Auf und davon - Zwei Sklaven auf der Flucht

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    Trutmo


    Trutmo, dem Käsehändler fielen jede Menge dicke Steinbrocken vom Herzen, als sie die Torwache passiert hatten. Der Ochsenkarrennahm wieder etwas mehr -fahrt auf und rollte nun gleichmäßig knackend über das Straßenpflaster. Das war ja noch mal gut gegangen, dachte er sich. Hoffentlich erwarteten ihn nicht noch ein paar unangenehme Überraschungen auf dem Weg nach Hause.
    Als sie weit genug vom Stadttor entfernt waren, riskierte er einen Seitenblick zu seiner Begleiterin neben ihm, die anscheinend immer noch die Luft anhielt. "So, das wäre geschafft! Du kannst ruhig weiteratmen!" Dann sah er nach hinten auf den Wagen. "Und? Bei dir ist auch alles gut?"


    Bis Borbetomagus war es noch ein ganzes Stück. Mit dem Ochsenkarren würden sie erst in der Abenddämmerung den heimischen Hof erreichen. Er fragte sich, was seine Begleiter nun vor hatten. Wenn er sich die schwangere Frau so betrachtete, zweifelte er keinen Moment lang, dass sie weit kommen würde. Aber das war nicht sein Problem. Noch ein paar Meilen und er würde sie absetzen. Dann mussten sie sich selbst durchschlagen. Dann würden sie sehen, was es hieß, frei zu sein.
    Allerdings rechnete er auch nicht damit, dass das Jungchen hinten auf dem Wagen ein Leben in der Wildnis auch nur einen Tag aushalten würde. Wahrscheinlich würden sie freiwillig wieder zurückgekrochen kommen, zu ihren Herrn.


    "Na, und jetzt? Wo wollt ihr jetzt hin?", fragte er schließlich, weil ihm das betretene Schweigen langsam nervte.

  • So geschafft. Wenn so eine Flucht nicht nervenraubend und aufregend wäre, so hätte ich doch glatt gefallen daran finden können, an dem gemütlichen dahinzockeln auf der Straße Germaniens.
    Ich saß nun hinten auf dem Karren des Käsehändlers und hatte somit auch den Blick zurück, man könnte sagen ich hielt uns den Rücken frei.
    Unser Schweigen konnte daher rühren, dass unsere Gedanken nach vorne, in die Zukunft, gerichtet waren. Wenigstens war es bei mir so.
    Wohin es gehen sollte wusste ich nicht, dabei verließ ich mich ganz auf Caelyn. Was ich aber ganz sicher wusste war, ich wollte weg hier. Lange genug hatte ich mein Sklavendasein fast klaglos hingenommen und mich gefügt. Doch der Marsch durch die Wälder Germaniens hatte mich wach gerüttelt. Ich wollte es einfach nicht hinnehmen, mein Leben weiter als Sklave zu fristen. Wären wir erst einmal angekommen, würde es sich schon zeigen was ich machen konnte. Als freier Mensch hätte ich einfach sagen können, ich bin jung und die ganze Welt steht mir offen. Nur war ich nicht frei und nun auch noch ein flüchtiger Sklave. Ín meinem Kopf gingen die Gedanken rund wie in einem Karussell. So eine Flucht sollte man eigentlich von langer Hand planen, damit man gut ausgerüstet war und viele Eventualitäten ausschließen konnte.
    Bei diesem Punkt in meinen Gedanken angekommen, rissen mich die Worte des Händlers aus meinen Überlegungen. „Ja bei mir ist auch alles gut. Wohin? Keine Ahnung. Vielleicht Gallia, Hispana, Syria oder Alexandria.“ Wieso ich das jetzt erzählte wusste ich auch nicht, so unvorbereitet war dies alles der reine Wahnsinn.

  • Erleichtert atmete ich auf. Ich konnte es noch gar nicht fassen. Wir waren endlich draußen! Wir hatten es geschafft! Aber trotzdem lag jetzt alles noch vor uns. Denn eines war ja so sicher wie das "age" im Tempel, Sermo würde keine Minute zögern, nach mir suchen zu lassen, sobald er rausfand, dass ich weg war. Und bei Linos war´s garantiert nicht anders.
    Meine Gedanken kreisten um das, was vor uns lag. Die nächste Zeit würden wir uns verstecken müssen, bis wir weit genug weg waren. Wohin ich wollte? Keine Ahnung! Irgendwohin, wo Sermo uns, mein Kind und mich nicht kriegte.
    "Ja, Gallien wär ´ne tolle Sache!", antwortete ich. Gallien, meine Heimat. Hoffentlich kamen wir bis dorthin. Aber würde Sermo da nicht als erstes suchen lassen? Zu gerne hätte ich gewusst, ob Iustus noch am Leben war! Der Alte war immer freundlich und hilfsbereit zu meinem Bruder und mir gewesen, obwohl er dafür gar keinen Grund gehabt hatte.
    Je mehr ich darüber nachdachte, wuchs in mir das Verlangen, Augustodunum wieder zu sehen.

    Der Ochsenkarren rollte langsam aber stetig über die Straße. Noch gut eine Stunde und wir waren in Borbetomagus. Die Sonne stand schon tief. Bald würde sie hinter den Hügeln im Westen untergehen.
    Trutmo sah zu mir rüber. "Wenn ihr wollt, könnt ihr die Nacht in meinem Stall verbringen. Nur morgen früh müsst ihr verschwinden. Meine Frau wird nicht gerade begeistert sein, wenn… na ihr wisst schon."

  • Gleich wohin wir fliehen wollten wir mussten weiter und das möglichst schnell.
    Ich hörte das Angebot des Käsehändlers und hätte es schon fast dankbar angenommen, doch dann schüttelte ich energisch mit dem Kopf. “Du bist bestimmt sehr müde”, meinte ich zu Caelyn, “doch es wäre besser wenn wir vorerst noch die Nacht nutzen würden um weiter zu kommen. Wir sollten soweit wie möglichst ungesehen vorwärts kommen. Die Straßen sind noch gut und unser Abstand zu Mogontiacum muss möglichst schnell wachsen. Später müssen wir bestimmt noch oft den Tag für die Reise nutzen. Außerdem ist es für deinen Zustand bestimmt nicht das Schlechteste, die Kühle der Nacht zu nutzen. Wir müssen uns auf unser Gehör verlassen, sobald wir etwas hören gehen wir in Deckung. So viele Menschen werden bestimmt nicht in der Nacht unterwegs sein und fürs Erste sollten wir zügig voran kommen. Was hältst du von meinem Vorschlag?“ Gespannt schaute ich zu Caelyn und wartete auf eine Reaktion und Antwort.

  • Trutmos Angebot war sehr großzügig gewesen. Und eigentlich hatte ich mich mit dem Gedanken, meine erste Nacht in Freiheit in weichem Stroh und mit einem Dach über dem Kopf zu verbringen, schon angefreundet. Doch dann kam Linos´ Einwand, der leider auch berechtigt war. Linos hatte ja schon recht, mit dem was er gesagt hatte. Lieber die Nacht durchlaufen und am nächsten Morgen irgendwo in einem Versteck Schlaf finden.
    "Du bist sehr freundlich zu uns gewesen. Und du hast uns schon mehr geholfen, als jeder andere es getan hätte. Aber Linos hat recht! Wir sollten uns hier nun verabschieden!"
    Trutmo zog an den Zügeln und brachte den Ochsen zum Stehen. Dann zuckte er mit den Schultern. "Na gut, wie ihr meint. Ich will euch nicht aufhalten. Wenn ihr von hier aus immer westwärts geht, kommt ihr an einigen Weilern vorbei, bis ihr schließlich den Wald erreicht. Haltet euch von den Straßen fern, doch orientiert euch an deren Verlauf. Ich wünsche euch viel Glück! Möge Esus immer mit euch sein!" Er klopfte mir freundlich auf die Schulter. Doch dann griff er nach seiner Tasche und drückte sie mir in die Hand.
    "Hier, das könnt ihr bestimmt gut gebrauchen!" Ich warf einen Blick hinein und entdeckte einen ganzen Laib Brot, etwas Schinken, Käse und ein Messer. "Danke! Vielen Dank!" Bevor ich vom Wagen abstieg, umarmte ich noch einmal den Käsehändler, der es so gut mit uns gemeint hatte.

  • Ich war auch abgestiegen und während Caelyn sich von dem Käsehändler verabschiedete nach vorne zu den Beiden gegangen. Etwas verlegen trat ich dann näher um mich zu bedanken. „Entschuldige bitte mein zeitweiliges Misstrauen, so wie du dich um uns kümmertest, war es nicht richtig, doch wie ich dich einschätze kannst du es bestimmt verstehen. Hab herzlichen Dank für alles. Sollte uns die Flucht gelingen so das wir irgendwo unerkannt leben können und es mir dann irgendwie möglich sein, werde ich dir eine Nachricht zukommen lassen.“ Grinsend schaute ich den Händler an. “Die wird dann etwa so lauten. Die drei Käse sind unbeschadet angekommen.“ Dies musste ich anbringen um Caelyn und mir selber Mut zu machen. „Glaub mir es ist auch besser für dich, dass wir jetzt verschwinden. Wir werden deine Ratschläge beherzigen und wie gesagt hab vielen Dank für alles.“
    Ich nahm Caelyn den Korb ab und half ihr beim absteigen.

  • "Ist schon gut, Jungchen!", brummte Trutmo gutmütig. "Ich verstehe das. Und ja, ich werde auf eure Nachricht warten." Dann sah er uns einen Augenblick noch nach, wie wir im Abendrot verschwanden. Wenig später setzte er seine Heimfahrt fort.
    Hinter uns verstummt langsam das Knarren des Karrens. Nun waren wir wirklich auf uns gestellt.
    Anfangs folgten wir noch einem Weg, der nach Westen führte. Wie Trutmo gesagt hatte, kamen wir bald an dem ersten Weiler vorbei, den wir aber links liegen ließen. Bald trafen wir auf einen Bachlauf, dessen Wasser uns erfrischte. Mittlerweile war es dunkel. Doch es war fast Vollmond, so dass wir nicht in vollkommender Dunkelheit herumirren mussten.
    Im Laufe der Nacht passierten wir noch einige Gehöfte und eine Siedlung. Wir blieben jedoch immer auf Abstand, damit uns niemand bemerkte. Von weitem hörten wir Hundegebell, was aber bald wieder verstummte.
    Als bereits der Morgen graute hatten wir ein Wäldchen erreicht. Ich war furchtbar müde und meine Füße taten weh. Nein, sie taten nicht weh, sie brannten wie Feuer! Die letzten Stunden waren wir ohne nennenswerte Pausen nur gelaufen.
    "Linos, ich kann nicht mehr! Bitte lass uns eine Pause machen.", japste ich müde.

  • Fast wehmütig schaute ich zu dem Käsehändler und seinem Karren um. Mir war klar jetzt kam die anstrengendste Sache meines Lebens für mich, ich musste laufen, …. Tagelang, wochenlang laufen.
    Mein Gott, meine armen Füße, ich und laufen.
    Nur nicht schwach werden Linos, denk an deinen Rücken, an die Schläge die du von dem Centurio bekommen hast. Wenn die euch jetzt erwischen dann passiert dir noch schlimmeres. Außerdem hast du es Caelyn versprochen und bisher hast du noch nie ein Verspechen gebrochen.


    Nun galt es aber vorwärts zu blicken und sich um das hier und jetzt zu kümmern. Wenn einer Grund zu jammern hätte wäre es Caelyn.
    Wir schritten, wie ich fand rüstig los, nur waren wir merkwürdig still.
    War es weil wir uns kaum kannten oder weil wir so einfach von jetzt auf gleich los waren oder war es weil sich doch jeder von uns beiden Sorgen machte ohne es dem anderen einzugestehen?
    Caelyn übernahm ohne besondere Absprache die Führung und ich bemühte mich einfach nur Schritt zu halten. Bald musste der Morgen anbrechen. Fast erleichtert hörte ich Caelyns Bitte um Pause. Dabei war sie es doch die Tempo und Richtung angab.
    Ich schaute mich nun noch aufmerksamer um. Das Wäldchen wäre vielleicht Ideal für eine Pause bist zum Abend.
    Vor dem Wald war so eine Art kleine Böschung die wir hoch mussten, doch ich wollte mir zunächst den Wald genauer ansehen, sofern dies bei den Lichtverhältnissen möglich war. “Wir sollten hier eine Pause machen uns ein wenig stärken und sobald die Sonne aufgeht im Wald ein gutes Versteck suchen. Komm setzt dich hin wir essen ein wenig, ich schaue mich danach um. Vielleicht haben wir ja Glück und finden in dem Wäldchen einen kleinen Bach oder Teich.”

  • Ich hatte mich auf den Boden gesetzt und rieb meine Füße. Die Pause ließ mich müde werden. Meine Augen wollten mir zufallen. Doch Linos hatte recht. Sobald die Sonne aufging, war es besser, ein gutes Versteck gefunden zu haben. Ich ruhte mich noch eine Weile aus, dann kam ich wieder auf die Füße. Man konnte ja nie wissen! Sermo hatte bestimmt schon am Abend mein Verschwinden entdeckt. Wenn er nicht gleich vor Wut geplatzt war, hatte er uns bestimmt schon jemanden hinterhergeschickt. Vielleicht aber hatte ja auch mein Fluch gewirkt und war dazu noch gar nicht fähig gewesen. Umso besser für uns!
    Trotzdem konnten wir hier nicht so schutzlos herumsitzen. "Na schön, dann lass uns nach einem Versteck suchen. Dort können wir uns dann richtig ausruhen." Ich wartete, bis Linos mir folgte. "Ach ja, hier! Nimm das. Vielleicht kannst du´s mal brauchen." Ich hatte das Messer aus Trutmos Tasche heraus gekramt und hielt es nun Linos entgegen. Es war nichts Besonderes. Ein Messer, das man zum Schneiden von Käse oder Speck nehmen konnte. Vielleicht taugte es auch zum Schnitzen. Auf jeden Fall war es scharf und konnte mit etwas Glück auch unser Leben retten.


    Bald stießen wir tatsächlich auf ein kleines Bächlein, dessen Wasser klar und kühl war. Ich nahm einige Schluck davon und spritzte mir etwas davon ins Gesicht. Das linderte ein wenig die Müdigkeit.


    Der neue Tag war bereits angebrochen. Von neuem tauchte die aufgehende Sonne alles in honiggelbes Licht. Mit ihrer Hilfe wussten wir, in welche Richtung wir gehen mussten, wo Westen lag. Mittlerweile hatten wir eine Anhöhe erreicht, von der man gut unseren weiteren Weg überblicken konnte. Mehrere Fußmarschstunden vor uns erhob sich ein Berg, der etwas größer war, als alle Berge neben ihm. Er sah aus, als hätte ein Riese ihn dort fallen lassen, wo er jetzt lag. Seine Kuppe war nur spärlich bewaldet. Nur ein altes Gemäuer erkannte man von der Ferne aus. Als ich den Berg sah, fühlte ich mich seltsam an meine Heimat erinnert. An einen Ort, an dem ich früher mit meinem Großvater gewesen war. Doch Bibracte, das wusste ich, war noch Tage, nein Wochen von hier entfernt!
    "In die Richtung müssen wir!", erklärte ich Linos und deutete auf den Berg vor uns.


    Endlich fanden wir dann noch eine Bleibe. Was von außen wie ein dichtes Gebüsch aussah, entpuppte sich im Inneren als kleine sichere Insel, die so viel Platz gab, dass wir uns beide dort niederlegen konnten, um zu lagern etwas zu schlafen.
    Auf unserer Wanderung durch die Nacht hatten wir nur wenig gesprochen. Nur das allernötigste. Das war wohl die Anspannung gewesen.
    Der Schmerz in meinen Füßen war zwar noch schlimmer geworden, trotzdem spürte ich sowas wie Freude, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. "Ich bin froh, dass du bei mir bist!", kam es auf einmal aus mir heraus. Dabei kam mir die Frage in den Sinn, was Linos wohl dazu getrieben hatte, von seinem Herrn davonzulaufen. Aber ich traute mich nicht zu fragen.

  • Verwundert betrachtete ich das Messer welches Caelyn mir reichte, unterwegs konnte ein Messer nur von Nutzen sein.
    Auch ich rappelte mich fast gewaltsam auf um unseren nächtlichen Marsch fortzusetzen.
    Welch ein Unterschied zu meinem letzten Marsch. Heute konnte ich nicht schnell und weit genug gehen und dass freiwillig. Naja freiwillig wenn man die Angst vor dem entdeckt und gefangen werden nicht dazu rechnete.
    Bei dem Gedanken an Flucht hatte ich mir immer vorgestellt mein Weg würde in Richtung aufgehender Sonne sein und nun führte mich mein Weg in die entgegen gesetzte Richtung. Nun nickte ich nur verstehend als Caelyn mir erklärte, dass dies unsere Richtung wäre.
    Bei dem Anblick des Versteckes welches wir gewählt hatten musste ich Lächeln, vor ein paar Tagen war ich in einem ähnlichen Versteck gewesen. Ich war froh, dass wir endlich ausruhen konnten.
    Die plötzliche Aussage von Caelyn schreckte mich auf. “Warum bist du froh? Ob so einer wie ich dir wirklich von nutzen sein kann wird sich erst noch zeigen müssen. Vielleicht bin ich nur eine Last.” Prüfend sah ich sie bei meiner Antwort an.

  • Ich holte das Brot aus der Tasche, die uns Trutmo überlassen hatte und gab es an Linos weiter. Er hatte ja das Messer und konnte deshalb einige Scheiben abschneiden. Ebenso nahm ich den Schinken und den Käse. "Wenn du nicht bei mir wärest, dann wäre ich jetzt ganz allein. Und in ein paar Wochen werde ich bestimmt jemanden brauchen, der mit hilft." Ich deutete auf meinen runden Bauch. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Kind kam. Aber Hauptsache es kam in Freiheit zur Welt und war vor Sermos Zugriff sicher.
    "Sag mal,wenn du mich nicht getroffen hättest,wärst du dann auch geflohen?"

  • Das Brot nahm ich während ich ein verächtliches Lachen unterdrückt und schnitt eine große Scheibe für Caelyn ab.
    “Da hast du dir wirklich eine gute Begleitung ausgesucht, du hättest gut daran getan meine Hilfe und mein Angebot dich zu begleiten ab zu lehnen. Mich den arbeitscheuen, für jegliche praktische Arbeit untüchtigen, waffenverweigernden, quasselnden, auf Männer stehenden Christen.” Mit diesem Satz hatte ich Caelyn eine von Selbstironie triefende Beschreibung von mir geliefert. “Nun überlege dir gut ob du dir meine Gesellschaft weiter antun willst. “ Mir selber schnitt ich eine dünnere Scheibe ab, denn schließlich wusste ich nicht wann und ob wir neues Brot bekommen würden. Von dem Käse und Schinken schnitt ich ebenso Scheiben ab und reichte Caelyn ihren Teil ab.
    Bevor ich mit dem Essen begann schaute ich nachdenklich, mir mit dem Messer übers Kinn streichend zu Caelyn rüber.
    “Hm eine gute Frage ob ich geflüchtet wäre, ich denke bei passender Gelegenheit bestimmt. Doch ob die wirklich kommen würde wage ich zu bezweifeln, mein Herr scheint dies zu Ahnen und hält mich, obwohl es mir für einen Sklaven ganz gut geht, irgendwie recht kurz und mit Arbeit die meinem Ego schmeichelt auf Trab. Siehst du es war zum Beispiel so, alle anderen Sklaven hatten wenigstens ein geringes Taschengeld, ich war der Bettler vom Dienst. Vielleicht war ich auch zu ungeschickt, mir etwas bei passender Gelegenheit auf Seite zu schaffen, um so meine Flucht gut durch zu planen. Wenn ich es mir so richtig überlege bei einem anderen Herren wäre es mir bestimmt nicht so gut ergangen, erst vor ein paar tagen habe ich dies schmerzlich erfahren. Aber lassen wir das, essen wir und ruhen uns aus, jetzt bin ich hier und werde versuchen dir zu helfen.” Herzhaft bis ich in mein Stück Brot.

  • Linos hatte mir eine große Scheibe von dem Brot abgeschnitten. Das war auch gut so, denn ich hätte einen Bären verdrücken können! Die ganze Zeit über, während wir gewandert waren, hatte ich dieses Hungergefühl unterdrückt. Aber jetzt kam es voll zum Vorschein. Vielleicht war auch das der Grund, weshalb mich Linos Selbstportrait kein bisschen aus der Ruhe brachte. Stattdessen biss ich herzhaft in die Scheibe Brot und kaute zufrieden. "Tja, keiner ist perfekt!", sagte ich und grinste. "Übrigens hast du dich mit ´ner diebischen Elster, die jahrelang auf der Straße gelebt hat und sich in tausend Jahren noch nicht richtig benehmen kann, eingelassen. Außerdem ziehe ich das Unglück magisch an. Schau nur, ich lass mich von ´nem Kerl schwängern, der tausende Meilen entfernt ist und mir auch nicht helfen kann. Und was noch schlimmer ist, durch meine eigene Blödheit bin ich an den miesen Dreckskerl geraten, der sich bis gestern mein Herr geschimpft hat. Du siehst, wir passen prächtig zueinander!" Nun nahm ich auch ein Stück Schinken, ließ es in meinem Mund verschwinden und hörte Linos weiter zu. Ganz ehrlich, ich bezweifelte, ob Linos eines Tages selbst geflohen wäre. Aber das sagte ich ihm natürlich nicht. Er war jetzt bei mir und nur das zählte. Und umso besser, dass er nur auf Kerle stand! Dann kam er wenigstens nicht auf dumme Gedanken.

  • “Ich sehe schon wir sind bestimmt das merkwürdigste Paar des gesamten Römischenreiches.” Lachend machte ich diese Feststellung, stand auf und ging zu einem dornigen Strauch der ganz in der Nähe stand. Es war die gleiche Strauchart wie der von unserem Versteck beim Marsch durch die Wälder. Die Beeren hatten sich zum Teil rot bis zu einem tiefen dunkelen blau gefärbt. Eine pflückte ich ab, betrachtete sie roch daran und nahm sie vorsichtig in den Mund. Falls die Beere giftig war nutzte mir das vorsichtig sein auch nichts. Sie schmeckte für meinen Gaumen fremd aber nicht schlecht. Winzige Kernchen hatten sich auf meiner Zunge abgelagert. Ich pflückte eine handvoll ab und brachte sie Caelyn. “Hier nimm ich weiß nicht ob du sie kennst, sie schmecken nicht schlecht. Wenn wir durchkommen wollen müssen wir uns bestimmt von dem ernähren was die Natur uns gibt. Nur kenne ich mich damit hier nicht aus. Ich habe in den Wäldern einiges an Früchten und Pilzen gesehen, ob sie essbar sind weiß ich allerdings nicht. Dass einzige was ich noch aus meiner Kindheit beherrsche ist Fische stechen. In den Bächen, Flüssen und Seen gibt es bestimmt viele Fische.” Wieder an den Strauch tretend nahm ich mir selber auch noch ein paar Beeren.

  • Die Beeren, die Linos brachte, kannte ich. Sie wuchsen vielerorts, auch daheim in Augustodunum. Als Kind hatte ich sie geliebt, denn sie war eine süße Abwechslung gewesen. Meine Mutter hatte mich und meinen Bruder oft losgeschickt, um welche zu pflücken. "Das sind Brombeeren! Die sind lecker, nicht?!" Ich nahm mir einige der dunkelroten Früchte. Diesen Geschmack auf der Zunge hatte ich lange nicht mehr erlebt. So schmeckt Freiheit, sagte ich mir. Genau so!
    Nachdem ich gegessen hatte, überkam mich dann doch noch die Müdigkeit und es brauchte nicht lange, bis ich einschlief.


    Es musste schon später Nachmittag gewesen sein, als ich endlich aufwachte. Für meine Begriffe hatten wir viel zu lange geschlafen. Es wurde Zeit, dass wir weiterwanderten. Der Gedanken, dass mir Sermo längst ein paar Sklavenjäger hinterher geschickt hatte, ließ mich angespannt werden. "Linos, wir müssen los!" Ich rüttelte ihn vorsichtig wach. "Es ist schon spät!"


    Unser weiterer Weg führte uns immer noch nach Westen, dem Berg entgegen, den ich am Morgen erblickt hatte. Bis zur Abenddämmerung hatten ihn bis zur Hälfte bezwungen. Dort kamen wir an einer hohen Steinmauer zum stehen, die teilweise in sich zusammengefallen, zum Teil aber noch intakt war. "Lass uns eines der Tore suchen!", schlug ich vor.
    Recht bald erreichten wir eines der Tore, dass wir durchschritten und weiter wanderten. Die Menschen, die hier einst gelebt hattenen, waren schon vor langer Zeit schon verschwunden. Außer der großen Mauer erinnerte kaum noch etwas an die Stadt, die hier einst existiert hatte.
    An einem geschützten Platz nahe der Mauer, der mir als Rastplatz geeignet erschien, blieb ich stehen. "Lass uns etwas ausruhen. Meine Füße!" Die Schmerzen in meinen Füßen übersteigen fast das Erträgliche. Ich befürchtete schon, die Wunden seien vielleicht wieder aufgeplatzt. Vorsichtig öffnete ich eine meiner Sandalen. Meine Finger ertasteten etwas feuchtes, was allerdings kein gewöhnlicher Fußschweiß sein konnte. "Mist!", zischte ich leise. "Auch das noch!"

  • So wach gerüttelt war ich noch nie geworden. Ich hatte aber auch noch nie einfach so nur auf dem Boden genächtigt.
    Trotzdem war mein Schlaf tief und fest gewesen. Selbst der schmerzende Rücken, von den Schlägen des Centurios, hatte mich nicht am schnellen einschlafen gehindert, nachdem ich die richtige Lage gefunden hatte.
    In unserer Lage wäre weniger fest bestimmt nicht das schlechteste.


    Caelyn gab das Tempo auf unserer Reise vor. Ich der fußfaule passte mich ihr einfach an. Jammern gab es dieses Mal für mich nicht. Natürlich war ich dankbar für jede Pause so auch jetzt. Trotzdem hatte ich mit bekommen wie Caelyn wieder einmal prüfend an ihre Füße griff. Auch ihr leises Schimpfen war mir nicht entgangen. „So nun ist Schluss, jetzt will ich Wissen und sehen was mit deinen Füßen ist. Schon in Mogontiacum habe ich bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Nu lass es mich sehen.“Energisch wie noch nie hatte ich gesprochen und mich vor sie hingekniet.
    Es fehlte noch wenn wir aus falschem Stolz aufgehalten würden.

  • "Ach, da ist nichts!" blockte ich sofort ab. Auch wenn sich Linos Ton nicht mehr ganz so freundlich anhörte, beeindruckte mich das wenig. Ich hatte nie gelernt, mich voll und ganz jemand anderem anzuvertrauen. Warum sollte ich also jetzt gerade damit anfangen? Und außerdem, das Problem mit meinen Füßen war meine Sache. Morgen früh, wenn man wieder richtig sehen konnte, würde ich mich selbst darum kümmern. Schade, dass ich mich mit Heilkräutern nicht so gut auskannte, sonst hätte ich mir vielleicht einen Verband machen können.
    "Meinst du, wir könnten riskieren, ein Feuer zu machen?" Es war zwar schon eine halbe Ewigkeit her, seit ich in der Wildnis Feuer gemacht hatte. Aber mit dem Feuermachen war das so eine Sache, wie mit vielem, was man einmal gelernt hat, das verliert sich so schnell nicht. Man brauchte nur genug Geduld.

  • Diese Frauen mit ihrer Sturheit, immer wollten sie über allen Dingen stehen. Etwas gekränkt war ich auf gestanden und zu einer Stelle rübergegangen, an der ich eine Pflanze gesehen hatte, von der ich wusste, dass sie große Heilkräfte besaß. Wenn ich mich recht erinnerte für viele Bereiche. Ich pflückte ein paar Blätter ab, sie hatten die Form eines Fußes und brachte sie Caelyn. „Hier versuch dies vielleicht hilft es.“ Sie würde schon wissen was sie damit machen konnte. „Wenn du noch mehr brauchst dann sag Bescheid.“


    Über das Thema Feuermachen hatte ich auch schon nachgedacht. Abgesehen dass ich nicht darin bewandert war, wusste ich nicht wann dafür ein guter Zeitpunkt war und wann nicht. „Ich weiß nicht ob es klug ist ein Feuer zu machen? Man könnte den Rauch sehen, bei Dunkelheit den Schein und riechen kann man es auch. Vielleicht sollten wir noch ein paar Tage damit warten.“

  • Was war denn das? Linos stand auf. Ich hatte ihn doch nicht etwa beleidigt? Naja, egal. Ich konnte und wollte mich nicht einfach so jemand anderem anvertrauen. Manche interpretierten das vielleicht als stur, dumm oder eingebildet. Aber ich war eben ein gebranntes Kind! In meiner Kindheit war ich einmal ganz bitter enttäuscht worden. Seitdem hatte ich mir geschworen, mich nie wieder auf jemanden zu verlassen. So einfach war das!
    Linos kam wieder und brachte mir einige Blätter mit. "Danke!", sagte ich betreten und nahm die Blätter an mich. Keine Ahnung, welches Kraut das war. Aber wenn er glaubte, es könne mir helfen…
    Dummerweise hatte ich nichts, womit ich meine Füße hätte reinigen und anschließend verbinden können. So stopfte ich die Blätter einfach in meine Sandalen und zog sie wieder an.
    Eigentlich hätte ich selbst drauf kommen können, dass Feuer machen eine echt blöde Idee war. Wir saßen irgendwo auf dem Berg, den man von einiger Entfernung sehen konnte. Also würde man den Schein unseres Feuers auch weit sehen. "Ja, du hast recht. War ´ne echt blöde Idee mit dem Feuer!" Allerdings ohne Feuer konnten uns des Nachts auch ungebetene Besucher, wie zum Beispiel wilde Tiere behelligen. Kein schöner Gedanke von ´nem scheiß Wolf oder Bär oder was weiß ich angeknabbert zu werden! Na toll, jetzt machte ich mir auch noch selbst Angst! Mit schlafen war erst mal nicht viel. Ich beschloss, mich mit etwas small talk wach zu halten. "Du hast mir noch gar nicht viel über dich erzählt. Woher stammst du eigentlich? Warst du schon immer Sklave?" Naja, eigentlich hatte ich über mich auch noch keinen Roman erzählt, sondern hatte mich stets in Schweigen gehüllt, wenn es um mich ging.

  • „Nein so blöd ist das mit dem Feueranzünden auch nicht. Jetzt wo es trocken ist können wir ohne auskommen, wenn es aber feucht oder kalt wird werden wir uns bestimmt über ein wärmendes Feuer freuen.“
    Ich setzte mich hin, holte das Brot hervor und schnitt uns ein Stück ab und reichte ihr ein Stück. „Es geht dem Ende zu murmelte ich dabei“ Nachdem ich den ersten Bissen gekaut und runtergeschluckt hatte antwortete ich auf ihre Frage. „Wir sind schon ein seltsames Paar keiner weiß etwas über den anderen.
    Benehme ich mich schon so wie ein Sklave? Ich dachte man merkt mir an das ich ein frei geborener bin. Meine Heimat ist Kreta wo ich bis man mich überfiel und nach Rom schleppte nur Sohn war. Du siehst du bist in Begleitung eines verwöhnten, lebensunpraktischen, Mannes. Ich bin das Eigentum und Scriba des Legaten der LegionII, Herius Claudius Menecrates. Mein leben verfluche ich besonders seit ich hier in Germanien bin. Aber erzähl du etwas aus deinem Leben. Du musst dir keine Sorgen machen, auch wenn ich viel und gerne rede, so kann ich genauso gut schweigen wenn es sein muss.“
    Jetzt war ich wirklich gespannt darauf ob Caelyn mir etwas von sich erzählte. Nach meinem Gefühl hatte ich schon vieles von mir preisgegeben, wogegen ich von ihr immer nur das Offensichtliche erfuhr.

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