Was uns am Herzen liegt ...

  • An einem sonnigen Tag in den Iden des Aprilis führten ihre Schritte die Aurelia an die Stufen jenes Tempels, welcher der Höchsten aller Göttinnen geweiht war. Begleitet wurde sie von ihrer Leibsklavin, zwei Flötenspielern, drei Opferdienern und dem Opfertier - einer weißen Kuh, der man einen hübschen Blütenkranz mit vielen bunten Bändchen daran auf den Kopf gesetzt hatte. Treuherzig stapfte die sanftmütige Kuh ihrem Schicksal entgegen, während ihre dunklen Augen scheinbar gelassen das bunte Treiben und den Altar musterten, auf dem sie bald ihr Ende finden sollte. Nur ab und an wedelte das Tier mit den Ohren und dem Schwanz, um die lästigen Bändchen abzuschütteln, was ihm aber nicht gelang und worauf es seinen Unmut ab und zu mit einem lauten "Muuuh!" der Öffentlichkeit kund tat.


    Für Prisca war dies ein gutes Omen, ein so ruhiges Tier gefunden zu haben das selbst im Angesicht seines nahenden Todes gelassen blieb (wobei es mit Sicherheit nicht ahnte, was ihm bevor stand). Sie selbst war da schon viel aufgeregter und gleichzeitig wiederum frohen Mutes der höchsten Göttin heute gegenüber zu treten. Schließlich lag ihr schon lange etwas sehr am Herzen und entsprechend groß und schön sollte das Opfer für Iuno ausfallen. Doch vor dem eigentlichen Opfer galt es im Tempel die mitgebrachten Gaben darzubringen und deshalb wusch die Aurelia am Eingang ihre Hände und Füße, ehe sie das Innere des Tempels betrat. Sie trug an diesem Tag im übrigen ein schlichtes blütenweißes Gewand und die Haare offen, in die lediglich ein paar Blüten eingeflochten waren. Auf Schmuck und sonstigen Prunk hatte die Aurelia ebenfalls bewusst verzichtet, um der höchsten Göttin in aller Demut gegenüber zu treten.


    Vor einer der Statuen der Iuno ließ Prisca sich ehrfürchtig auf die Knie nieder, streckte Arme zur Seite und die Handflächen nach oben während sie leise ihre Begrüßungsformel sprach: "Sei gegrüßt, Iuno, allmächtige Mutter. Mutter allen Lebens, Glücksschenkerin und Beschützerin unseres Volkes. Oh heilige Iuno, sei gnädig und sieh auf mich herab, die ich heute demütig um deinen Segen bitte." Zusammen mit den letzten Worten wandte sich die Aurelia langsam nach rechts, wo sich ihre Leibsklavin niedergelassen hatte und ließ sich von ihr der Reihe nach die Gaben reichen, welche in einem großen Weidenkorb verstaut worden waren.


    Zuerst entzündete Prisca in einer Schale den Weihrauch, worauf es angenehm zu duften begann und als nächstes streute sie weiße Orchideenblüten auf dem Boden aus. "Sieh, heilige Mutter, diese Geschenke bringe ich dir, auf das du dich an ihnen erfreuen mögest.", pries die Aurelia die edlen Gaben an in der Hoffnung, die Göttin damit milde stimmen zu können. Dinkelkuchen, edlen Wein, frisches Obst, teure Gewürze und weitere Köstlichkeiten, die Prisca sorgfältig vor dem Antlitz der Statue ausbreitete, um anschließend einige Momente lang stumm und mit geschlossenen Augen zu verharren.

  • Nach einigen Minuten des Schweigens hielt Prisca den Zeitpunkt für gekommen, um ihre Bitte vorzutragen: "Iuno, du höchste aller Göttinnen, gewähre mir diese eine Bitte, ..."holte sie tief Luft, denn es lag ihr wirklich viel daran, dass ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung ginge. Die Aurelia führte ein unbeschwertes Leben, sie war reich und … sie hatte einen Mann gefunden, den sie liebte und der sie liebte und deshalb: "Segne meinen Leib, auf das ich meinem Mann starke und gesunde Söhne schenken möge. Er soll stolz auf mich sein und vielleicht … naja, vielleicht würde er sich auch über eine süße kleine Tochter freuen, so wie ich" eine ganze Schar Kinder zu gebären und das womöglich unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit … niemals hätte Prisca gedacht, dass ihr dieser Wunsch so leicht und mit einem versonnenen Lächeln über die Lippen kommen würde.


    Aber es war nun mal ihre Pflicht als gute Ehefrau und Römerin und deshalb hoffte Prisca auf den Segen der höchsten Göttin, der sie nun ein weiteres Opfer darbringen wollte. "Ehrwürdige Iuno, ich bitte dich nimm diese Geschenke und mein Opfer an das ich dir zu Ehren begehe. Sieh! Es ist ein Kuh, ein schönes und sanftmütiges Tier, dessen Bestimmung ich nun ganz in deine Händen lege." Nachdem sie ihre Bitte nun vorgetragen hatte stand Prisca auf, verneigte sich noch einmal und verließ den Tempel wieder, um auf dem Vorplatz das Opfer zu vollziehen.


    Die Sonne schien am diesen Tag von einem wolkenlosen und strahlend blauem Himmel herab und alle Vorzeichen ließen auf einen guten Ausgang des Opfers hoffen. Die Opferdiener hatten zwischenzeitlich die Kuh in Position gebracht, indem sie das Tier mit Seilen vor dem breiten Altar fixiert hatten. Der Kuh gefiel diese ungewohnte Position nicht sonderlich aber sie konnte auch nichts dagegen unternehmen. Also lag sie da und harrte der Dinge, die unweigerlich folgen würden.


    Prisca trat zu den Männern und grüßte mit einem leichten Nicken zum Zeichen, dass der Zeitpunkt gekommen war. "Hier bitte Herrin!", überreichte ihr einer der Männer den goldenen Zeremoniendolch, welcher sich schwer in den zarten Händen der Aurelia anfühlte. Prisca wog den Dolch kurz hin und her und schritt dabei langsam um den Alter herum. Beim Kopf der Kuh angekommen setzte sie Spitze des Dolches an der Nasenspitze an und ließ die Klinge sanft bis zum Schwanzende hin über das Fell gleiten. "Ehre sei Iuno, der höchsten und mächtigsten aller Göttinnen. Große Schöpferin und Mutter allen Lebens, nimm dieses Opfer an und lasse durch es dein heiliges Werk geschehen" Nachdem sie das Tier symbolisch entkleidet hatte, reichte sie den Dolch zurück an den victimarius, der heute dazu auserkoren war das Tier zu schlachten und trat danach ein paar Schritte zurück.


    Die übrigen Anwesenden taten es ihr nach, denn ein Sicherheitsabstand wäre gewiss nicht verkehrt wenn gleich das Blut spritzen würde. Je mehr desto besser - und deshalb hatte man extra eine große Schale aufgestellt, um möglichst viel davon aufzufangen. "Favete linguis", riefen die beiden Flötenspieler die Umstehenden nun zur Ruhe, wobei sie auf die zahllosen Hintergrundgeräusche der Stadt natürlich keinen Einfluss hatten. Also versuchten sie weiter mit ihrem Flötenspiel von den übrigen Geräuschen abzulenken, während der Schlächter konzentriert an die Kuh heran trat. Neben dem Kopf des Tieres ging er in Position und legte ihr seine Linke fast liebevoll tätschelnd an die Stirn. Nach einem kurzen prüfenden Blick entschied er sich kurzerhand den Opferhammer wegzulassen. Der Mann machte diese "Arbeit" im übrigen nicht zum ersten Mal und dementsprechend wusste er wie er ein Tier zu halten hatte, damit es sich nicht im entscheidenden Moment aus seinem Todesgriff entwand. So zahm und ergeben wie sich die Kuh selbst jetzt noch verhielt, hatte er allerdings keine Bedenken den Schnitt durch die Kehle schnell und präzise durchführen zu können. Der victimarius nickte zufrieden und richtete seinen Blick nunmehr abwartend auf die Aurelia …


    "Agone?"

  • *dideldididudiadidumdudida* Tilla summte die feinen Melodien der Flötenspieler im Kopf mit und bedauerte es einmal mehr, dass sie dieses Instrument immer noch nicht so gut genug beherrschte, um die Herrin damit zu erfreuen. Aus Respekt vor der massigen Kuh, die ihr gewaltig groß erschien und trotzdem brav wie ein Lamm war, ging Tilla hinter Prisca und trug derweil die Opfergaben in einem großen Weidenkorb. Sie konnte die flatternden bunten Bänder des Hörnerkranzes gut beobachten.


    Dann erreichten sie den Tempel. Tillas letzte Begegnung mit Tempeln und Göttern war nicht gerade nett ausgefallen. Von daher sah sie dem Aufsuchen und dem darauffolgenden Opfer skeptisch entgegen. Sie legte die Opfergaben beiseite, wusch sich Hände sowie Füße und wollte ihren Zopf öffnen. Doch die stoppelige Kurzhaarfrisur errinnerte sie daran, dass sie wegen Aurelia Flora keine langen Haare mehr trug. Rasch liess sie die Hand sinken und eilte dem Platz entgegen, der ihr vorab zugewiesen worden war.


    Geduldig wartete sie auf die Rückkehr ihrer Herrin und tat was sie tun musste. Sie hatte es sich erklären lassen müssen und erkannt wie wenig sie über diesen Teil im Alltag ihrer Herrin wusste. Tilla wusste nun ganz genau, weshalb sie hier waren: ihre Herrin betete darum, ein Kind von ihrem Mann zu bekommen. Die stumme Sklavin selber wollte kein Kind haben. Sie fühlte sich nicht reif genug und tat was sie konnte, um eine Schwangerschaft zu vermeiden. Der Weihrauch breitete sich aus. Die Gaben wurden von Prisca verteilt. Die Statue der Iuno betrachtend, bevor sie den Kopf senkte, wartete Tilla auf den nächsten Teil. Sie spitzte ihre Ohren sobald Prisca zu flüstern begann, konnte jedoch kaum etwas verstehen. Das Flüstern verstummte.


    Mit leeren Weidenkorb verliess Tilla hinter Prisca den Tempel und hielt sich in direkter Nähe von ihrer Herrin auf. Die massige Kuh würde gleich durch die Hand des Priesters sterben. Die Sklavin würde nicht hinschauen können, da sie den Anblick von Blut seit der brutalen Bestrafung, dass hiess der Wegnahme ihrer Stimme, nicht ertragen konnte. Den Korb fest im Griff wartete die stumme Sklavin auf den schaurigen Moment und hoffte darauf, dass ihre Knie nicht weich werden würden. Womit konnte sie sich ablenken? Am besten mit dem Gedanken, dass die Opferung der Kuh samt Organlesung klappte und dadurch die Wünsche ihrer Herrin erfüllt wurden.

  • Die Frage des victimarius riss Prisca aus ihren Gedanken, in die sie nur Sekunden versunken gewesen war. Ob das Opfer angenommen wird? Wann werde ich es fühlen können, dass mein sehnlichster Wunsch in Erfüllung geht - Oder auch nicht? So vieles beschäftigte die Aurelia in diesem Moment da es allein an ihr lag das Opfer zu vollziehen.


    Priscas Blick glitt flüchtig über die Anwesenden, deren Augenpaare wiederum auf ihr ruhten und nach einem tiefen Atemzug gab sie schließlich den entscheidenden Befehl:


    "Age!"


    Kaum, dass sie den Befehl ausgesprochen hatte war es um die Kuh auch schon geschehen. Der Opferdiener packte das Tier am Hals und schnitt ihm mit einer schnellen und fließenden Bewegung die Kehle durch. Ein letztes Aufbäumen, ein Zucken und Gurgeln, dann sank die Kuh tot in sich zusammen. Das Blut quoll nur so hervor aus der tiefen Wunde und benetzte alles in der Nähe stehende. Die Opferschale, den weißen Marmor des Altars, die Schürze des Schlächters und vieles mehr … sicher kein schöner (wenngleich ein gewohnter) Anblick für einen Römer, den Prisca entsprechend mit ausdrucksloser Miene wahr nahm. Sie wusste wie Blut aussah und sie hatte auch schon genügend Blutvergießen mit angesehen … im Kollosseum … wie könnte sie da der Tod eines einfaches Tieres beeindrucken?! Es zählte ohnehin nur das Ergebnis der Eingeweideschau, die just in dem Moment vollzogen wurde, kurz nachdem der Opferdiener die Bauchdecke des toten Tieres mit geschickten Schnitten geöffnet hatte. ...

  • Was für ein Jammer wegen der schönen Kuh, doch die Göttin war gar nicht zugegen. Eigentlich wusste keiner, wo die Göttin war, nicht einmal ihr Göttergatte.


    Daher konnte das Opfer auch nicht angenommen werden.

  • Zitat

    Original von IUNO
    Iuno blickte interessiert auf die Sterbliche. Wofür wohl der Segen gebraucht würde?


    Zitat

    Original von IUNO
    Was für ein Jammer wegen der schönen Kuh, doch die Göttin war gar nicht zugegen. Eigentlich wusste keiner, wo die Göttin war, nicht einmal ihr Göttergatte.


    Daher konnte das Opfer auch nicht angenommen werden.


    Mitunter schien es den Göttern zu gefallen mit den Sterblichen zu spielen oder sie gar zu strafen. Das glaubten zumindest die Menschen, wann immer ihre Gebete nicht erhört wurden oder das Gegenteil von dem geschah, was sie sich wünschten. Wie sonst sollten die Menschen darauf reagieren, wider des besseren Wissens, dass es jene Göttergestalten nur ihn ihren blumigen Phantasien gäbe. Prisca bildete da keine Ausnahme und ihr sehnlichster Wunsch war es, dass ihr Opfer von Iuno angenommen würde. Doch so rein und makellos die weiße Kuh auch von außen gewirkt hatte, so schwarz und verdorben stellten sich bei der Beschau ihre Innereien heraus. Der Opfermeister erkannte sofort die Krankheit, von der das Tier befallen war, jetzt, da er in den Eingeweiden herum wühlte und so wandte er sich kurz darauf der Aurelia zu und schüttelte nur mit bedauernder Miene den Kopf. "Kein gutes Zeichen, Herrin …"


    Mehr brauchte er nicht zu sagen, schon wussten alle Bescheid. Das Flötenspiel endete abrupt mit ein paar Missklängen und ein enttäuschtes Raunen ging durch die Reihen der Anwesenden. Im Gegensatz zu diesen profanen Reaktionen wirkte Prisca jedoch gefasst, auch wenn es hinter ihrer versteinerten Miene brodelte. WAS??? Mein Opfer wurde nicht angenommen? Aber wie kann das sein? Kaum zu glauben. Die Gaben und die Kuh waren doch sehr sorgfältig ausgewählt worden?! Wieso? Wieso zürnt die Göttin mir? Was habe ich ihr getan? Habe ich mich nicht so verhalten, wie es sich für eine gute römische Ehefrau ziemt? Habe ich mich meinem Mann nicht leidenschaftlich genug hingegeben, oder warum glaubte ich bereits etwas unter meinem Herzen zu spüren?Die Aurelia verstand die Welt nicht mehr und so stand sie da und haderte mit ausdrucksloser Miene im stillen, mit sich und der übrigen Welt ...


    Na gut, dann werde ich mich eben noch mehr bemühen. Und schließlich ist es ja nicht so, dass ich keinen Spaß daran habe mit meinem Mann zu schlafen! "So sei es denn der Wille der Göttin!", erklang es schließlich gepresst aus dem Mund der Aurelia, ehe sie sich abwandte und den Tempel verließ, ohne einen weiteren Blick auf das zerfleischte Opfertier zu werfen. Auf diesen Schreck hin brauchte sie erst einmal Zerstreuung und diese würde sie hoffentlich auf den Märkten finden, wo sie gedachte das Dreifache … besser noch das Fünffache vom dem auszugeben, was diese blöde Kuh da gekostet hatte.


    ~tbc~


    [SIZE=7]SimOff: Edit = Link eingefügt[/SIZE]

  • Tilla vernahm die Nachricht des Priesters und brauchte einen ganzen Moment, um zu verstehen, was dies bedeutete oder was da eben geschehen war. Sie drehte sich nach ihrer Herrin um, die derweil davon ging und betrachtete die herumstehenden miteinander flüsternden Menschen. Das Opfer war ganz und gar nicht gut ausgegangen. Ihre Herrin war erzürnt.


    Die junge Sklavin konnte sie verstehen. Allein die Kuh hatte sehr viele Münzen gekostet, welche sie nie wieder zurück kriegen würde. Nur der Händler hatte einen Vorteil gewonnen. Mannomann, hatte die Göttin Iuno einen schlechten Tag oder schlechte Laune? Im Gegensatz zu ihrem damaligen Tempelbesuch hatte Prisca wenigstens eine Antwort erhalten. Tilla riss sich aus ihrer Erstarrung und folgte Prisca mit einem dumpfen Gefühl im Magen. So schön das Opfer begonnen hatte so schlimm war es ausgegangen.. welch ein Gegensatz!

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