• Das Praetorium war prachtvoller ausgestattet, als ein Militärlager vermuten ließ. Viele anspruchsvolle Legaten hatten es nach und nach ausgestattet und nicht zuletzt die Ehefrau des jetzigen Legaten, Tiberia Septima, hatte darauf bestanden, das Haus, wie sie es ausdrückte, angemessen herzurichten. So war auch das Atrium sehenswert und mit liebevollen Details ausgestattet.

  • "Warte hier bitte." Der Ianitor deutete auf die Sitzgelegenheiten am Rande des Impluviums. Dann ging er, um Aurelius Lupus zu fragen, ob er mit diesem Boten sprechen wollte. Genug Details hatte der Mann ja genannt, wonach der Senator entscheiden konnte, ob er gewillt war, mit ihm zusammenzutreffen.


    Eine junge Sklavin bot dem Gast freundlich etwas zu Trinken an. Ebenso eine Schüssel mit Wasser, um sich die Hände zu waschen. Er war bis hierher gekommen, das genügte, um der Gastfreundschaft wert zu sein. So war es ihr jedenfalls beigebracht worden.

  • Foslius hatte nicht wirklich ein Auge für die Details des Atriums. Genauer gesagt hatte er gar keinen Blick dafür. Er hoffte einfach nur, der Aurelius war wirklich hier und würde rasch auftauchen, damit er hier nicht allzu lange warten musste. Und bald Bescheid wusste, ob er sich einfach so wieder auf den Weg machte und erst würde zusehen müssen, wo er als nächstes was zu tun herbekam, oder ob der Aurelius gedachte ihm noch weitere Aufträge zu geben.

  • Es dauerte eine Weile, bis Sextus auch kam, den Boten in Empfang zu nehmen. Im Grunde erachtete er dieses Treffen angesichts der jüngsten Ereignisse eher als Zeitverschwendung und er gedachte nicht, es außerordentlich in die Länge zu ziehen, ehe er sich wieder den naheliegenderen Problemen zuwenden würde. Obwohl Sextus in seinem Leben vermutlich mehr Bildung erhalten hatte als die meisten seiner Zeitgenossen – als Haruspex hatte er schließlich nicht nur die Libri haruspicini studiert, sondern auch Astronomie, Zoologie, Ornithologie, Metereologie, Botanik, Geologie und sogar Themen der Hydraulik, oder schlicht alles, was man irgendwie wissen konnte – hatte dieses Wissen ganz und gar eklatante Lücken, sobald es zu Fragen der militärischen Ordnung ging. Und alles Wissen über Vögel, Tiere, das Wetter, die Sterne und die Wolken brachte ihm im Moment leider weniger als das Wissen, wie viele Männer in einem Zelt schliefen und wer welche Cohorte befehligte und wozu welches Feldzeichen da war. Oder kurzum: Er hatte für Botschaften nicht viel Zeit zu erübrigen.


    Und so kam er auch recht zackig ins Atrium und überging die üblichen Höflichkeitsfloskeln – überhaupt, sein gegenüber war ein bezahlter Bote, da erübrigten sich überschwängliche Reden oder Gastfreundschaft – und kam gleich zum Punkt der Sache. “Du hast Nachrichten für mich, dann berichte.“

  • Es dauerte. Und dauerte. Und dauerte. Foslius blieb in der Zeit ungerührt im Atrium stehen, betrachtete hier und da das ein oder andere Detail und schlug einfach die Zeit tot.
    Als der Aurelier endlich erschien, neigte er den Kopf zum Gruß, aber sein Gegenüber hielt sich hielt sich nicht lange mit Grußfloskeln auf, deswegen beschloss er, dass er ebenfalls getrost darauf verzichten konnte. „Ich bin einer der Männer von Velanius Andronicus“, schickte er zunächst kurz voraus, damit der Aurelius wusste, worum es ging. Foslius ging mal davon aus, dass der Senator diesen Namen wohl kannte, auch wenn ihm wohl keiner der Namen seiner Männer ein Begriff war. „Wir sind überfallen worden. Gut zwei Tagesmärsche von Rom entfernt. Deinen Sohn konnte ich sicher nach Tarquinia bringen, von deiner Frau fehlt jeder Spur. Oder hat gefehlt, als ich von da aufgebrochen bin.“ Er machte eine kurze Pause und musterte den Mann, versuchte zu erkennen, wie er diese Neuigkeiten aufnahm. Als Bote war man besser beraten, beim Überbringen mancher Nachrichten vorsichtig zu sein. Trotzdem fügte er noch an: „Cilnius hat deinen Sohn bei sich aufgenommen. Und ein paar Männer zusammengestellt, um nach der Flavia zu suchen.“

  • Es waren keine guten Nachrichten, die der Bote da brachte. Er hatte Velanius genug Geld gegeben, um eine ausreichende Truppe aufzustellen, um eben solche Überfälle unwahrschienlich zu machen. Welche Räuberbande legte sich schon freiwillig mit einer zehn Mann starken Reisegruppe an, wo zu fürchten war, dass die eigenen Verluste ähnlich hoch war wie bei den Angegriffen? Aber ganz offenbar hatte ihr Weg sie genau zu dieser einen Räuberbande geführt, der das egal war.
    Seine Frau wurde 'vermisst'. Das hieß nichts anderes wie, dass sie entweder gefangen worden war und freigekauft werden musste – was er sich momentan so wenig leisten konnte wie die Flavier, was Nigrina also zu einer wertlosen Geißel in den Händen ihrer Entführer machte und damit zu einer toten Geißel – oder dass seine Frau schon tot war. Sextus nahm die Nachricht gefasst auf und nickte nur einmal mit einem leichten “Ah“, während er überlegte. Nigrinas Tod würde natürlich die Beziehungen zu den Flaviern schwächen, was sich seine Familie im Moment nicht leisten konnte, weshalb er sich gezwungen sah, die gesamte Benachrichtigung für sich zu behalten. Wäre Nigrina am Leben, würde sie sich wohl am ehesten an ihren Vater verweisen lassen, wenn sie auch nur halbwegs Grips hatte, und Gracchus musste unterdessen nichts davon erfahren. Zum Glück verstanden er und Nigrinas Vater sich nicht besonders, auch wenn seine Frau außer kleinen, spitzen Anmerkungen dann und wann nie etwas wirklich hatte fallen lassen, was Sextus als Grund verwerten könnte.
    Und wenn sie tot war, musste Gracchus erst recht nichts davon erfahren, bis der Krieg vorüber wäre. Vielleicht würde Sextus dann erneut eine Flavia heiraten, oder um des möglichen Bündnisses zu den Claudiern, an das Ursus ja zu glauben schien, auch eine Claudia. Doch darüber konnte er sich Gedanken machen, wenn er selbst das Ende dieses aufkommenden Gewittersturms überlebte.
    Zunächst einmal war aber sein Sohn und Erbe in Sicherheit und Cilnius noch immer in Freundschaft mit ihm verbunden. Der alte Mann hatte wohl doch eine leicht sentimentale Ader und seinen ehemaligen Schüler noch immer in positiver Erinnerung. Darauf musste sich Sextus vornehmlich konzentrieren.
    “Lass dir ein Bett zeigen und etwas zu essen geben. Ich werde dir morgen ein Schreiben an die Cilnii mitgeben.“ Diese Verbindung war zu wertvoll in einer Welt ohne jegliche Verbündete, als dass Sextus sie ungenutzt lassen wollte. Und auch andere Schrieben musste er dringend aufsetzen. So lange seine Botschaften noch ihr Ziel erreichen mochten und nicht abgefangen werden würden.

  • Gut. Keiner von der Sorte, die dem Boten die schlechte Nachricht anlasteten. Foslius blieb regungslos stehen, während der Aurelier nachzudenken schien – und nickte dann. „Danke für deine Gastfreundschaft.“ Er würde irgendeinem Sklaven Bescheid geben müssen, dass der zum Tor lief und sich um sein Pferd kümmerte, das da noch rumstand, aber damit wollte er den Mann vor sich nicht belästigen. Wenn den Sklaven hier klar war, dass er für die Nacht Gast war, dürfte es kein Problem darstellen, dass auch für das Vieh gesorgt wurde. „Eines noch... ich hab auf dem Weg hierher läuten hören, dass dein Name auf ner Liste mit ein paar Staatsfeinden steht.“

  • Im Grunde war es nicht Sextus' Gastfreundschaft, sondern eine praktische Erwägung, denn er würde Zeit zum Aufsetzen eines ordentlichen Schriftstückes benötigen. Zeit, die er im Grunde genommen nicht hatte. Und letztendlich war das hier auch nicht sein Heim, sondern eine Legio, die wohl als solche keine Gastfreundschaft aussprechen konnte. Und so bedeutete der Dank nicht mehr als eine Floskel, die Sextus schon bereits wieder im gehen abwinken wollte, als der Bote doch noch etwas sagte. Etwas dummes. Nicht für Sextus, sondern für ihn.
    “Ich weiß“ sagte er kurz und hielt in seinem ursprünglichen Vorhaben, den Raum zu verlassen, noch einmal kurz inne. Da Sextus nicht an die Nettigkeit der Welt glaubte, folgerte er, dass der Bote dies aus einem Grund gesagt hatte. Vermutlich, um seine Reaktion darauf zu sehen und Geld daraus zu schlagen. Immerhin konnte er ja auch losziehen und aller Welt sagen, dass Ursus einen Staatsfeind beherbergte. Vielleicht wäre irgendwem diese Information etwas wert, so dass die Frage eigentlich die implizit gestellte Frage war, wieviel es Sextus wert war, dass niemand erfuhr, dass er hier war. Die Antwort hierauf war sehr einfach: Nichts. Jeder, der nicht vollkommen idiotisch war, würde sich denken können, wohin er wohl geflohen war, wenn ein Verwandter die nächste Legion zu Rom hinter sich hatte. Im Grunde wunderte sich Sextus noch immer über sein unverschämtes Glück, offenbar trotz Ausrufung zum Staatsfeind so uninteressant zu sein, noch nicht längst zumindest eine Kohorte hinter sich hergehetzt zu wissen.
    Was allerdings nun ganz und gar nicht hieß, dass er es schätzte, erpresst zu werden, selbst wenn dieser Versuch nicht erfolgreich war.
    “Ich wünsche, dass du morgen sehr früh losreitest, mein Diener wird dir die Nachrichten überbringen.“ Mit diesen Worten verließ Sextus den Raum. Oh, er hatte vor, Nachrichten zu schreiben, aber nicht diesem Burschen mitzugeben. Wer wusste schon, wo die am Ende landete? Und dafür waren sie zu wichtig. Nein, der Mann würde Besuch erhalten. Von einer Klinge, die ihn zum Schweigen bringen würde.


    Nein, Erpressung schätze Sextus wirklich überhaupt gar nicht. Und im Moment war jede Überreaktion besser, als einmal zu wenig reagiert zu haben.

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