Ankunft nach langer Zeit...

  • Über der tylusischen Botschaft, einst war sie eines der prächtigsten Gebäude hier im Zentrum der blühenden Handelsmetropole Roms, in Ostia, hatte sich ein grauer Schleier aus Ranken und Dornenbüschen gelegt. Wie in einem Märchen lag das Gebäude da, verschlafen und verwunschen und einem tapferen Ritter gleich bahnte ich mir meinen Weg in das Innere des Gemäuer. Der Verwaltungsbetrieb lief noch, aber der alte Glanz, der ihn umgab, bröckelte.
    An der Hausfassade fehlten ganze Stellen, sie waren heruntergefallen. Das Gras wucherte an den Rändern. Man würde einen Handwerker mit den fälligen Renovierungsarbeiten beauftragen. Der alte Botschafter war vor drei Jahren abgezogen und mit Meriten und Ehren in den Ruhestand geschickt worden. Er hatte die Stellung gehalten und war ein zuverlässiger Diener seines Herrn, dem König von Tylus, gewesen. Der Neue war ein Jüngling, ein Karrierist, Sohn eines Oligarchen aus Rifa, der sich um das Amt beworben hatte und nun im Namen des Königs Händler und Bittsteller, die mit der tylusischen Botschaft in Kontakt traten, versorgte. Er hatte wenig Sinn für Ordnung und Disziplin und feierte viel.


    Ioshua Immanuel ben David, königlicher Bezirksverwalter Madinat Hamads und einer der Stadtoberen Alexandrias war mit der Sänfte vom Hafen aus hier angekommen. Er hatte - für seine Verhältnisse - deutlich abgenommen. Zwar umspann ihn noch immer ein Erfurcht ehrbietender Bauchumfang, aber die Spannung hatte merklich nachgelassen. Schuld waren die Ärzte, ein unmerkliches Leiden der Leber und eine Kur in Südgallien. Jeden Tag hatte er sich angestellt in langen Reihen, nur mit einem einfachen Becher aus Ton geschmückt, um von den angeblichen Heilquellen zu trinken. Er schluckte das salzige Gesöff mit einem Würgen hinunter und weichte den Rest mit einem Stück trockenes Brot auf, das er hinterher schluckte. Nach vier Wochen hatte er sichtbar an Gewicht verloren, insbesondere im Gesicht, aber auch um die Hüfte gingen wenige Centimeter verlustig.


    Energisch und voller Tatendrang sprang er aus der Sänfte und marschierte auf das einst so mächtige Praetorium zu. Drinnen suchte er den Botschafter und hoffte ihn, bald zu finden.

  • Der Botschafter, der Ioshua an Lebensjahren mindestens 20 unterlag, hatte sich im hinteren Teil des Gebäudes aufgehalten, im sogenannten hortus. Das Gebäude war nach griechisch-römischer Tradition gebaut worden, jedoch um einiges stattlicher und repräsentativer als die Villen reicher Römer auf dem Palatin, Aventin oder Esquilin. Die Präsenz des tylusischen König hier bei Rom in Ostia sollte von dem Glanz und dem Reichtum des tylusischen Königs zeugen. Als multikulturelles Handelszentrum war das Gebäude darüberhinaus offener und einladener als die sich vor der Öffentlichkeit ins Private abgeschotteten reichen Patriziervillen Roms.


    Der Botschafter vergnügte sich offenbar gerade mit zwei africanischen Schönheiten, unverfänglich, aber mit deutlichen Absichten und hatte wenig Sinn für die Amtspflichten eines Botschafters. Wozu auch? Der Verwaltungsapparat des Praetoriums, die Scribae und Grammatei wuselten durch die Officia und erledigten die gewohnten Arbeiten zuverlässig. Als Botschafter war es ohnehin nur seine Aufgabe, zu repräsentieren, dabei gelegentlich zu winken und adrett zu wirken. Er sah sich mehr als ein Ersatz-König, hier im fernen Ostia, weniger als eben jener Stellvertreter.


    Ioshua ben David, ein Mensch, aus dem die Philosophie des Alternden entsprang, machte sich mit einem dezenten Räuspern bemerkbar. Der Botschafter richtete sich überrascht und überhastet sofort auf. Sein Kleid war verrutscht und mit einer raschen Armbewegung korrigierte er befehlsmäßig sein Äußeres. Die beiden schwarzen Schönheiten, die außer einer knappen Seidentunika, bei der der einen die linke Brust aus dem Ausschnitt hervorguckte, nicht viel trugen, sahen überraschend unschuldig, beinahe so als hätte man sie bei etwas Unanständiges ertappt und wollte sie dafür nun züchtigen.
    Der Botschafter rappelte sich indes auf. Er trat auf Ioshua, den nicht mehr ganz so fetten Tylusier, zu, den er schnell erkannte und begrüßten ihn jovial.


    "Mein lieber Ioshua ben David Hraluch! Ihr überrascht mich mit eurem Kommen!"


    Dabei setzte er ein scheiß-freundliches Lächeln auf und machte eine große Geste mit den Armen, um den Weitgereisten zu begrüßen.


    Ich ließ dieses Schauspiel über mich ergehen und ignorierte, was gerade vorgefallen war und die beiden namenlosen Schönheiten, die sich aus ihrer lasziven Pose nun aufrecht hingesetzt hatten und anfingen miteinander zu reden.


    "Ich komme, um Dir mitzuteilen, daß ich einige Tage in Ostia verweilen werde. Bietet die Botschaft noch immer Platz zur Unterkunft?"


    "Aber gewiss, gewiss" beteuerte der Botschafter. "Meum Casa, Casa tua" fügte der Botschafter in grauenhaften Latein hinzu. Er sprach einen ungenügenden Dialekt. Er hasste diesen Typen, dieser unterwürfige Habitus war ihm ein Greuel, der Mann war ein Bückling.


    Sicher konnte sich Ioshua, wenn er etwas verkaufte, sich hier und da auch gut auf sein Gegenüber einstellen, um ihm die neusten Waren schmackhaft zu machen, aber da ging es ums Geschäft, hier um eine persönliche Lebenseinstellung und die Art wie dieser junge Mensch ein hintergründiges, doppelzüngiges Spiel spielte, behagte ihm gar nicht. Seit wann war er eigentlich so "tugendhaft" geworden? Hatte es ihn denn früher interessiert wie sich Gemeine in seiner Gegenwart verhielten. Er, Ioshua Immanuel ben David Hraluch, Sohn des David, aus dem auserwählten Volk Gottes, seit langen Jahren nun in Diensten des tylusischen Königs, er war doch kein Kostverächter. Dieser junge Mann hatte offensichtlich das Bedürfnis, sich bei ihm lieb Kind zu machen, ja sich ihm zu unterwerfen. Das gefiel dem greisen Ioshua, warum sollte er das abstreiten? Er würde diesen jungen Botschafter noch mehr für seine Zwecke einspannen, dessen angebliche Unterwürfigkeit ausnutzen und ihn für sich arbeiten lassen. Ioshua lächelte.

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