cubiculum | Aurelia Narcissa

  • Vom Umgang mit Sklaven - Narcissa et Lysandra
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    Die Nacht senkte sich allmählich über die Villa. In dem Maße, wie die Dunkelheit zunahm und die Schatten länger und tiefer machte, nahm auch das Leuchten der unzähligen Kerzen zu, welche Narcissas Zimmer in warmes, goldenes Licht tauchten und Ecken und Kanten weicher machten. Narcissa saß an einem der Fenster, wie so oft über eine Schriftrolle gebeugt, während die Dämmerung Einzug hielt und das letzte Licht des Tages auffraß. Neben ihr, auf einem Tisch, stand ein Strauß frischer Narzissen – eine kleine Aufmerksamkeit einer der Sklaven – und verströmten ihren Frühlingsduft. Es war ein schöner tag draußen gewesen. Mit viel Sonnenschein und der ersten zaghaften Wärme, die auch den letzten Römer ermutigt hatte, das Haus für zumindest ein paar Stunden zu verlassen. Inzwischen war es schon deutlich frischer geworden, denn mit dem Sonnelicht schwand auch die Wärme. Narcissa hatte sich eine Decke über die Schultern gelegt, doch auch diese hatte nicht verhindern können, dass ihre Gliedmaßen mit Gänsehaut überzogen waren. Ein leises Klopfen an jener Tür, welche ihr cubiculum mit dem ihrer Schwester verband, ließ sie aus den Zeilen auffahren. Schon im nächsten Moment betrat Lysandra das cubiculum. Narcissa erhob sich aus dem Weidenkorb, in welchem sie gesessen hatte, wobei die Decke achtlos zu Boden glitt. Sie hatte die Leibsklavin, die sich ihr nun lächelnd zu wandte, bereits erwartet, Für gewöhnlich half sie den Zwillingen bei der Morgen – und Abendtoilette. Jetzt war die ältere der Schwestern an der Reihe. Aber das war nicht der einzige Grund, weshalb sie heute Abend gekommen war. Lysandra musste mit Narcissa reden. Über gleich zwei Dinge, die ihr auf dem Herzen lagen. Während sie noch darüber nachdachte, wie sie ihre domina am besten darauf ansprechen konnte, half sie dieser dabei Pala und Tuinka abzulegen und hielt ihr schließlich ein Handtuch und eine frische Tunika entgegen, als sich der ältere Zwilling an einer Schüssel mit Wasser wusch. Es war ein intimer Moment. Doch Narcissa machte es nicht im geringsten aus, dass sie Leibsklavin sie splitterfasernackt zu Gesicht bekam. Lysandra war schon immer da gewesen, hatte die Zwillinge schon gebadet, als diese noch Knirpse von gerade einmal zwei Monaten gewesen waren. Von ihrer Mutter einmal abgesehen, gab es niemanden, der sie besser kannte oder den sie näher an sich heran ließen. Narcissa setzte sich vor den Spiegel vor der Kommode und ließ es zu, dass die Leibsklavin die Klammern und Bänder löste, mit denen sie die brünetten Locken am Morgen noch zu einer einigermaßen anständigen Hochsteckfrisur gebändigt hatte. Vorsichtig strichen die Finger Lysandras durch die Haarpracht und versuchten die Strähnen zu entwirren, ehe sie zur Bürste griff. Sie wusste, dass Narcissa es mochte, wenn man ihre Haare bürstete. Es war eines jener ganz speziellen Rituale. Sie entspannte sich dabei. Das war der beste Augenblick.
    „domina, darf ich sprechen?“, fragte sie, wie es der Anstand gebot.
    „Als ob du fragen müsstest“, erwiderte Narcissa belustigt lächelnd. Die Leibsklavin biss sich auf die Unterlippe- Genau das war es ja, weshalb sie mit ihr sprechen wollte.
    „domina, ich habe dich beobachtet...“
    „Tatsächlich?“, Lysandra hatte das Gefühl, die Aurelia mache sich über sie lustig und sie konnte erahnen weshalb. Das Mädchen fühlte sich ständig beobachtet.
    „Wobei?“, erkundigte sie sich pflichtschuldig.
    „Wie du mit den Sklaven dieses Hauses umgehst...“
    „Und? Was ist damit?“ Ungeduld mischte sich in ihre Stimme. Warum konnte Lysandra ihre Gedanken nicht einfach aussprechen und ließ sich stattdessen alles aus der Nase ziehen. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. Eigentlich hätte die Leibsklavin jetzt die Lider senken müssen, doch sie tat es nicht. Stattdessen biss sie sich auf die Unterlippe. Das, was kommen würde, war ihr unangenehm, denn eigentlich stand es ihr nicht zu, ihre domina zurecht zu weisen.
    „Nun?“, dränge Narcissa. Jetzt, da Lysandra begonnen hatte, sollte sie gefälligst auch zu Ende sprechen.
    „Du solltest nicht so freundlich mit ihnen umgehen....“, Narcissas feine Augenbrauen schnellten in die Höhe, ihre grünen Augen wurden groß vor Erstaunen und sie öffnete den Mund, fand aber keine Worte. Für einen Moment fragte sie sich ernsthaft, ob sie sich soeben nicht verhört hatte. Das konnte Lysandra nicht gesagt haben...Als sie jedoch das betreten Gesicht der Leibsklavin sah, wusste sie, dass sie sich nicht verhört hatte. Da konnte die Aurelia einfach nicht anders. Sie begann herzlich zu lachen. Ihre Schultern zuckten und sie hielt sich den Bauch, bis ihr sogar die Tränen kamen und die grünen Augen überschwemmt wurden. Die Reaktion ihrer Herrin machte die serva noch betretener. Spätestens jetzt erkannte Narcissa, dass Lysandra es nicht nur gesagt hatte, sondern es auch so gemeint hatte. Das Lachen verstummte abrupt und indem sie sich mit den Händen die Tränen von den Wangen wischte, sagte sie zu Lysandras Spiegelbild: „Du meinst es ernst.“ Es war eigentlich keine Frage, sondern eine Feststellung, doch Lysandra antwortete mit einem knaooen Nicken. Narcissa, nach wie vor entspannt sitzend, legte einen Finger an die Lippen und betrachtete die Sklavin nachdenklich dabei, wie sie mit der Bürste durch ihre Locken glitt.
    „Weißt du, dass es absolut keinen Sinn macht, dass ausgerechnet du mir das anträgst...?“ Eine leise Röte überzog Lysandras Wangen – abermals nickte sie. Sie selbst war ja nichts anderes als eine Sklavin. Der Gedanke jagte ihr selbst nach all den Jahren noch einen Schauer durch den Körper. Nein, sie hatte es gut getroffen. Die Schwestern waren für sie wie Töchter.
    „Du bestreitest es nicht?“ Sie sah mit großen Augen auf. Eine belustigte Linie verzog Narcissas Mundwinkel zu einem Lächeln.
    „Warum sollte ich?“, erwiderte sie ruhig „Ich meine damit nicht, dass ich mit ihnen „zu freundlich“ umgehe und daran irgendetwas ändern müsste...Wenn sie freundlich zu mir sind, bin ich es auch. Und ich finde jeder hat Respekt verdient....“ Ein leidender Ausdruck trat in Lysandras Augen.
    „Natürlich sollst du freundlich zu ihnen sein, domina...“ erklärte sie sich. „Aber sie...ich glaube, du pflegst eine zu freundschaftliche Beziehung mit einigen von ihnen...“
    „Du meinst zum Beispiel mit dir?“, unterbrach Narcissa und hob prüfend eine Braue. Es war kein Geheimnis, dass sich Lysandra viel erlauben konnte. Der Einwand brachte die Leibsklavin jedoch nicht aus der Ruhe. Unbeirrt sprach sie weiter: „Ich meine damit etwa die kleine Marei....“ Narcissas Gesicht verfinsterte sich, die Heiterkeit wich aus ihren Zügen....Hier hatte die Sklavin einen wunden Punkt getroffen. Sie wusste selbst, dass sie dem Mädchen womöglich zu viel zugestand. Dennoch: „Ich wüsste nicht, weshalb ich an dem Umgang mit ihr etwas ändern sollte...“
    „Sie ist eine Sklavin.“
    „Sie ist ein kleines Mädchen“, hielt Narcissa trotzig entgegen.
    „Sie ist domina Septimas Sklavenmädchen...“
    Narcissas Lippen wurden zu schmalen Strichen. Lysandra hatte Recht und sie wusste, dass es Narcissa wusste. Sie mochte das Mädchen einfach zu gern. Und sie mochte Cimon und die Freigelassene – Siv - , die nun doch die Villa mitsamt ihres kleinen Sohnes verlassen hatte.
    „Ich werde nichts ändern...“, Es war das letzte Wort, gesprochen, wie es nur Herren taten. „Ich wollte es dir nur sagen, dass es mir aufgefallen ist. Und wenn es mir auffällt, dann fällt es auch anderen auf und den mag das vielleicht nicht so zusagen." Narcissa biss sich auf die Lippen und schluckte eine scharfe Entgegnung hinunter – „Mir ist es bei den Göttern noch mal egal, was „den anderen“ zusagt und was nicht“...Das stimmte natürlich nicht. Das wusste sie selbst. Es konnte ihr gar nicht egal sein. Was nützte es ihr da, es sich einzureden.


    Einige Augenblicke lang versank der Raum in eisiges Schweigen. Selbst die Luft schien kälter geworden zu sein. Lysandra zögerte abermals, ihre domina anzusprechen. Vor allem da diese jetzt in keiner sonderlich guten Laune war. Aber schließlich hatte sie auch nicht erwartet, dass Narcissa ihre Kritik mit Freudentaumel aufnehmen würde.
    „domina...es gibt da noch etwas, worüber ich mit dir sprechen muss...“, setzte sie vorsichtig an.
    „Was ist es dieses Mal?“, erwiderte Narcissa, legte den Finger an die Lippen und tat so, also würde sie angestrengt nachdenke. Mit einem scharfen Blick zurück zu der Spiegel-Lysandra, meinte sie....“Lass mich raten, ich kleide mich nicht angemessen?“ Im nächsten Moment tat es der jungen Aurelia aber schon wieder Leid, dass sie die Sklavin so angefahren hatte. Sie wusste ja, dass Lysandra es nicht böse meinte. Sie wollte nur verhindern, dass sie, Narcissa, unnötig Ärger bekam.
    „Was ist es?“, schob sie sanfter nach.
    „Es geht um deine Schwester...“, antwortete Lysandra bedrückt reserviert. Wieder veränderte sich Narcissas Gesicht. Ein besorgter Ausdruck, machte sich darauf breit und sie richtete sich, die Hände auf die Armlehnen gelehnt, etwas in ihrem Korb auf.
    „Was ist mit ihr?“, fragte sie alarmiert. Was hatte sie nicht mitbekommen.
    „Du kannst dich beruhigen, domina...Es ist alles mit ihr in Ordnung...“, versicherte Lysandra hastig. Die Schwestern waren sehr empfindlich wenn es um die jeweils andere ging, sehr leicht aus der Ruhe zu bringen.
    „Ich habe nur den Eindruck, dass etwas sie in letzter Zeit beschäftigt...Sie ist so oft in Gedanken versunken und lächelt nicht so oft, wie sie es sonst immer tat...“
    Tatsächlich entspannte sich Narcissa wieder und ließ sich zurücksinken.
    „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen...“, nickte sie. Natürlich hatte auch sie es gemerkt, mehr noch, sogar gespürt, wie sie auf geheimnisvolle Weise immer wusste, wie es ihrer Schwester ging. Es war wie ein unsichtbares Band. Sie spürte instinktiv, wenn Flora sie brauchte. In letzter Zeit schien es aber, als sei ihr Zwilling auch ihr gegenüber weitaus verschlossener als sonst. Und Narcissa konnte einfach nicht erahnen, woran das lag. Lysandra legte die Bürste zurück auf die Kommode.
    „Vielleicht solltest du einmal mit ihr sprechen...“, schlug Lysandra vor. Wer konnte einem Zwilling besser helfen, als der andere Zwilling?
    Narcissa nickte, in Gedanken vertieft. „Ja, das sollte ich vielleicht...“
    „Brauchst du noch etwas, domina?“, Die Aurelia schreckte auf.
    „Was?... – hmm, nein. Du kannst gehen...“ Lysandra nickte, strich ihr noch ein letztes Mal über das Haar und verließ leise das Zimmer. Zurück blieb Narcissa. Grüne, nachdenkliche Augen blickten ihr aus einem zarten, jugendlichen Gesicht entgegen....

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