Barfuß stapfend folgte ich Cadhla an den mir unbekannten Ort und kam mir dabei ganz wie ein kleiner Junge in Begleitung einer Erzieherin vor.


    "Ich bin froh, dass du so gut mit domina Sisenna auskommst; du kannst gut mit Kindern umgehen!"


    Warum genau ich das nun sagte, wusste ich selbst nicht, es hatte sich einfach so auf meine Lippen gedrängt. Währenddessen beobachtete ich, wie Cadhla alle Vorbereitungen dafür traf, mich vom gröbsten Dreck zu reinigen. An ihrem Leib war der Schlamm schon getrocknet und dabei ganz hell geworden, und bei mir sah es wohl ähnlich aus. Während sie meinen Schlamm von Neuem wässern würde, würde ich selber ordentlich schrubben müssen. Seufzend trat ich an sie heran, nicht ohne ihr Schmunzeln zu erwidern.

  • Es war seltsam, einem anderen Menschen dabei zuzusehen, wie er über einen selbst nachdachte - zumindest glaubte Cadhla, dass sich die Gedanken Cedrics im Augenblick mit ihr beschäftigen mochten, so intensiv hatte sein Blick teilweise gewirkt. Dennoch, die Tiefen seiner Gedanken blieben ihr verborgen, auch wenn sie gerne gewusst hätte, was er dachte - das Fehlen einer guten sprachlichen Möglichkeit, sich auszudrücken, hatte sie neugierig auf jedes Fetzchen Eindruck und Wissen gemacht, das sie erhaschen konnte. Dass er ihr so bereitwillig zum Wasserloch folgte, war fast amüsant, denn sie kannte sich selbst noch nicht so gut aus - wenigstens hatte sie diesen Weg richtig im Gedächtnis behalten, wie sie an Ort und Stelle bei sich bemerkte. Aber manchmal gab es auch das Glück in Form der Götter - letztendlich war es vielleicht das Beste so - und eine ihrer inzwischen ausgesprochen schlammigen Haarsträhnen begann wieder, in ihr Gesicht zu rutschen - und schon waren alle Gedanken verflogen. Sobald er bereit stand und seine ziemlich schmutzigen Sandalen ausgezogen hatte, kippte sie ihm langsam, nach und nach, das kühle Wasser über den Kopf, das begann, den Schlamm von seiner Gestalt abzulösen und in dickflüssigen, kleinen Bächen auf dem gestampften Boden hin zur Abflussrinne zu fließen. Man hätte meinen können, sie täten dies jeden Tag aufs Neue, ohne sich der Besonderheit dieses Tuns bewusst zu sein, und so schmunzelte sie leicht vor sich hin, als er sie wieder ansprach.


    "Sisenna freundliches Mädchen, ich gern mit ihr zusammen sein," erklärte sie lächelnd und dachte mit Wehmut an die, die sie zurücklassen hatte müssen, wohl für immer, ohne zu wissen, wie es ihrer Familie ergehen würde, wenn sie denn noch lebten. "Sie mich erinnern an Schwester." Vielleicht war es der Grund, wieso ihr diese Aufgabe unter den vielen anderen besondere Freude bereitete. Ein klein wenig das Gefühl zurück zu erhalten, etwas Vertrautes gefunden zu haben, tat ihr gut, ein Moment unter vielen fremdartigen am Tag, an dem sie sich festhalten konnte, an dem die Gefahr nicht so groß war, etwas falsch zu machen und dafür bestraft zu werden. Sie hatte eine Bürste ergriffen und begann, seine Kleidung vorsichtig abzuschrubben, die letzten groben Klumpen des Schlamms lösten sich unter dieser Behandlung ab und klatschten halb nass zu Boden, bis Aurelius Cotta wieder mehr wie ein Patrizier aussah und deutlich weniger wie ein Schlamm-Monster aus dem Teich. Zufrieden nickte Cadhla, die sich Mühe gegeben hatte, ihn so wenig wie möglich direkt zu berühren, da sie nicht wusste, ob es ihm nicht unangenehm sein würde - bei ihrem Volk hatte es solche Vorbehalte zwischen Männern und Frauen durchaus gegeben, wenn man nicht verheiratet war, überhaupt war er der erste Mann seit langem, den sie selbst von sich aus berührt hatte, ohne mit ihm zu kämpfen oder zu trainieren.


    "Du nun sauber genug sein für großes Bad," erklärte sie und schöpfte sich nun auch einen Eimer Wasser, um ihn sich diesen kurzerhand über den Kopf zu kippen und sich selbst abzuschrubben, deutlich schneller und deutlich weniger vorsichtig, als sie bei Cotta zugange gewesen war. Als sie langsam auch wieder das Aussehen eines normalen Menschen anzunehmen begann, wenngleich die blasse Haut nun vom eifrigen Scheuern einen interessanten Rot-Ton angenommen hatte, nicht von der Sonne, blickte sie zu Cotta zurück und wurde sich erst in diesem Augenblick bewusst, dass ohne den schützenden Schlamm sehr wohl zu sehen war, welche Gestalt sich unter ihrer nassen Tunika befand - genauso unter der seinen. Schnell blickte sie zu Boden und hoffte einfach, er habe es nicht gemerkt, wie eilig sie den Eimer zu Boden gestellt hatte und nun zum Aufbruch drängte.

  • Ganz, ganz feste kniff ich meine Augen zusammen, und PLATSCH! ging der erste Wasserfall über mich hernieder. Zwar war es ja wirklich noch nicht so lange her gewesen, dass Cadhla mich mit ihrer Landung im Teich nass gemacht hatte, doch musste ich mich an diese neuerliche Begegnung mit dem feuchten Element erst einmal wieder gewöhnen, und so stand ich zunächst einfach regungslos da. Aber schon beim zweiten Eimer Wasser legte ich selbst mit Hand an und zerstrubbelte so richtig meine Haare, um den Schlamm aus ihnen größtenteils loszuwerden. Dabei bemerkte ich, wie sich der glitschige und nun auf einmal unheimlich kalt wirkende Schlamm durch das Wasser wie Schleim unter meiner Tunika meinen Rücken entlangzog und meine Brust und meinen Bauch hinunterfloss, so dass ich eine Gänsehaut bekam und die Härchen an meinem Leib zu Berge standen.


    Mich fröstelte, und so war ich froh, als Cadhla mir nun mit einer Bürste zu Hilfe kam, weiteren Schlamm von meiner Tunika und meinem Leib abschrubbte und mich dabei im Nebeneffekt angenehm erwärmte. Da die kampferprobte Keltin dabei allerdings fast ein wenig zu sachte vorging, begann auch ich, nach besten Kräften mit zu rubbeln, so dass sich nun auf einmal vier Hände an meinem Leib zu schaffen machten. Diese ganze Behandlung ging derartig schnell vonstatten, dass mir gar nicht die Gelegenheit gegeben wurde, daran zu denken, dass zwei dieser Hände nicht wie sonst von Maron, sondern von einer Frau stammten. Nur das Ergebnis, als diese Hände sich von mir lösten und ich an mir herabsah, stand mir trotz der immer stärker hereinbrechenden Dunkelheit deutlich vor Augen: ein nasser Patrizier, der aussah, als habe er sich statt in eine tunika in ein Betttuch gewandet.


    Ich lachte Cadhla an, und meine Freude vergrößerte sich noch, als sie nun meine Vermutung bestätigte, dass sie gerne bei Sisenna war. Dies beruhigte mich auch noch weiter, was die Sicherheit meiner jungen Verwandten anging. Dass Sisenna die keltische Sklavin dabei an eine eigene Schwester erinnerte, fügte dem Wein der Erleichterung allerdings sogleich wieder einen kleinen Tropfen Essig bei. Cadhla hatte sich unterdessen ein wenig von mir entfernt, um sich nun selbst mit Wasser zu übergießen und rubbelnd zu reinigen, womit sie nun fertig zu werden schien, denn nach dem erneuten Platschen von Wasser und Scheuer-Geräuschen hörte ich nun einen Augenblick lang nichts mehr; zu sehen war ohnehin nicht mehr viel, und dem, was sich da in Cadhlas Richtung als Kontur abzeichnete, wollte ich lieber nicht zuviel Aufmerksamkeit schenken. Dennoch gelang es mir nicht ganz, den Blick von ihr zu wenden; ich machte einen Schritt auf sie zu, um sie behutsam noch etwas über ihre Schwester zu fragen - als ich plötzlich mit meinem nackten rechten Fuß in etwas sehr Spitzes trat. Weniger vor Schmerz als vor Schreck wollte ich aufstöhnen, doch selbst dies war mir nicht mehr vergönnt, denn schon im nächsten Augenblick erwischte mich irgendetwas unglücklich genau an der Schläfe. Mir blieb nur noch, einen dumpfen Laut aus dem Mund entweichen zu lassen; dann sank der Patrizier im nassen Betttuch bewusstlos zusammen.


    Recherchen der Sklaven noch in der Nacht im Fackelschein ergaben später, dass ich in einen Rechen getreten war, den ein servus nicht ordnungsgemäß abgestellt hatte. Dieser Rechen nun musste irgendwann unbemerkt umgekippt sein; mit voller Wucht war ich in seine Zacken getreten, dabei war sein Stiel dann hochgeschnellt und hatte mich zielsicher getroffen.

  • Ahhh! War das ein Abend gewesen! Zufrieden strich ich mir über die inzwischen natürlich wieder bekleidete Brust und noch tiefer. Ich atmete die nun kühlere Abendluft ein, und eine Abkühlung konnte ich jetzt auch so richtig brauchen, da noch mein Kopf glühte vom Wein und mein Leib von den - Sehenswürdigkeiten, die diese herrrrliche Stadt zu bieten hatte!


    Roar! Ich war ganz eins mit mir selbst, den bestirnten Himmel über mir, viel geistvolles Gesöff in mir, als ich nun auf dem Weg in mein neues Heim, die villa Aurelia in Roma, war. Na gut, vielleicht war mancher meiner Schritte ein wenig tapsig, aber ich lief doch eigentlich ganz schnurgerade, und nach noch mehr schnurgerade und etlichen Biegungen kam ich dem Häuschen der Patrizier-Sippe doch unaufhaltsam näher. Bevor sich der thrakische Stier aber so endgültig wieder den Nasenring würde anlegen lassen und das traute Heim betrat, richtete ich noch einmal meine Kleidung. Aber ... leider konnte ich irgendwie gar nicht mehr so gut aus den Augen sehen, ich war mir nicht sicher, ob ich die tunika nicht falsch rum anhatte. Mich aber hier auf der Straße auszuziehen, kam natürlich nicht in Frage. Wobei, obwohl ich mich durchaus sehen lassen konnte, wie mir heute Abend wiederholt bestätigt worden war - na gut, gewisse Summen waren geflossen ...


    Ich war jetzt ganz nah an der villa Aurelia. Im hortus, im hortus würde ich meine tunika wechseln, also umdrehen, ich meinte, andersherum - und dabei war ich mir noch gar nicht so sicher, dass ich sie überhaupt falsch herum angezogen hatte. Jedenfalls schlich ich mich vom Eingangsbereich der villa her um das Gebäude herum in Richtung hortus. Ich war auch schon fast da, als ich glaubte, etwas zu hören. Wie angewurzelt blieb ich stehen und lauschte. Natürlich war mir als erfahrenem Thraker klar, dass vinum bonum - deorum donum die Sinne öffnet für alles Mögliche, was Nüchterne nicht so wahrnehmen können; also, vielleicht bildete ich mir das alles auch ein bisschen ein. Doch nein! Da! Klatsch machte es, und wieder Klatsch, und nun: sank irgendetwas oder gar irgendjemand zu Boden. Für mich war klar: Die villa Aurelia in Roma war Opfer eines Einbruchsversuchs geworden!


    Die Götter selbst mussten es so eingerichtet haben - wenn es sie denn gab -, dass sie mich gerade in dieser brenzligen Situation die villa der Aurelier wieder hatten erreichen lassen. Nun, da ich hier war, drohte dieser villa so gut wie keine Gefahr mehr. Außerdem war ich selbstverständlich wieder nüchtern mit einem Schlag und würde selbst nun gezielte Schläge austeilen. Voller Ingrimm ergriff ich die mir am nächsten gelegene Waffe - ein starkes Tau-Ende - und schnellte um die Hausecke, die mich noch von dem Geschehen trennte. Vor mir sah ich nun eine seltsame Gestalt in der schon starken Dunkelheit, was mich einen kleinen Moment zögern ließ: Das war doch keine Frau? Gleich aber würde ich zum Schlag ausholen!

  • Gerade noch war sie in die Reinigung ihres Körpers vertieft gewesen, dann in die schamhaften Gedanken, dass ihr Körper unfreiwillig deutlich mehr enthüllt sein musste als gewollt, und dann ertönte dieses eigenartige Geräusch - wupp! (das Emporschweifen des Rechens), - klonk! (Die Berührung des Rechens mit einer patrizischen Stirn) und WAMM! (Ein nicht so ganz elegantes patrizisches Zu-Boden-Sinken) - bevor Cadhla noch reagieren hätte können, war Cotta schon zu Boden geknallt und der bösartige, hinterlistige Rechen ebenso, über den die Keltin fast gestolpert wäre, als sie eilig zu ihm springen wollte, um ihm beizustehen.


    Wo war der Rechen hergekommen? Irgendjemand musste vergessen haben, ihn aufzuräumen, das würde wirklich Ärger geben, denn ganz sicher würde sie die Schuld dafür zugeschoben bekommen, auch wenn sie den ganzen Tag den Rechen nicht einmal angefasst hatte. Hoffentlich hatte er sich nicht ernstlich verletzt! chnell schob sie das gefährliche Gartengerät beiseite, damit nicht noch jemand darüber stürzen würde, um sich dann neben den Aurelier zu hocken, eine Hand an seinem Hals, um den Puls zu fühlen, mit der anderen tätschelte sie etwas hilflos seine Wange - sollte sie ihn nun wachmachen oder nicht?


    Für den um die Ecke streifenden Maron musste es wirken, als wollte sie den am Boden liegenden Körper ausrauben - aber das konnte Cadhla nicht ahnen, die mit einem Mal aufmerksam wurde: Was war das für ein Geräusch gewesen? Ein anderer Sklave, der den Lärm gehört hatte? Oder gar ein Einbrecher, der des nachts versuchte, das Haus der reichen Aurelier auszuräumen? Fast schon automatisch erhob sie sich, den Oberkörper von den beiden abgewinkelten Armen geschützt, bereit, sich und ihr Leben (und den auf dem Boden liegenden Cotta) zu verteidigen - in der Dunkelheit wirkte Maron wie ein Riese, und in den Händen trug er etwas, das für Cadhla im Zwielicht des Wasserlochs nur wie eine gefährliche Waffe wirken konnte - ganz gleich, was es war, der Mann (respektive der große Schatten) sah aus, als wollte er sie angreifen, und das würde sie nicht zulassen.


    Als kleinere Frau hatte sie nur einen einzigen Vorteil - Überraschung! Mit einem wilden Kriegsschrei ihres Stammes stürzte sie sich auf den Gegner, zielte mit einem Bein auf eins der seinen, um ihm einen kräftigen Tritt zu verpassen - wer nicht sicher stand, war ein weitaus schlechterer Gegner! So blieb es dem ungefähren Zielgefühl überlassen, ob sie ihn denn wirklich traf, die Dunkelheit tat ihr übriges, um einen wirklich präzisen Kampf unmöglich zu machen.

  • Das Tau oder starke Seil oder was immer es war - denn wer interessierte sich schließlich schon für Gartenarbeit - wurde wohl dazu verwendet, junge Bäumchen an Holzgestellen zu befestigen, um sie gerade wachsen zu lassen. Oder vielleicht auch noch für anderes. Jetzt, gerade jetzt in dieser Minute wurde es von mir dazu benutzt, in der villa Aurelia für Ordnung zu sorgen. Und was immer da jetzt vor mir stand, sollte sich mal warm anziehen ...


    Ich holte aus, blieb aber gleich mal mit dem viel zu langen Tau irgendwo hängen. Energisch und wütend und ungeduldig zerrte ich mein Seilchen wieder zu mir und fasste es jetzt doppelt. So, das fühlte sich doch gleich ganz anders an, viel fester, härter, durchschlagender würde ich schlagen, hah!, und holte also final aus!


    Final allerdings auch insofern, als mich in diesem Moment ein Tritt meines Gegners an meinem linken Bein traf, direkt unterhalb der Kniescheibe. Es konnte zwar nicht mehr als ein nacktes Füsschen gewesen sein, das mich da erwischt hatte, das Füsschen aber hatte getroffen und ein stechender Schmerz brachte mich dazu zusammenzuzucken. Mein rechter Arm mit dem doppelten Tau-Ende war längst wieder gesunken, und wie gebannt lauschte ich einem fürchterlichen Geschrei, das von meinem Gegner auszugehen schien, in meinem Kopf aber widerhallte wie eine Kakophonie von Tausend. Aber, aber, Moment: War das etwa eine Frauenstimme gewesen? O, ich war nicht sicher. Nicht sehen konnte ich hier, meine Ohren gellten, und mein Knie schmerzte schrecklich und war bestimmt schon dick ...


    Da fiel mir mein Arm ein, in dem ich immer noch dieses Seilchen hielt. Mut kehrte zurück, denn Hoffnung stirbt zuletzt, der Arm hob sich ein zweites Mal, ich holte aus und schnellte mit dem Arm auch schon wieder nach vorne. Natürlich brauchte ich hierbei einen guten Stand, um schmerzhaft treffen zu können, und wer nicht sicher stand, war ein viel schlechterer Gegner. Da ich nun aber unglückseligerweise Rechtshänder war, musste ich jetzt mein Gewicht automatisch auf mein linkes Bein verlegen - und da war er wieder, dieser furchtbare Schmerz. Mein rechter Arm surrte zwar nieder, doch längst nicht mehr mit der erforderlichen Kraft. Verdammt! Eigentlich könnte mein Gegner das Seil jetzt ganz leicht packen ....

  • Es war zweifellos nicht Marons bester Abend. Er hatte eigentlich an diesem Abend nicht nur einmal Pech, nein, er stand innerhalb einer sich vage entwickelnden und dann Fahrt aufnehmenden Pechsträhne, die vor allem von den Handlungen einer jungen Frau beeinflusst war - einer rothaarigen Keltin, deren Instinkte und Reaktionen nach wie vor nicht die einer zarten, dienenden und gehorsamen Sklavin waren, sondern die einer Frau, die daran gewöhnt war, ihr Leben im Kampf teuer zu verkaufen, bestmöglich jeden weiteren Atemzug mit dem Blut des Gegners zu bezahlen, nicht mit dem eigenen.


    Bisher war sie darin nicht schlecht gewesen - in einem Land, das die Römer als das ihre betrachteten, hatte sie immerhin doch eine gewisse Zeitlang überlebt - und sie dachte auch nicht daran, diesen Zustand in irgendeiner Form zu ändern. Beziehungsweise, hätte sie in diesem Augenblick irgend etwas gedacht, dann wären das vielleicht ihre Überlegungen gewesen, aber wie alle trainierten Krieger verfügte Cadhla über die Fähigkeit, den Kopf auszuschalten, wenn es ernst wurde, und einfach nur zu agieren und zu reagieren. Ein Krieger, der zuviel dachte, war zu schnell ein sehr toter Krieger.


    Sein Atem verriet, dass sie ihn getroffen hatte - das war schonmal sehr gut! - und sein kurzes aus-dem-Tritt-geraten, soweit sie das im Halbdunkel sehen konnte, gab Cadhla innerlich ein gewisses Gefühl des Triumphs. Wenn es einmal gelang, würde es wieder gelingen - doch mit dem dicken Seil hatte sie nicht gerechnet. Mit einem harten Ruck knallte das Seil gegen ihren rechten Oberarm, und hätte sie eine Waffe gehabt, hätte sie diese sicherlich fast fallen lassen, einen dicken blauen Fleck würde das in jedem Fall geben, so schmerzte es! Trotz der Dunkelheit schien ihr Gegner über einen guten Orientierungssinn zu verfügen, und das schmerzhafte, dumpfe Pochen im Arm erinnerte sie einmal mehr daran, einen Gegner nicht zu unterschätzen.


    Die Lippen aufeinander pressend, glitt sie außer geglaubter Reichweite des Seils, soweit es der Körper Cottas auf dem Boden zuließ, den sie zu verteidigen versuchte, versuchte den Schmerz zu ignorieren, um dann, als er ein zweites Mal vorstieß, seiner Bewegung zu folgen. Sie musste das verdammte Ding bekommen, das ihr so weh getan hatte, und diesmal traf er sie nicht, sie war vorsichtiger!
    Statt sich jedoch das Seil zu schnappen, trat sie nochmals zu, so fest sie konnte, um ihn zu Fall zu bringen, innerlich hoffend, es wäre hart genug gewesen, um das angeschlagene Bein ganz zum einknicken zu bringen. Am Boden wäre alles ene ganz andere Sache, soviel war sicher!

  • Hah! Er hat das Seil nicht, er hat's nicht gekriegt!! - dachte ich und freute mich schon wie ein kleiner Junge. Mein Schlag war also doch noch nach alter Maron-Art gewesen; selbst mit halber Kraft war jemand wie ich eben seinem Gegner haushoch überlegen. Denn offenbar hatte ich meinem Gegner all meiner Skepsis zum Trotz einen Wirkungstreffer zugefügt; dass er das Seil nicht ergriffen hatte, dass er jetzt zögerte und offenbar schon daran dachte, sich zu verdrücken, verriet mir, dass ich hier Oberwasser behalten würde. Und überhaupt, die dumme Skepsis: Ein Kämpfer, der zuviel dachte, war schon bald ein Kämpfer, der auf dem Boden saß.


    Trotzdem würde ich natürlich meinem Gegner jetzt keinen Gefallen tun und ihm hektisch die paar Schritte hinterher stürzen, die er schon zurückgewichen war. Ich wartete ab. Die Zeit spielte für mich. Einen Schritt ging ich vor, jetzt aber vorsichtig auf mein linkes Bein achtend. Tat noch weh, gut, aber jetzt war ich schon daran gewöhnt. Die kleine Schramme würde mir rein gar nichts anhaben können. Ich ging also diesen einen Schritt vor und starrte in die Dunkelheit: Da! Da musste er stehen, nicht weit vor mir. Ich holte wieder mit dem Seil aus, doch - häh? - verfehlte ihn. War er wieder zurückgewichen? Also, so schnell und flink konnte man doch gar nicht sein. Ah, das war's: Er stand offenbar doch weiter von mir weg, als ich vermutet hatte. Na, jetzt war ich aber gewarnt. Ich starrte wieder aufmerksam in die Dunkelheit - fiel mir schwer irgendwie, mein Kopf begann jetzt auch so weh zu tun, und ich hatte jetzt auch schon die ganze Zeit so einen Durst ... Was war denn das? Auf dem Boden, ungefähr dort, wo ich jetzt meinen Gegner vermutete, nämlich doch ein Stück weiter weg als vorhin, dort lag etwas Helles, Langgestrecktes auf dem Boden. Ich grübelte. Ach, ja klar, ein Wäschesack natürlich, mit dem die schmutzige Wäsche zum Wasch-Becken gebracht wurde. Also, dass man den einfach so liegen gelassen hatte - schon komisch sowas. Aber gut für mich, denn es schien mir ganz so, als würde mein Gegner auf dem alten Sack stehen. Und der eine Zipfel lag in meiner Nähe, genauer gesagt: zum Greifen nahe. Ich grinste, denn mein Plan stand fest: Ich würde meinem Gegner den Sack, auf dem er stand, unter den Füßen wegziehen und ihn so ganz elegant zu Fall bringen.


    Blitzschnell, so kam es mir jedenfalls vor, bückte ich mich, um den Zipfel in meiner Nähe zu fassen zu kriegen. Ein Ruck, und ich hörte, dass ein Stück Stoff zerriss. Ich war so irritiert, dass ich vergaß, mich wieder aufzurichten: War denn der Stoff so brüchig? Und stand mein Gegner noch auf seinen Beinen? - Im nächsten Moment traf mich ein heftiger Tritt direkt über meinem linken Auge.


    Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet, und mein Kopf wurde auf meinem Hals in Richtung des Trittes nach hinten geschleudert. Ich stöhnte auf, verlor mein Gleichgewicht, kippte selbst nach hinten und stützte mich mit meinen Armen ab - wo das Seil war, keine Ahnung -, bis ich auf meinem Hintern saß. Ich war ganz schön benommen, und sehen konnte ich jetzt fast gar nichts mehr. Was war bloß passiert? Warum ging hier alles so unfair schnell? Und - o weh! - was würde noch folgen??

  • Sie hörte den Stoff reißen - einen irrigen Moment lang war Cadhla höchst erschrocken, denn der einzige Stoff, an den sie dabei dachte, war die eigene tunica - aber als die sich nicht anders anfühlte als zuvor schon, dämmerte ihr langsam, wessen Kleidung hier einen empfindlichen Qualitätsverlust hatte eingehen müssen. Er würde so sauer sein, der dominus, soviel war sicher, zuerst machte sie ihn nass, und dann wurde er noch von dem Rechen zu Boden geschickt, und wenn er aufwachte, würde er mit einigem an Pech wohl zusätzlich noch nackt dastehen, ouh, das würde Ärger geben, ganz bestimmt. Und dieser dumme Einbrecher hatte sie auch noch wirklich tief in den Kuhdreck geritten mit seinem Herumschleichen und Seilwirbeln. Es passierte nicht allzu oft, dass sich die Keltin wirklich in den Kampfrausch steigerte, aber jetzt war sie wirklich wütend geworden, dass ihr Gegner unelegant auf den rückwärtigen Teil seines Körpers ging, war ihr gerade recht - soweit sie ihn überhaupt sehen konnte, stürzte sie auf ihn zu, nun vollends gewillt, diesen Kerl zur Strecke zu bringen.


    Mit dem Knie voraus versuchte sie, seine Brust zu treffen und ihn zu Boden zu werfen, doch offensichtlich hatte sie sich in der Weite verschätzt - garstige Dunkelheit! - nur um selbst zu stolpern, das Knie donnerte gegen sein Bein, und sie selbst gegen seinen Oberkörper, den Kopf voraus. Ein glücklicher Zufall verhinderte ein lautes Zusammenknallen der Köpfe, und sie lag vielmehr nun auf Maron, einen derben Fluch in ihrer Heimatsprache auf den Lippen. "Du hier falsch bist zum einbrechen!" presste sie zwischen den Zähnen hervor, sich aufzurichten versuchend, um dann seinen Hals mit beiden Händen zu packen, während sie mit den Beinen nach einem festen Widerstand strampelte. Ihre Zähne blitzten in der Dunkelheit hell auf, als der Mond hinter einer Wolke hervorkam und auch ihr Gesicht beleuchtete - und diesmal lag der Vorteil ihrer beider, ausgesprochen unorthodoxer Begegnung bei Maron, denn sein Gesicht lag, da er mit dem Rücken zum Mond saß, noch im Dunklen, während Cadhla ausgesprochen gut zu erkennen war - ebenso der weiter hinten liegende Cotta, dessen tunica eindeutig einer Ersetzung harren musste.

  • Und es folgte noch was, und wie - ein Abend das Ganze, den ich nicht vergessen werde. Denn kaum hatte ich mich einigermaßen in meiner neuen sitzenden Situation eingefunden, als schon der nächste Schlag mich traf - und schon wieder gegen mein linkes Knie! Es war einfach nicht zu fassen, warum denn immer gegen dieses Knie! Aber bevor ich noch Luft holen konnte zum Aufheulen, lag plötzlich mein Gegner auf mir und versuchte, mich endgültig nieder zu ringen. Aber was war das? Ich konnte zwar fast nichts mehr sehen, aber meine Gefühle waren selbstverständlich für einen thrakischen Stier - na ja, normalerweise war ich das - noch nicht abgestorben. Und das, was da jetzt so rabiat auf meinem Körper Platz nahm, war eindeutig eine Frau, ganz eindeutig, das konnte ich spüren. Ein weiblicher Einbrecher? Ich schmunzelte, denn das hätte sie doch einfacher haben können.


    Für kurze Zeit fühlte ich mich an das erinnert, was ich einige Stunden zuvor so alles erlebt hatte. Ach, ich mochte diese rabiaten Frauen, die einem alles abverlangten und einfach keine Ruhe gaben! Moment, war mir etwa eine von denen bis hierher gefolgt? Also, dass ich immer noch ziemlich unwiderstehlich war, wusste ich ja, aber binden würde ich mich auf keinen Fall an eine, und außerdem ging das ja gar nicht, ich war ja Sklave. Aber der Gedanke, mir könnte wirklich eine bis hierher gefolgt sein, weil sie nicht genug von mir kriegen konnte, und dann dieser Kampf - das machte mich schon alles mächtig an, und vielleicht konnte sie das schon fühlen, weil sie ja günstig auf mir saß. Und als auf einmal der Mond aufleuchtete und die Frau beschien, die mich da so unterworfen hatte, damit ich sie nochmal unterwerfe - da dachte ich: Stern über Mykonos - und grinste sie an.


    Es war Cadhla. Mein Grinsen - und nicht nur das - brach ohnehin sofort ein, als ich das merkte, aber der Druck, den ihre Hände jetzt um meinen Hals herum ausübten, gab den Rest. Ich keuchte, wollte ihren Namen sagen - warum verstand sie mich denn nicht, das "Chchdhl", das ich hervorkeuchte, klang doch fast so wie ihr komischer Name. Meinen eigenen konnte ich leider nicht mehr aussprechen, und sowieso schien es jetzt auch eher Zeit für ein letztes Gebet - denn hinter Cadhla erschien auf einmal eine große hagere Gestalt, deren fahles Fleisch im Mondschein leuchtete und die ein Gerät in der Hand hielt, um Ernte zu halten. Ich würde also sterben.

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