[Officium IX] Procurator Civitatium

  • OFFICIVM IX
    PROCVRATOR CIVITATIVM


    Das Arbeitszimmer des Procurator Civitatium liegt nicht weit vom Officium des Princeps Praetorii entfernt. Ein Schreibtisch aus dunklem Holz zieht sofort den Blick des Eintretenden auf sich. Davor befinden sich zwei Stühle für Besucher, dahinter einer für den Procurator Civitatium. Am Fenster findet sich zudem ein Schreibpult, an dem man im Stehen Notizen machen oder Abschriften anfertigen lassen kann. An den freien Wänden reihen sich zum größten Teil mit Wachstafeln oder Schriftrollen zugepflasterte Regale. Sonnenlicht fällt durch ein großzügiges Fenster, das im Winter auch durch Fensterläden und schwere Vorhänge gegen die Kälte verschlossen werden kann.

  • Sermo hatte sich nach seiner Provinzreise nur wenig Ruhe gegönnt. Bereits am folgenden Tag fanden die Schreiber ihn in seinem Officium vor, wo er Issa seinen Bericht diktierte.


    Bericht des Procurator Civitatium über die Umsetzung der Provinzreform für Germania Superior


    Die Provinzreform konnte im Allgemeinen erfolgreich umgesetzt werden. Die Stadtverwaltungen haben mit Freuden die Ausarbeitung von Leges Civitates auf sich genommen, die auch zu weiten Teilen den Bestimmungen der Lex Provincialis entsprechen.


    Mit Princeps Praetorii Domitius Massula und Duumvir Mogontiaci Duccius Marsus konnten die Kompetenzen der ehemaligen Regionalverwaltung und ihrer untergliederten Behörden zügig und größtenteils unkompliziert auf die Städte aufgeteilt werden. Lediglich hinsichtlich der Verteilung der Arbeitskräfte, die den geschlossenen Abteilungen der Regionalverwaltung entstammen, offenbarten sich gewisse Problematiken.
    Es stellte sich heraus, dass die Anzahl der Aquarii und Agrimensores die nun in den Civitates anfallenden Stellen zahlenmäßig nicht abdecken können. Die Ausbildung neuer Fachkräfte auf dem Gebiet der Landvermessung und der Wasserversorgung wird dementsprechend noch einige Zeit auf intensivem Niveau andauern müssen, bis sämtliche Gemeinden mit einer ausreichenden Beamtenzahl ausgestattet ist, die einen reibungslosen Ablauf in diesem Gebiet zu gewährleisten.
    Der benötigte Zeitraum wird auf mindestens zwei bis maximal vier Jahre erwägt.


    Im Übrigen begab ich mich auf eine Reise durch die Provinz, um einen Einblick in die vielen größeren Gemeinden des Territoriums Germania Superior zu erhalten. Dabei fanden die Mißstände in Confluentes ein Ende. Über die Gemeinden südlich von Mogontiacum entlang des Rhenus bis hinauf zu Argentoratum ist nichts außergewöhnliches zu berichten. Borbetomagus leidet immer noch unter den Auswirkungen des niedergeschlagenen Aufstandes, wobei die Honoratioren die Provinzreform jedoch positiv aufgenommen haben. Weiter südlich bis Augusta Raurica ist eine starke Steigung des wirtschaftlichen Niveaus zu beobachten. Das ist natürlich auf das überdurschnittliche Wachstum Augusta Rauricas zurückzuführen, deren Gemeinderat gut organisiert und sehr wohlhabend ist und dementsprechend auch in der Vergangenheit bereits einer gewissen Korruptionsgefahr unterlag. Es wird hier eine verstärkte Kontrolle einzuhalten sein.
    Des weiteren ist auch westlich und südlich von Augusta Raurica nichts weiter Außergewöhnlich problematisches festzustellen. Die Gemeinden sind entweder noch im Prozess der Satzungsformungen oder haben diesen bereits abgeschlossen. Letztlich wird eine zukünftige Untersuchung hinsichtlich der Entwicklung der Gemeindeverfassungen und deren praktischer Umsetzung weitere Einblicke sichern können.


    Als eine der ersten Civitates, die die Provinzreform und die neuen Bestimmungen der Lex Provincialis in die Praxis umgesetzt haben, sei Mogontiacum genannt. Hervorzuheben sei hier die Schnelligkeit und gleichzeitige Präzision, mit der der Ordo Decurionum die Reformen dem Imperator vorlegte. Beachtlich wirkt diese Leistung insbesondere im Lichte der Ermangelung eines höheren Stadtrechtes. So hat Mogontiacum doch lediglich den Status eines Vicus inne.




    I. QVINTILIVS SERMO
    PROCURATOR CIVITATIUM


    ANTE DIEM IV KAL IUL DCCCLXI A.U.C. (28.6.2011/108 n.Chr.)


    Als er geendet hatte, ließ er sich die Worte noch einmal vorlesen. "Ist gut," erklärte er und erhob sich. "Komm, wollen wir es dem Statthalter vorlegen. Mal sehen, was der zu sagen hat." Vielleicht kam es ja nicht einmal so weit, weil der Annaeus Sermo persönlich gar nicht sehen wollte. Konnte ihm auch erst einmal egal sein. Hauptsache er war diese Akte los.

  • Seit der Provinzreise hatte Sermo den Kopf nie richtig frei bekommen können. Zwar erreichten ihn auch jetzt regelmäßig Briefe der vielzähligen Civitates der Provinz, bei denen es sich in der Hauptsache um Rechtsfragen handelte. Es galt dementsprechend schlichtweg etliche - teilweise schon standardmäßig von den Schreibern vorgefertige - Gutachten zu erteilen, die Kompetenzen der Stadtverwaltungen oder der Provinzbeamten beleuchteten, Streitfälle ausgefallener Größenordnung - insbesondere Grundstücksstreitigkeiten - schlichten sollten, oder zur Errichtung einer Lex Civitatis beitrugen.


    In all der Zeit kehrten jedoch die verfluchten Kopf- und Fußschmerzen regelmäßig zurück. Der Medicus hatte keine Ursache feststellen können und hatte sich daher mittlerweile darauf beschränkt seinen Patienten mit Schmerzmitteln zu versorgen. Sermo hatte es immer noch nicht begriffen. Straften ihn die Götter? Oder war sein Geist so krank, dass ihm bereits der Schädel schmerzte? Dafür gab es allerdings keinerlei anzeichen. Der arme Quintilier verstand einfach nicht, welche Bewandnis es mit seinen Leiden hatte und konnte somit nichts weiter tun als die Symptome zu betäuben.


    Deshalb saß Sermo auch umso häufiger bereits früh morgens mit einer großen Karaffe verdünnten Weins bei der Arbeit. Das darf der objektive Beobachter selbstredend nicht so verstehen, als würde der Quintilier sich beim Tagewerk einen hinter die Binde kippen. Vielmehr kamen die achso lästigen Schmerzen gar nicht täglich vor. Sie traten dann und wann auf, wobei Sermo keinen logischen Grund dafür erkenenn konnte. Er war sich selbstverständlich nicht des Fluchs bewusst, den Caelyn ihm angehängt hatte. So konnte er nur immer hoffen, dass die Schmerzen bald wieder verflögen, sobald sie denn auftraten.

  • Am Tag nach seiner offiziellen Ernennung zum Procurator Civitatium war Witjon umgehend in der Regia erschienen um sein Officium aufzusuchen. Er ließ sich von einem Sklaven hinführen und betrat erwartungsvoll den Arbeitsraum, den er in Zukunft wohl täglich nutzen würde. Das Officium war nicht riesig, aber einem Eques Imperii durchaus angemessen. Witjon sah sich in Ruhe um. Ein breiter Schreibtisch aus dunklem Holz - Eiche vielleicht? - zog sofort den Blick des Eintretenden auf sich. Davor befanden sich zwei Stühle für Besucher, dahinter einer für den Procurator Civitatium. Am Fenster befand sich zudem ein Schreibpult, an dem man im Stehen Notizen machen oder Abschriften anfertigen lassen konnte. An den freien Wänden reihten sich zum größten Teil mit Wachstafeln oder Schriftrollen zugepflasterte Regale. Ja, hier konnte er wohl ganz gut arbeiten, dachte Witjon sich. Aber bevor er hier anfing sich die jüngsten Vorgänge in den Akten anzusehen, würde er wohl einen kleinen Antrittsbesuch beim Princeps Praetorii wagen. Der würde sich bestimmt freuen. So verließ er sein Officium bereits wieder nach wenigen Augenlicke und verschwand hinaus in die Gänge der Regia, die er in jungen Jahren bereits so oft als Scriba Provincialis durchquert hatte.


    • [*]Ausbildung von Agrimensores in Mogontiacum
      [*]Katasterkarten zur Steuererhebung
      [*]Quaestor zusammenstauchen...
      [*]Brief an Imperator: Lex Provincialis Germaniae Superioris erlassen - Massulas Aufgabe
      [*]Instandsetzung der Straßen: Massulas Berichte vergleichen mit eigenen Sichtungen
      [*]aufmerksames Auge auf Confluentes gerichtet halten?


    Witjon betrachtete die Wachstafel, auf der er einige der Arbeiten notiert hatte, die auf ihn warteten. Bald wandte er den Blick ab und sah zum Fenster. Draußen ging seit den ersten Morgenstunden dieses Tages ein ekelhafter Nieselregen auf die Civitas nieder und durchnässte alles und jeden. Wer keinen ordentlichen Umhang besaß oder dauerhaft unter einer Überdachung gehen konnte, hatte echt Pech.


    Boshaft grinsend trug Witjon seinem Scriba auf, den Quaestor von Mogontiacum vorzuladen. Sollte der sich doch im Regen in die Regia aufmachen. Es war eben sein Pech, dass sein Amtsvorgänger Mist verzapft hatte. Varius Celer würde das nun ausbaden müssen. Danach konnte Witjon sich immer noch um die Begutachtung der Provinzstraßen kümmern...wenn das Wetter wieder besser wurde.

  • http://imageshack.us/a/img710/4316/calvuskl.jpg Calvus ...
    legte dem Procurator die neu eingegangene Post aus Roma auf den Schreibtisch. "Domitius Massula meint, dass dich das interessieren könnte. Vor allem bei dem zweiten Brief, dem von Varenus meint Massula, dass er dich möglicherweise so sehr interssieren könnte, dass du dich ausgiegiger damit beschäftigen können würdest."



    Princeps Praetorii
    F. Domitius Massula

    Regia Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Provincia Germania Superior


    Aulus Agerius Primicerius a libellis
    F. Domitio Massulae s.d.


    im Namen des Imperators Caesar Appius Cornelius Palma Augustus möchten wir dir mitteilen, dass deine Glückwunsche vom Augustus mit Wohlwollen entgegengenommen wurden. Deine Befürchtung seitens seines Unwillens gegenüber die Provinz Germania Superior unbegründet ist. Er weiß um die Wichtigkeit deiner Provinz als Bollwerk gegen die Feinde aus dem Norden.


    Daher wird die Legio II Germanica in Kürze zu ihrem Heimatstandort abkommandiert. Andere Legionen und Hilfseinheiten haben bereits Rom verlassen. Die Legio II Germanica wird jedoch mit einem neuen Legatus Legionis ankommen. Senator H. Claudius Menecrates wurde mit Ehren ausgezeichnet und sein Kommando erfolgreich beendet. Er wird nach eigenen Angaben in Rom verweilen und sich dem Senat widmen.


    Des Weiteren haben Senator S. Aurelius Lupus und Senator T. Duccius Vala ihre Tribunate erfolgreich und mit Ehren beendet. Beide werden nach aktueller Erkenntnis in Rom verweilen. Senator T. Duccius Vala steht derzeit als Kandidat für das Amt als Aedilis Plebis fest.


    Der Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus wird zeitnah einen neuen Legatus Augusti pro Praetore ernennen.


    Im Auftrag


    Aulus Agerius
    ~~ Primicerius a libellis - Admistrationis Imperatoris ~~





    Princeps Praetorii
    F. Domitius Massula

    Regia Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Provincia Germania Superior


    T. Decimus Varenus Primicerius a rationibus
    F. Domitio Massulae s.d.


    Salve Domitius,


    die kaiserliche Finanzabteilung bittet dich nun um einen Finanzbericht. Der Bericht soll Folgendes enthalten:


    Nennung des jeweiligen Kassenbestands der Provincia Germania, der Stadt Mogontiacum, der Stadt Confluentes, alle weiteren größeren Städte und der Regio Germania Superior.


    Sim-Off:

    1210 Provincia Germania
    1218 Mogontiacum
    1228 Confluentes
    1250 Regio Germania Superior


    Wir erwarten deinen Bericht!


    Im Auftrag


    T. Decimus Varenus
    ~~ Primicerius a rationibus - Admistrationis Imperatoris ~~

  • "Na, wenn Massula das meint...", meinte Witjon und nahm schulterzuckend die Schreiben entgegen. "Was für'n Varenus?", schob er sogleich noch eine Frage nach, bevor er den Namen als dem Absender zugehörig erkannte und abwinkte: "Aaah, der Varenus. Endlich Post von der Kanzlei, das ist ja schön zu sehen. Dann lass mal sehen..."


    Mal stirnrunzelnd, mal offensichtlich verblüfft überflog der Procurator Civitatium die Schreiben. Als er die Papyri sinken ließ, warf er Calvus einen grimmigen Blick zu. "Na klar, da kommt einmal Post von den Sesselpupsern in Rom und schon im Gepäck haben sie säckeweise Arbeit mitgeschickt." Etwas freundlicher sagte fügte er aber an: "Naja, immerhin sollen unsere Soldaten bald zurückkehren. Ist ja schonmal 'was. Inklusive neuem Legatus Legionis UND Legatus Augusti Pro Praetore. Mensch, kommt jetzt der große Umbruch?"


    Er merkte, dass er ein bisschen mehr mit sich selbst als mit dem Scriba quatschte und musste grinsen. "Äh, naja. Richte Massula bitte meinen Dank aus für's Informieren. Braucht er von mir irgendetwas wegen dieser Finanzberichte?"


    Nebenbei nahm Witjon mit Freuden zur Kenntnis, dass Vala offensichtlich auch nicht ohne Vorteile aus diesem Krieg hervorgegangen war, denn die Kanzlei hatte ihn auf dem Schirm und...moment...Kandidat für den Aedilis Plebis? Das hieß doch...Vala musste bereits zum Senator ernannt worden sein! Das war ja grandios! Irre! Der reine Wahnsinn! Witjon entgleisten kurz die Gesichtszüge, als er sich nochmal hastig das Schreiben schnappte und die entsprechende Zeile überflog. Als er sicher war, dass er das auch so gelesen hatte, wie er es verstanden hatte, grinste Witjon nur noch. So ein altes Schlitzohr. Vala hatte es tatsächlich endlich zum Senator gebracht. Wodan sei Dank!


    Dann fiel Witjon aber noch eine andere Sache auf, die ihn stutzen ließ. "Äh...ach, Calvus. Hast du das hier bemerkt?" Er deutete auf die Stelle im zweiten Schreiben. "Der Typ von der Kanzlei schreibt da etwas von der 'Regio' Germania Superior. Die gibt's aber schon längst nicht mehr. Vielleicht solltet ihr da nochmal genau nachhaken, was der wirklich hören will. Nicht, dass Massula sich am Ende zu viel Arbeit macht..."

  • http://imageshack.us/a/img710/4316/calvuskl.jpg Calvus ...
    schaute verlegen an die Decke: "Ja, Procurator, das ist genau der wunde Punkt. Domitius Massula ist deswegen sogar gleich aus der Haut gefahren. Wir machen uns Sorgen um ihn. Er ist ja normalerweise kein Choleriker, aber er hat uns gleich wie die Hunde ins Archiv gejagt und verstaubte, alte Akten raufholen lassen. Jetzt wühlt wie verrückt darin herum und brüllt endlos lange Flüche in einer fremden Sprache durch sein Officium. Vielleicht kannst du mal mit ihm reden."

  • Witjon hob neugierig die Augenbrauen. Massula, der sonst so gutmütige Brummel, hatte sich auf die Eiche respektive Palme bringen lassen. Von einem Kanzleifutzi! Beim Gedanken daran musste Witjon schmunzeln.


    "Na gut, ich komm' mal lieber mit 'rüber", gab Witjon nach und erhob sich ächzend von seinem Stuhl. "Nach dir", sagte er und schob den Scriba quasi aus seinem Officium, um den Princeps Praetorii zu besuchen.

  • Witjon hatte sich den Quaestor von Mogontiacum einbestellt. Es gab kritische Dinge zu besprechen, die die Civitas betrafen.


    "Willkommen, Quaestor Appius Icilius Cotta", begrüßte Witjon den Mann mit einem Handschlag. Es folgte das obligatorische Begrüßungsgeplänkel. Sitzplatz anbieten, Getränk anbieten, höflich Lächeln, Floskeln austauschen.


    "Wie ich dir geschrieben habe, geht es um Agrimensores. Und, das habe ich in meiner Notiz an dich vergessen, um Aquarii. Seit der Provinzreform ist kein einziger Agrimensor oder Aquarius in die Dienste der Civitas genommen worden. Warum? Wie arbeitet der zuständige Aedil überhaupt bei seinen Kontrollen der Kanalisation, der Aquaedukte und bei der Landvermessung, wenn er keine qualifizierten Angestellten hat?"

  • http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/e-roemer-maenner/31.jpg Appius Icilius Cotta war ein stolzer Mann. Er war als Parteigänger von Galeo Laetilius Fecenianus in den Ordo Decurionum gelangt. Das war nun aber schon einige Jahre her. Seitdem hatte er den civitalen Cursus Honorum durchlaufen, war sogar Duumvir gewesen und bekleidete nun das Amt des Quaestors.


    Und jetzt saß er hier, bei diesem unflätigen Kerl von einem Duccius, der sich Eques Imperii schimpfen durfte und als Procurator Civitatium auch noch die Aufsicht über die Civitates führte.


    "Der Aedil...", begann Cotta zögernd, stockte aber sogleich. Er kratzte sich unbehaglich am Ohr. "Das kann ich dir nicht sagen, fürchte ich. Vermutlich stellt er auf eigene Kasse Personal ein, Procurator." Woher sollte er auch wissen, wie die Aedile ihre Arbeit erledigten? Cotta hatte nur dafür zu sorgen, dass sich die Stadtkasse stetig füllte. Dass da niemand auf die Idee kam, auf seine Kosten Landvermesser einzustellen, kam ihm nur zugute.


    Und das sagte er auch: "Aber das geht mich auch nichts an. Solange Geld für die Zwecke der Civitas in meiner Kasse ist, interessieren mich die Ausgaben meiner Kollegen nicht."



  • "Aha", kommentierte Witjon das Gesagte lakonisch. Er sah den Aedil eindringlich an. "Und wieso glaubst du, ohne Agrimensores umfassend Steuern erheben zu können?"


    Sein Blick erhielt nun ein stark fragendes Element. "Denn ohne die richtigen Angaben über Grundbesitz kannst du wohl kaum die richtigen Beträge von den Leuten einfordern, meinst du nicht?" Witjon klang jetzt zwar ein wenig wie der Oberlehrer, aber dieser Icilius war ein Freund von Laetilius Fecenianus und allein deshalb konnte der Duccier ihn nicht so richtig leiden.


    "Zudem berichtete mir der Princeps Praetorii, dass die Abgüsse der Formae für Mogontiacum immer noch im Archiv der Regia herumliegen und Staub ansammeln. Ich verstehe gar nicht, wie deine Vorgänger überhaupt Steuern erheben konnten ohne diese Dinger..."

  • Man hatte uns zwar aus Roma ein bißchen Neues geschrieben, aber leider war es dabei geblieben. Auch den Klatschtanten Mogontiacums, die sich sonst über jeden warmen Wind aus Roma, den Händler gelegentlich in die Stadt trugen, die Mäuler zerrissen, war in den letzten Wochen der Stoff ausgegangen. Da fiel mir ein, dass Marsus ja Verwandte in Roma hatte und möglicherweise doch über aktuelleren Klatsch aus der Hauptstadt verfügen könnte. Ich ging hinüber in sein Officium.


    "Salve Marsus, in der letzten Zeit hört man aus Roma außer einer gewaltigen Stille ja leider gar nichts mehr. Du hast doch mindestens zwei Ohren in Roma, die einiges mitkriegen können. Hat dir Vala inzwischen mal wieder aus Roma berichtet? Oder hat die Verwandte, die dieser Tage bei dir eingetroffen ist, Neuigkeiten mitgebracht?"

  • "Ah, Massula. Salve. Ich habe tatsächlich Post bekommen." Witjon bat seinem Kollegen einen Platz an. Der Domitier hatte es sich mittlerweile zur Angewohnheit gemacht, täglich mal reinzuschauen und nach dem Neuesten zu fragen und Witjon genoss die Pläuschchen, die er mit dem wandelnden Schnäuzer halten konnte.


    Heute aber war Massula auf Größeres aus. Straßentratsch war heute out, statt dessen ging es um globale Themen. Sprich: Rom. Was auch sonst.
    "Vala ist jetzt Senator. Ich hab' unserem Pontifex schon gesagt, dass er sich auf der Gesandtschaft an ihn wenden soll, wenn's nötig ist. Und sonst..." Der Procurator Civitatium fuhr sich für einen Moment nachdenklich durch den Bart. "Ah, ja! Äh...traurige Neuigkeiten. Marcus Vinicius Lucianus ist hingerichtet worden. Schon vor langer Zeit. Ich weiß gar nicht, warum das hier noch nicht bekannt geworden ist. Irgendwie..." Jetzt sah Witjon etwas beschämt drein. "...habe ich es noch nicht hinbekommen, das mal auf offiziellem Weg unseren Duumviri und dem Rest des Ordo Decurionum mitzuteilen." Er kratzte sich verlegen hinter dem Ohr. "Naja, der Brief ist ja auch quasi gerade erst angekommen." Oder so.

  • Dass sie Vinicius Lucianus hingerichtet hatten, war mir neu.


    "Das mit Vinicius Lucianus muss aber noch unter Salinator gewesen sein. A propos Salinator, weisst du, was sie mit dem gemacht haben? Eh, der Vinicius Lucianus war doch dein Patron, oder? Weißt du schon, wen du dir jetzt aussuchen wirst?"

  • Witjon nickte halbherzig. "Ja, es haben so einige Nachrichten den Weg von Rom hierher nur mit starker Verzögerung zurückgelegt." Er zuckte mit den Schultern. "Immerhin hat mitten auf dem Weg Krieg geherrscht." Auch wenn das nicht zwingend als Erklärung dafür herhalten konnte, dass diese Information nicht über die Alpen durchgedrungen war.
    "Ach ja, Salinator - he he - die Information wiederum ist von mir bis in die Curia glaube ich nicht durchgesickert...der ist nicht mehr. Keine Ahnung, ob sie ihn da umgelegt haben oder ob er das vorher selbst erledigt hat, jedenfalls wurde er wohl massentauglich ausgestellt. Wie ein gewöhnlicher Verbrecher nach der Hinrichtung. Muss ein schönes Spektakel gewesen sein." Er verzog ein wenig das Gesicht bei diesem Gedanken.


    "Ich glaube, ich werde mir keinen neuen Patron suchen", entgegnete Witjon schließlich auf Massulas zweite Frage. "Was kann ich noch erreichen, wofür ich die Unterstützung eines Patrons bräuchte? Nichts. Ich habe den hiesigen Cursus Honorum unserer Civitas durchlaufen, bin Eques Imperii und habe - nachdem ich damals als kleiner Scriba Provincialis angefangen habe - wieder eine Beschäftigung in der Provinzverwaltung." Er lächelte bescheiden. "Ich denke ich bin doch sehr zufrieden mit dem was ich habe."

  • Zitat

    Marsus: "Ich denke ich bin doch sehr zufrieden mit dem was ich habe."


    Ich setzte ein verstehendes Grinsen auf. "Dass du mir hier ja nicht in Filzpantoffeln rumläufst. Einem neu verheirateten Witwer wäre das jedenfalls zuzutrauen. Grade wieder unter die Haube gekommen, wo es dann so richtig gemütlich warm ist und wo man seine Ruhe hat. Und die will man dann auch behalten, nä?."


    Was er zu Salinator gesagt hatte, war nicht besonders aufregend. Dass der Fettfleck das Zeitliche gesegnet hatte, war mir ja schon bekannt. "Na ja, eigentlich interessiert es mich nicht sonderlich, wie Salinator diese Welt verlassen hat. Du sagst, sie hätten seinen Corpus noch ausgestellt? Mann, muss das gestunken haben in Roma. Ein wahrlich passender Abgang für den Typ. Aber für mich zählt in diesem Casus nur eins: fort is fort."


    Nachdem er so halb zugegeben hatte, dass er noch nicht alles rausgelassen hatte, was er in Erfahrung gebracht hatte, hoffte ich ein bißchen, dass da noch mehr zu exhumieren wäre. "Äh, deine Sickerquellen, haben die vielleicht doch noch das Eine oder Andere zutage gefördert, was mir nicht geläufig sein könnte? Ich meine, in Roma müssten doch schon die wildesten Gerüchte kursieren, wer denn der neue Statthalter werden soll. Oder der neue Legatus Legionis?"

  • "Filzpantoffeln, ich bitte dich!", entrüstete Witjon sich gespieltermaßen. "Aber schön warm und gemütlich hab ich's, da sagst du was." Er zwinkerte dem Domitier fröhlich zu. Warum Massula sich Octavena durch die Lappen hatte gehen lassen, wagte Witjon dabei allerdings nicht zu fragen.


    "Jo, fott is fott. Aber über irgendwelche neuen Besetzungen haben meine Sickerquellen bisher leider noch nichts durchgelassen. Komplett trocken, dieses Becken. Sozusagen." Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Wir werden es wohl früh genug erfahren. So wie ich den Laden kenne ungefähr kurz vor deren Anreise in die Civitas." Da könnte man glatt meinen, Witjon wäre unter die Hellseher gegangen. Konnte er ja nicht ahnen, dass es wirklich so kommen würde!

  • Zitat

    Marsus: " ... So wie ich den Laden kenne ungefähr kurz vor deren Anreise in die Civitas."


    Ich lachte kurz auf. "So wie ich den Laden kenne, werden sie hier sein, bevor die Nachricht ihrer Ankunft hier eintrifft, Marsus. Den Fall hatten wir ja schon ein paarmal, du erinnerst dich sicher. Und genau das hoffe ich sehr für die Legio II. Vor einer Woche war nämlich ein Eques der Legio II hier und hat mir gesagt, die Legio II würde am darauffolgenden Tag hier eintreffen. Ich hab dann die große Trommel geschlagen und Plakate aufhängen lassen. Du hast die sicher gesehen. Aber am nächsten Tag tat sich rein gar nichts. Marsus, das ist ernst. Wo ist die Legio II?"

  • "Ja, die Werbung habe ich gesehen. Die Legion ist mir aber bisher ebenso wenig wie dir unter die Augen gekommen." Er verzog den Mund. "Andererseits gibt uns das wohl nochmal einen Aufschub, bevor wir den Fresshälsen wieder unsere Vorräte abgeben müssen." Die Legion war bekanntlich unersättlich. Das hatte schon deren Abmarsch zu Beginn des Kriegs gezeigt.


    "Sollten wir jemals einen neuen Legatus Augusti Pro Praetore bekommen, können wir uns ja mal kräftig bei ihm beschweren. Aber ob das etwas nützt, ich weiß es nicht..."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!