Tablinum | Unerwarteter Besuch

  • Wenn man Sklaven ein Gut vollständig überließ, noch dazu in der Wildnis, schien sich deren Gefühl, wie man es einer Herrschaft bequem und komfortabel einrichtete, zu leiden. Dies zumindest war Sextus Eindruck gewesen, als er hier Einzug gehalten hatte. Zunächst einmal hatte er überhaupt beweisen müssen, ein Aurelier zu sein, was im Prinzip ja schlüssig war – wer würde schon jeden Dahergelaufenen in seinem Haus haben wollen – aber nichts desto trotz sehr enervierend. Und dann war der hiesige Lebensstandard weit unter dem, was Sextus aus Rom kannte. Aber immerhin, es waren eigene Sklaven, eigene Verwalter, eigene Güter, ein eigenes Dach mit eigenen Schwertern, die alles im Haus befindliche schützen. Definitiv eine bessere Alternative als ein Gasthaus.


    Und so befand sich das Haus auch in einigermaßen repräsentablen Zustand, als ein Besucher dem Hausherrn angekündigt wurde. Und dies wiederum war etwas, mit de er absolut nicht gerechnet hatte. Vor allem nicht, als ihm der Name eben jenes Gastes mitgeteilt wurde. Natürlich ließ Sextus den Mann hereinbitten und empfing ihn in dem, was sich hier im Norden eben so Tablinum nannte.
    “Ich hatte eigentlich gedacht, du wärst in Ägypten“, begrüßte er seinen Freund und Zweckverbündeten mit einem kräftigen Handschlag und einer folgenden, einladenden Geste, sich doch zu setzen. In derselben Bewegung aber blickte Sextus offen kritisch an Vala herunter. “Und ich hab dich auch weniger haarig in Erinnerung. Die Provinz bringt wohl den Homo Novus in dir zum aufbegehren.“ Ein bisschen sticheln musste sein.

  • "Kiek a..." , entwich es Vala in der Sprache seiner Sippe, als er in das für nordprovinzielle Verhältnisse oppulente Tablinum geführt wurde, "..man könnte meinen, ich wäre nicht der einzige, der eigentlich woanders sein sollte. Dass du dir aber gerade meine Heimat als Versteck aussuchst wundert mich dann schon.."
    Die Aurelier hatten sicherlich als eine der wohlhabendsten Familiae überall ihre Güter.. und damit auch entsprechende Möglichkeiten jemanden wie Lupus überall dort untertauchen zu lassen wo es einem Mann mit dessen ansprüchen eher passen würde. Allerdings würde Vala sich sicherlich nicht beschweren... sicherlich nicht.


    "Den hab ich mir in Aegyptus wachsen lassen... beziehungsweise auf der Reise hierher." , griff Vala sich grinsend in den Bart, "..du hast dich hingegen rein gar nicht verändert.. dabei hat so ein Bart auch seine Vorteile, besonders wenn der eigene Name sich auf so ziemlich jeder Proscriptionsliste des Reichs befindet... ich gratuliere, du bist jetzt berühmter als du es mit zehn pompösen Spielen in Roma geschafft hättest. Wie hast du das fertig gebracht?"

  • “Ach, hast du es noch nicht gehört? Ich habe den Imperator umgebracht, mitten im Senat. Dreiundzwanzig Dolchstiche, und nicht einer weniger.“ Sextus brachte dies im leichtesten Plauderton vor, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Erst nach einigen Sekunden machte er ein gespielt überraschtes Gesicht. “Ach, nein, das war ja bei einem anderen Imperator.“
    Sextus gab einem wartenden Sklaven eine Geste, damit dieser Wein für ihn und seinen Gast bringen sollte. Aber der Mann stand nur herum und schaute zweifelnd. Nachdem Sextus keine leise huschenden Schritte hörte, sah er dann doch mal zu dem wandelnden Inventar. “Wein?“, sagte er in demselben bemüht geduldigen Tonfall, den man an ein begriffsstutziges Kind herantragen würde. Als der Mann dann davonging, unterdrückte Sextus ein Augenrollen.


    “Und ich denke, ein Gezottel im Gesicht ändert auch nichts am Namen, also kann ich mich auch weiterhin wie ein Mensch zeigen und nicht wie ein Bär. Du solltest dienen Cognomen in Ursus ändern.“ Bärte waren für Sextus was für alte Griechen oder Barbaren. Dreitagebart, ja, Stoppel, ja. Totes Filztier im Gesicht, nein. Soviel Selbstdisziplin, wenigstens alle paar Tage sich zu rasieren und zu pflegen, musste sein.
    “Und ich würde nicht unbedingt sagen, dass ich mich verstecke. Ich würde eher sagen, ich sorge für ein Stück weit Zukunftssicherung.
    Und du hast eine Reise über mehrere tausend Meilen auf dich genommen, um den aufkommenden Bürgerkrieg bei deiner Familie zu verschlafen?“

  • "Moment... moment... das kenne ich, das kenne ich!" , rief Vala lachend aus, wie ein Kind, das sich darüber freute eine Weisheit im Unterricht von sich geben zu können, "Der Typ hieß... trommelwirbel... Caesar. Hah! War der Typ nicht Dictator?"
    Vor der Antwort bekam Vala allerdings noch zu sehen, wie Lupus in der Luft herumfuchtelte... und nichts geschah. Als sein Gastgeber dann doch verbal um Wein ersuchen musste, verzog Vala amüsiert die Lippen: "Mir scheint, hier sind einige Dinge eingerostet seitdem der letzte größere Aurelius hier seine Zelte abgebrochen hat. Ich hoffe, du überlebst den Mangel an Komfort und Selbstverständlichkeit hier im Norden.. hier ist einiges anders als im Süden, und wenn du mir erlaubst: nicht alles ist dabei schlechter."


    Den Kommentar über den Bart winkte Vala schließlich einfach nur ab. Er hatte sich so an den Pelz im Gesicht gewöhnt, dass er ihn wohl dalassen würde wo er gerade war... der Hinweis über den Aufenthalt des Aureliers ließ Vala allerdings mit neugierigem Blick aufhorchen: "Zukunftssicherung? Wie mag jemand, der von allen treuen Mannen des Vesculariers gesucht wird heute um Zukunftssicherung besorgt sein?"


    Im Hintergrund ein verräterisches Seufzen hörend, wandte Vala sich kurz um.. und erwischte Sirius dabei, wie er eine der wenigen Statuen im Atrium der Villa anschmachtete. Erst ein gewisses Räuspern ließ den Sklaven von dem bunt angemalten Stück Marmor absehen und eine gewisse Haltung annehmen, und Vala wandte sich mit einem entschuldigen Blick und einem Schulterzucken zu seinem Gastgeber um: "An sowas gewöhnt man sich, wenn man nicht du ist... achso, meine Anwesenheit... also, ich habe dem Legatus Aurelius vor zwei Tagen die Provinz Aegyptus vor die Füße gelegt. Sagen wir, der Ursupator Salinator wollte mich nicht haben... also will ich ihn auch nicht haben. Der Praefectus Aegypti und der Legatus Legionis der zweiundzwanzigsten dort waren relativ schnell einer Meinung mit mir, dass man sich von Rom lossagen sollte... um sich dem Potentaten Annaeus Modestus anzuschließen... erst haben wir Aegyptus auf Linie gebracht, dann bin ich los um dem LAPP die frohe Botschaft zu überstellen. Der will aber garkein Potentat sein... und jetzt bin ich hier, und verstecke mich... oder arbeite ebenfalls daraufhin, dass der Vescularier bald Blut atmet. Zukunftssicherung, verstehst du?"

  • “Dictator, Tyrann, erster König seit Superbus... frag zehn Gelehrte, du erhältst zwanzig Meinungen“, winkte Sextus ab. Letztendlich hatte es dem Mann nichts gebracht. Tot war tot, auch wenn man jetzt noch nach hundertfünfzig Jahren seinen Namen nannte. Sextus hatte sicher nichts gegen Unsterblichkeit, aber die würde er lieber durch sein Leben erlangen, nicht durch einen spektakulären Tod.
    Dass Vala die Unfähigkeit der Sklaven bemerkt hatte und kommentierte entlockte Sextus dann doch einen ärgerlichen Gesichtsausdruck. “Nenne mir eine Sache, die besser ist. Ich nehme die Hoffnung auf einen hellen Streif am Horizont in dieser dunklen Ödnis nur zu gerne an.“


    Der Wein kam und war sogar erfreulicherweise trinkbar. Das kühle Klima lag den Trauben wohl wirklich mehr als die heiße Sonne Italias, und Sextus nippte an dem Getränk, während Vala erzählte. Und je mehr er redete, umso mehr offenbarte Sextus ein Lächeln, das wohl seinem namensgebenden Tier entsprach.
    “Nun, dann ist deine Art der Zukunftssicherung der meinen nicht unähnlich, Freund. Nur dass ich nicht daran gedacht habe, den Annaeus zum Kaiser zu machen. Ich.... he, du da? Haben wir Landkarten im Haus? Von der Welt?“ Das letzte ging an den Sklaven, der sich redlich bemühte, keinen Wein zu verschütten.
    “Ja, dominus, haben wir. Soll ich sie herholen?“
    Sextus stellte den Becher weg und unterdrückte das Bedürfnis, sich die Schläfen zu reiben. “Nein, du sollst damit das Hypocauston anfeuern...“ meinte er sarkastisch.
    Als aber nur ein fragendes “Dominus?“ zurück kam, wanderte seine Hand doch zur Schläfe, um den aufkeimenden Kopfschmerz zu unterdrücken. “Hol das Ding her. Und beeil dich.“ Und bete, dass das Gespräch mich weit genug aufheitert, diese Idiotie zu vergessen...
    Sextus wartete einen Moment, bis der Sklave weg war. “Wenigstens seufzt er nicht“ versuchte er dem ganzen etwas Positives abzugewinnen.


    Nichts desto trotz begann er, seinen Freund aufzuklären. “Ich habe Rom verlassen, als die Situation dort für Patrizier und Nobilitas zu gefährlich wurde. Dass dein Patron erst inhaftiert und ins Exil geschickt wurde, ist dir bekannt?“ fragte er bei der Gelegenheit gleich mal nach. Sextus hatte keine Ahnung, was Vala wusste und was nicht.
    “Auf jeden Fall bin ich natürlich nach Norden zu meinem Vetter und der Legio I. Wir haben uns Palma angeschlossen, und ich bin hergekommen, um die Möglichkeiten hier abzuklären, da wir von Germania nichts gehört haben. Erfreulicherweise kotzte mir der Annaeus die Legionen hier ebenso als Geschenk vor die Füße wie du ihm die Zweiundzwanzigste – und damit ebenfalls mir.“ Das Lächeln kam wieder, ebenso wie die Karte. Sextus rollte das Ding auf. Es war veraltet, wie so ziemlich alle Karten schief und endete einfach am Rand des Leders, wo der Verfasser jener Karte nur ein 'terra incognita' hingekritzelt hatte. Aber um die wichtigsten Daten zusammenzutragen, reichte es wohl aus.
    Sextus stand also auf, breitete die Karte vor sich auf, nahm den Weinkrug auf der einen und seinen Kelch auf der anderen Seite als Beschwerer – ihm war egal, wenn das Ding kaputt ging – und fing an, zu zeigen.
    “Die Legio I konnte die Stellung hier in Mantua nicht allein behaupten. Wir wären von allen eingeschlossen. Hier, hier, hier und hier im Osten müssten Marius' Legionen stehen, und die alten des Vescularius. Cornelius Truppen sind hier, in Syria, also keine Möglichkeit, zu ihnen aufzuschließen. Sein Bruder Cornelius Cethegus ist hier in Britannia. Brit... da, das ist denke ich Britannia. Dazwischen, wie du siehst, Germania und Gallia. Also kam ich her, um zu sehen, ob es eine ausgesprochen blöde Idee ist, den Cornelius zu unterstützen, oder nur eine bedingt blöde, die funktionieren könnte. Von Gallia und Hispania weiß ich nichts, so dass es immer noch ein Zweifrontenkampf sein könnte. Allerdings, so der Annaeus Wort halten kann, stehen uns die Legionen von hier bis hier zur Verfügung. In einigen Tagen weiß ich wohl näheres. Darüber hinaus fehlt Vescularius nun auch die Unterstützung von Etruria hier, und nun auch Aegyptus dort unten. Wenn wir schnell handeln, können wir Marius' Truppen abfangen, ehe sie nach Rom gelangen, sofern sie auf dem Landweg marschieren, und uns mit Cornelius dann vereinen – sofern der auch den Landweg nimmt. Und dann liegt Rom wie ein reifer Apfel da.“
    Und all das erzählte Sextus, ohne jegliche militärische Erfahrung zu haben abseits vom Papier. Allerdings musste man für diese Überlegungen auch kein Stratege sein, ein Blick auf die Karten reichte. “Und dann, mein Freund, wird es mir ein persönliches Vergnügen sein, Vescularius langsam in kleine Streifen zu schneiden und an seine Hunde zu verfüttern.“

  • "Du bist definitiv schlimmer dran als ich,..." , grinste Vala seinen Kumpanen nach dessen Hickhack mit dem Sklavenbestand der Villa an, folgte dann aber nur allzu gerne den Ausführungen des Aureliers... auch wenn er mit deutlich überraschtem Blick zu erkennen gab, dass er nicht damit gerechnet hatte gleich mit einer strategischen Gesamtanalyse überfahren zu werden. Eigentlich hatte er mit GARNICHTS gerechnet, als an der Tür abgewiesen zu werden weil der Sprössling der Aurelii irgend ein anderer war als gerade der, mit dem er sich zusammengetan hatte.


    "Jaja..." , winkte er ab, als er auf seinen Patron angesprochen wurde, "...wir haben das als Ausrede benutzt um Aegyptus von Rom zu lösen. Vescularius ist nicht drauf eingestiegen, seitdem bin ich sozusagen vogelfrei... übrigens auf der gleichen Liste wie du, nur ein paar Namen weiter unten... weißt ja, Homo Novus und so."


    Die weiteren Ausführungen ließen ihn dann allerdings die Stirn runzeln: "Ich glaube kaum, dass ich das vor die Füße kotzen nennen würde. Dein Vetter ist da unten mutterseelen allein... ich weiß nicht wie schnell sie die Prima wieder aufgestellt haben, aber als ich sie verlassen habe, hätten die Vigiles Romae sie auf offenem Felde schlagen können. Das ist nett ausgedrückt für: dein Vetter braucht Hilfe, wenn er für diesen Palma irgendwie von Nutzen sein und nicht als Appetithappen für irgendeinen herummarodierenden Salinatortreuen Kommandanten. Kommt er hoch? Wieso hat er sich noch nicht bewegt? Und wieso hat Salinator ihn nicht schon lange plattgemacht? Wie lange bist du jetzt schon auf einer der Listen?"


    Den Rest der Ausführungen verschob er, schließlich stellte sich für ihm eine große Frage: "Wieso bewegt sich noch keiner? Ich meine, wir in Aegyptus.. wir können da nicht viel reißen, die zweiundzwanzigste kann sich ehrlich gesagt gegen fünf Kamele nicht zur Wehr setzen, und glaub mir, das sind abartig garstige Viecher... aber hier oben? Schläft Salinator, dass er das noch nicht alles klargemacht hat? Ich hab ehrlich gesagt erwartet nach Mogontiacum zu ziehen und entweder auf eine leere Stadt zu treffen, weil die Legiones nach Süden gezogen sind... oder hier kaltgestellt zu werden, weil der Annaeer sich Salinator angeschlossen hat. Aber nicht auf eine Armee im Wartezustand... mit dem Gesandten einer Armee, die quasi im dunkelsten Arsch sitzt und auf eine Möglichkeit wartet andere mit hineinzuziehen oder selbst herauszumarschieren."

  • “Auf derselben Liste mit vermutlich derselben Belohnung. Ich sollte eigentlich beleidigt sein. Mein Kopf sieht besser aus als dein Felluntersatz, der sollte das doppelte Wert sein.“
    Es war tatsächlich eine kleine Beleidigung, als Senator, Haruspex und aus einer der angesehendsten Familien des Reiches in einem Atemzug genannt zu werden mit einem Homo Novus, der in Ägypten nicht einmal ein hohes Amt hatte, sondern im Grunde nur ein kleiner Berater war. Aber daran konnte man schon deutlich erkennen, wie unfähig Vescularius war, und wie wenig dieser von Stand und Einfluss anderer hielt.


    Und die Kritik, wenngleich berechtigt, gefiel Sextus auch nicht wirklich. Nicht, weil sie nicht in allen Punkten korrekt wäre, sondern viel eher, weil er darauf keine vernünftige Antwort geben konnte.
    “Ich glaube, sein Weib wirft bald wieder. Vielleicht will er da erneut in der Nähe sein, war beim ersten Mal auch schon nicht anders. Und glaube mir, ich verstehe es nicht einmal ansatzweise. Und dass ich ihn bekniet habe, schnell zu handeln, ehe Marius sich bewegt.“
    Es war eigentlich nicht Sextus Art, vor Fremden Kritik an seiner Gens zu üben, und wären sie hier in größerer Runde, wie beispielsweise der anstehenden Besprechung, solche Worte wären niemals über seine Lippen gekommen. Nur bei Vala war ein allzu genaues Abwägen der Worte überflüssig. Auch wenn er ein Homo Novus war, ganz blöd war er nicht, und er würde erkennen, wann Sextus eine Ausrede benutzte und wann nicht. Außerdem wäre es wichtig und nützlich, einmal vernünftig über die taktische Lage reden zu können, ehe Sextus in eine Besprechung gehen würde, wo er besser vorbereitet sein musste als im Moment.
    “Vescularius hingegen kann nicht viele Truppen bewegen. Die Bevölkerung von Rom steht nicht gänzlich auf seiner Seite. Der Idiot hat es versäumt, sich an die einfachsten Regeln zu halten, um sie zu beeindrucken. Keine Leichenspiele für Valerianus, keine Brotspenden, noch nicht einmal eine Staatstrauer. Stattdessen ein Ausnahmezustand und Blut auf den Straßen, Cohortes überall, die sich durch den Pöbel schnetzeln. Ich frage mich, wodurch er den Plebs zu beherrschen gedenkt? Für eine Herrschaft durch Angst fehlt ihm der Rückhalt aus den Legionen, wie man sieht. Und die Unterstützung wichtiger Männer aus der Nobilitas.
    Allerdings hatte ich schon damit gerechnet, bei meiner Flucht aus Rom wenigstens eine Turma Prätorianer auf den Fersen zu haben. Allerdings kam rein gar nichts, außer dieser Verlautbarung auf Papier. Wenn du mich fragst, Vescularius ist ein vollkommener Idiot, der sich überschätzt und seine Feinde unterschätzt.“

    Sextus warf noch einen weiteren Blick auf die Karte. “Und vor allen Dingen weiß er denke ich nicht, dass ich Cornelius kenne, und er mich. Ein Vorteil, den die Prima hat“, warf Sextus mit einem Augenzwinkern ein. Wie weit dieser Vorteil reichte, konnten in diesem Moment vermutlich nur Sextus und der Sohn des Tiberius erahnen. Alle weiteren Verschwörer, die involviert waren, waren vermutlich inzwischen tot. Von daher würde Sextus bloßes Erscheinen wohl ausreichen, um den Cornelius an einige Dinge zu erinnern, die er ansonsten stillschweigend vergessen machen konnte. “Oder jetzt Annaeus, sofern ich ihm diesen gewähren will. Ich fürchte, ich werde länger in dieser modrigen Wildnis bleiben müssen, als mir lieb ist, sofern sich hier nicht bald die Legiones bewegen. Der Legat hat mich zum Kommandanten seiner Ehrenwache gemacht.“ Sextus winkte schon fast verächtlich ab, was andeuten sollte, dass er darüber nicht in Jubelstürme auszubrechen gedachte. Oder länger zu diskutieren.
    “Aber ich habe die Befürchtung, dass noch mehr Zeit ungenützt ins Land streicht. Ich wurde sogar schon eingeladen, als wär ich ein Gast, der sich hier auf Monate einzurichten gedenkt. Von einem Magister Vicus. Sagt dir ein Mathayus Magonidas irgendwas? Einer deiner Verwandten, Duccius Marsus, soll auch bei der Feier sein, und irgend ein alter Veteran. Oh, und der Claudius.“ Sextus sah Vala fragend an. Der Kerl stammte immerhin von hier, vielleicht kannte er den Mann, weil der doch wichtiger war, als er klang. Auch wenn Sextus es bezweifelte.

  • "Solltest du tatsächlich..." , grinste Vala schalkhaft, der sich keinerlei Illusionen über die Verortung und die Defizite seines Standes machte. Letztlich konnte er sich glücklich schätzen mit Lupus befreundet zu sein, von Lepidus und dem toten Corvinus mal abgesehen hatte sich der Stand der Patrizier vor allem dadurch ausgezeichnet Vala zu schneiden wie ein Stück schimmliges Graubrot.
    "Wenn das stimmt, was man zu deiner Proscription erzählt, hätten sie für dich auch gut und gerne zwanzigtausend Sesterzen verlangen können, so einen Kaiser hat man schließlich nicht jeden Tag auf dem Gewissen. Aber an dem popeligen Kopfgeld kann man auch ersehen, dass es Salinator nicht allzu ungelegen kam seinen Freund zu Grabe zu tragen."



    Zu dessen Erklärungen über den Legaten der ersten Legion sagte Vala: gar nichts. Allerdings warf er ihm einen Blick zu, der mehr sagte als tausend Worte und deutlich machte, dass es ihn keineswegs überraschte so etwas zu hören.


    "Das hätte sogar ich hinbekommen..." , gab Vala offen zu, als er die Erklärungen seines Freundes über die politischen Verfehlungen des Ursupators nach seiner Machtergreifung dozierte, "..und mich überfordern die römischen Standards regelmäßig.. allerdings habe ich auch keinen riesigen Beraterstab, ich bin so gut wie alleine."
    Eigentlich hatte Vala gar keine Lust sich jetzt schon so mit diesen strategischen und politischen Fragen auseinander zu setzen, aber Lupus war gerade so enthusiastisch, dass er sich dann doch zu einem genaueren Blick auf die Karte breitschlagen ließ. Dass Lupus hier seine Rolle so groß herausstrich ließ Vala einfach unkommentiert, war es doch nur natürlich, dass man in einer Zeit unvorhersehbarer Veränderungen seine Rolle von Anfang an herausstrich um am Ende besser dazustehen als zuvor.


    "Ich sehe hier zwei große Probleme..." , begann Vala mit kritischem Blick auf die Karte, und bewegte seinen linken Zeigefinger die Form eines Dreiecks nachzeichnend von den norrischen Alpen bis runter zu Macedonia, von dort nach Moesia und von da wieder zurück nach Norricum, "...das erste ist: was ist mit diesem Areal? Was wissen wir über die Statthalter dort? Das was ich aus dem Kopf weiß, ist, dass die Stricke des Vesculariers dort am kräftigsten sind.. so sich nicht auf einmal mehrere der Legaten von ihm gelöst haben, ist das immernoch genug Militärmacht um sich auf Jahre bei schlechter Politik in Rom zu halten, solange er die Prätorianer nicht gegen sich aufbringt. Und da er noch lebt heißt das, dass er sich mit ihnen gutgestellt hat. Das zweite Problem ist für uns allerdings viel wichtiger..." , sprach Vala mit bedeutungsschwangerem Blick und ließ den Finger zurück dorthin wandern, wo er hergekommen war: Germania Inferior und Superior.


    "Die germanischen Provinzen erhalten zwar ihre zivile Struktur aus eigener Kraft, das Heer aber wird von Rom aus alimentiert. Die Germaniae sind keine Provinzen die man des durch sie zu erreichenden Wohlstands errichtet hat, sondern um die freien Stämme des Ostens auf Armlänge von jenen fernzuhalten, die Rom Geld einbringen. Dieser Cornelier hat sich in Syria erhoben, und wie es ausschaut folgt ihm der eine oder andere Statthalter zumindest halbwegs aktiv... sprich der goldreiche Osten fällt für Rom aus... allerdings auch für uns, denn dazwischen liegen die ebenfalls nicht armen Provinzen von den Alpes bis nach Thracia. WIR allerdings haben zwar jede Menge Militär, aber auf Dauer nicht genug Geld um zu warten bis sich das Problem in Rom selbst erledigt hat. Irgendwann werden wir nach Süden ziehen MÜSSEN um eine Entscheidung zu erzwingen, sonst desertieren zuerst die Auxiliares, und dann fallen unsere Legiones auseinander. Mit Bernstein allein und ein wenig Kupfer und Eisen aus den hiesigen Minen bezahlt man keine Legion... Salinator kann warten, so er die Bevölkerung ohne das Getreide aus Aegyptus auf Sparsamkeit trimmt. Wir nicht."


    Vala hatte lange genug die Mechanismen der germanischen Provinzen studiert um zu wissen, dass die Chancen in Germania Kaiser zu werden äußerst gering waren. In Germania ERHIELT man seine Kaiserschaft, wenn man schon Kaiser war, aber man wurde sie nicht... das hatte die Geschichte bisher gezeigt, und würde sie auch immer wieder zeigen.
    "Wie war das? Leibwache? Gratuliere..." , schlug Vala dem Aurelier freundschaftlich auf die Schulter, während dessen nicht gerade glücklicher Gesichtsausdruck darüber voll an ihm vorüber ging, "...dann werden wir uns definitiv öfter sehen als das früher der Fall war. Ich führe die achte Legion an."


    Die Frage nach dem Mann namens Magonidas konnte Vala nur mit einem Schulterzucken beantworten: "Ist mir nicht bekannt. Sirius, sagt dir..." , wandte Vala sich um, um von seinem wandelnden Personengedächtnis Infos zu bekommen, wurde aber mit einem vorwurfsvollen Blick bedacht, "...eh, nein, kenne ich nicht. Scheint neu zu sein, als ich Mogontiacum verlassen habe, war der Name noch kein Begriff in dieser Civitas. Witjon... Marsus hat mir noch nichts von der Einladung erzählt, scheint also nicht so wichtig zu sein, als dass es DAS Ereignis überhaupt wäre. Woher wusste der, dass du da bist?"

  • Auch wenn Ehrlichkeit bei dieser Unterredung ein großer Vorteil gegenüber dem Schauspiel war, das Sextus üblicherweise zum Besten gab, kannte auch diese ihre Grenzen. Und so zögerte Sextus nicht eine Sekunde, bei dieser Vorlage die eigene Wahrheitsversion, die er in die Geschichtsbücher zu schreiben gedachte, seinem Freund anzuvertrauen. “Nun, mag vielleicht daran liegen, dass ich den mir angedichteten Ruhm weniger verdient habe als Vescularius selbst. Mein Patron hatte Beweise für eine Verschwörung des Vescularius gesucht, um sie dem Kaiser vorzulegen. Eine Narretei, wenn du mich fragst, und du siehst ja auch, was dabei herausgekommen ist.“ Sextus zuckte abwertend mit den Schultern und machte ein säuerliches Gesicht. Er ließ dabei bewusst offen, ob Tiberius diese Beweise dem Kaiser vorgelegt hatte und deshalb beide gestorben waren, oder ob Vescularius nur im Nachhinein davon Wind bekommen hatte und einen unliebsamen Zeugen so zum Schweigen gebracht hatte. Vala würde sich seinen Teil denken, und wenn nicht, fragen, sofern es für ihn von irgendeiner Bedeutung war. Und schon war eine neue Wahrheit geboren, die wachsen würde, und nahe genug an der tatsächlichen Wahrheit war, um zweifelsfrei bestehen zu können.


    Der blick auf die Karte aber zeigte das eigentliche Problem recht deutlich, das auch Sextus so durchaus sah. “Du kannst das problematische Gebiet bis hier hinunter nach Asia ziehen. In den letzten Jahren war Vescularius zumindest auf diesem Gebiet sehr fleißig. Er hat diverse Männer aus diesen Provinzen in den Senat katapultiert und mit hohen Ämtern ausgestattet. Zeugma und Epidauros gehören ihm als strategische Stützpunkte auf dem weg durch die Ventidii und die Cocceii. Die Tiburtii halten ihm Asia, den Sohn des Statthalters hat er nun zum Prätor gemacht. Ebenso in Pannonia und Dacia. Die Legiones Claudia und Gemina sind ihm treu ergeben, in den anderen Legiones hat er Freunde oder irgendwelche Praefecti oder Legatensöhne in den Senat gebracht. Und bei all jenen, bei denen die Sprösslinge noch in Rom sitzen, brauchen wir nicht einmal daran denken, dass sie sich heraushalten könnten.“ Der Usurpator war vielleicht zu dumm gewesen, sich die Bevölkerung zu sichern, aber die Art und Weise, wie er sich die Legionen gesichert hatte, die ließen Sextus neue Wahrheit schon extrem wahr erscheinen. Vermutlich war sogar etwas dran, dass Vescularius geplant hatte, nach Valerianus' Tod die Macht zu ergreifen.
    “Allerdings wird Vescularius auch nicht zu lange warten können. Cornelius wurde ausgerufen, darauf muss er reagieren. Und glaube mir, du hast die Bevölkerung Roms nie in Zeiten des Hungers erlebt und das willst du auch nicht. Länger als drei Monate gebe ich ihm nicht, eher in der Stadt Unruhen ausbrechen, die er mit Vigiles, Cohortes Urbanae und Prätorianern nicht auch nur annähernd eindämmen kann. Rom ist eine verwöhnte, fette Hure. Nimm ihr ihr Essen weg, und sie wird ärgerlich. Und ohne schöne Geschenke sticht sie dich im Schlaf ab. Rom hat sich daran gewöhnt, von allem ausreichend zu haben. Hungern ist definitiv nichts, worauf sich die Bevölkerung einrichten wird. Das würde vielleicht hier in der Provinz funktionieren, in Rom niemals.“
    Sextus Blick blieb auf diesem kleinen Punkt auf der Karte hängen, wo die gesamte Macht der Welt gebündelt lag.
    “Aber ich gebe dir recht, dass wir schnell handeln müssen. Nicht nur wegen der Finanzierung. Egal, wie idiotisch Vescularius die Bevölkerung unterschätzt, in Militärdingen war er fleißig. Er wird sehen, dass Ägypten der Schlüssel zu seiner Machterhaltung ist, und je länger wir hier warten, umso wahrscheinlicher ist es, dass er es sich einfach holt. Wir müssen Rom einnehmen, ehe er seine Truppen von hier nach dort verlegen kann, oder zumindest lange genug hier im Norden bündeln, um Cornelius die Möglichkeit zu geben, Rom einzunehmen. Aber bewegen müssen wir uns, am besten sofort.“
    Und Vala war Kommandant der Achten? “Dann werden wir wohl das alles hier in Zukunft noch viel öfter miteinander durchkauen dürfen. Aber solange sich die Truppen endlich bewegen, rede ich gerne einen ganzen Tag lang über ncihts anderes mehr. Gratuliere zum Kommando.“


    Bezüglich der Essenseinladung war Sextus dann doch beinahe etwas enttäuscht. Hatte der Sklave nicht irgendwas von 'nicht unter seiner Würde als Aurelier' gefaselt? Ihm war so. Und was war nun? Ein Händler, der selbst für die Peregrini hier nur ein Fremdländer war, lud ihn zu einer privaten Kleinstrunde ohne jede Bedeutung ein. Und dabei war er Senator Roms, Patrizier und jetzt auch Militärkommandant! Lustiges Volk hier oben.
    “Keine Ahnung, vielleicht saß er auf der Mauer der Regia und hielt nach Fremden Ausschau“, witzelte Sextus bissig. Er hatte keine Ahnung, wie dieser Mensch darauf kam, ihn einzuladen. “Dann richte deinem Verwandten doch mein Bedauern aus, ihn nicht dort kennenzulernen, falls er hingeht. Ich denke, wir werden größeres zu tun haben.“

  • "Mir ist relativ egal, wer den Kaiser ermordet hat.. und wenn Vescularius Salinator der liebenswürdigste Mensch im ganzen Orbis Terrarum wäre, ich wäre mit jemandem anderen an der Spitze des Reichs sehr viel glücklicher..." , sprach Vala frei heraus mit einem Blick, der deutlich machte wie wenig er sich um Wahrheiten und Ideologien scherte, solange es ihn am Leben erhielt und ihm und seiner Sippe zum Vorteil gereichte, und offenbarte gleich darauf eine grundlegende Söldnermentalität, "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing... und der Vescularier hatte es nicht so mit dem Brotverteilen."


    Zu den weiteren Ausführungen über die politische Konstruktion der aktuellen Lage sagte Vala weiter nichts, weil es nichts mehr darüber zu sagen gab. Salinator war stark in der Mitte und schwach in den Rändern. Und dennoch, Vala ließ sich nicht wirklich davon überzeugen, dass der Mann sich bewegen musste: "Der Mann wäre ein Idiot, wenn er gegen den Cornelier zieht, und ein noch größerer Idiot, wenn er uns entgegen käme. Seine Legaten kennen die Provinz, und die erste...." , Vala tippte an die Stelle, an der die Legion verzeichnet war, in welcher er sein erstes Tribunat abgeleistet hatte, "...lässt sich schneller durch einen toten Aurelius gewinnen als durch einen Feldzug. Ich würde ihn einfach meucheln lassen... viel billiger... und zumindest die einfachen Soldaten dürften einen gesunden Sinn für die Notwendigkeiten haben, und sich nicht mit so Quatsch wie Blut und Ehre abgeben, wenn ihnen die Mägen knurren... übrigens genauso wenig wie unsere."


    Er wandte sich von der Karte ab, weil er sich später ohnehin den Kopf darüber würde zerbrechen müssen, und schloss den taktischen Teil ab bevor er ihm zu ungemütlich wurde: "Wie auch immer er sich verhält... wir müssen hier schneller weg als er. Und wenn wir ihn im Süden treffen, wird er höchstwahrscheinlich im Vorteil sein. Und genau weil wir das hier in Zukunft noch öfter durchkaufen dürfen, lassen wir es für jetzt bleiben... wie geht es deiner Frau? Hast du sie in Mantua gelassen, oder gleich mit in den sicheren Norden genommen?"


    Die Absage seines Freundes ließ Vala ziemlich kalt, sagte ihm der Name des Händlers doch genauso wenig wie dem letztlich eingeladenen. Dass der Mann es allerdings darauf anlegte sich mit Personen von Rang und Namen zusammen zu tun, und sei es nur damit ein wenig Prestige abstrahlte, gab Vala zu denken: "Merk dir den Namen, Sirius. So... achja.. die Menschen in Mogontiacum feiern bald Beltane.. kann ich einen den römischen Göttern so eifrig dienenden Mann wie dich dazu breitschlagen, dir die Gesichter der Götter mal im nordischen Gewand anzusehen?"

  • Gut, hier war wohl kein Sprecher für moralische Werte oder auch nur Heuchler eben jener zu gewinnen. Sei es drum, es störte Sextus nicht. Eine Lüge war wie Weintrauben, man musste sie erst reifen lassen, ehe man den Wein daraus keltern konnte. Irgendwann würde das schon noch zu seiner Wahrheit heranreifen, auch in Vala.
    “Dein Pragmatismus sichert dir sicher eine gute Karriere beim Heer, in Rom solltest du ihn aber ein bisschen ausschmücken“, meinte Sextus gutmeinend und lauschte den weiteren Äußerungen des Ducciers bis hin zu dem Punkt, dass er kein Interesse an einer Vertiefung der Taktikgespräche hatte. “Du solltest die Ideologie und das Charisma von Männern nicht unterschätzen. Wobei ich meinen Vetter zugegebenermaßen nicht als charismatisch beschreiben würde. Dennoch würde ich nicht alles auf den schnöden Mammon reduzieren. Viele dumme Menschen machen viele dumme Dinge aus Gründen von Stolz, Ehre und Ideologie. Und ein guter Redner appelliert an diese, um sie auch gegen die Wahrscheinlichkeiten für sich zu gewinnen.“
    Sextus war sich sicher, dass die Soldaten der Prima seinem Vetter folgen würden, selbst wenn der sich allein gegen Marius stellen würde. Und zu großen Teilen auch sterben würden. Er wusste nicht, wieso die Männer so dumm waren, das zu tun, er konnte es nicht ernsthaft nachvollziehen, allerdings hegte er daran dennoch wenig zweifel, dass es so war.


    Allerdings genügte er dem Wunsch des Ducciers und beließ es hiermit dabei, was den Feldzug und das weitere anging. Sie würden ganz sicher noch sehr viel darüber reden müssen, in diversen Stabsbesprechungen. Außerdem wechselte der Mann ohnehin das Thema, wenngleich zu einem für Sextus weit weniger erfreulichen.
    Das leichte, wenngleich nur zum Schein stets benutzte Lächeln schwand und er blickte kurz wie durch die Karte hindurch. “Ich habe meine familia zur Familie meines alten Lehrmeisters der disciplina etrusca nach Tarquinia geschickt. Allerdings gab es wohl einen Zwischenfall auf der Reise, so dass nur mein Sohn dort angekommen ist. Ich gehe davon aus, dass Flavia Nigrina tot ist.“ Er sprach es sachlich und nüchtern, ohne Gefühlsregungen in der Stimme. “Mein Sohn wird dort, wenn er alt genug ist, ebenfalls zum Haruspex ausgebildet werden. Ich hoffe, unter dem Namen Aurelius, aber sollten wir verlieren, als Cilnius.“ Zumindest eine Sache, die schon gesichert war. Selbst wenn sie verlieren würden, war für die Sicherheit seines Erben gesorgt.


    Er nahm noch einen Schluck Wein, aber ruhig und gelassen, und dachte über die Einladung zu dem Fest nach. “Ich diene genau genommen etruskischen Gottheiten, aber wenn es eine Wahrheit gibt, dann die, dass Gottheiten eben Gottheiten sind, egal, wie sie sich zeigen.“ Im Grunde waren sie die großen Kräfte, die von Menschen nicht wirklich erfasst werden konnten, und sich eher unsichtbar durch Verkündigung ihres Willens zeigten. Oder, bei den Etruskern, ihnen einmal eine ziemlich genaue Offenbarung gaben, damit die Menschen nicht ganz so im Dunkeln herumstolperten. “Wann ist denn das Fest und was wird da gefeiert?“

  • "Rom interessiert mich nicht." , gab Vala ganz offen zu, und dies in einer Tonlage als wäre es für ihn eine Selbstverständlichkeit das Zentrum der Welt als reines Sprungbrett an die Spitze seiner Heimat zu betrachten.
    "Steht in jedem Grundlehrbuch, und irgendwo hat mir das jeder noch so kleine Furzoffizier gepredigt, der meinte einem Tribunus Angusticlavius etwas beibringen zu müssen." , jammerte er mit spöttischem Lächeln über die Belehrung der Ideologiegläubigkeit der einfachen Soldaten, "Aber du hast Recht.. eine mitreissende Rede hier, eine glaubhaft vermittelte Anteilnahme, ein wenig geheuchelte Gleichheit, ein bisserl mehr Erhabenheit.. blabla... und vor allem: Brot, Geld und ein Weib das man ab und an besteigen kann, dann ist alles in Butter."


    Zu den Neuigkeiten über die Frau des Aureliers wusste Vala im Grunde genommen nicht viel zu sagen. Er zog die Lippen schmal und murmelte eine Entschuldigung, bevor er sich auf das Thema der Götter stürzte: "Ich muss zugeben, ich habe nicht die geringste Ahnung wie genau sich diese Etrusker jetzt ausgezeichnet haben. Oder ihre Götter.. das Fest ist in zwei Tagen, es wird mit großen Freudenfeuern begangen, die das Ende des Winters verkünden.. die Römer nennen es Ludi Florales, die keltischen und germanischen Völker haben jeweils viele andere Namen dafür. Es feiert Abschied vom Winter und die Wiedergeburt der Natur. Meine Familie feiert zumeist in kleinem Rahmen, bevor wir uns in der Öffentlichkeit zeigen um Präsenz zu zeigen. Du bist herzlich eingeladen, falls du dir diesen Kulturschock antun willst. Es könnte die letzte größere Feier unserer Leben sein."

  • Hier war ganz offensichtlich Hopfen und Malz verloren. Vala war und blieb ein Barbar und würde nie auch nur im Entferntesten ein zivilisierter Römer sein. Sein Interesse galt nur den niederen Bedürfnissen und seinem eigenen Einfluss in dieser wilden Einöde fern jeglichen Luxus, und er projizierte eben diese niederen Gelüste auch auf seine Umgebung. Auch wenn Sextus das nie laut gesagt hätte, glaubte er seinen Freund als Kommandeur einer Ala weit besser aufgehoben als bei einer Legion, wo zumindest die Chancen nicht klein waren, auf götterfürchtige Römer zu treffen, denen er mit seiner Art vehement vor den Kopf stoßen würde. Aber wer war Sextus, den Duccius zu erziehen? Er hatte sicherlich besseres zu tun, als einen Sturkopf zu belehren und darauf Zeit und Ressourcen zu verschwenden. Beides Dinge, die er sinnvoll einzusetzen gedachte, um seine eigene Karriere zu fördern und den Rum seiner Gens.


    “Ich könnte dir erzählen, wer die Etrusker sind und was sie für die Welt getan haben. Nur irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es dich nur peripher interessiert“, meinte Sextus also nur freundschaftlich und ließ das Thema damit auch gut sein. Vala würde wohl kaum von der Notwendigkeit der richtigen Rituale und überhaupt den Erkenntnissen im sakralen und religiösen Teil des Lebens eine Bedeutung abgewinnen können, da man es weder essen noch vögeln konnte. Und im Allgemeinen würde Sextus dieser Haltung sogar weitestgehend zustimmen, wäre da nicht so eine Sache wie die Millionen anderer Bürger, die eben an genau diese Dinge mit fanatischem Eifer glaubten. Allerdings war ein Gespräch dieser Art kaum etwas, das bei Vala Früchte tragen würde, wie diese gesamte Unterhaltung untermauernd bewies.
    Was das Fest anging, fragte sich Sextus nur kurz, warum Vala nicht einfach 'Floralia' gesagt hatte, die ihm selbstverständlich mehr als nur ein Begriff waren. Und vor allen dingen, warum er 'die Römer' sagte, und weder 'wir Römer' noch 'ihr Römer', wenn er sich selbst schon auszuschließen gedachte. Allerdings missfiel es Sextus doch deutlich, dass dieser Barbar hier, welch Vorzüge er gewiss auch haben mochte, Sextus offenbar nicht als Römer sehen wollte. Allerdings war dies ebenfalls etwas, das zu kommunizieren weder rechter Ort noch rechter Anlass war.
    “Ich hoffe sehr, dass dies nicht das letzte Fest unseres Lebens ist. Ansonsten wäre es eine Schande, sollten die germanischen Riten dabei nicht zumindest eine gewaltige Menge hübscher, junger, nackter und williger Frauen einschließen.“ Die bei den Floralia nach römischem Ritus nun nicht unbedingt dazugehörten. Wohl eher bei den Bacchanalia.

  • Schuldbewusst grinsend zog Vala einfach die Schultern hoch und deutete mit den Handflächen nach oben: er konnte ja nichts dafür! Das war einfach so, und es war nie anders gewesen, dass Vala alles was sich südlich der Alpes befand einfach nur als Etappen für seine pompöse Rückkehr nach Mogontiacum betrachtete. Dass seine Rückkehr erstens früher als geplant und zweitens ganz und gar nicht pompös, sondern mit einem zweifelhaften Eintrag auf einer Proskriptionsliste einhergegangen war, hatte seine Wiedersehensfreude deutlich geschmälert... seine Faszination für alles südlich der Berge nicht im geringsten tangiert.


    "Ehh... lass mich kurz nachdenken..." , floskelte Vala und machte für einen Sekundenbruchteil eine nachdenkliche Miene: "Nein. Tut mir leid, ist nicht. Wobei es schon einige gibt, die das erste Grün nutzen um um Fruchtbarkeit zu bitten... und dies in der freien Natur, nackt wie die Götter sie schufen... und... jo..." Vala kratzte sich am Kopf und grinste schelmisch: "Nachwuchsprobleme hatten wir hier noch nie. Darf ich also davon ausgehen, dass du kommst? Ich werde dir jemanden vorbeischicken der dir sagt wann die Feierlichkeiten beginnen."

  • “Ja, ich werde kommen. Die Götter wollen schließlich geehrt werden, und ein wenig gesellschaftliche Präsenz ist doch immer von Vorteil.“ Nackte Weiber wären Sextus dennoch lieber gewesen, auch wenn er es nicht ernsthaft erwartet hätte. Nunja, vielleicht fand sich im Zuge der Feierlichkeit wenigstens ein weibliches Wesen hinreichenden Aussehens und ohne nennenswerte Folgeschwierigkeiten, die zumindest etwas aufheiterndes nach den öffentlichen Feierlichkeiten zu einem gelungenen Abend beitragen konnte.

  • "Sehr schön." , brummte Vala und komplimentierte sich im folgenden selbst hinaus, "Wenn du mich nun also entschuldigst, wir sehen uns dann in nicht allzu langer Zeit wieder. Vale bene, Lupus."

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