Schminke für die Sonne

  • Nach einem kurzen Fußmarsch waren sie am Fremdenmarkt angekommen. Aber dieses Mal fühlte sich ragin im Getümmel deutlich wohler. Schließlich war er nicht alleine, sondern mit Axilla hier. Und seine vierpfotige Beschützerin sorgte wie immer dafür, dass sie ungewöhnlich viel Platz im Gedränge hatten. Ab und an mal hörten sie ein abergläubig geflüstertes Anubis oder etwas ähnliches, aber ragin konnte das nicht zuordnen. Vielleicht war das ja ägyptisch für Hund, sagte er sich in Gedanken. Aber sie redeten immernoch über geschminkte Griechen.

    "Ich war da demletzt bei Nikolaos um Schüler am Museion zu werden. Da hat er sich mit dem Finger gekratzt und so eine richtig dicke weiße Schicht ist an ihm hängen geblieben. Es sah aus als würde er schmilzen. Wie kann man sich nur bei so einer Hitze, so dick diese Farbe ins Gesicht schmieren? Zumal er ja aussieht wie ein lebender Toter, mit dieser weißen Haut. Ich meine ich bin ja auch sehr hell, aber eben nicht ganz so weiß."

  • Axilla musste schmunzeln. Sie hatte Nikolaos ja auch schon oft stark geschminkt gesehen und sich dabei so manches Mal gefragt, ob ihm darunter nicht warm wurde. Aber wer schön sein wollte, musste eben leiden.
    “Ja, das ist mit Bleiweiß dann gemacht. Das klebt, finde ich, aber die Griechen finden das ganz toll. Weißt du, helle Haut ist halt einfach schöner. Hier baden deswegen auch viele Leute mit Eselsmilch, um besonders schön zu sein.“
    Im Gegensatz zu späteren Zeiten, wo der Esel vor allem als störrisches und oftmals fälschlicherweise dummes und einfältiges Tier galt, war die allgemeine Ansicht der Ägypter über die grauen Langohren, dass sie der Inbegriff der göttlichen Schönheit waren. In ihrer Milch zu baden hieß also, zu versuchen, etwas von ihrer Mildheit und Schönheit auf sich zu übertragen.
    “Ich selber bin ja viel zu dunkel, aber ich mag das nicht überschminken. Da bräuchte ich wohl ohnehin verdammt viel Bleiweiß, wenn du mal guckst, wie dunkel allein mein Arm ist. Da bin ich dann lieber nicht hübsch für die Leute hier.“
    Axilla sah sich kurz um, um sich in dem Gewirr hier zu orientieren.
    “So, wo ist jetzt…? Ah, da hinten, da müssen wir hin!“
    Axilla deutete auf einen kleinen Stand, wo in verschiedenen kleinen Tontöpfchen und Tiegelchen ihre Kosmetik verkauft wurde. Schon von weitem sah der Händler seine Brötchengeberin und verneigte sich tief. Er war Ägypter, aber Axilla konnte sich seinen Namen nie merken. Sie wusste noch nicht einmal so genau, ob er nun eigentlich ihr Sklave war oder nicht, er war bei dem Laden, als sie ihn gekauft hatte, einfach dabei gewesen. So wichtig war ihr die ganze Sache aber auch nicht.
    “Chaire. Ich brauch ein bisschen was von meiner Kosmetik. Ist doch alles da, oder?“ Axilla plapperte schnell in Koine einfach auf den Ägypter los und dachte sich schon gar nichts mehr dabei. Selbst ihr ionischer Akzent hatte sich in dem Jahr hier stark zurückgebildet und war wohl nur für die herauszuhören, die diese Sprache täglich sprachen.
    “Natürrlich, Herrrrin, alles was die Herrrin wünscht, möge sie sich aussuchen.“
    Wie immer verneigte er sich völlig übertrieben vor Axilla, während die ihre Finger über die einzelnen Tiegel gleiten ließ und suchte. Ganz automatisch wechselte sie wieder auf ihre Muttersprache, als sie sich an Rufus wandte.
    “Also, ich hab hier ein wirklich schönes blau und grün für die Augen. Und ein rot, aber das ist arg kräftig, für die Lippen und die Wangen. Ich weiß nicht, kennt sie sich damit aus? Nicht dass sie nachher aussieht wie einer dieser bunten Vögel.“
    Axilla selber kannte sich damit ja auch eher schlecht als recht aus. Was auch mit ein Grund war, warum sie sich eigentlich nie schminkte. Nicht, dass sie es in ihrem Alter schon nötig gehabt hätte, irgendwas zu überschminken.

  • "Wir verkaufen für so etwas Stutenmilch aus unserem Gestüt. Wir haben ja nur einen Esel. Der heißt Olaf und ist ganz weiß und hat rote Augen. Meine Cousine hat den mitgebracht als sie zu uns kam. Das ist ein ganz komisches Tier. Aber Stutenmilch soll die Haut auch ganz zart machen...das wird zumindest gesagt um es zu verkaufen. Ich hab es bisher eigentlich nur getrunken und nicht darin gebadet. Ich bade ja auch nicht in Wein oder Met."


    Von solchen verschwendungen hielt Ragin ganz und gar nicht. Die reichen Römer bdeten in der Milch und die armen germanischen Kinder starben den Hungertod. Aber waren sie da nicht Teil des Problems? Vielleicht sollte er das mal mit Lando besprechen. Es würde ihnen sicher nicht besonders schaden, wenn sie einige Lebensmittel nach Magna schickten um hungernden zu helfen.

    "Also ich finde deine braune Haut sieht gut aus. Neben dir sehe ich ja auch wie ein alter Käse. Aber gegen einen Nubier wiederum siehst du blass aus. Die dunkle Haut passt aber zu dir und deinen dunklen Haaren. Stell dir mich mal so braun vor, und dazu die blonden Haare. Wir Germanen sind ja alle so hell."


    Er hielt seinen Arm prüfend neben ihren. Aber eigentlich hatte er das schon gesehen, als ihr brauner Arm auf seiner weißen Hünerbrust gelegen hatte. Außerdem hatte er nun das erste Mal vor ihr zugegeben, dass er eigentlich ein Germane war und kein Römer, aber er war froh vor ihr diese maskerade nicht mehr zu benötigen.


    "Also ich weis ja auch nicht. Ich glaube sie kennt sich damit nicht so gut aus. Aber nimm doch einfach mal alles was du denkst. Wenn ich nach Hause komme, und mir dann ein bunter Vogel einen Begrüßungsschmatz auf die Backe drückt, war es wohl zuviel des Guten. Oder wenn mir mein Vetter Phelan in den Hintern tritt, weil Sontje den Männern in Mogontiacum damit den Kopf verdreht hat. Also das sind ihre germanischen Namen. Ihre römischen Namen sind Duccia Vera und Duccius Verus und sie sind Zwillinge. Aber sags bloß keinem weiter. In der Öffentlichkeit haben wir keine germanischen Namen, wir sind ja Römer" fügte er noch verschwörerisch hinzu.

  • “Dann findest du mich hübsch?“ fragte Axilla etwas zögerlich, denn so ganz war sie sich jetzt nicht sicher, was er mit seinem Satz genau hatte sagen wollen. Natürlich hatte sie nichts dagegen, für ihn hübsch zu sein, sie war ja auch nur eine Frau und hörte da auch gerne mal zur Abwechslung ein Kompliment. Aber war schon irgendwie komisch, wenn ein Freund einen hübsch fand. Wobei sie Rufus jetzt ja auch nicht nicht-gutaussehend fand.
    Aber ein anderes Thema war wohl besser. Sie sollte mitnehmen, was sie dachte? Gut, dann nahm sie einfach von den beliebtesten Sachen was, das musste ja schließlich auch einen Grund haben, warum die so beliebt waren. Vielleicht außer die Bleiweißschminke, wenn alle Germanen ohnehin so hell waren, brauchten die die ja nicht. Also packte sie etwas blau, grün, von dem Rot ein wenig und auch etwas goldfarbenes Puder ein (in dem kein Gramm Gold drin war, aber es ließ die Haut einfach goldener Aussehen. Manche fanden das an den Augen auch sehr schön). Und natürlich den versprochenen Kohlestift. Als sie mit aussuchen fertig war, ließ sie es von dem Ägypter einpacken und reichte Rufus das Päckchen.
    Aber die Erklärung mit den Namen war schon ein wenig verwirrend, und sie flüsterte ihre frage eher verschwörerisch. Zum einen, weil sie nicht dumm klingen wollte und nicht wusste, wer sie hier alles verstehen würde, und zum anderen, weil Rufus da bislang so ein Geheimnis drum gemacht hatte und ja auch deshalb mit ihr überhaupt gestritten hatte.
    “Dann habt ihr alle mehrere Namen? Ich dachte, ihr seid römische Bürger? Oder behält man dann seinen Namen?“
    Das klang schon sehr doof, wenn sie sich so selber hörte. Aber Axilla hatte da wirklich keine Ahnung, wie das funktionierte. Als sie ihre Sklaven freigelassen hatte in Tarraco, hatten alle einen neuen Namen gekriegt und diesen dann auch mit Stolz getragen. Aber die germanischen Namen waren ja ganz anders als die römischen, und überhaupt war das ja auch nicht wirklich dasselbe. Kurz überlegte Axilla, ob Rufus dann eigentlich ein Peregrinus mal war, oder wie das nun funktionierte.
    “Und du hast dann auch noch einen germanischen Namen?“

  • Ragin stand wie gebannt da. Wie konnte sie ihn sowas nur fragen? Und was sollte er nur antworten? Würde er "Ja" sagen, dann kam sie vielleicht auf den Gedanken, dass er sie begehrte. na ja so ganz war das nicht falsch, aber er war nunmal gerade erst sechszehn Sommer alt und eigentlich begehrte er daher fast jedes hübsche Mädchen. natürlich machte er das nicht, denn das war natürlich ganz und gar nicht sittsam, aber manchmal fühlte es sich so an, als arbeite sein Körper da gegen ihn. Aber da hatte er sich eigentlich immer im Griff. So wie damals mit Sontje, auch wenn er sicher keine Chance gehabt hätte, wenn sie ihn "überfallen" hätte.


    Und wenn er "Nein" sagen würde, dann wäre das nicht nur gelogen sondern es wäre ja auch eine Beleidigung. So stand Ragin also erstmal wie das kaninchen vor der Schlange und schaute sie an. Erst als sie ihm das Päckchen in die Hand drückte, taute er wieder etwas auf.


    "Ja nun, du bist wohlgewachsen...und ähäm ja...also und du hast schöne Haare...und und also ich meine...und ein hübsches Gesicht hast du ja auch...und dann kann man schon, also so rein hypno...hypo...hypnotherisch, dass ich dich hübsch finde! Ja also du bist schon sehr hübsch."


    Jetzt hatte er es also gesagt. Sofort fing er an ein wenig mehr zu schwitzen, obwohl ihm grad ganz kalt und flau im Magen war. Dafür schienen seine Ohren in Flammen zu stehen...


    "Ja, also ähäm...was hast du eben noch gefragt?"

  • Und jetzt war es an Axilla, erstmal dazustehen und zu gucken und zu versuchen, nicht rotzuwerden – was irgendwie nicht ganz hinhaute, aber sie versuchte es – und zu überlegen, was sie sagen sollte.
    Er fand sie also wirklich hübsch? Also, nicht nur so ein bisschen nicht-häßlich, sondern sogar sehr hübsch? Gut, die Körperstellen, die er hübsch fand, die waren jetzt nicht unbedingt Ausdruck dessen, dass sie besonders feminin-hübsch war. Wohlgewachsen war ja wohl jeder, der nicht grade einen Buckel hatte. Und ihre Haare waren eigentlich wie immer und nichtmal besonders zurecht gemacht, und ihr Gesicht fand sie jetzt auch nicht so hübsch. Ihre Nase war ihrer Meinung nach zu eckig, um wirklich, wirklich hübsch zu sein. Nicht so wie Urgulania, die wirklich vornehm hübsch war. Aber trotzdem machten sie die Komplimente verlegen. Sie erhielt sonst eigentlich nie Komplimente. Eher das Gegenteil, dass sie jemand wegen irgendwas maßregelte.
    Sie kratzte sich verlegen am Arm, als Rufus zum Glück noch mal fragte, was sie noch gefragt hatte. Sie musste kurz selber überlegen, hatten Rufus’ Erklärung und vor allem das griechische Wort, das sie gar nicht kannte, sie ein klein wenig aus dem Konzept gebracht.
    “Ähm, ging nur um die Namen. Also, die vielen. Also, eure. Von Verus und Vera. Und ob du dann auch so einen hast. Und ob das immer so ist. Glaub ich.“
    Jetzt war Axilla auch durcheinander.
    “Oh, schau mal, Angelhaken“, griff sie das erstbeste als Themenwechsel auf, was ihr in den Blick kam. Und das waren die Angelhaken vom Stand nebenan. Nicht, dass sie davon auch nur die geringste Ahnung hätte, aber das war das erste, was sie gesehen hatte.

  • Ach ja, die Sache mit den Namen. Das war nicht ganz so einfach, denn normal gaben sie das nicht so einfach preis. Aber er fühlte, dass er Axilla da vertrauen konnte.

    "Also wir sind ja römische Bürger und haben römische Namen. Aber wir sind auch Germanen und haben daher auch unsere germanischen Namen. Und die wollen wir auch nicht ablegen. Also ich bekam bei meiner geburt den Namen Marcus Duccius Rufus, weil mein Vater ja ein Legionär war. Aber meine Mutter gab mir auch einen germanischen Namen, nämlich Ragin. Ich würde sagen, dass das mein richtiger Name ist. Er hat eine tiefere Bedeutung und klingt für mich einfach richtig. Ich heiße Ragin, und nur bei den Römern heiße ich Marcus oder Rufus. Aber wir müssen damit aufpassen, weil wir wegen unserem germanischen Erbe oft angefeindet werden. Der Höhepunkt dabei war Sveijas Entführung. Deswegen benutzen wir nach außen immer unsere römischen Namen und die richtigen Namen verwenden wir daher nur daheim."


    Aber die Angelharken kamen auch ihm ganz gelegen, wollte er doch am Nil auch ein wenig fischen. So kaufte er gleich zwei Ruten, und ein einige Haken.

    "Damit werden wir sicher einen schönen Fisch fangen. Ich bin ja mal gespannt ob hier die Fische auch so aussehen wie in Mogontiacum."

  • Die Erklärung mit den Namen war doch sehr verwirrend. Wenn sie doch eigentlich lieber Germanen waren als Römer, warum waren sie dann im römischen Reich und nicht in Germania? So wirklich verstand Axilla das nicht, aber sie traute sich jetzt auch nicht, zu fragen. Vor allem nicht auf dem Markt. Sie war sich fast sicher, dass Rufus – oder Ragin – wie sollte sie ihn jetzt eigentlich dann nennen? – dann böse sein würde.
    Auf der anderen Seite aber wiederum verstand sie es ein wenig. Ihr Vater hatte sie auch nie bei ihrem richtigen Namen genannt – außer, sie hatte was angestellt – sondern immer Skioura genannt, ebenso wie Iason auch. Sie hatte sogesehen auch zwei Namen, wenn den einen auch wirklich nur ganz wenige Leute wussten und der wohl nicht so offiziell war wie bei Rufus-Ragin.
    Aber zum Glück fand er die Angelhaken ganz toll. Axilla hatte gar nicht gewusst, dass sie angeln gehen wollten, aber scheinbar war dem so, denn Rufus kaufte gleich ein paar Haken und auch Ruten.
    “Keine Ahnung, ich hab noch nie geangelt. Aber sehen nicht alle Fische gleich aus?“
    Axilla hatte absolut von Fisch keine Ahnung. Sie kannte die nur zu Garum verarbeitet oder auf dem Teller, wenn sie gebraten waren.
    “Ich meine, wenn wir Helios abgeholt haben und am Nil sind, sehen wir das ja dann.“
    Sofern Rufus nicht noch was anderes einkaufen wollte.

  • Sahen alle Fische gleich aus? Offenbar hatte sie noch nie Fische gesehen! Ein Karpfen sah ja nicht wie ein Aal aus. Sie unterschieden sich wie die Tiere an Land.


    "Hast du noch nie verschiedene Fische gesehen? Die sind so unterschiedlich wie die Tiere an Land. Ein Aal etwa sieht aus wie eine Schlange und ein Karpfen ist groß und dick und gibt ein Essen für eine ganze Familie ab. Ich kenne mich da ja auch nicht so gut aus, am Meer gibt es sicher noch viel mehr verschiedene Fische. Ich bin mal echt gespannt, was ich hier so aus dem Wasser ziehe."


    Sie kamen noch an einem Stand mit Früchten vorbei und Ragin deckte sich mit einer Ananas, einigen Pfirsischen und zwei Grenadinen ein.
    "So, das müsste der Proviant für uns beide reichen. Wenn du nichts mehr brauchst können wir gehen, ich hab alles."

  • Axilla überlegte, ob sie diese Fische, die er sagte, schonmal gesehen hatte. In Tarraco gab es Fische aus dem Meer, und hier gab es auch Fische aus dem Meer. Einen Karpfen aus einem Teich hatte sie soweit sie wusste auch schonmal gesehen, aber wie sah der aus? Sie hatte ja nie gedacht, dass sowas mal wichtig werden würde und sie sich darüber unterhalten würde.
    Aber zum Glück blieb sie vor weiteren Fischfragen verschont und musste damit nicht zugeben, absolut gar keine Ahnung zu haben. Ihr war das immer ein wenig peinlich, wenn sie so wirklich gar nichts über eine Sache wusste. Da fühlte sie sich dann immer dumm, als wäre ihr etwas wichtiges, was sie als gute Frau wissen sollte, nicht beigebracht worden. Und da gab es ja schon so einiges.
    Rufus kaufte noch Obst ein und fragte sie dann, ob sie noch mehr bräuchte. Sie schüttelte nur hastig den Kopf. Wer sollte denn das alles essen? Da würden sie ja platzen, vor allem, wenn sie heute Abend ganz normal die Cena noch einnehmen sollte.
    “Nein, ich brauch nichts mehr. Dann holen wir mal deinen Helios ab und reiten dann raus. Wird sicher schön, und der freut sich doch sicher auch über den Auslauf.“
    Axilla auf jeden Fall freute sich schon darauf, aus der Stadt ein paar Stunden fliehen zu können.

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