cubiculum SAL | Planänderung

  • Dieser verdammte Idiot! Dieser verdammte, feige Idiot! Sextus stand da, nackt, an den Fensterrahmen gelehnt, und schaute hinaus in die Dunkelheit. In einer Hand hielt er einen Becher Wein, nur leidlich verdünnt, die andere lag auf dem kühlen Stein. Hinter ihm brannte nur eine einzelne Lampe, deren Licht nicht bis zu ihm herüber reichte.
    Er hörte hinter sich das Atmen der Sklavin, die noch auf seinem Bett lag. Dieses ängstliche Keuchen, erstickt in dem verzweifelten Versuch, möglichst leise und unauffällig zu sein, als würde er vergessen, dass sie da war, wenn sie nur still genug war. Er hatte noch ihren Geruch in der Nase, sein Körper dampfte noch die Beschäftigung der letzten Stunden aus. Es war nicht zärtlich gewesen, und nicht sehr erfüllend. Er hatte nur einen Weg gebraucht, sich abzureagieren. Macht auszuüben. Aber wirklich zufrieden war er nicht.
    Warum nur musste das ausgerechnet jetzt passieren? So kurz, bevor die Wahl anstand! Hatten die beiden nichts besseres zu tun gehabt? Celerina, diese verführerische Hexe. Anstatt, dass sie sich irgendwo ein schönes Bordell sucht und sich dort vorzugsweise mit ihm des Ehebruchs schuldig gemacht hatte, hatte sie geweihten Boden nutzen müssen. Wobei noch nicht feststand, was dort nun eigentlich genau passiert war, aber das war Sextus auch völlig gleichgültig. Entscheidend war nur, dass sie sich umgebracht hatte, und ihre Sklaven hatten es ihr gleich getan. Auch noch im Haus seines Patrons! Als wäre die Tatsache, dass sie es getan hatte, nicht schlimm genug! Man musste kein Genie sein, um zu sehen, dass es mit dem Nemoralienvorfall zusammenhing. Sie war dort gewesen, das stand fest. Und danach war sie zum Pontifex pro magistro gebracht worden. Das wussten zumindest die Personen hier im Haus. Allzu große Gehirnwindungen musste man da nicht anstrengen, um Schlüsse zu ziehen. Und DAS war etwas, das absolut nicht ging. Nicht vor der Wahl.
    Vielleicht, wenn sein Patron und das Collegium Pontificium mitspielten, konnte man es so darstellen, dass sie einfach von dieser rasenden Rinderherde getroffen worden war und dabei verstorben war. Das mit dem Tiberier wusste kaum einer. Das konnte man hinbiegen. Das würde gehen, und wenn dafür etwas Geld zu fließen hatte. Aber es durfte ganz sicher NICHT bekannt werden, dass Celerina irgendwie in den Vorfall verwickelt war. Schon zweimal nicht, da er sich jüngst mit Nigrina verlobt hatte. Er konnte niemanden aus der Familie einer Frevlerin heiraten. Das wäre Gift für seine Reputation.


    Aber das war nicht das eigentliche Problem. Das konnte man hinbekommen. Das Problem war Corvinus. Musste der sich umbringen? Wieso? Wegen einem Weib, das ihm Hörner aufgesetzt hatte? Wegen des Skandals? Das war lächerlich! Absolut lächerlich! Der Mann war Senator, war Ädil gewesen, war Pontifex. Warum bei Plutos haarigen Eiern hatte er es für nötig befunden, sich umzubringen? Man sollte ein wenig Durchsetzungsvermögen von jemandem in seiner Position erwarten können, aber nein. Anstatt das ganze wie ein Mann zu regeln und an den richtigen Stellen Drohungen sprechen zu lassen, wo Bestechungen nicht wirkten, musste er ihm die Wahl versauen!
    Und mehr noch, sein Tod vereitelte auch noch weitere Pläne. War ja nicht so, dass er Corvinus für gar nichts gebraucht hätte. Für eine Sache hatte er ihn sogar ganz konkret gebraucht, und diese hieß Prisca. Wenn jetzt Ursus ihr Tutor wurde, war seine schöne Abmachung bezüglich eines Gefallens hinfällig. Außer aber, sein Vetter war so großzügig, ihr doch noch eine Heiratserlaubnis zu erteilen, dann könnte er unter Umständen das ganze so darstellen, als sei das auf seinem Mist gewachsen. Dass er mit Corvinus gesprochen hatte, das war ja offenkundig gewesen. Das würde auch Prisca wissen. Nur waren dann ja diese prügelnden Inventarträger hereingeplatzt, denen Sextus, wäre es nach ihm gegangen, die Haut in Streifen hätte abziehen lassen.


    Er nahm noch einen kräftigen Schluck Wein. Sein Kopf wurde langsam schwerer davon, nur seine Wut linderte das Getränk nicht. Er musste etwas tun. Verdammt, er konnte jetzt nicht untätig herumsitzen. Schon zweimal nicht, wenn jede verschwendete Minute gegen ihn arbeitete. Er hasste es, keine Kontrolle zu haben. Er hasste es, wenn seine Pläne nicht funktionierten.
    “Bring mir was zu schreiben“ meinte er düster, ohne sich nach dem Mädchen umzudrehen. Er hörte ein kurzes Rascheln der Decke, als sie sich erschreckt kurz bewegte, dann aber Stille. Kein Tappsen von Füßen auf dme Boden, keine Bestätigung. “Na, wird’s bald?“ drehte er sich um und warf den mittlerweile leeren Weinbecher nach ihr, der sie am Arm traf, als sie aus dem Bett aufsprang. Eilig schnappte sie sich ihre Tunika und streifte sie über, um mit hastigen Schritten das Gemach zu verlassen. “Und bring frische Laken mit!“ rief er ihr noch unerfreut hinterher, ehe er sich wieder der Dunkelheit vor dem Fenster zuwandte. Er würde Ursus schreiben müssen. Nein, mehr noch, einen Boten schicken, gleich noch heute Nacht. Er brauchte jetzt hier einen starken Fürsprecher mit der Macht, das alles zu vertuschen, und vorzugsweise jemand aus der Familie, der kein Vermögen kosten würde.

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