Von Noviomagus nach Mogontiacum - Eine (un)freiwillige Flucht

  • SO NICHT!!! NICHT IN MEINEM HAUS!!!


    hallte die Stimme von Lucius Helvetius Curvus am Abend durch das Landhaus der Familie westlich von Noviomagus. Die Sklaven kannten das schon. Denn es es ging wohl mal wieder um den jüngeren Sohn Curio, der sich strikt den Anweisungen eines Mannes verwehrte, der es gewohnt gewesen war, Befehle zu geben, die umzusetzen dann postwendend umgesetzt wurden.


    Aber Lucius...


    antwortete seine Frau, Decria Timarcha, versuchend ihren Mann zu beruhigen. Normalerweise wirkte das, doch dieses Mal schien das nicht der Fall zu sein. Curio war mal wieder gegen die klare Anweisung seines Vaters zum Saturnusschrein in der Nähe von Noviomagus gegangen, um dort bei einem Opfer zu assistieren. Wohlgemerkt: Gegen die klare Anweisung, man konnte aber auch mit Recht sagen, gegen den klaren Befehl seines Vaters.


    Nein, Timarcha, nichts "Aber Lucius." Das Maß ist voll. Wenn du, Iullus, glaubst, du könntest mir auf der Nase rumtanzen... Da hatte ich schon mit ganz anderen Männern zu tun, die das glaubten! Alle sind hinterher vor mir in den Staub gefallen und haben gebettelt, dass ich sie zurück in Quartie ließe. Aber DU!!!


    Die rechte Hand des Helvetiers hatte sich drohend gegen seinen Sohn erhoben, der nur dastand, den Blick zum Boden gerichtet, die Fäuste geballt, doch mit dem Wissen darum, dass jedes falsche Wort zu viel sein könnte und ein offenes Aufbegehren nur dazu führen würde, dass der Vater in vollem Ausmaße von seiner patria potestas Gebrauch machen würde. So schwieg Curio nur, den Wutanfall seines Vaters über sich ergehen lassend und immer wieder leicht zu seiner Mutter schielend, die es bislang immer geschafft hatte, die Wogen zu glätten.


    Er ist doch noch ein Kind, Lucius...


    setzte Timarcha erneut an wurde aber ohne großen Federlesens wieder von ihrem Mann unterbrochen.


    EIN KIND?! Dass ich nicht lache. In seinem Alter war ich schon fast bei den Adlern. Und jetzt will der feine Herr auch noch in den Tempel... Was kommt als nächstes? Nein, Timarcha, das Maß ist voll. ENT-GÜL-TIG! Morgen bist du aus dem Haus verschwunden, Iullus, in Richtung Mogontiacum. Und zwar allein! Dann wirst du sehen, wie es ist, ohne die Familie auszukommen! Ich verspreche dir: Nach nicht mal einem Tag bist du wieder hier.


    Bei den letzten Sätzen hatte sich sein Vater umgedreht und fing an, auf einer Tabula rumzukritzeln. Nach wenigen Sekunden nahm er die Tabula auf, las sie sich erneut durch, siegelte sie dann und überreichte sie dann seinem Sohn.


    Solltest du aber tatsächlich in Mogontiacum ankommen, gib das deinem Bruder. Mit diesem Schreiben entlasse ich dich in seine Obhut. Allerdings würde mich alles andere als deine Rückkehr hierher überraschen. Noch vor Sonnenaufgang bist du weg. Noch Fragen? Nein? Gut.


    Von Satz zu Satz wurde die Stimme seines Vaters militärischer bis zu seinen letzten Worten, die schließlich klar machten, dass das Gespräch mit seinem zu Ende war. Selbst seine Mutter hatte hier nichts mehr ausrichten können. Schnellen Schrittes verließ Curvus nun das Tablinum Richtung Hortus und ließ seine Frau und seinen Sohn zurück. Timarcha blickte zu ihrem Sohn, seufzte einmal tief und ging dann auf ihn zu.


    Dann werden wir wohl mal deine Abreise vorbereiten.


    sagte sie und legte Curio die Hand auf die Schulter.


    Aber, Mutter, ich will hier nicht weg.


    sprach Curio nun die ersten Worte seit dem Wutanfall seines Vaters.


    Jetzt seien wir mal ehrlich, Iullus. Wie lang willst du das eigentlich noch machen? Glaubst du denn, dein Vater wird das noch mitmachen. Vielleicht tut dir ja auch etwas Abstand von zu Hause gut.


    machte sie ihm Mut, wobei man ihr anmerkte, dass sie ihn nur ungern gehen lassen wollte. Allerdings wusste sie, dass es das Beste für Curio war, wenn er seinen Vater fürs Erste nicht mehr sehen würde. Allerdings war ihr auch bewusst, dass der Weg nach Mogontiacum durchaus gefährlich war, besonders außerhalb der Städte. Sie kannte ihren Mann aber wiederum gut genug, als dass er seinen Befehl nicht zurücknehmen würde.


    Aber...


    versuchte es Curio erneut, doch fehlten ihm einfach die Worte. Der lange Weg nach Mogontiacum. Alleine? Ohne Pferd, ohne Sklaven? Bis Noviomagus würde es wohl noch gehen. Aber danach? Wenn er erstmal auf der langen Straße nach Mogontiacum war, gab es genug freies Land. Und Wegelagerer gab es genug. Was, wenn er wirklich sofort wieder kehrt machen müsste? Hier konnte er ja auch nicht bleiben...
    Die Gedanken überschlugen sich fast in seinem Kopf und merkte erst einige Momente später, dass seine Mutter ihn bereits in sein Cubiculum geführt und einige Sachen in seine tragbare Reisetasche gepackt hatte. Um seine Schatzkiste kümmerte er sich dann noch selber, bevor er sich - vorerst zum letzten Mal in sein Bett legte.


    Das wird schon, Iullus. Du schaffst das schon.


    versuchte Timarcha ihren Sohn zu beruhigen, bevor dieser letztlich einschlief. Trotzdem die Nacht noch unruhig werden sollte.

  • Die Nacht war kurz und unruhig. Immer wieder schreckte Curio aus seinen Alpträumen hoch und musste sich jedes Mal klarmachen, dass er das Weingut noch gar nicht verlassen hatte. Irgendwann hielt ihn schließlich nichts mehr in seinem Bett, sodass er aufstand, eine Kerze entzündete und nochmal seine Reisetasche durchsuchte, ob er auch alle eingepackt hatte: Eine weitere Tunika, seine Schatzkiste, die Tabula seines Vaters an seinen Bruder, die verschlossen und gesiegelt war, sodass er sich nicht wagte, sie zu öffnen und zu lesen, einen Beutel mit ein paar Sesterzen... Curio schüttelte den Kopf. Das konnte doch alles nicht war sein. Er, alleine, nach Mogontiacum. Die ganze Situation kam ihm unwirklich vor und nur der Blick auf die gepackte Tasche machte ihm deutlich, dass es sich weder um einen schlechten Scherz, noch um einen bösen Traum handelte.


    Anders als erwartet überwog nämlich nicht die Freude, von seinem Vater wegzukommen, sondern die Angst vor dem, was ihn auf dem Weg erwarten würde. Dabei machte ihm der Weg nach Noviomagus noch die geringste Angst. Den kannter er, den war er schon oft genug gelaufen, um dort den Markt zu besuchen oder zum Sacellum des Saturnus zu gehen. Doch alles darüber hinaus kannte er nur aus den Erzählungen seines Vaters und seiner Mutter, die zumindest schon mal in der großen Stadt Mogontiacum gewesen waren.


    Immer wieder stand Curio auf, ging durch sein Zimmer, schaute aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinein, setzte sich wieder auf sein Bett, schaute sich um. Die Zeit schien stillzustehen. Irgendwo hatte er mal gelesen, dass das Unbekannte immer mehr Angst machen würde, als das Bekannte. Curio nickte verstehend, stand wieder auf, ging durch sein Zimmer, schaute aus dem Fenster hinaus, dann auf seine Reisetasche. Wieder prüfte er deren Inhalt und setzte sich dann wieder auf sein Bett.


    Er musste kurz, oder auch länger weggenickt sein, da er von der Hand seiner Mutter geweckt wurde.


    Es wird Zeit, Iullus.


    Timarcha schaute auf ihren Sohn herab, der sich langsam und widerwillig aufrappelte, wie automatisch zu seiner Reisetasche griff und hinunter ging. Seine Reisetasche legte er ihm Innenhof ab und warf sich dann im Balneum etwas Wasser ins Gesicht, um wach zu werden. Dann füllte er sich noch Wasser in seinen Trinkschlauch - denn diese widerliche Poscaplörre hatte er immer schon gehasst - und ging dann zurück in den Innenhof, wo seine Mutter ihn bereits gemeinsam mit der Küchensklavin erwartete.


    Vater ist noch nicht wach. Aber er hat mir gestern Abend noch verboten, dir Geld oder Nahrung mitzugeben. Nichtsdestotrotz habe ich ein bisschen trockenes Brot und ein paar Sesterzen abzwacken können.


    sagte sie und reichte ihm sowohl das trockene Brot, als auch ein Hand voll Asse, die wohl irgendwo aus der Haushaltskasse stammten. Die Küchensklavin lächelte dem Jungen noch zu - denn diese hatte wohl offensichtlich dabei geholfen, das Geld zur Verfügung zu stellen - und verschwand dann wieder in der Küche.


    Mutter, ich...


    versuchte Curio irgendwas zu sagen, doch wieder blieben ihm die Wort im Hals stecken stattdessen, holte er nur seinen Beutel aus der Tasche, steckte die Münzen ein und umarmte dann seine Mutter zum Abschied.


    Ich schreibe euch, sobald ich in Mogontiacum bin.


    flüsterte er - unsicher darum, ob er dieses Ziel erreichen würde - und ging dann in Richtung des Hauseingangs. Er schluckte kurz, als er die Tür öffnete, schaute sich nochmal zu seiner Mutter um, die die Situation mit ihrem decrischen Stolz zu überstehen versuchte, und verließ dann das Haus. Auf nach Mogontiacum, ging ihm durch den Kopf als er die erste Etappe nach Noviomagus antrat.

  • Der Weg vom Weingut nach Noviomagus bleib weitgehend ruhig. Auch wenn er bereits in aller Frühe losgegangen war, waren noch nicht so viele Menschen unterwegs, sodass er in aller Ruhe sein Tempo gehen konnte. Allerdings war die Straße schon längere Zeit nicht mehr gewartet worden, da sie - seinem Vater zufolge - eher weiter unten auf der Prioritätenliste der Stadtverwaltung von Noviomagus stand. Für diese wäre vielmehr die Prestigestraßen nach Mogontiacum und Argentoratum von Bedeutung, da diese regelmäßigen von Beamten der Provinzverwaltung genutzt werden würde. Daher verlangsamte sich sein Tempo etwas und er musste immer aufpassen, dass er nicht mit einem Fuß in Schlaglöchern hängen blieb.


    Da er den Weg kannte und wusste, wo er lang gehen musste, konnte er sich nochmal die altbekannten Stellen anschauen. Die große Lichtung im Wald, wo er in den warmen Monaten immer die Tiere beobachtete, die Brücke über den kleinen Bach, die man überqueren musste, und schließlich der Weg zum Sacellum, den er nun einschlug, um sich fürs erste vom dortigen Aedituus zu verabschieden.


    Der alte Priester schien überrascht, Curio so schnell wiederzusehen, ließ sich dann die Geschichte aus dessen Sicht erzählen. Der Alte verzog keine Miene, als Curio die Umstände erklärte und seufzte dann nur. Mit einfachen Worten tat er dann sein Bedauern kund, einen so fleißigen Helfer zu verlieren und verabschiedete Curio schließlich. Wieder ein Abschied, dachte der junge Helvetier, und musste sich anstrengen die Tränen zurückzuhalten. Er hatte einiges von dem alten Priester gelernt und musste nun wieder weiter, weil sein Vater das so wollte. So verabschiedete sich auch Curio freundlich, verließ das Sacellum und schlug wieder den Weg Richtung Noviomagus ein. Auf dem Weg trat er einen Stein zu Seite, um seiner Wut wenigstens einen kleinen Ausgleich zu geben.


    Curio konnte über die ganze Geschichte nur den Kopf schütteln. Den ganzen restlichen Weg nach Noviomagus und zerbrach sich wieder mal - oder immer noch - den Kopf darüber, was ihn auf der breiten Straße nach Noviomagus noch alles erwarten würde. Wieder trat er gegen einen Stein, der in hohem Bogen durch die Luft flog und an einem Baum am Straßenrand landete. Oft genug hatte er seinen Vater zu Hause in typisch militärischer Manier fluchen hören. Die wildesten Ausdrücke hatte er sich anhören müssen, und jedes Mal fragte er sich, warum sowas nötig war. Doch jetzt, jetzt wollte er seine Wut und seine Angst am liebsten auch in die Welt hinausschreien.


    VERFLUCHTE MISTKACKE!!!


    versuchte er es und schob noch einiges hinterher. Es half zumindest ein bisschen, doch scheuchte er damit nur ein paar Vögel in den Bäumen auf. Dann mache ich jetzt halt, was ich will, dachte sich der junge Helvetier und erhöhte sein Tempo.


    Nach einigen Stunden verbreitete sich die Straße und schon waren die Gebäude von Noviomagus zu sehen. Wieder in Gedanken zu Planungen für seinen Aufenthalt dort vertieft wurde er plötzlich von der krächzenden Stimme eines Mannes aus den Gedanken gerissen.


    Hey, Junge!


    Curio stockte kurz und blickte sich um.


    Ja, du. Da ist sonst niemand anderes...


    rief der Mann noch einmal und erst jetzt nahm Curio ihn wirklich war. Er stand am Straßenrand, die Zügel von zwei Eseln in der Hand neben einem umgekippten Wagen. Neben dem Wagen langen verteilt mehrere Pelze am Straßenrand. Zwei weitere Männer, ein großer bulliger und ein kleinerer drahtiger, versucht den Wagen wieder aufzurichten, während der erste Mann, eine älterer mit wettergegerbten Gesicht versuchte, die Tiere zu beruhigen. Curio kam näher und blickte den Rufer fragend an.


    Kennst du dich mit Tieren aus, Junge?


    fragte der ältere und warf derweil einen Blick auf seine Helfer, die sich am Wagen abmühten.


    Ja, sicher.


    antworte Curio kurz angebunden und schaute sich die beiden Esel an, die offensichtlich noch aufgeschreckt von irgendetwas waren.


    Dann pass mal auf die beiden Tiere auf und schau, dass du sie beruhigst. Aber keine Spielchen, verstanden?


    Der Alte blickte Curio drohend an, während der junger Helvetier nur den Kopf schüttelte und sich dann darum kümmerte die Esel zu beruhigen. Der Alte hingegen ging mit strammem Schritt zu den anderen beiden Männern und die drei schafften es schließlich den Wagen wieder aufzurichten, wobei Curio erst jetzt auffiel, dass offensichtlich eine Achse gebrochen war. Der Alte fluchte laut los, während der Große verschüchtert zur Seite blickte und der Drahtige bereits damit begann, die Tierfelle einzusammeln und zu säubern.


    Lass das Hrothgar. Wir machen die Felle gleich in Noviomagus sauber- Hauptsache sie sind wieder auf dem Wagen. Wir müssen jetzt erst die Achse da ganz machen.


    er deutete auf die Achse und schüttelte nur den Kopf, während Hrothgar nur nickte und die restlichen Felle einsammelte. Dann blickte der Alte wieder zu Curio, der sich mit den Eseln vorsichtig näherte.


    Danke, Junge. Du kennst dich nicht zufällig auch mit Achsen aus?


    Curio blickte auf die Achse und schüttelte dann nur den Kopf.


    Leider nicht.


    Der Alte zuckte mit den Schultern.


    Auch gut. Dann flicken wir das Ding nur, bis wir in der Stadt sind und suchen dann den nächsten Wagenbauer auf. Für dich jedenfalls noch eine gute Reise, Junge.


    Der Alte nickte, nahm Curio die Zügel aus der Hand, nickte ihm noch zum Abschied zu und widmete sich dann wieder dem Wagen während Curio sich auf den Weg in die Stadt machte.


    Dort angekommen suchte er sich eine günstige Unterkunft in einer Taberna, für die er drei Asse die Nacht bezahlen musste. Dafür war das Zimmer aber auch nur spartanisch eingerichtet, doch was erwartete Curio auch. Er würde wohl zwei Nächte hierbleiben, um sich noch etwas zu Essen kaufen zu können, um auf dem restlichen Weg nach Mogontiacum nicht mehr allzu viel Geld ausgeben zu müssen.

  • Am nächsten Morgen wachte Curio mit schmerzendem Rücken auf. Die harte Pritsche des Cubiculums war doch etwas anderes, als sein Bett im Weingut seines Vaters. Er rappelte sich auf und musste sich erstmal klar machen, dass er nicht mehr zu Hause, sondern nun in Noviomagus auf dem Weg nach Mogontiacum war. Kurz blickte sich der junge Helvetier in dem kleinen Cubiculum um. Die Kammer befand sich im Keller der Taberna, war heruntergekommen, die Wände schmutzig und in der Ecke floss ein kleines trübes Rinnsaal über eine Furch von einem Wandloch in ein anderes. Aus der Nebenkammer hörtle Curio plötzlich ein leises männliches Grunzen und dann das gedämpfte Stöhnen einer Frau. Ihn schauderte es. Um sich die Kammer auch für die nächste Nacht zu sichern, hatte er die zwei Nächte bereits im Voraus bezahlt, allerdings auch mit dem Wissen darum, dass die übrigen Unterkünfte deutlich teurer waren.


    Curio nahm nun seine Schatzkiste aus der Tasche, die er sicherheitshalber gemeinsam mit seinem Reisemantel unter die Pritsche gelegt hatte, und öffnete sie. Die kleine Statuetten des Saturnus und des Mercurius machten ihm zumindest ein bisschen Mut, den Weg weiterzugehen. Als sein Blick dann aber auf die Locke seiner Mutter fiel, musste er auch schon mit seinen Tränen kämpfen. Schnell schloss er die Kiste wieder und steckte sie zurück in die Tasche. Wieder hörte ein ein gedämpftes Stöhnen, gefolgt von einem langen Seufzer aus der Nebenkammer, dann schnelle Schritte über den Boden und das Schließen der Nachbartür. Der junge Helvetier atmete tief durch und verließ dann die Kammer Richtung Gastraum, wo er natürlich im Preis inbegriffen - etwas Brot mit Wasser essen würde.

  • Der restliche Tag in Noviomagus verlief recht ereignislos. Einen Großteil des Tages verbrachte Curio auf dem Markt, wo er sich noch mit ein paar Lebensmitteln für den restlichen Weg nach Mogontiacum versorgte. Danach traf er nochmal auf den Pelzhändler vom vorherigen Tag, der an einem Stand seine Pelze, zu teilweise horrenden Preisen anbot. Der junge Helvetier beobachtete einige Momente die Verhandlungen des Händlers von einer Bank aus. Jedes Mal, wenn ein Kunde sich über die hohen Preise der Pelze ärgerte, stellte der Händler diese in buntesten Farben dar, erzählte Geschichten von wilden, blutrünstigen, riesigen Wildtieren, die er mit seinen eigenen Händen erlegt und ihnen dann die Pelze abgeschnitten hätte. Bei jedem Satz wurden die Tiere größer und gefährlicher und der Aufwand für die Beschaffung der Pelze dadurch größer. Manche Kunden sprangen darauf an und schafften es natürllich auch, den Händler runterzuhandeln. Obwohl Curio keine Ahnung von Pelzpreisen hatte, konnte er sich doch denken, dass unterm Strich noch genug Gewinn für den Händler dabei heraussprang. Nach einiger Zeit erblickte der Händler den jungen Helvetier, lächelte ihm freundlich und grüßte ihn mit einem Nicken. Curio war kurz unsicher, ob er hingehen sollte, entschied sich aber dagegen, nickte freundlich zurück, stand von der Bank auf und schaute sich noch die anderen Stände an.


    Nachdem er einige Stunden auf dem Markt verbracht hatte, fand sich Curio vor einem großen städtischen Tempel wieder. Auch hier setzte er sich wieder auf eine Bank und beobachtete das Treiben um den Tempel, das allerdings im Vergleich zum Markttreiben deutlich gesetzter war. Immer wieder beobachtete er wie ein älterer Mann, vermutlich der Aedituus des Tempels, Personen empfing, mit ihnen im Tempel verschwand und sie nach einiger Zeit wieder herausgeleitete. Curio hatte sich schon vor einiger Zeit entschieden, in den Cultus Deorum einzutreten und vielleicht wäre er hierher gekommen, wenn er jetzt nicht von seinem Vater nach Mogontiacum geschickt worden wäre. Aber Mogontiacum, und der Gedanke kam ihm seltsamerweise erst jetzt, hatte ja auch große wichtige Tempel, den Apollo-Grannus-Mogonus-Tempel zum Beispiel, oder den Tempel der kapitolinischen Trias. Plötzlich hoben sich die Mundwinkel Curios zu einem kleinen freudig-erwartenden Lächeln. Auch hier erhob sich Curio schließlich und kehrte dann, da es langsam dunkler wurde, in die Taberna und in seine kleine Kammer zurück.


    Nachdem er was gegessen hatte, zog er sich dann ins Cubiculum zurück und bereitete sich bereits auf den morgigen Marsch weiter Richtung Mogontiacum vor. Schließlich deponierte er seine Reistasche mit dem Mantel wieder unter der Pritsche, und legte sich dann auf dieses unbequeme Ding. Nur langsam schaffte er es einzuschlafen, nun jedoch weniger aus Angst vor dem Weg nach Mogontiacum, als auf Vorfreude auf seine mögliche Arbeit im Cultus Deorum der Provinzhauptstadt.

  • Am nächsten Morgen machte sich Curio wieder in aller Frühe auf den Weg weiter Richtung Norden. Als er den Wirt der Taberna am Morgen nach dem schnellsten Weg nach Mogontiacum fragte schaute der ihn nur verständnislos an.


    Mogontiacum?! Was willstn da?!


    Curio ging nicht weiter auf die Frage ein, sondern bestand vielmehr darauf, den schnellsten Weg in Erfahrung zu bringen. So erklärte der Wirt, dass der schnellste Weg die große Straße gen Norden war. Von irgendwelchen Abkürzungen riet er aber ab. Da gäbe es keine, so der Wirt.


    Kurz nach dem Sonnenaufgang verließ Curio daher die Stadt und begann den Marsch. Das nächste Ziel würde Borbetomagus sein, wo er noch eine Nacht verbringen müsste, bevor er dann endgültig Mogontiacum erreichen würde. Die Luft am Morgen war noch frisch und es wehte eine leichte Brise, die den jungen Helvetier etwas erfrischte. Die ausgebauten Straßen liefen sich natürlich besser, als der Pfad vom Weingut nach Noviomagus. Natürlich auch, damit die Legionen schnell von Ort zu Ort, und von Stadt zu Stadt kommen konnten. Curio stellte sich einige Zeit vor, wie sein Vater und sein Bruder als Soldaten über diese Straßen marschiert waren, gemeinsam mit der ganzen Legion, der Legatus Legionis und die Tribune auf ihren stolzen Pferden, dahinter die Centurios mit ihren Centurien, sein Vater als Primus Pilus an der Spitze der ersten Centurie, danach sein Bruder als Befehlshaber der zweiten. Einige Augenblicke stellte er sich vor, wie Befehle geschrien wurden, bevor er sich dann wieder auf den Weg konzentrierte.


    Danach sprangen seine Gedanken wieder nach Mogontiacum. Die großen Tempel dort böten ihm einiges an Möglichkeiten, vor allem der Apollo-Grannus-Mogon-Tempel des Schutzgottes von Mogontiacum. Curio strahlte: Das wäre es, dachte er sich und malte sich in den buntesten Farben aus, wie er als Discipulus in den Tempeln aus und einging und später sogar als Aedituus einem Tempel vorstehen könnte. Eine tolle Vorstellung.


    Aus der er jedoch plötzlich durch einen lauten Ruf hinausgerissen wurde, als er die erste Poststation gut eine Meile hinter sich gelassen hatte.


    Hey, du! Eine kleine Spende für einen Landstreicher.


    Ein junger, brutalaussehender Mann mit einer breiten Narbe auf der Wange war auf die Straße getreten und versperrte Curio den Weg. Der Helvetier blinzelte und trat erstmal reflexartig einen Schritt zurück.


    Tut mir leid, ich kann nichts entbehren.


    antworte Curio zurückhaltend und wollte schon weitergehen, wurde jedoch durch den Mann zurückgehalten. Als sich der Helvetier dann noch umdrehte, konnte er sehen, dass von hinten zwei weitere, ebenso brutalaussehende Männer auf ihn zukamen. Hier würde er wohl nicht mehr wegkommen. So nestelte Curio so unauffällig wie möglich in seiner Reisetasche, als ihm dann plötzlich klar wurde, dass er seinen kleinen Dolch vergessen hatte. Bislang war ihm das nicht aufgefallen, doch jetzt könnte ihn das teuer zu stehen kommen.


    Hände weg von der Tasche, Goldjunge. Du kannst also nichts entbehren?


    Der Mann mit der Narbe lachte laut auf, als er den Siegelring der Helvetier sah und stieß Curio nach hinten in die Arme seiner Kumpane. Trotzdem er sich wandt und zu wehren versuchte, war die Griffe der Männer hinter ihm so stark, dass er sich nicht lösen konnte.


    Dann wollen wir mal sehen, was du entbehren kannst.


    Er entriss Curio die Reisetasche und wühlte darin herum. Mit geübter Hand griff er dann zuerst den Geldbeutel heraus und schüttete den Inhalt auf seine Hand. Dann grinste er seine Kumpane an.


    Du belügst uns also? Mutig, mutig.


    Wie viel ist das dann. Er zählte die Münzen zuverlässig, wobei er sich immer wieder verzählte. Curio schossen Tränen in die Augen vor Wut. Dennoch schaffte er es, seine letzte Courage zusammenzukratzen und mit drohender Stimme zu sprechen.


    Ich bin Bürger Roms! Greifst du mich an, greifst du das ganze Imperium an!


    Zumindest hatte sein Vater ihm mal erzählt, dass es eine solche Verbindung gab. Bürger Roms standen unter dem Schutz des Imperiums und wer ihnen ein Leid antat, musste mit harten Strafen rechnen. Doch Curios Mut verflog wieder schnell, als der Mann vor ihm laut loslachte.


    Ein Bürger Roms also! Leute, wir haben ein Bürger Roms vor uns! Weißt du, was wir hier mit Bürgern Roms machen?


    Er trat einige Schritte zurück, knetete seine rechte Faust und nickte seinen Kumpanen dann zu. Diese stießen Curio auf den Mann mit der Narbe zu, der ausholte und ihm mit der Faust mit aller Kraft ins Gesicht schlug. Curio stürzte nach rechts auf den Boden und schlug hart auf. Er hörte noch das Lachen der Männer und eine krächzende Stimme aus der Richtung von der er gekommen war. Dann wurde er bewusstlos, wobei seine letzten Gedanken seiner Schatzkiste galten, denn er hoffte inständig, dass die Männer sie ihm lassen würden.

  • Curio kam wieder zu sich, als ein kleiner Schwall Wasser in seinem Gesicht landete. Er saß, mit dem Rücken an einen Baum gelegt, auf dem Boden und spürte als erstes den stechenden Schmerz seiner linken Gesichtshälfte. Sicherlich hatte er sich schon geprügelt und hatte dabei auch schon den einen oder anderen Schlag abbekommen, aber auf die Erfahrung, die ihn hierher gebracht hat, hätte er auch gut verzichten können. Er öffnete die Augen und versuchte sich kurz seiner Situation zu vergegenwärtigen... Er wurde beraubt und geschlagen, war deren lakonische Zusammenfassung. Doch schon sah er auch schon drei Männer, die ihm bekannt vorkamen. Noch etwas benommen brauchte der junge Helvetier einige Augenblicke, bis er den Pelzhänder und einen seiner Begleiter erkannte.


    Alles ok mit dir, Junge?


    fragte der Händler besorgt, der bei seinen Füßen stand und besorgt herabblickte. Neben Curio kniete der Große, der ihm vermutlich das Wasser ins Gesicht geworfen hatte. Auf die Frage schüttelte Curio nur mit dem Kopf, wobei er erstmal mit der Hand an sein Gesicht fasste.


    Ja, da wirst du ne ganz schöne Macke mitnehmen. Aber so ein blaues Auge kommt gut bei den Frauen an.


    Der Händler grinste den Helvetier an, der aufzustehen versuchte. Er brauchte etwas, um einen festen Stand zu bekommen und erblickte dann auch den zweiten Begleiter, der beim Wagen stand und sich aufmerksam umblickte.


    Was ist jetzt genau passiert?


    wollte Curio nun wissen, da ihm offensichtlich gewisse Ereignisse vollkommen fehlten, und blickte dann zwischen dem Händler und dem Großen, der sich mittlerweile ebenfalls aufgerichtet hatte, hin und her. sofort ergriff der Händler wieder das Wort.


    Na ja, du bist mit Wegelagerern zusammengetroffen, die dich bestohlen und niedergeschlagen haben. Allerdings hattest du viel Glück, das wir aufgetaucht sind, denn es ist auch schon oft genug vorgekommen, dass sie ihre Opfer getötet haben. Nicht umsonst reise ich immer mit zwei Begleitern.


    Wieder nickte der Helvetier nur und blickte sich dann suchend nach seiner Reisetasche um.


    Wolfhart hat deine Sachen genommen. Deine Geldbörse und deinen Proviant haben die Schweine allerdings mitgenommen. Was noch fehlt, weiß ich aber nicht.


    Wolfhart, der Große, reichte Curio die Tasche und Helvetier blickte hinein. Tatsächlich waren der Geldbeutel und der komplette Proviant, den er doch grade erst in Noviomagus gekauft hatte, weg. Sogar seinen Trinkschlauch hatten sie mitgenommen. Kurz stieg in Curio die Angst auf: Seine Schatzkiste?! Doch nach einigen Augenblicken fand er sie unter der Ersatztunika. Entweder hatten die Diebe die Kiste übersehen, oder sie waren nicht daran interessiert oder sie wurden beim Durchwühlen gestört.


    Vielen Dank für eure Hilfe.


    bedankte Curio sich freundlich doch blickte er dann ins Leere. Ohne Geld und ohne Proviant wäre er mit Mogontiacum ganz auf sich allein gestellt. Wie sollte er das nur schaffen? Der Helvetier wankte leicht, wurde aber, bevor er fallen konnte von Wolfhart gestützt.


    So schlapp, wie du noch auf den Beinen bist, können wir dich nicht alleine lassen. Wolfhart, nimm ihm die Tasche ab und leg sie auf den Wagen. Junge, du begleitest uns bis Borbetomagus. Dort kannst du einen Medicus aufsuchen, der sich dein Gesicht anschaut. Allerdings...


    Der Händler überlegte kurz, schaute auf seinen Wagen und dann zu seinen beiden begleitet.


    Du bist ja Bürger, wie ich an deinem Siegelring erkennen kann - vielleicht schonmal ein kleiner Tipp: Steck ihn weg, solange du unterwegs bist, der zieht sonst so Schweine wie die vorhin nur an. Beherrschst du die Zahlen und die Schrift? Und wo willst du überhaupt hin?


    Curio war einen Moment verwirrt. Was sollte das werden? Jedenfalls kam er erstmal dem Hinweis nach und steckte den Ring in die Schatzkiste und bejahte dann die Frage.


    Ja, meine Eltern haben mich im Lesen, Schreiben und Rechnen ausgebildet. Und ich mu... möchte nach Mogontiacum zu meinem Bruder.


    Der Händler nickte zufrieden.


    Gut, dann mache ich dir hier hiermit ein Angebot: Du begleitest uns den restlichen Weg bis nach Mogontiacum. Dabei kannst du mit uns in den Herbergen übernachten und auch mit uns essen. Als Gegenleistung übernimmst du während des Weges die Tiere. Ich weiß ja dass du mit ihnen umgehen kannst. Und morgen kommst du mit auf den Markt von Borbetomagus und hältst meine Kasse in Ordnung. Normalerweise muss ich das selber machen, weil meine beiden Leuchten hier ja weder schreiben noch rechnen können, doch geht mir dadurch schätzungsweise ein Viertel der Tageseinnahmen flöten. Also, was sagst du dazu?


    Der Händler hielt ihm die Hand hin, doch Curio blickte sie nur einige Momente an. Was sollte das hier? Der Händler machte ihm hier grade - fast nebenbei - ein Angebot, dass er in seiner jetzigen Situation eigentlich nicht ablehnen konnte. Dennoch zögerte Curio, denn das Angebot kam dermaßen aus heiterem Himmel, dass er kaum glauben konnte, dass es war sein konnte. Als er sich gefangen hatte, schickte er einen kurzen Dank an Mercurius und reichte dem Händler dann ebenfalls die Hand.


    Danke für dein Angebot. Ich nehme an.


    antwortete er dann noch und das "Geschäft" war abgeschlossen.


    Gut. Dann stellen wir uns noch vor: Mein Name ist Othmar, wie du siehst, bin ich Pelzhändler. Der Große hier ist Wolfhart und da vorne bei den Tieren steht Hrothgar.


    Die beiden nickten ihm freundlich zu und Curio nickte ebenso freundlich zurück.


    Ich bin Iullus Hel... Ich bin Curio.


    Der junge Helvetier wollte schon anfangen, wie er es gelernt hatte, seinen kompletten Namen und den Namen seines Vaters zu nennen, doch war das hier wohl etwas deplatziert. So nickte Othmar dann abschließen, Curio übernahm die Zügel der Esel von Hrothgar und die Reise gen Norden ging weiter.

  • Auf dem restlichen Weg nach Borbetomagus blieb viel Zeit für Unterhaltungen. Othmar, der Pelzhändler legte Curio seine eigene Geschichte und die Geschichten seiner Begleiter dar.


    Othmar stammte aus dem Stamm der Brukterer. Doch spielte er als der drittgeborene Sohn seines Vaters keine Rolle in den Familienplanungen. Sein ältester Bruder erhielt nach dem Tod seines Vaters den größten Teil des Erbes, sein anderer Bruder sollte dem ältesten bei der Bewirtschaftung des Besitzes helfen. Für Othmar jedoch gab es keine Verwendung, sodass er sich zuerst - wenig erfoolgreich - als Jäger und später als Pelzhändler selbstständig machte. Als Curio ihn nach den bunten Geschichten fragte, die er auf dem Markt immer den Kunden erzählte, grinste Othmar. Das letzte wilde Tier hätte er vor über einem Jahr gesehen und an seinen letzten Bären könnte er sich schon gar nicht mehr erinnern. Die Pelze, kaufte er bei deutlich begabteren Jägern aus den germanischen Stämmen jenseits des Limes, sodass er nur noch als Zwischenhändler verdiente. Jedoch, und da wurde das Grinsen wieder größer, wollten die Kunden Geschichten hören, also erzählte er ihnen welche, und erhöhte dabei gleichzeitig seinen Gewinn. Jeder hätte daraus seinen Vorteil, stellte er klar und blickte dann zu den anderen beiden. Curio allerdings hielt dies für eine Art von Betrug, sagte aber nichts, da der Händler dabei offensichtlich kein Problem erkannte.


    Othmar fuhr sodann mit Wolfhart fort. Er hätte ihn in der Nähe von Vetera getroffen, wo er gleich zwei Wegelagerer in die Flucht geschlagen hätte. Man sähe es ihm nicht an, doch wäre Wolfhart ein geschickter Kämpfer und vor allem seiner bärengleiche Statur schreckte bereits mögliche Diebe ab. Da Othmar bis zu diesem Zeitpunkt alleine unterwegs gewesen wäre, machte er Wolfhart das Angebot mit ihm zu reisen. Für den Schutz des Wagens erhielte und des Händlers erhielt er eine feste Anstellung inklusive Unterkunft und Essen. Mit der Aussicht darauf, das Tagelöhnersdasein verlassen zu können, sagte Wolfhart zu, und reiste seit nunmehr zwei Jahren gemeinsam mit Othmar über die Route von Argentorate nach Vetera, durch das germanische Gebiet wieder nach Süden und zurück nach Argentorate.


    Das Schicksal des anderen Begleiters, Hrothgar, war deutlich dramatischer. Als Kriegsgefangener sei er in die Sklaverei geschickt worden und kam in den Besitz eines reichen Römers aus Divodurum. Dieser hätte seine Sklaven allerdings gefoltert und Hrothgar die Zunge herausgeschnitten, da dieser seinem Herrn einen Ratschlag geben wollte. Seitdem konnte Hrothgar nicht mehr sprechen und sich nur behelfsmäßig mit Handzeichen verständigen. Nach dem Tod des Herrn wurde er von den Erben an einen Sklavenhänder verkauft, der ihn dann in Mogontiacum verkauft hätte. Dort wäre er Othmar aufgefallen und da niemand für ihn geboten hätte, gab Othmar ein Gebot ab, bekam den Zuschlag und entließ ihn dann sofort in die Freiheit. Seitdem begleitete er Othmar ebenfalls im Rahmen der gleichen Bedingungen wie Wolfhart.


    Auch Curio erzählte dann seine - wenn auch kurze - Geschichte: Den ständigen Streit mit dem Vater, den letzten Abend im Weingut und danach die (un)freiwillige Flucht nach Mogontiacum bis zu diesem Zeitpunkt.


    Ungefähr zur neunten Stunde erreichten sie schließlich Borbetomagus und nahmen Quartier in einer Heberge etwas außerhalb der Stadt. Curio ging gemeinsam mit Othmar in eine Taberna Medica, damit man sich dort die Wange anschauen konnte. Der Helvetier erhielt eine Salbe und sollte seine Wange mit feuchten Tüchern kühlen. Gemeinsam nahmen sie dann die Cena am Abend ein und gingen dann auf ein gemeinsames Zimmer. Am nächsten Tag würde Curio also das erste Mal auf einem Markt arbeiten und sich dabei sofort um die Kasse kümmern. Ein bisschen nervös war er schon, schließ dann aber schnell ein, wobei er schauen musste, dass er sicht nicht auf die lädierte Gesichtshälfte legte.

  • Am nächsten Tag hieß es früh aufstehen. Othmar erklärte Curio, nachdem dieser sich die vom Arzt gemischte Salbe auf dem Gesicht aufgetragen hatte, erstmal, was seine Aufgabe war. Er sollte während der Marktzeit alle Einnahmen notieren, die durch die Pelze zusammenkamen. Dazu musste er die Münzen zählen, ihren Wert notieren und sie dann in die Kassenkiste legen. Allerdings wurde Curio schnell klar, dass Othmar mit seiner Kasse bislang eher locker umgegangen war. Werte wurden durchgestrichen, ergänzt oder korrigiert, ein Gesamtbild wurde dadurch schwierig. Am Ende des Tages müsste Cuio also einmal alles durchzählen, um dann am besten auf einer neuen Tabula den aktuellen Kassenstand festhalten. Also durchaus eine Herausforderung für den jungen Helvetier, der Marktstände bislang nur von der Kundenseite aus gesehen hatte.


    So fuhren sie bereits vor dem Beginn der Marktzeit zum Marktplatz und nahmen dort den ihnen zugewiesenen Platz bei den fahrenden Händlern ein. Der Platz war zwar nicht optimal, aber da Othmar schon zu den Stammgästen gehörte, gut genug um ein gutes Geschäft zu machen. Zumindest sagte das Othmar. Zum ersten Mal nahm Curio tatsächlich wahr, wie voll so ein Marktplatz schon vor dem Beginn der eigentlich Marktzeit war. Überall wurden Stände aufgebuat, Waren abgeladen, von Stadtbeamenten Qualitätsstichproben genommen und vor allem bereits Kontakte unter den Händlern geknüpft. Auch Othmar begrüßte erstmal seine Standnachbarn mit Handschlag. Den linken Nachbarn kannte er schon länder, da er auch Stammgast hier war, der rechte Nachbar war ihm allerdings unbekannt. So wechselten die beiden erstmal eine paar Worte, um die eigenen Tätigkeitsbereiche abzustecken.


    Curio half derweil Wolfhart und Hrothgar beim Abräumen wobei immer jemand mindestens ein Auge auf dem Wagen hatte, damit Diebe, die zu dieser Zeit auf einen wertvollen und ein aufgrund der allgemeinen Hektik und Betriebsamkeit weniger riskantes "Geschäft". So verteilten sie Pelze wie üblich, wobei Othmar immer mal wieder eingriff, um ein besonders schönes Exemplar auch prominent zu positionieren. Als letztes folgte dann die Kassenkiste, die in den hinteren Bereich des Standes ihren Platz fand, gemeinsam mit einem Hocker und einem kleinen Tischchen für Curio, um sich dem Geldzählen widmen zu können. Wolfhart stellte sich derweil zwischen Verkausauslage und Geldkiste, um mögliche Diebe abzuschrecken, während Hrothgar den Wagen wieder zur Herberge brachte. Dann nahm auch Curio platz und versuchte sich einen weiteren Einblick in die Kiste zu schaffen. Ein totales Chaos, dachte er und da die Marktzeit noch nicht begonnen hatte, begann er bereits damit, kleine Zählhaufen zu machen, um das vorhandene Geld zu zählen. Sobald er einen gewissen Betrag zusammenhatte stellte er die Türmchen in die Kiste zurück. Der Plan schien ihm Anfangs recht gut, jedoch merkte er schnell, dass damit der zur Verfügung stehende Raum zu schnell ausgefüllt sein würde... Daher ließ er vom Sortieren ab, zählte nur noch das Geld und legte es dann zurück in die Kiste. So ziemlich genau mit dem Beginn der Marktzeit beendete er dann die erste Zählrunde und wartete darauf, dass die ersten Kunden kamen.


    Und tatsächlich ließen diese nicht lange auf die Warten. Offensichtlich hate Othmar schon einige Stammkunden, für die er sogar seinen Platz hinter der Theke verließ und direkt zu den Kunden trat, um ihnen einen Pelz anzupreisen. Dabei erzählte er teilweise jene Geschichten, die Curio auch schon in Noviomagus gehört hatte, und der junge Helvetier musste wieder schmunzeln, je größer und blutrünstiger die Tiere wurden, teilweise preiste er aber auch die Art, Form oder Ausstattung der Pelze an. Und schon machte Othmar auch schon die ersten Geschäfte.


    Curio, notiere: Ein großer Pelz zu 1 Aureus, 60 Sz., ein kleiner für die Hälfte.


    Curio notierte und notierte, füllte Tabula um Tabula, nahm Geld an, zählte es durch, gab bei Bedarf Geld zurück oder forderte mehr ein und legte die eingenommen dann Münzen in die Kiste. In den wenigen kurzen Pausen kühlte er, wie vom Arzt veordnet, die langsam abschwellende Wange mit nassen Tüchern. Der Tag ging wie im Fluge vorbei, und kaum war die Marktzeit zu Ende, begann wieder die wilde Geschäftigkeit. Waren wurden aufgeladen, Stände abgebaut und am Ende der Gewinn des Tages zusammengefasst. Und so kam auch Hrothgar mit dem Wagen zurück, um den Abbau zu unterstützen. Othmar war indes zufrieden mit seiner Aushilfe.


    Bei Wodan, war ich heute froh, dass ich das nicht auch noch selbst machen musste.


    Zuletzt wurde dann die Geldkiste aufgeladen und der Wagen setzte sich wieder Richtung Herberge in Bewegung. Curio hätte so ins Bett fallen können, doch war er immer noch nervös wegen des morgigen Tages. Denn da würden sie in Mogontiacum ankommen. Dem viel erwarteten Mogontiacum.

  • Der nächste Morgen war bereits sonnig und warm. Nach dem Ientaculum ging es wieder gen Norden, wobei Curio es kaum erwarten konnte, endlich nach Mogontiacum zu kommen. Doch vorher musste noch der Rest des Weges zurückgelegt werden. Curio lief wieder vorne links bei den Eseln. Die Schwellung seines Gesichts war mittlerweile, durch das Kühlen und die Salbe weiter zurückgegangen, doch bildete sich nun ein blaues Auge, das mittlerweile schon streckenweise in gelbliche Farben überging. Curio überlegte schon, wie er seinem Bruder erklären sollte, dass er sich quasi nicht wehren konnte. Der Vater und der Bruder waren erfolgreiche Soldaten des Imperiums, nur der kleine Sohn und Bruder ist nicht in der Lage, sich und sein Eigentum zu verteidigen...


    Othmar, der etwas nach hinten versetzt auf der anderen Seite des Wagen lief, holte ihn kurz vor Mogontiacum aus diesen Gedanken.


    Sag mal, Junge. Und möchtest nicht zufällig auch weiter mit uns ziehen? Ich könnte sicherlich noch jemanden, wie dich brauchen.


    Curio blickte sich um, überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf.


    Ich bin dir sehr dankbar für deine Freundlichkeit und dein Angebot ist sicherlich nicht schlecht. Aber Mogontiacum ist mein Ziel, und dabei bleibt es.


    Sein Vater hatte ihm ja klare Anweisungen gegeben, und auch wenn er sonst eher dazu neigte, diese Anweisungen links liegen zu lassen, hatte er jetzt das Gefühl, dass er sich zu seinem eigenen Wohl daran halten sollte. Vor allem würde sich seine Mutter sorgen machen, hatte er ihr doch versprochen, zu schreiben, sobald er in Mogontiacum angekommen sein würde.


    Schade. Falls du es dir aber doch noch anders überlegen solltest: Wir sind morgen noch den ganzen Tag in der Stadt. Du findest uns entweder auf dem Markt oder in der Taberna im Vicus Novus.


    antwortete der Händler darauf mit einem Schulterzucken, schaute dann zuerst auf die Geldkiste, die etwas versteckt unter den Pelzen lag und dann zu seiner Rechten, ob sich dort irgendwas tat. Ebenso taten es die beiden anderen Begleiter. Hrothgar lief wiederum hinter Othmar, während Wolfhart hinter Curio links vom Wagen lief. Sicherlich war diese Gruppengröße optimal für Othmar, dachte sich Curio, doch konnte und wollte er nicht wirklich weiter gen Norden. Allerdings hing wohl auch viel davon ab, wie sein Bruder Lucius auf seine Ankunft reagieren würde.


    Vielen Dank, ich werde daran denken.


    sagte Curio daher zwar bestimmt, aber dennoch mit dem beruhigenden Wissen darüber, dass es auch noch eine Alternative geben würde.


    So zogen sie weiter gen Norden, bis sie endlich das Stadttor von Mogontiacum erblickten. Othmar übernahm die Zügel der Esel und Curio steckte sich seinen Siegelring wieder an, um sich als Bürger kenntlich machen zu können. So erreichten sie das Stadttor von Mogontiacum. >>>

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