[Templum Pacis] Die Prüfung der Amata Prior Claudia Romana

  • Vom Atrium Vestae her spazierte die kleine Gruppe bestehend aus der Amata Prior Claudia Romana und den Pontifices Aurelius und Flavius, sowie diverse Calatores, Lictores und sonstiges Fußvolk, über die gepflasterten Plätze, welche sich rund um die Basilica Aemilia reihten, hin zum Forum Pacis, zum dortigen Tempel der Pax, wo die junge Frau ihre Opfer-Prüfung zur Sacerdos Vestalis sollte ablegen. Erst als sie einige Schritte nebeneinander her waren gegangen - die Claudia mittig zwischen den Pontifices - fiel Gracchus auf, wie groß die junge Frau tatsächlich war. An der Treppe zum Atrium Vestae hinein war sie ihm in der Pforte stehend durchaus groß erschienen, doch hatte er dem kaum Bedeutung beigemessen, hatten Aurelius Corvinus und er doch am Grunde der Stufen gestanden, wiewohl er auch innerhalb des Gebäudes nur marginal irritiert gewesen war, das Wort derart empor richten zu müssen, gleichsam von seinen eigenen Gedanken um seine Schwester ein wenig abgelenkt. Nun jedoch beim seitlichen Blick im Vergleich mit Aurelius ließ die Größe nicht mehr sich übersehen und nur beiläufig dachte Gracchus daran, dass er zudem noch ein wenig kleiner war als dieser, suchte gleichsam jedoch nicht davon sich derangieren zu lassen - hatte er körperlicher Größe doch bisherig nie sonderliche Bedeutung beigemessen, abgesehen jener von Hunden, welche um so größer, um so mehr Beklemmung in ihm hervorriefen -, sondern nutzte den kurzen Weg für seine beiläufigen Prüfungsfragen.
    "Nun, Claudia, nach dieser Prüfung wirst du Teil haben an einigen Roms be..deutsamster Riten und Pflichten. Bist du bereits mit der Herstellung der mola salsa vertraut?"

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  • Romana hatte, was den Flavius vielleicht beruhigen würde, nicht wirklich daran gedacht, das Schaf im Peristylium unterzubringen. Doch sie fand nicht recht den Humor in dieser Situation, den Gracchus wohl vernahm. Vielleicht war sie wirklich so humorlos? Sie hatte ja schon mehrere Male die plötzlich aufkeimende Vermutung gehabt, dass sie eine Langweilerin wäre, mit nichts als ihrer Götterverehrung und vielleicht ein paar Unterhaltungen über Politik und Kultur im Sinn. Sie konnte nur wenig mit Klatsch und Tratsch anfangen, war somit wohl, zumindest empfand sie dies, recht untypisch als junge Patrizierin, vor allem, wenn sie sich mit anderen verglich.


    Doch sie wollte nicht mehr darüebr nachdenken. Dies war ihre Prüfung, ihr großer Tag, einer, an dessen Ende sie eine stolze Vollvestalin sein sollte. Doch jetzt musste sie noch durch das Opfer durch.


    So dermaßen vorbereitet war sie schon innerlich darauf, dass die Frage des Flaviers doch für sie etwas überraschend kam. Sie war innerlich nicht gänzlich darauf vorbereitet, solche Fragen zu beantworten, hatte nur geglaubt, sie musste ihr Opfer absolvieren. Doch so etwas schien Standard zu sein, so lässig, wie der Pontifex dies fragte. Also entschloss sich Romana, sich deswegen keine Blösse zu geben. Schließlich wusste sie ja die Antwort.


    “Das bin ich. Im Mai ernten wir far, also das Speltweizen. Und zwar noch in einem erst halbreifen Zustand. Dieses rösten wir und zermahlen es. Natürlich nehmen wir dafür keine gewöhnlichen Mühlen, sondern auf alten, uralten Handmühlen, die noch aus den Tagen unserer Ahnen erhalten sind. Die gemahlenen Weizenkörner sind dann nicht wirklich Mehl, sondern eher Schrot, Getreideschrot. Die zweite Zutat ist Salz. Das Salz macht dabei den Getreideschrot nicht nur haltbar, er hat auch eine religiöse Symbolik – schließlich war das Salz ein Monopol der etruskischen Kaiser. Einer von ihnen, Numa Pompilius, hat schließlich unsere Gemeinschaft hier in Rom etabliert. Der Speltweizen und das Salz wird zur Vestalia, zur Lupercalia, und auch zu den Iden des September mit Hilfe von Wasser in einen breiartigen Zustand gebracht, der dann für Opfer ausgegeben wird - in kleinen, kreisförmigen Portionen.“

  • Die Antwort der jungen Frau kam nicht zögerlich, überzeugte durch Wissen und Ausführlichkeit, so dass Gracchus kaum damit rechnete, sie mit seiner Nachfrage tatsächlich aus dem Konzept zu bringen, sondern annahm, sie würde den Wink zur Überleitung zur Nächsten Frage durchaus mit Leichtigkeit auffassen.
    "Wird nicht auch das Blut des Oktoberpferdes im Zuge dieses Ritus verwendet?"
    Wenn er ehrlich mit sich war, so musste Gracchus sich eingestehen, dass die Frage nicht sonderlich ernsthaft klang, lag ihm doch selbst hinsichtlich solcher Belanglosigkeiten - wie für ihn dies eine war - die Kunst der Täuschung nicht besonders nahe, so dass Romana selbst ohne das entsprechende Wissen wohl kaum dem würde zustimmen. Die kleine Gruppe indes erreichte bereits die Basilica Aemilia zur Linken und da sie das Gebäude an seinem östlichen Ende umrundeten, blieben sie weiter im Genuss des spätmorgendlichen Sonnenscheines, vor sich bereits die äußeren Kolonaden des Forum Pacis in Sicht.

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  • Das Blut des Oktoberpferdes? Selbiges – natürlich nicht des Oktoberpferdes, sondern das der jungen Claudierin – gefror ihr in den Adern, nicht lang, nur für eine Sekunde, als sie Gracchus anschaute und sich krampfhaft zu erinnern versuchte an nur einen einzigen Vorgang bei der Herstellung des mola salsa. Also, so ein Quatsch, dachte sie sich selber. Die mola salsa ist nicht rot. Was sollte es da Blut beinhalten? Erst jetzt bemerkte die leicht aus der Fassung zu bringende Romana, dass Gracchus dies wohl als Fangfrage beabsichtigt hatte. Nicht einmal als besonders überzeugend vorgebrachte Fangfrage.


    “Nein, das stimmt nicht.“ Tief atmete sie durch, bevor sie weitersprach. “Das Blut des Oktoberpferdes wird dazu benutzt, um eine gänzlich andere sakrale Substanz herzustellen. Als, das Blut des equus october wird in einer Schale gesammelt, und für die Parilia wird daraus eine Räuchermischung, ein suffimen, hergestellt. Dieses besteht aus diesem Pferdeblut, sowie aus Bohnenstroh und auch aus der Asche der zur Fordicidia dem Feuer übergebenen Rinderföten – denn zu diesem Fest werden ja trächtige Kühe geopfert und deren Ungeborene verbrannt. Zur Parilia wird eben diese Mischung ausgegeben, die dann zu verschiedenen Orten in ganz Rom gebracht wird, um verbrannt zu werden.“


    Neugierig wohl blickte Romana Gracchus an. War ihm dies gut genug?

  • Seine Rückfrage schien die Claudia mehr zu derangieren als er dies hatte beabsichtigt, so dass im Stillen Gracchus sich gemahnte, weitere Fragen auf direkte Art und Weise zu stellen, gleichsam war er überdies erleichtert, dass sie letztlich zu ihrer Konzentration zurück fand. Er nickte unbestimmt, während sie auf der dem Forum Romanum abgewandten Seite die Basilica Aemilia auf halber Länge hatten umrundet und für einige Schritte das Forum Nervae betraten, um von dort aus durch die Kolonnaden des Forum Pacis eben jenes zu betreten.
    "Da du fürderhin dein Opfer dem Feuer der Pax wirst übergeben, kannst du noch in einigen Worten den Unterschied dieses Feuers zu dem der Vesta erläutern?"
    Es wäre dies vorerst seine letzte Frage, denn sie betraten nun das Forum der Pax, welches einst Kaiser Vespasian hatte nach den Bürgerkriegswirren, welche auf das Dahinscheiden Kaiser Neros folgten, errichten lassen, um die friedliche Einigkeit aller Römer zu gemahnen und der Göttin des römischen Friedens zu danken, wiewohl sie für künftige Zeiten zufrieden zu stellen. Der Vorplatz des Tempels, welcher als Garten gestaltet und mit Brunnen und Kunstwerken war geschmückt, war von beachtlicher Größe und zu den Seiten und nach vorn hin von marmorverkleideten Portiken gesäumt. Der Tempel selbst indes war von einfacher Bauweise, beherbergte nur die cella, in welcher die Statue der Pax residierte, und fügte sich baulich derart in die Reihe der benachbarten Gebäude ein - in welchen Bibliotheken und die Kunstsammlung des Vespasianus waren untergebracht -, dass nur die sechs Säulen der Fassade und der Opferaltar davor ihn als Tempel kennzeichneten.

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  • Der Flavius schien ein wenig betroffen darüber, dass er Romana so aus der Fassung für eine Sekunde gebracht hatte. Sie dachte sich im Stillen, er müsse sich darüber keine Gedanken machen – sie selber könnte sich als absolut knallharte Prüferin sehen. Nun ja, solche Töne sollte sie nicht spucken, bevor sie selber nicht ihre Prüfung erfolgreich bestanden hatte.


    Die nächste Frage war wieder im normalen Stile gestellt, und Romana konnte auch viel komfortabler und mit größerer Leichtigkeit darauf antworten. “Das stimmt, Feuer ist nicht gleich Feuer. Zwischen einem Opferfeuer, wie dieses hier am Tempel, und dem Feuer der Vesta besteht ein großer Unterschied. Ein Opferfeuer ist ein solches, in dem die Opfergaben an die Götter verbrannt werden. Es ist ein Feuer im klassischen Sinn, ein Feuer, wie es unter den Göttern Vulcanus zuzuordnen wäre – hoch, lodernd und verzehrend. Das Feuer der Vesta hingegen ist ein Herdfeuer. Es fackelt nicht, es glüht, es ist zahm, stellt das Feuer in seiner für den heimatlichen Herd zugeschnittenen Form dar. Es repräsentiert Vesta, und stellt ihre Präsenz im Tempel dar. Deshalb brauchen wir keine Statue von unserer Göttin. Zudem ist es nicht dazu da, dass man Opfergaben hineinwirft. Es ist außerdem wichtig, dass das Feuer der Vesta nicht erlischt – und im Martis jedes Jahres wird es neu entfacht.“ So eine Prozedur war ihr von keinem Opferfeuer bekannt.


    Hoffend, dass ihre Antwort dem Pontifex genügte, betrat sie zusammen mit den beiden das Forum Pacis. Romana mochte es sehr, sie fand, es stellte einen der gelungensten Gebäudekomplexe in Rom dar. Zudem hatte sie den Garten gerne – er war um einiges größer als der im Peristyl des Atrium Vestae, und hatte einen größere Varietät an Pflanzen. Romana mochte Pflanzen, wohl aber auch nur, solange sie domestiziert waren, oder in eine domestizierte Landschaft eingebettet. Die Wildnis war ihr suspekt.

  • Auch bei jener Antwort der Claudia ließ der Pontifex nicht sich anmerken, wie seine Bewertung ausfiel, obgleich sie ihn wie die vorherigen ebenfalls zufrieden stellte. Für einige Augenblicke wurde Gracchus' Blick abgelenkt von einem bronzenen, griechischen Läufer, welchen sie linkerhand passierten, dessen Muskeln in detaillierter Weise waren hervorgehoben wie bei dieser stilvollen Art üblich, ehedem er ihn voraus richtete, zum Tempel hin, welchem unaufhaltsam sie sich näherten, bis dass sie kurz vor dem Opferaltar waren angelangt.
    "Wir werden hier warten, während du die Opferhelfer instruierst."
    Die seitlichen Portiken waren weit genug entfernt, dass der gepflasterte Vorplatz bereits von der Sonne wurde eingefasst und nach den vergangenen Wintermonaten - von welchen es Gracchus schien, dass sie von Jahr zu Jahr länger dauerten und immer kälter wurden -, war es eine rechte Pläsier, für einen Moment in müßiger Trägheit in ihren warmen Strahlen auszuharren.

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  • Gracchus sagte nichts. Er kritisierte nichts. Das sollte genug sein für sie, dachte sie sich. Hätte er mehr wissen wollen, hätte er sicher nachgehackt. Doch so beließ sie es dabei. Innerlich konzentrierte sie sich auf das bevorstehende Opfer, je näher sie dem Altar der Pax kamen. Schlussendlich kamen sie vor ebendiesem zu stehen. Sie würden hier warten. Gut, das sollten sie tun, dachte sie sich, holte tief Luft, nickte und ging dann kurz fort, um dies zu machen, zu den Tempeldienern zu gehen.


    Von dem Gespräch mit den Tempeldienern gab es nicht sehr viel zu bereden. Romana war schon gestern hier gewesen und hatte ihre Opfergaben abgeliefert. Sie trat an einen Popa heran, welchen sie begrüßte, ihm sagte, wer sie war, und was genau nun zu tun war. Die unblutigen Opfergaben sollten hinein, das Schaf hingegen sollte hinaus geführt werden und am Altar festgebunden werden.


    Sie wartete ein paar Minuten, bevor der Popa zurückkam und ihr mitteilte, dass alles bereitet war. Im selben Augenblick kam ein Popa, der das Schaf von gestern, weiblich wohlweislich, und schneeweiß, welches schon geprüft worden war, mit sich führte, und begann, es ans Altar festzubinden, damit es nicht fortlaufen konnte.


    Romana wandte sich um und schritt zu ihren beiden Prüfern zurück. Sie blieb stehen und blickte die beiden an. “Es ist alles bereit. Ich werde nun mit dem Opfer beginnen.“ Sie war schon ein wenig nervös, wenn es nun ein Zeichen des Einwandes von einem der Pontifices gegeben hätte, hätte sie es nicht bemerkt. Sie atmete noch einmal tief aus. Vesta, gib mir die Kraft, dieses Opfer gut zu vollziehen, dachte sie sich innerlich, und schritt dann, mit der vollen Pracht ihrer weißen Gewänder, die Tempelstufen hinauf, woraufhin sie den Tempel betrat.


    Ein Waschbecken stand am Eingang des Tempels. Noch immer ein wenig wie mechanisch schritt Romana auf diesen zu und tauchte ihre Hände kurz ein. Es war die vorrituelle Reinigung, die sie nun machte.


    "Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es." Dies waren die Worte, die sie sprach, als sie ihre Hände reinigte.


    Kaum war die rituelle Handwaschung getätigt, wandte sie sich zu der Statue der Göttin Pax hin, vor der ein Altartisch aufgebaut war, daneben stand ein kleines Opferfeuer. Davor freilich waren die Opfergaben platziert. Es war nicht nur Weihrauch, sondern auch Dinkelbrot, Münzen, Blumen, und ein silberner Weinkrug.


    Romana ergriff etwas vom Weihrauch und warf es in den Foculus. Der Weihrauch fing an zu lodern, und schon nach ein paar Sekunden entwickelte er den für ihn typischen Rauch mit dem markanten Geruch. Die Claudierin erhob ihre Hände in Gebetsstellung, achtete dabei darauf, dass sie auch schön aufrecht stand, und begann dann. “Pax, Friedensstiftende, nimm an dieses Brot, möge es dir zur Ehre gereichen.“ Sie nahm das Brot auf und legte es auf den Altartisch, präsentierte es so also vor Pax, beziehungsweise ihrer Statue. “Pax, Friedensstiftende, nimm an diesen Wein, möge er dir zur Ehre gereichen!“ Sie stellte den Wein hinauf. “Pax, Friedensstiftende, nimm an diese Münzen, mögen sie dir zur Ehre gereichen!“ Die Münzen klimperten, als sie sie hinauffallen ließ. “Pax, Friedensstiftende, nimm an diese Blumen, mögen sie dir zur Ehre gereichen!“ Eine Handvoll Blumen fand ihren Weg auf den Altartisch. Dann drehte sich Romana mit einer energischen Bewegung nach rechts. Das Voropfer war abgeschlossen.


    Es war Zeit für Romana, hinauszugehen. Das tat sie auch, nachdem sie noch einmal tief Luft geholt hatte. Als sie hinaustrat, war dies ein Zeichen an die Opferhelfer. Natürlich hatte sie sich mit diesen schon abgesprochen. Ein Popa, als Herold fungierend, rief mit kräftiger Stimme: “Favete linguis!“ Die Tibicines begannen zu spielen. Romana schritt hinunter, und die Flötenspieler mit ihr mit. Sie steuerte das Tier an, welches bereits schon unten lag, von seinem Schicksal nichts mitkriegend, vielleicht nur vom Lärm verstört.


    Vorm Vieh blieb sie stehen, holte tief Luft und verkündete dann mit lauter Stimme: “Pax, Göttin des Friedens, sieh herab! Dir sei dieses Tier geweiht! Möge es dir gefallen, wenn es ein gutes Opfer ist!“ Noch einmal kam jetzt eine Waschung, als ihr eine Schüssel von Wasser gereicht wurde, sie die Hände hineintunkte und diese dann am mallum latum, welches ihr nun gereicht wurde, abtrocknete. Nun war alles bereit für die mola salsa, die ein Popa begann, über das Tier zu streichen. Sie wartete ab, bis jener dies getan hatte, worauf ihr dann das Messer vom Victimarius ausgehändigt wurde. Sie strich damit sorgfältig und langsam über den Rücken des Schafes, welches wohl mit Kräutern beruhigt worden war, da es nicht einmal jetzt mehr aufmuckte.


    Anschließend übergab sie das Messer wieder dem Victimarius, und Romana setzte zum Opfergebet an. Sie erhob ihre Hände und sprach, das Flötenspiel mit ihrer altlastigen, samtigen Stimme übertönend: “Pax, Friedensstifterin, große Göttin. Du, die uns schon so lange Frieden schon geschenkt hast hast, die uns vor Barbaren an unseren Grenzen und Aufständischen in unseren Straßen bewahrt hat, ich rufe dich an. Höre meine Bitte. Ich war stets dir fromm und gläubig gegenüber. So bringe ich dir auch heute ein Opfer, dieses Schaf hier, von deiner frommen Verehrerin Claudia Romana. Pax, gewähre mir diese Bitte! Gewähre mir, der Stadt Rom, dem römischen Reich, und dem Atrium Vestae Frieden, der so ewig andauern soll wie das römische Reich! Sowie du mein Gebet erhörst, werde ich dir auch weiterhin opfern. Reiche Gaben sollst du auch in Zukunft von mir erhalten, wenn du mir gibst, so wie ich dir gebe.“ Sie drehte sich nach rechts, das Gebet war abgeschlossen. Ein Popa übergab ihr einen goldenen Becher, aus welchem sie dem Tier eine Winzigkeit Wein als Trankopfer über dem Kopf schüttete, sowie sie dann den Becher zurückgab. Das Opfer war bereit.


    Sie drehte sich langsam zum Victimarius hin, der ihren Blick richtig interpretierte.


    “Agone?“ Romana antwortete: “Age!“


    Und der Victimarius schnitt dem Schaf die Kehle durch. Das Schaf bemerkte sein Ableben gar nicht mehr, nur noch Blut floss aus seiner Kehle. Ein Popa eilte herbei, um das Blut aufzufangen. Der Victimarius derweil schnitt den Bauch des Tieres auf, schnitt die Eingeweide fachmännisch heraus, und platzierte diese auf ein Tablett, welches er anschließend Romana übergab.


    Diese ließ ihren Blick auf die dargebotenen Innereien sinken, doch ganz konnte sie nicht verhindern, dass sie eine Sekunde zu den Pontifices hinschielte. Wie dachten diese über ihr Opfer?


    [SIZE=7]EDIT: Reinste Kosmetik[/SIZE]

  • Den Weg über war ich schweigsam gewesen, vielleicht zu sehr, wenn ich recht darüber nachdachte. Doch Gracchus hatte die zu prüfende Claudia einem regelrechen Verhör unterzogen, und soweit ich ihre Antworten beurteilte, waren sie nicht nur zufriedenstellend, sondern exzellent gewesen. Flavius Gracchus führte diese Prüfung an, und ich selbst war nicht ganz auf der Höhe. Meine Gedanken drehten sich beständig um Celerina und Siv und diese ganze vermaledeite Situation, in der ich steckte. Ein Römer, der weniger auf Eventualitäten und Ansichten geachtet, sondern stattdessen nur dem Gesetz Tribut gezollt hätte, dem wären die zu treffenden Entscheidungen leicht gefallen, zumidnest leichter als mir, der ich zu viel darüber nachdachte. So aber wirkte ich deutlich in mich gekehrt, vermutlich zu deutlich, denn dass wir uns plötzlich innerhalb des Tempels befanden, war für mich plötzlich und überraschend.


    Kurz darauf begann die Claudierin bereits mit dem Opfer. Ich warf Gracchus einen kurzen Blick zu, richtete meine Aufmerksamkeit dann jedoch auf die Handgriffe des Prüflings. Brot, Münzen, Wein und Blumen dienten als Voropfer, ein Schaf würde das Hauptopfer sein. Das Voropfer verlief gut, es gab von meiner Warte nichts zu beanstanden. Ich war mir sicher, dass auch Gracchus das Opfer nun nicht unterbrechen würde, selbst wenn er etwas anmerken wollte. Wir folgten also Claudia Romana nach draußen, wo ebenfalls bereits alles vorbereitet worden war. Die Opferhelfer und auch Claudia Romana walteten ihres Amtes. Es lief alles gut. Dies war ein gutes Opfer, und wenn die vitalia nun nicht ein Geschwür oder sonstiges aufwiesen, war nicht nur das Opfer angenommen, sondern auch die Prüfung wohl bestanden.

  • Es war ihr nicht möglich, einen Blick auf Gracchus zu erhaschen. Doch sie konnte kurz etwas vom Gesicht des Corvinus sehen. Der Aurelier war die ganze Zeit über schon ziemlich still gewesen, als ob er über etwas nachdenken würde. Nicht, dass Romana diesem allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt hätte, doch war er Romana eher nur wie ein fünftes Rad am Wagen bisher vorgekommen. Ach was, dachte sie sich, von einem Pontifex so schlecht reden, sie sollte sich was schämen! Immerhin, an ihm würde wohl die Prüfung nicht scheitern, denn er blickte recht zufrieden einher.


    Sie senkte ihren Blick, schloss die Augen kurz und starrte auf die Gedärme, mit Panik in ihrem Hirn und Unbehagen in ihren Augen. Was sah sie da?


    Die Leber war verschrumpelt. Die Därme aufgebläht und von Fett überzogen. Die Milz war grünlich. Durch den Magen zog sich ein Riss, aus dem es herausstank.


    Nein. NEIN. NEIN! NEIN!!!


    Sie schloss ihre Augen wieder fest zu, atmete tief aus, und öffnete sie wieder. Und wieder lagen die Gedärme vor ihr.


    Doch sie sahen nicht mehr so aus wie vorher. Sie schienen – ganz normal. Gesund halt.


    Kein götterhaftes Strahlen ging von ihnen aus, keine himmlische Aura, von denen die claudischen Epigonen noch jahrhundertelang singen würden. Es war kein jubiliant-triumphales Wunderwerk, was sich vor ihr auftat. Aber was sie sah, war in Ordnung. Sie war einem Hirngespinst aufgesessen. Die Eingeweide waren in Ordnung, akzeptabel, befriedigend.


    Das Opfer war angenommen.


    Ihre Mundwinkel wanderten kaum merklich in die Höhe, als sie ihre verbliebenen Zweifel selber zerstreute. Ausatmen, Romi, es ist vorbei, dachte sie sich.


    “LITATIO!“


    Ein Schauer der Erleichterung rann ihr vom Rücken herunter, als sie, noch immer mit dem Tablett in der Hand, welches sie kaum loslassen wollte, sich zu den Pontifices hinwandte, ein paar unsichere Schritte in ihre Richtung machte und sie neugierig anblickte. Ein angenommenes Opfer war ja keine Garantie für eine bestandene Prüfung – aber sie selber hatte das Gefühl, dass es hingehauen hatte.

  • Der weißfarbene Stoff fiel weich um die große Gestalt der Claudia, als jene die Stufen zum Tempel empor trat, gefolgt von den beiden Pontifices, deren Aufgabe nurmehr aus schweigender Beobachtung bestand, und erinnerte Gracchus einmal mehr an seine Schwester - obgleich dies einzig wohl der Erinnerung an eine Vestalin war geschuldet. Mit klaren Worten brachte die Amata Prior schließlich das Voropfer dar, ließ keine Unsicherheit erkennen, auch dann nicht, als sie zurück auf dem Vorplatz das Opfertier weihte und jenes zur Schlachtung frei gab. Einzig während der Prüfung der Innereien schien sie kurz zu zögern, ob dessen Gracchus hernach noch einmal einen flüchtigen Blick auf die vitalia warf, jedoch keine allzu deutlichen Makel konnte erkennen. Detaillierter indes wollte er die Opfergabe nicht prüfen, hatte er doch mehr Interesse daran, der Claudia ihren Weg in den Bund der vestalischen Jungfrauen nicht allzu steinig werden zu lassen, schlussendlich wollte er kaum den Zorn der flavischen Ehefrauen - nicht nur seiner eigenen, sondern auch jener Furianus' und Aristides' - auf sich ziehen, welche allesamt mit Romana waren verwandt - wiewohl dies jene auch zu einer Verwandten seines Sohnes machte und in Hinblick auf dessen spätere Karriere konnte der hohe Status der Claudia nur von Vorteil sein - sobald Minor in Amt und Würden war, mochte sie etwa Virgo Vestalis Maxima sein. All diese Gedanken indes waren bereits gedacht, als Gracchus mit zustimmendem Nicken der Vestalin signalisierte, dass sie die Opfergaben dem Feuer konnte übergeben. Er indessen beugte sich ein wenig näher zu Aurelius Corvinus und sprach leise, so dass die Claudia es noch nicht würde hören können.
    "Meines Ermessens nach verlief die Opferung makellos, so dass nichts dagegen spri'ht, sie als Prüfungserfolg anzuerkennen. Es sei denn, du hättest einen Missgriff bemerkt, welcher mir entgangen ist?"

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  • Romana blickte, vielleicht ein wenig zu angestrengt, auf Gracchus, und vernahm dort ein kaum merkliches Nicken, welches ihr selber nicht aufgefallen wäre, wären nicht alle ihre Sinne auf Hochtouren gelaufen.


    Sie drehte sich um und bemerkte zu ihrer Freude, wie der Victimarius bereits das Schaf zerlegte. Romana behielt das Tablett mit den Vitalia noch kurz in ihren Händen. Denn die Popae waren wirklich zu bewundern; innerhalb kürzester Zeit hatten sie, gab plötzlich, Kochkessel herbeigeschafft. Die beeilten wohl auch nur so, da sie es mit einer Dienerin der Vesta zu tun hatten, dachte sich Romana leicht amüsiert, als sie die Erleichterung in ihrem Herz schlagen hören konnte, und schritt dann zu einem der Kessel, wo sie die Vitalia hineinschüttete – hier würden die Teile des Opfertieres, welche den Göttern zustanden, gekocht werden! In den anderen Kesseln kamen verzehrbare Fleischstücke hinein.


    Nach kurzer Zeit fischten aus dem ersten Kessel die Opferhelfer die gekochten Vitalia wieder heraus, und bestrichen sie unter den Augen von Romana mit mola salsa. Romana ergriff das Tablett, auf welche wieder die Vitalia gelegt worden waren, und übergab sie dem Feuer am Altar oben. Es zischte, als die Vitalia verbrannten, und die Götter gespeist wurden. Auch die anderen Fleischstücke waren schnell gekocht. Wie ausgemacht, wurden sie in Sportulae platziert. Hach, wie lieblich es aus den Körben herausböckelte! Romana verzog ihre Nase leicht, als sie den Geruch von Schafsfleisch vernahm, der ihr selber nicht so behagte, doch die Popae waren scheinends sehr begeistert dahingehend. Wie versprochen, bekamen die Popae Sportulae ausgehändigt, jeder mit einer durchaus guten Portion, sodass Romana am Ende nur noch drei der Körbchen blieben – für sie, und auch eines für je einen der Prüfer. Sie dankte sie noch einmal recht herzlich einigen der Popae und dem Victimarius, bevor sie mit ihrem Sportulae mit einem merkwürdig steifen Klang, den man des Öfteren nach einer anstrengenden Prüfung hatte, zu den Pontifices hinabstieg.

  • Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus
    Er indessen beugte sich ein wenig näher zu Aurelius Corvinus und sprach leise, so dass die Claudia es noch nicht würde hören können.
    "Meines Ermessens nach verlief die Opferung makellos, so dass nichts dagegen spri'ht, sie als Prüfungserfolg anzuerkennen. Es sei denn, du hättest einen Missgriff bemerkt, welcher mir entgangen ist?"


    Nachdem die Claudia eine angemessene Weile die vitalia des Tieres betrachet hatte, rief sie die litatio aus. Es verwunderte mich nicht, dass das Opfer angenommen wurde. Während die Claudia sich nun um die Verarbeitung des Tieres mühte, blieb genügend Zeit, um ungehört den Verlauf des Opfers zu diskutieren. Es blieb nichts anderes, als Flavius Gracchus beizupflichten. "Gegenteilig fiel mir nur die Präzision und Sicherheit auf, mit der das Opfer vollzogen wurde", erwiderte ich dem Verwandten meiner Frau. "Sie wird eine gute Vestalin sein." Das glaubte ich in diesem Moment tatsächlich. Und mir fiel ein, dass sie als Claudia mit Gracchus' Frau, die ebenfalls eine Claudia aus dem patrizischen Zweige war, gewiss verwandt sein musste. Ich wollte eben die entsprechende Frage stellen, als die Claudia bereits die Treppe hinabstieg, und so schwieg ich. Es sollte später niemand von Korruption reden können, denn dafür war das Opfer zu perfekt verlaufen. "Flavius Gracchus und ich sind uns einig", sagte ich nach einem kurzen Seitenblick auf diesen zu Claudia Romana. "Wir gratulieren dir zu deiner durchaus gelungenen Vorführung deiner Fertigkeiten."

  • Als Romana bei den beiden Pontifices ankam, merkte sie, dass sie schwitzte. Ihre Hände waren nass. Gut, dass sie eine ärmellose Tunika trug, sonst hätte man hässliche Schweißflecken in ihren Achselhöhlen gesehen. Ihr, der resoluten, gefassten Claudia, rann der körperliche Saft über den Rücken, wie einem Feigling, oder aber als wäre sie mehrere Meilen gerannt. Sie versuchte krampfhaft nicht daran zu denken, wie die beiden Männer sie jetzt in Grund und Asche verdammen würden. Doch das geschah so nicht.


    Mit einer gewissen Fassungslosigkeit hörte sich Romana an, was Corvinus zu sagen hatte. Hieß das, sie war durchgekommen? Ihre Mundwinkeln hoben sich schon in einem antizipierenden Lächeln. “Heißt das... ich bin... durchgekommen? Heißt das, ich bin jetzt... Vollvestalin? Sacerdos Vestalis?“ Ein kleines Mädchen kreischte gell in ihr auf; endlich, schrie es. Ihr Blick wanderte vom Aurelius zum Flavius, eine bestätigende Antwort erwartend.

  • Die Wortwahl der Claudia, die Frage nach ihrem Durchkommen implizierte in Gracchus eher Gedanken an die zu Feiertagen regelmäßig verstopften römische Gassen oder aber die Überwindung einer schweren, beinahe tödlichen Krankheit, jedoch weniger an das gelungene Ablegen einer Prüfung. Dennoch legte sich ein Lächeln um seine Lippen im Angesichte der ein wenig ungläubigen Freude und er nickte bestätigend.
    "Nicht nur das vollzogene Opfer verlief tadellos, auch deine Kenntnisse um den Kult hast du hinrei'hend unter Beweis gestellt. Der Ausübung des Amtes einer Sacerdos Vestalis wird noch deine Aufnahme in den Kult durch die Priesterinnen selbst vo..rangehen, doch deine offizielle Ernennung seitens des Cultus Deorum werden wir noch heute in die Wege leiten. Meinen Glückwunsch, Claudia Romana!"

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  • Der Flavier schien sich wahrlich für sie zu freuen, auf jeden Fall, wenn man sein Lächeln so interpretieren konnte. Und er bestätigte dann, dass sie Recht gehabt hatte, so optimistisch zu denken.


    Romana war noch nie in ihrem Leben dermaßen kurz davor gewesen, zwei wildfremden Menschen einfach um den Hals zu fallen und ihnen zwei herzhafte Schmatzer auf die Wangen zu drücken. Nur der Gedanke an ihren Stand, an ihren NEUEN Stand ließ sie davor zurückschrecken. Und so lächelte Romana nur wie ein Kind zu den Saturnalien, ein bisschen entrückt, aber absolut und wunschlos zufrieden.


    “Danke. Ich danke euch beiden.“ Sie blickte von Gracchus zu Corvinus, beide erhielten einen Blick voller Dankbarkeit. “Dann... dann gehen wir zurück ins Atrium Vestae“, sagte die neue Sacerdos Vestalis, die es gar nicht erwarten konnte, ihre nun erweiterte Palette an Aufgaben aufnehmen zu können.

  • Die unverhohlen sichtbare Freude, welche in den Augen der jungen Frau aufglomm, war beinahe so entzückend pläsierlich wie die Verzückung, welche nach einer gelungenen Überraschung gewöhnlicherweise auf dem Antlitz des Überraschten war anzusehen, ob dessen Gracchus den Augenblick ihrer Begeisterung ausgiebig goutierte, ehedem er ihrem Beschluss zustimmte.
    "Gehen wir."
    Die Sportula hatte Gracchus' Schatten Sciurus in Empfang genommen und trug sie nun gemeinsam mit mehreren Wachstafeln und einer gesiegelten Schriftrolle mit einem solchen Geschick, wie nur ein Sklave dies konnte und woran eindeutig seine Bestimmung abzulesen war. Allfällig wäre es günstig gewesen, mehr als einen Sciurus an diesem Tage mit sich zu nehmen, doch hatte Gracchus auch an diesem Morgen - wie an jedem anderen Tage erneut - den überaus deplorablen Missstand bemerkt, dass es nur einen Sciurus gab und gewöhnliche Sklaven nicht für seinerlei Belange taugten, so dass es letztlich bei jenem einzelnen Begleiter war geblieben, welcher darob nun neben der Verantwortung über Gracchus' Vermächtnis auch noch die Bürde des Opfergeschenkes hatte zu tragen. Sein Herr indes machte sich über solcherlei Umstände keinerlei Gedanken, trat neben der Claudia und dem Aurelius frohgemut über die harrenden Strahlen der Sonne durch den Garten des Forum Pacis hindurch, den Rückweg zum Atrium Vestae anzutreten, wo vor der Abwicklung seiner privaten Angelegenheit zuvor noch die offizielle inspectio auf die beiden Pontifices wartete.



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