Rendezvous mit der Vergangenheit

  • Das Deversorium Delectationum war ein kleines, aber überaus feines Gasthaus an der Alta Semita am Hang des Collis Quirinalis gelegen. Der Inhaber, ein Peregrinus aus Silicia stammend, kochte keinen Monat die gleichen Gerichte, kreierte beständig neue deliziöse Köstlichkeiten und ergötzliche Geschmacksexplosionen - was selbstredend auch seinen Preis hatte, so dass die Kundschaft durchaus exklusiv war, eine Mischung aus neureichen Emporkömmlingen und altem Geldadel. Vor der Türe wachte ein Thraker und sortierte jene Gäste aus, welche das exklusive Ambiente des Deversorium Delectationum nur würden stören, so dass nur jene Eintritt fanden, die im Gasthaus oder in Rom allgemein bekannt waren oder aber in Begleitung einer solchen Person eintrafen. Zwar hielt seit dem Tode des Augustus die Besucherzahl sich deutlich in Grenzen, doch gab es durchaus noch einige Gäste, welche auch hier weiterhin die Ruhe vor dem möglichen Sturme hartnäckig genossen. Die Mitglieder der Flavia Romula gehörten nicht eben den regelmäßigen Gästen des Gasthauses, doch sie waren zweifelsohne bekannt - und solvent - genug, um ohne Schwierigkeiten auch einen der kleinen, separaten Nebenräume einfordern zu können, so dass Gracchus zum vereinbarten Termin eben dorthin wurde geführt, während Sciurus vor der Türe sich neben dem Thraker postierte, um dafür Sorge zu tragen, dass auch Serapio Einlass würde finden. Gracchus indes war viel zu früh - doch hatte er den Zeitpunkt des Treffens schlichtweg nicht abwarten können, war gleichsam in Sorge er könne es am Ende gar verpassen und zu spät kommen, dass Faustus längst wieder fort wäre. Er wusste nicht genau, was er von diesem Treffen konnte und sollte erwarten, war derart nervös wie seit seiner ersten Rede vor dem Senat zur Kandidatur um das Vigintivirat nicht mehr, schwankte zwischen bangender Furcht und klandestiner Vorfreude darauf, Faustus auch nur zu sehen, ihm gar näher als einige Schritt zu kommen. Ruhelos nahm er auf einer der Klinen Platz und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Das kleine Hinterzimmer war durchaus stilvoll eingerichtet - eine großflächige Wandbemalung zeigte eine Szene aus der Titanomachie des Hesiod - der Aufmarsch der olympischen Götter um Zeus gegen Kronos und seine Titanen, beide Seiten überaus heroisch stilisiert, schön und edel, tapfer und verwegen zugleich, und Gracchus ertappte sich dabei wie er Serapio als Hephaistion zwischen die übermenschlichen Götter einreihte. Um sich ein wenig abzulenken nahm er einen Schluck von dem Wein, der bereits auf dem Tisch bereit stand, blickte empor zur Decke und suchte seine Gedanken zu leeren und den hehren Hephaistion daraus zu verbannen, der doch längst nurmehr der Vergangenheit angehörte, respektive mit den Göttern des Olymp gegen die Titanen hatte gefochten, zu welchen - wenn auch kulturell nicht ganz korrekt - Aton sich hatte eingereiht und mit ihnen war untergegangen.

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  • Das nervöse Flattern in meinem Magen wuchs, mit jedem Schritt den ich die Alta Semita entlangging, den Höhenpfad der mittlerweile eine breite Strasse war, welche sich von Villen gesäumt über den Rücken des Quirinals zog, und agreabel schwirrte es mir die ganze Zeit im Kopf herum, allein dieses Wort auch nur zu lesen... hatte verteufelt viele Erinnerungen geweckt, an den einzigen Menschen, den ich dieses Wort jemals so ganz natürlich, ganz selbstverständlich, ohne einen Hauch von Prätention, hatte gebrauchen hören. Und zu dem ich gerade auf dem Weg war... Agreabel...
    Die Castra hatte ich heute sehr früh verlassen, und nur in Begleitung meiner 'zivilen' Leibwächter (und Klienten), der Freigelassenen Akadios, Pelias und Styrkar. Und auch wenn ich den eitlen Impuls gehabt hatte, mich Manius in meiner schönsten Tribunenpracht zu präsentieren, so hatte ich dem doch widerstanden, und war in ziviler Kluft unterwegs, einer Equestunika mit passender Lacerna, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Obgleich ich mir sagte, dass es wirklich nicht nötig war, hier irgendwas zu verschleiern. Zwei 'alte Freunde' trafen sich zum Essen. So einfach war das, so normal und uninteressant. Ganz genau.


    Der blonde Sklave mit den toten Augen erwartete mich vor dem Gasthaus. Ich folgte ihm hinein, durch das noble Interieur mit den schicken Gästen. Unwirklich erschien mir das hier, wie eine Insel der Seligen, abgehoben von den Sorgen um Krieg und Frieden die Rom dieser Tage beutelten. Die Custodes blieben draussen zurück, als ich das Hinterzimmer betrat, ganz flau vor Unruhe. Zuallererst fiel mein Blick auf die imposanten Bilder auf der Wand gegenüber der Türe, die mir ein seltsames Gefühl von Déjà-vu einflössten, dann auf... ihn. Als wäre er gerade aus der Wand gesprungen.
    "...Salve Manius." brachte ich mit belegter Stimme heraus, dann ging ich auf ihn zu, um ihm, mit verkrampftem Lächeln, hölzern die nervös feuchte Hand zu reichen. Denn so begrüssten sich doch 'alte Freunde', die einen ganz natürlichen, harmlosen Umgang miteinander pflegten, sie gaben sich die Hand, oder etwa nicht?
    "Was.. ähm... für ein schönes Lokal." bemühte ich mich weiter darum, alles ganz normal erscheinen zu lassen. "Es... ist schön dich zu sehen."
    Das war es. Schön und magenzusammenkrampfend zwiespältig zugleich. Ich bemerkte, dass ich den Begrüssungshandschlag noch immer nicht gelöst hatte. Ich bemerkte, dass in der Tiefe seiner von... Sorgen und Leid umschatteten Augen noch immer der goldbraune Glanz lag.
    "Wie... wie geht es dir?"

  • Als die Türe sich öffnete und Faustus eintrat erhob sich Gracchus - beinahe ein wenig erschrocken, dass es tatsächlich Serapio war, welcher dort in den Raum und gleichsam in sein Leben schritt, dass er tatsächlich gekommen war. Der Flavier trug eine Tunika aus edler Wolle in Farngrün, in Wellenform durchwoben und gesäumt von goldfarbenem Garn, darüber ein Pallium gleich edlen Stoffes in passendem, eine Nuance tiefer gefasstem Grün, denn schlussendlich war dies - auf gewisse Weise zumindest - ein gänzlich informelles Aufeinandertreffen.
    "Faustus, ... salve"
    , retardierte er die Begrüßung nicht minder vage und fasste die dargebotene Hand. Serapios Griff war ein wenig kühl, indes noch immer klar und fest, wiewohl in dieser Berührung mehr als eine Reminiszenz an die Sanftheit und Zärtlichkeit mitschwang, zu welchen diese Hände, diese Finger imstande waren, die Gracchus darob einen halb wohligen, halb fröstelnden Schauer über den Rücken gleiten ließen.
    "Ich ... freue mich ebenfalls, dich zu sehen."
    Wo war nur all die Contenance hin, welche seit seiner Kindheit Gracchus war doziert worden, jene sichere Fassade der kühlen Distanz, hinter welcher es sich so trefflich verstecken ließ, jene Farce der eigenen Präsenz, welche alle Emotionalität hinter sich barg? Mochte der Flavier Teile davon zweifellos auch durch die Konspiration und die daraus erwachsenen Ereignisse eingebüßt habe, Serapios nahe Präsenz und der Effekt seiner Berührung führten dazu, dass Gracchus sich fühlte als würde er gänzlich nackt im Raume stehen, verwundbar und intim verbunden zugleich. Dass der Handschlag nicht augenblicklich sich wieder löste realisierte er kaum, kam ihm gegenteilig mehr als zupass, denn obgleich es nur eine gebührende Geste war, eine Konvention zwischen alten Freunden, so war es doch eine Berührung - das Zusammentreffen zweier Körper ohne jegliche Barriere, das Verdrängen jeglicher Distanz, das kurze Verschmelzen zweier Leben, und da nur die Parzen wussten, ob und wann es jemals wieder eine solche Gelegenheit würde geben, schien dies beinahe wie ein kleines Zugeständnis an Gracchus' tiefstes Sehnen.
    "Bitte"
    , rang er sich schlussendlich dennoch durch, löste den Händedruck und wies auf die Klinen um den kleinen Tisch. Er nahm Platz - ein wenig hölzern in seinen Bewegungen - und blickte hernach in Faustus' Antlitz. Die spröde Auszehrung war daraus gewichen und obgleich die Spuren der Vergangenheit noch immer sichtbar waren, so verliehen sie dem Decimer doch mehr einen Hauch der Verwegenheit als der schattigen Tristesse. Selbst der Ansatz einiger grauer Strähnen im dunklen Haar an den Schläfen konnten seine Attraktivität nicht mindern, welche ob ihrer gemeinsamen Vergangenheit - und allfällig auch wegen der augenblicklichen Unerreichbarkeit - Gracchus nur noch adorabler schien als bei ihrer ersten Begegnung. Damals noch hatte er geglaubt der jugendlichen Ästhetik und athletischen Kraft eines Leibes verfallen zu sein, doch wusste er längst, dass er weitaus mehr in Faustus hatte gefunden, dass dort auf der Kline neben ihm - und doch unendlich fern - der verlorene Teil seiner eigenen Seele lag. Anmutig und edel schimmerten noch immer die blaufarbenen Augen, ruhig und ungestüm zugleich, similär dem endlosen Oceanos, und das Wissen, dass dies der Oceanos war, welcher nicht nur trügerische Sicherheit ihm vorgaukelte, sondern in welchem er tatsächlich sich konnte verlieren, schmerzte Gracchus so sehr, dass er seinen Blick abwandte und nach einer Antwort auf Serapios Frage suchte.
    "Nun ..."
    Zweifelsohne war die Frage nach seinem Befinden nicht gänzlich unvorhersehbar, wenn auch trotz allem ein wenig unerwartet, gleichsam war ihre Verbindung doch zu stark als dass Gracchus sie als Zeichen der Höflichkeit würde abwiegeln können. Keine Lügen mehr, dies hatte er sich fest vorgenommen.
    "Um ehrlich zu sein ist die gegenwärtige Situation für mich überaus … abominabel."
    Nun suchte er doch wieder den trauten Blick.
    "Neuerlich steht Rom am Rande des Abgrundes und noch immer ist dies … eine Konsequenz meines Handelns. Ich verstehe schli'htweg nicht, wie Palma derart … unbesonnen konnte sein. Es geht hierbei doch nicht etwa um die widerspenstige Zurückweisung eines Begehrs aus ver..letztem Stolz oder gekränkter Eitelkeit - es geht um Rom, um das Schicksal tausender Menschen! Einmal diesen Fehler zu begehen … war doch bereits mehr als gräulich, doch ein weiteres Mal dies … mutwillig zu riskieren … ! Wenn dies … erneut zu einem Bürgerkrieg führen wird …"
    Er schüttelte den Kopf als versuche er damit dies Schicksal abzuschütteln. Noch einmal das Blut tausender Römer an seinen Händen würde Gracchus nicht überleben, würde er nicht überleben wollen, nicht überleben können. Er hatte bereits die Grenzen dessen überschritten, was einem Menschen an Irrtum und Schuld konnte zugestanden werden, balancierte beständig am Abgrund und würde er noch einmal die Augen verschließen müssen vor dem, was er hatte verursacht, würde sein nächster Schritt ihn endgültig in die endlose Leere führen.
    "Zudem … nun, du weißt selbst, dass ich jede Wahrheit eingebüßt habe. Einige Male mag ich ihr Antlitz schlichtweg supprimiert haben, doch … doch die Abkunft aller späteren Ent..scheidungen basierte auf einer Überzeugung, welche … welche wahrhaftiger, welche veritabler und wahrer mir nicht hätte sein können, und ... welche doch am Ende schlechterdings … als gänzlich falsch sich erwies."
    Einige Augenblicke presste Gracchus seine Lippen fest aufeinander, ehedem er offen eingestand:
    "Zum einen drängt es mich, diese Verantwortung für Roms Schicksal nicht von mir zu weisen, den wie ich überzeugt bin unheilvollen Vorgängen, welche sich augenblickli'h offenbaren, Einhalt zu gebieten, doch gleichsam … wie könnte ich je wieder mir anmaßen, eine gewichtige Entscheidung für Rom treffen zu wollen, wie könnte ich je wieder meiner Überzeugung Ver..trauen schenken? Ich habe nicht nur jede Wahrheit eingebüßt, Faustus, ich habe mit ihr auch jede Ermä'htigung, mit ihr jede Sicherheit meiner selbst verloren."
    Und darüber hinaus jedes Anrecht, dies entgegengebracht zu bekommen. Mit einem schwachen Lächeln suchte Gracchus dies von sich zu weisen, realisierte er doch, dass das sonderbare atmosphärische Gemisch aus alter Familiarität und Unsicherheit über den Status quo ihn dazu verleiteten, sich in übermäßige Wortkaskaden zu flüchten. Keine Lügen mehr, doch gleichsam wollte er nicht die kostbare Zeit mit Faustus mit Lamentieren vertändeln, war dies doch zweifelsohne kaum, weshalb Serapio gekommen war.
    "Verzeih ... ich ... habe nicht das geringste Recht, mich zu beklagen. Umso erfreuli'her ist es, dass du aus diesen Konsequenzen meines Handelns endlich entlassen bist, zumindest in primärer Hinsicht. Ich bin deinem Vater zu tiefem Dank verpflichtet."
    Obgleich Gracchus' politische Achtung des Decimus Livianus zweifelsohne derzeit an einem Tiefpunkt war angelangt, so änderte dies doch nichts daran, dass jener es geschafft hatte, Serapio zurück auf eine veritable Position in die Gesellschaft zu integrieren - wenn auch dies politisch zweifelsohne neuerlich nicht gänzlich ohne Brisanz war.
    "Ich hoffe, du konntest dich wieder etablieren in der Garde … und auch sonstig?"

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  • Bitte - Aus der berückenden Versunkenheit dieses überlangen, gar nicht mehr 'normalen' Handschlags, erwachte ich bei diesem Wort, wich zurück und nahm Platz auf einer der Klinen, so dass Manius und ich nun ums Eck herum saßen. Er sah mich an, ich erwiderte stumm den Blick, und ein großes Schweigen hing im Raum, und füllte ihn ganz aus. Es war kein Platz darin für das was ich hätte sagen wollen, was mir die Brust weitete und mir auf der Zunge brannte, in dem Bestreben, mit dem nächsten Atemzug gesagt zu werden:
    Du fehlst mir.


    Als er schließlich das Wort ergriff, war er sehr offen. Viel Vertrauen schenkte er mir. Ich hörte und sah das, was ich schon aus seiner kleinen Nachricht herausgelesen hatte, wie es ihn quälte, zermürbte, wie es ihn umtrieb und auf ihm lastete. Ich war derjenige gewesen, der ihn in meinem unendlichen gerechten Zorn immer wieder dazu gedrängt hatte, die Augen weit zu öffnen und dieser Schuld ins Fratzenantlitz zu sehen. Und nun, da er es tat, und sich nicht schonte mit seinen Selbstvorwürfen, da wollte ich ihn am liebsten... in meine Arme schließen und ihm beschwichtigend durchs Haar streichen, und ihm ins Ohr flüstern, dass am Ende alles gut werden würde.
    Dies alles kannte ich ja bereits, diesen Tonfall wunder Verzweiflung, das Gefühl ihn am Rande des Abgrundes taumeln zu sehen, das Wissen, dass ich ihn halten musste, und die Angst es nicht zu packen. Das alles war blitzartig wieder da, so als wären wir zurückversetzt in die Zeit als er, verfemt, verborgen hinter der Maske des Aton, unter unserem Dach versteckt gelebt hatte.


    Ich lauschte ihm. Ganz ohne Groll? Etwas hatte sich verändert. Vielleicht in dem Moment, als er so zornig stolz den senilen Despoten herausgefordert hatte - um meinetwillen. Wahrscheinlich auch in der Zeit, in der es mir immer klarer wurde, dass beim Aufstieg und Fall jenes Despoten unbegreifbare Mächte gewirkt und Manius mit in ihren Strudel des Irrsinns gezogen hatten. Und sicherlich auch an dem Tag, an dem ich endlich wieder meine Tribunenrüstung angelegt, in die Castra zurückgekehrt und mein Soldaten-Selbst wiedererlangt hatte.


    "Ja," antwortete ich auf seine Frage, "aber davon erzähle ich dir gleich, ich.. muß dir noch was sagen. Ich glaube dass sich viel von den vergangenen Ereignissen gar nicht verstehen lässt. Du sagst, du hast Wahrhaftigkeit verloren, aber... damit bist du nicht allein, das ist doch alles viel größer. Die Ereignisse haben uns alle mitgerissen, wie in einem Strudel der Charybdis, und es haben sich fadenscheinige Stellen in der Wirklichkeit zu gefährlichen Rissen aufgetan, so dass alles um uns... manchmal nicht mehr Kohärenz als ein Traumgespinst hat. Und dass ich mich frage... ob wir darin die Träumenden oder die Geträumten sind."
    Leidenschaftlich hatte ich die Worte aneinandergereiht, sie flossen wie von selbst aus meinem Mund, bis ich urplötzlich innehielt, mir unsicher über die Wange rieb und ihn fragte:
    "... Ich klinge wie ein Verrückter, oder? - Aber manchmal... scheint es mir wirklich, dass ich mit diesen Gedanken... etwas großem auf der Spur bin, einem grundlegenden Rätsel unserer Existenz, mit dem verglichen die ganze Konspirationssache... nein, nicht bedeutungslos ist, aber doch nur wie ein Schauspieler in der Maske des Hades im Vergleich zum wahren Herrn der Unterwelt."
    Nachdenklich legte ich den Kopf schief. Niemandem ausser Manius hätte ich diese seltsamen Gedankengänge anvertrauen wollen.
    "Wobei es wahrscheinlich... am Ende keinen großen Unterschied macht. Ich meine, was können wir anderes tun, als... die zu sein, die wir sind, und unsere Pflicht zu tun? Wie... keine Ahnung... Sisyphus."
    Wie kam ich jetzt bloß auf Sisyphus? Den konnte man sich ja wohl kaum als glücklichen Menschen vorstellen.
    "Du bist...gestolpert und - mit den besten Absichten - in den Mahlstrom der Verschwörung geraten, und ich will es auch gar nicht beschönigen was schlimmes daraus entstanden ist, aber ich glaube, dass du... wenn es dir möglich gewesen wäre, dich dagegen zu stellen... auch nichts hättest aufhalten können, oder verändern können an dieser dumpfen Verheerung des Schicksals, und dass es für das große Geschehen... keinen Unterschied gemacht hätte. - Und was dich, was dich ganz entscheidend trennt von diesen skrupellosen Konspiranten-Sauhunden, das ist, dass du, DU, der einzige bist, der sich der Verantwortung stellt, und hinsieht, und die Verwüstung nicht mit einem Schulterzucken abtut und ignoriert. Du stellst dich dem, und... es ist eine schlimme Last, und gerade dass du es auf dich nimmst sie zu tragen zeigt, dass du... tapfer bist.
    Tapfer."
    wiederholte ich ernst und voll Überzeugung.
    "Zieh dich nicht zurück, aus Leid über das Vergangene. Es hat dich gestählt und wachsam gemacht und gelehrt beginnende Strudel von Irrsinn zu erkennen. Wenn du dich zurückziehst, überlässt du das Feld nur den machtgeilen Karrieristen, die du, die ein Mann von deinem Format, doch zehnmal in die Tasche stecken würdest, und - du sagst es - gerade jetzt ist das wichtig, so wichtig dass integre Männer wie du den Staat lenken...... Gerade jetzt."

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  • Tapfer - dies war kein Wort, das Gracchus jemals auf sich hätte bezogen - weder vor, noch nach der Konspiration -, war es doch stets mehr die Feigheit, welche sein Leben - zumindest gefühlt - geleitete, und auch integer war keine Eigenschaft mehr, welche er noch ohne Zögern sich würde zukommen lassen. Doch Serapio gebrauchte diese Worte mit solcher Gewissheit, klang weder nach einem verliebten Toren, noch nach einem provokanten Aggressor, nicht einmal nach der vorhaltungsvollen Stimme des Gewissens - seine Worte wurden getragen von einer gefestigten Klarsicht, erwachsen aus der neutralen Perspektive der Retrospektive heraus - allfällig im Tempel des Serapis -, ohne Verklärung, ohne Groll, voller Ernsthaftigkeit und Authentizität. War dies die Absolution, nach welcher Gracchus es so sehr dürstete, die Freisprechung von seiner Schuld? Allfällig nicht - denn letztendlich war zweifelsohne niemand dazu befähigt, solcherlei auszusprechen -, doch es war die milde Nachsicht desjenigen, welchem er glaubte mehr als allen geschadet zu haben, dessen Leid ihm das Herz hatte zerrissen, dessen Konnivenz ihm gewichtiger war als das Wohlwollen jedes anderen Menschen.
    "Danke, Faustus, … deine Worte … bedeuten mir sehr viel"
    , entgegnete Gracchus darob und es war ihm als würde der gewaltige Berg auf seinen Schultern ein wenig in Bewegung kommen, als würden einige Brocken davon abfallen und das Gewicht auf seiner Brust sich ein wenig verringern.
    "Und du klingst keinesfalls wie ein Verrückter."
    Ein schiefes Lächeln stahl sich um seine Lippen.
    "Eher wie ein Philosoph."
    Im Tempel des Serapis hatte Faustus auch dem Anschein nach einem solchen entsprochen und bei genauer Betrachtung schien Gracchus diese Profession seinem Naturell weitaus angemessener als die des Soldaten, denn obgleich der Flavier stets überaus angetan war von dem schneidigen Gardeoffizier in seiner Prachtrüstung, so mochte die notwendige Abgeklärtheit ihm doch nie zu Faustus passen - letztendlich indes war dies vermutlich ebenso eine erlernbare Maske wie sie in similärer Ausprägung in der Politik ebenfalls bisweilen notwendig war.
    "Denn diese Idee, dass der Mensch letztli'h einem vorgegebenen Laufe des Schicksales folgt, dass selbst die Götter nur ein wenig Wind und Strömung beisteuern können und damit allfällig tangieren, ob du durch seichtes Ufer, felsige Stromstellen oder tiefe Fahrrinnen navigierst, das Ende der Fahrt jedoch durch den Fluss des Lebens längst determiniert ist - diese Idee ist zweifels..ohne so alt wie die Menschheit selbst."
    Einerseits war diese Vorstellung überaus beruhigend, andererseits ein wenig desillusionierend in Hinblick auf das eigene Leben.
    "Allerdings muss ich gestehen, dass ich dies nicht vollends akzeptieren mag, denn somit wäre auch in der gegenwärtigen Situation gänzlich einerlei, wie wir uns entscheiden oder was wir tun, da das Ergebnis bereits determiniert wäre. Wenn unser Tun ohnehin nichts bewirkt, könnten wir beide uns schlichtweg zurücklehnen und das Feld den machthungrigen Karrieristen überlassen."
    Zurücklehnen oder zurückziehen. Fort, weit fort, nur sie beide, nichts als sich selbst und sich gegenseitig bei sich, auf ein kleines Landgut allfällig oder ein Haus am See, einem tiefen, blaufarbenen See, so tief und blaufarben wie die Augen Faustus', in welchen Gracchus bei diesem Gedanken mit verklärtem Blicke versank. Wie oft hatte er von diesen Augen geträumt, wie oft von dieser Nähe - und doch waren Träume nur Träume, die Realität indes unübertrefflich.

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  • Bestimmt würde es immer wieder mal Momente geben, in denen der Zorn und der Groll versuchen würden, ihre Medusenhäupter gegen Manius zu erheben. Doch ich würde das, mit dem Beistand Serapis', schon hinkriegen sie zu zügeln, darauf vertraute ich. Eine versöhnliche Gelassenheit kam über mich, als ich sah welche Wirkung meine Worte auf ihn hatten. Wie er aufrechter saß, mich freier anblickte. Es hatte sich wohl doch gelohnt, sich da hindurchzukämpfen.
    Und dieses verschmitzte halbe Lächeln, wie lange hatte ich das nicht mehr gesehen! Das Herz schlug mir höher, ich lächelte zurück. Ein Philosoph, lustige Vorstellung.
    "Naja, ich hatte doch gerade die perfekte Gelegenheit einen geruhsamen Lebensweg als Epikureer einzuschlagen. Und habe sie prompt verpasst. " scherzte ich, nur ein klein wenig zynisch. Niemand hätte mich schelten können, wenn ich nach dieser Katastrophe dem Exercitus für immer fern geblieben und mich alleine dem guten Leben und der Freundschaft gewidmet hätte. (Nur dass mir kaum echte Freunde verblieben waren, die ich in meinen Epikureergarten hätte einladen wollen.)
    Manius nahm meinen nebenbei geäusserten Gedankengang auf, und formulierte ihn mit seiner wunderbaren Klarheit... und zugleich so absolut, dass ich meine Überlegung darin kaum noch wiederfand. Der Blick mit dem er mich nun umfing... übte Macht auf mich aus. Unwillkürlich atmete ich tiefer. Ich spürte diesen Blick auf meiner Haut, wie eine Berührung. Nervös richtete ich den Blick auf die Fresken an der Wand, seitlich von ihm. Ohne etwas vom Inhalt der Bilder wahrzunehmen.
    "Nicht vollends, nein," versuchte ich mich allein auf den Inhalt des Gesprochenen zu konzentrieren, "...das meinte ich auch nicht. Nur dass... es manchmal eben unheilvolle Dinge gibt, Phänomene, die das Natürliche zu sprengen scheinen, und die ... wie von irgendwo ausserhalb einbrechen in unser Sein, und sich einfach nicht verhindern lassen. Womit ich aber nicht behaupten will, das sei ein Grund seine Pflicht hinzuwerfen... ganz im Gegenteil. Dieses stumpfe Zerstörungswerk ist... wie das Wirken Sethos, gegen den alle Macht versagte, als er Serapis-Osiris tötete und zerstückelte. Doch durch Isis unermüdliche Suche... wurden die Teile zusammengefügt, und ihr liebender Zauber hauchte dem Leichnam neues Leben ein. Es ist nicht wie vorher, es bleiben...Verluste... doch die Sonne kann neu erstrahlen."
    So schlicht klang der Mythos, fast kindlich auf den ersten Blick, und trug doch in sich so viele Schichten verborgener Bedeutungen und ewiger Weisheiten, ich hatte in meiner Zeit im Tempel davon ja nur die Oberfläche angekratzt.


    "Im Großen wie im Kleinen. Was mich angeht... ich wundere mich immer mal wieder, dass ich den Sturm überlebt habe. Und bin mir... noch auf eine andere Weise als früher bewußt wie alles im Handumdrehen... davongerissen werden kann wie eine Handvoll welker Blätter. Aber..." Ich zuckte die Schultern. "..mir geht es gut. Natürlich mache ich mir auch Sorgen wegen der Kriegsgefahr. Aber im Augenblick... scheinen ja alle Kommandeure vernünftig, oder des Krieges überdrüssig (oder die Truppen noch zu angeschlagen). - Ich habe mich versöhnt mit meiner Familie. Mein Vater kam tatsächlich höchstpersönlich zu mir nach Trans Tiberim in den Tempel, um mich zurückzuholen. Das hätte ich nicht gedacht.... Naja, es ist trotzdem immer noch etwas kompliziert, wir sind recht selten einer Meinung, aber ich bin natürlich heilfroh wieder Teil der Familie zu sein! Meine Schwester hat die Stadt ja verlassen, die habe ich vor kurzem auf ihrem Landgut besucht. - Und ausserdem..."
    Nur scheu huschte mein Blick zu Manius, wieder spürte ich diesen Sog. Es war echt angebracht, das mit Borkan zur Sprache zu bringen. Und zwar jetzt. Gleich. Bevor der Sirenensang des Vergangenen... die süße Lockung, mich einfach mitreißen zu lassen, zu wundervollen Wahnsinnstaten... noch mehr Macht über mich gewann. Ich gab mir einen Ruck, und sagte es schnell und beiläufig:
    "...Ich bin wieder mit jemandem zusammen."
    Wieder betrachtete ich angelegentlich die Fresken, und wandte mich noch im selben Atemzug rasch wieder einem harmloseren Terrain zu. Einfach weiterreden...
    "Und endlich wieder Tribun zu sein und etwas bewirken zu können, das ist eine echte Befreiung. Es ist, unter uns gesagt, echt skandalös wie die Garde in der letzten Zeit verkommen gelassen wurde. Genug zu tun hab ich also. Als ich ankam, da war die Hälfte, naja fast die Hälfte, meiner Centurionen im Urlaub, kannst du dir das vorstellen?"

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    Klient - Decima Lucilla

  • Während Serapio sprach folgte Gracchus beflügelt durch den Augenblick den Worten noch immer ein wenig entrückt, noch immer ein wenig versunken in seine eigenen Phantastereien, in welchen alle Macht gegen das stumpfe Zerstörungswerk der Konspiration hatte versagt, und diese Manius hatte abgetötet und zerstückelt. Doch durch Faustus' unermüdliche Standhaftigkeit wurden die Teile zusammengefügt, und sein liebender Zauber hauchte dem Leichnam neues Leben ein, so dass Aton erneut am Himmel konnte erstrahlen. Und während Serapios Familie Wolken gleich am Horizont vorüberzog, schipperte die Sonnenbarke über den Zenit, des Hephaistions gestählter Leib nah bei jenem des Aton, bis ...
    Ich bin wieder mit jemandem zusammen.
    Bis die phantastische Seifenblase mit einem lauten Knall zerplatzte, Hephaistion sich mit einem Hechtsprung in den himmlischen Oceanos verabschiedete, und die Sonnenbarke dem felsigen Erdgrund entgegen stürzte, auf welchem sie in tausende Stücke zerbarst, Aton unter sich begrabend. Auch im Außen war dies bestürzende Geschehen auf Gracchus' Antlitz abzulesen, welches mit einem Male den Anschein bot als hätte der praetorianische Tribun ihm unvermittelt sein scutum ins Gesicht geschlagen. Während Faustus bereits zu anderen Themen überging, suchte Gracchus nach einem Augenblick der Starre seine Contenance wieder zu erlangen. Wie er suchte beiläufig zu dem Wein vor sich auf dem Tisch zu greifen zitterte seine Hand leicht, und als die kühle Flüssigkeit seine Kehle hinabfloss wünschte er sich imstande zu sein, all seinen Gram schlichtweg in Wein ertränken zu können - deplorablerweise wurde ihm jedoch stets zuvor unwohl bevor sein Gram auch nur annähernd im Wein versank. Ein Schluck indes reichte aus, um seinen Verstand wieder in Gang zu bringen, welcher in Anbetracht und Anwesenheit Serapios sich bereits hatte verabschiedet. Denn zumindest in Gedanken hatte er sich schlichtweg zum Narren gemacht, zu einem liebestrunkenen Narren, einem vernarrten Toren, einem törichten Tropf. Noch ehedem Faustus durch die Türe des Raumes war getreten, hatte ihn die Sorge umgetrieben, er könne neuerlich dessen unermesslichem Zorne anheim fallen, doch kaum bot jener ihm nur die Hand der Versöhnung, glaubte er die Intimität der Vergangenheit wieder in Reichweite, glaubte nach allem, was er ihm hatte angetan, würde in Faustus noch immer das gleiche Feuer brennen wie in ihm selbst, glaubte er jener hätte ihm gleich nur sehnsüchtig diesen Augenblickes geharrt, in welchem sie endlich wieder eins konnten werden.
    "Das ... freut mich für dich"
    , entgegnete er, den Blick auf das Glas gerichtet, welches nun wieder auf dem Tisch stand.
    "Ich hoffe, er ... macht dich glückli‘h."
    War es nicht dies, was er sich hatte gewünscht - dass Serapio glücklich war? Weshalb dann schmerzte die Generosität dieser Worte so sehr? Weshalb war er diesem jemand, der nun in Faustus' Bette lag, der seinen Leib liebkoste und seine Küsse empfing, weshalb war er diesen Manne schon in diesem Augenblick nicht mehr gewogen ohne dass er ihn überhaupt kannte?
    "Alles ist verkommen"
    , wandte er sodann ein, um sich gleichsam abzulenken. Roms Gedeih und Verderb lag auf der Waage des Schicksals, wen interessierte unter diesen Umständen ein gebrochenes Herz, das ohnehin nur zu einem toten, zerstückelten Leibe gehörte?
    "Cornelius hat sich um nichts bemüht, er hat nichts in Angriff genommen und alle wi‘htigen, vakanten Positionen nur mittelmäßig besetzt. Als wäre er nach all dem, was geschehen ist, am Ende von allen am meisten überrascht worden, dass er der Kaiser Roms wurde, als wäre seine Vision in dem Augenblicke be..endet gewesen als der Senat ihn inthronisierte."
    Er schüttelte langsam den Kopf. Es war Gracchus nurmehr unbegreiflich, wie er damals sich für den Cornelier hatte aussprechen können. Selbst Vinicius Lucianus wäre rückblickend vermutlich eine bessere Wahl gewesen.
    "Allfällig hat er sich auch nur deswegen mit Mediokrität umgeben, um neuerliches Aufbegehren zu verhindern. Oder aber es war schli‘htweg Überheblichkeit, worauf letztlich auch sein Testament schließen lässt."
    Oder aber war er schlichtweg nicht in Liebe entbrannt gewesen zu dem einstigen Praefectus der Garde? Gracchus glaubte den Kontext dieser Entscheidung aus einer durchdachten, rationalen Perspektive heraus betrachtet zu haben, doch konnte er sich seines Urteilsvermögens tatsächlich sicher sein, wenn bereits ein Blick in Faustus‘ Augen ihm jegliche Rationalität abspenstig machte?

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  • Nur aus den Augenwinkeln hatte ich erahnen können, wie die Bemerkung zu der ich mich durchgerungen hatte, beiläufig gesprochen, doch von ganz und gar nicht beiläufiger Natur, Manius getroffen hatte. Er reagierte auf die allernobelste Weise die man sich nur vorstellen konnte, großmütig, machte keine Vorwürfe... doch unwillkürlich begann ich selbst damit, mir Vorhaltung zu machen, hatte das Bedürfnis mich ihm gegenüber zu rechtfertigen. Zu beschwören was uns verband und immer verbinden würde. - Besser nicht...
    Mit mahlenden Wangenknochen beschäftigte ich mich mit dem Wein, um meine Hände zu beschäftigen schenkte ich mir nach und füllte auch seinen Becher neu. Ich fühlte mich sprachlos angesichts all dessen was zwischen uns war und gewesen war. So vieles geschehen, so vieles geteilt und noch so viel mehr immer nur erhofft, alles Überlebensgroß und im Grunde von Anfang an unmöglich, und doch... Und doch.
    Ich atmete schwer aus. Selbst die sonst so willkommene Gelegenheit, so richtig über Cornelius wettern zu können, ließ mich gerade eher kalt.
    "Er war ein Übel in jeder Hinsicht." sagte ich abgeklärt. "Ebenso skrupellos wie unfähig. Dass er mich nicht wiedereinsetzte, das ist aber insofern gut, als ich ihn bei nächster Gelegenheit getötet hätte. Und nun ist er zum Glück ja auch so krepiert." Was mir vieles ersparte. "Leider wirkt das Gift der Lügen, mit denen er das Reich überschwemmt hat, über seinen Tod hinaus. Ich... wünschte noch immer ich könnte den Menschen die Augen öffnen, darüber was wirklich geschah. Aber... Naja. Es hat sich ja gezeigt wie machtlos die Wahrheit ist... angesichts der feigen Masse von Menschen, die sich lieber mit den dümmsten Lügen füttern lassen, wenn sie nur glauben dass ihnen das einen Vorteil bringt." meinte ich, nach meinen völlig resignierenden Erfahrungen in der Hinsicht von blankem Zynismus erfüllt. "Ausserdem will ich... dir natürlich auch keine Schwierigkeiten bereiten. Das wäre es nicht wert. - Irgendwie... frage ich mich nach all dem sowieso, ob es überhaupt irgendeinen 'Wert' hat, was die Leute glauben, mal abgesehen davon dass es zur Manipulation dienen kann, nein, ich meine 'ein Wert an sich'. Und die wetterwendische Meinung ehrloser Duckmäuser... und somit der allermeisten Römer... hat das wohl kaum."
    Diese Überlegungen gingen mir heftig gegen den Strich, denn Konzepte wie 'Wahrheit' und 'guter Ruf' konnte man damit auf die Müllhalde werfen. Doch die Gedanken waren nun mal da.


    "Wir können nur hoffen, und das unsrige tun, damit Rom bald einen besseren Kaiser hat. Ich habe ja so einiges mitbekommen, bei meiner Wacht." Und hier breitete sich nun wieder ein Lächeln über mein Gesicht, voll echter Bewunderung, und sogar mit einem Hauch von Übermut, denn es war, bei allem Risiko, einfach überwältigend, Manius als einen der vier auserlesenen Kandidaten für den Thron zu sehen.
    "Ich glaube dir natürlich, dass deine Bescheidenheit echt ist, und keine Taktik. Aber ist es nicht gerade der Umstand, dass du im Gegensatz zu den meisten Politikern nicht danach gierst, dich um jeden Preis persönlich zu profilieren und aufzuplustern, der dich zu einem guten Herrscher macht? Du hast die Abstammung, die Staatsklugheit und die Verbindungen. Militärische Expertise und Truppen könntest du leicht durch Unterstützer gewinnen...."
    Ich hatte da schon so meine Ideen.

  • "So ist es doch beinahe immer, Faustus"
    , warf Gracchus ernüchternd ein. Er hatte lange daran geglaubt, das Ideal der Wahrheit auch in der Politik adhibieren zu können, doch Rom hatte ihn Stück um Stück eines Besseren belehrt.
    "Solange ihr eigenes, bescheidenes Leben nicht allzu sehr davon tangiert wird ist es den Menschen einerlei was im Reiche sich ereignet, ziehen sie es vor ers..prießlichen Lügen Glauben zu schenken als der bitteren Wahrheit, möchten sie allzu gern dem Vertrauen schenken, was der Staat ihnen vorgibt, und oftmals ist es augenscheinlich auch dies, was die Wahrheit erträgli'h, bisweilen gar ihr Leben lebenswert macht."
    Auch der öffentliche Staatskult basierte letztlich auf dieser Gleichung, und Gracchus hatte dies immer akzeptiert, da er der Ansicht war, der Staat würde stets das beste entscheiden müssen, würde letztlich auch das beste entscheiden für die Bürger, die in ihm lebten.
    "Der Wert an sich ist also nicht die Tatsache, sondern das Resultat. Gleichwohl bin ich der Ansi'ht, dass je näher dies an der Wahrheit sich befindet, desto höher seine Güte ist."
    Auch über Gracchus' Antlitz zog sich beim Gedanken an die prätorianische Garde vor der Curia Iulia ein feines Lächeln in Hinblick auf all die strammen Männer in ihrer militärischen Pracht - und unter ihnen Serapio, welcher hoch auf seinem Rosse dem strahlenden Helden aus Gracchus' Phantasie gleich alle überstrahlte. Zu Beginn des Aufmarsches hatte er zwar befürchtet, die Praetorianer wären vor dem Senat aufgestellt, um eine ganz bestimmte Richtung der Wahlen zu erzwingen, doch dies hatte sich alsbald als unbegründet herausgestellt - letztlich folgten sie nur ihrer Pflicht für Rom.
    "Darob gebe ich dir Recht, dass es von großer Relevanz ist, dass der der erste Mann im Reich ein untadeliger Mensch ist, dem Wahrheit und Tugenden höchste Güter sind, und gerade nun, da wir nicht schle'hterdings konnivieren müssen, wer als Erbe nachfolgt, nicht tolerieren müssen, wer sich in Gier und Machtstreben dem letzten Kaiser angebiedert hat, bietet sich uns die einmalige Chance, den bestmöglichsten aller Männer zu erkiesen und so den Grundstein einer gloriosen, triumphalen Ära zu legen!"
    Von Überschwang in Erwartung auf diese phantastische Opportunität verfiel Gracchus indes alsbald in ein tiefes Seufzen, geleitet von einem beinahe entschuldigenden Schulterzucken.
    "Ich wünschte, ich könnte dieser Mann sein, Faustus, stelle dir nur vor, was ich alles tun, was ich alles errei'hen könnte für Rom, zu welcher Blüte das Reich wieder gelangen könnte unter flavischer Herrschaft, gleichwohl keiner meiner Ahnen je wieder einen Taugenichts mich könnte schimpfen. Zu anderer Gelegenheit wäre es darüberhinaus nur mehr als gedeihlich, denn ohnehin ist nichts geringes meine Pfli'ht, ich wurde geboren, dem Staat voranzugehen, dazu erzogen, das Reich zu lenken und zu bewahren. All die Jahre der Studien über vergangenen Fehler und Glanzstunden der Historie, der fremden Sprachen, um die Weisheiten der Welt in mich aufzunehmen, Arithmetik, Geometrie und Geographie, um die Zusammenhänge des Lebens zu ver..stehen, die Rhetorik, um meine Gedanken in angemessene Worte zu fassen - all das nur, um das Imperium zu führen, zu bewahren und voranzubringen, mit meinen Ideen, Idealen, mit Treue und Mut den Tugenden zu folgen, dem Volk seinen Weg zu zeigen. Denn dies ist es, was uns Patrizier ausmacht, dies ist es letztlich wozu wir all diese angeblichen Privilegien genießen."
    Auch wenn es letztenendes nicht einfach war, diesem Pfad zu folgen, auch wenn er zweifelsohne mehr als einmal bereits dabei gescheitert war, so war dies doch ein unabänderlicher Drang in ihm, ein ihm inhärentes Streben, über welches er sich am Ende schlichtweg nicht konnte hinweg setzen.
    "Und doch liegt in eben dieser Pflicht mein Verhängnis, Faustus. Keine Bescheidenheit, keine Taktik - es ist diese vermaledeite Pfli'ht, mein Streben in den Dienst des Wohles Roms zu stellen - mehr noch nach all dem, was geschehen ist, nach allem, was mein Handeln evoziert hat. Seit Valerianus sich aus Rom zurückge..zogen hat wankt das Reich von einer intrinsischen Krise zur nächsten, seit dieser Zeit gibt es politisch kein rechtes Vorankommen mehr. Was wir brauchen ist Stabilität und Sicherheit, wir können uns schlichtweg keine Experimente mehr leisten. Wir brauchen einen Kaiser, der bereits bewiesen hat, dass er nicht nur Rom als Consul voranstehen kann, sondern zudem in der Lage ist, ein Gebiet prosperierend zu verwalten, wiewohl Schlachten erfolgrei'h zu schlagen, und dessen Herrschaftsanspruch sich gleichwohl auf militärischen Rückhalt gründet. Nichts davon kann ich vorweisen, kein Consulat, nicht die Verwaltung einer Provinz, keine einzige gewonnene Schlacht, geschweige denn dass ich je auch nur einer einzigen hätte beigewohnt, und auch keinen militärischen Rückhalt - zweifelsohne habe ich den Einfluss dessen bisherig bei Erwägungen der Familienpolitik gänzli'h unterschätzt."
    Gracchus versuchte sich ein einem Lächeln, doch gelingen mochte es ihm nicht. Die Unsicherheit bei alledem war schlichtweg zu groß, viel zu groß, um dieses Risiko für Rom eingehen zu können.
    "Es mag sein, dass es mir gelingen würde, den Anforderungen zu genügen, es mag sein, dass niemand diese Herrschaft in Frage würde stellen - doch ebenso wahrscheinlich ist mein Scheitern, ebenso wahrscheinlich, dass diese militärische Namenlosigkeit neuerlich nur ma'hthungrige Begierden würde evozieren - ob dessen es schlichtweg widersinnig, geradezu wahnwitzig ist, meine Person in Erwägung zu ziehen, insbesondere wenn doch wahrhaft geeignetere Männer zur Wahl stehen. Aquilius Severus etwa kann gleichwohl mit untadeliger Abstammung, Staatsklugheit und zahllosen Verbindungen aufwarten, gleichsam indes mit militärischer Expertise, Rückhalt in den Truppen sowie weitreichender Erfahrung in der Verwaltung einer Provinz. Er gleicht viel mehr jenem Manne, den Rom nun braucht."

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  • "So ist es doch beinahe immer." sagte er abgeklärt.
    "Aber in dem Ausmaß!" fiel ich ihm da heftig ins Wort.
    Der Giftmord an den Ulpiern war der größte Frevel den man sich nur vorstellen konnte, ein Bruch der heiligsten Prinzipien, die das Imperium zusammenhielten, und Auslöser des seit Generationen schlimmsten Krieges - im Herzen des Reiches! Als Römer dem gegenüber gleichgültig zu sein, das sprengte bei weitem den Rahmen des ganz normalen menschlichen Phlegmatismus und Opportunismus. Es war schlichtweg: abnormal.
    Ich biss die Zähne zusammen, um nicht wieder damit anzufangen, und damit zwangsläufig auch wieder Manius mit zu beschuldigen, es war damit ein für alle mal genug. Und sagte mir:
    Einfach mal Schnauze halten, Faustus.
    Der Wert lag im Resultat. Je näher an der Wahrheit um so besser. - Im Prinzip stimmte ich dem zu. Aber mit Bauchschmerzen. Ich dachte mir nämlich, dass man sich mit dieser Maxime jedwede schändliche Tat, alles Ehrlose, immer irgendwie als wertvoll beschönigen könnte. Auch wenn ich mir sicher war, dass Manius diese Implikation nicht beabsichtigte. Im Grunde... - und das wurde mir, als ich ihn so kraftvoll von der Notwendigkeit des bestmöglichen Kaisers sprechen hört, auf einmal wieder so messerschaft bewußt – war er der redlichste und aufrechteste Mann den man sich denken konnte, so ehrenhaft und idealistisch wie man es als Senator nur sein konnte. Und dass ausgerechnet er in den Strudel des Verschwörerwahnsinns geraten war... schien mir nur mehr ein grausamer Scherz zynischer Schicksalsmächte zu sein.


    Ich stützte den Kopf in die Hände. Wie schön war es ihm zu lauschen. Seine Worte sich emporschwingen zu hören, auf der Woge der Begeisterung, welche mich mit sich trug, zu den hochaufragenden Gestaden seiner Berufung als Lenker des Staates. Wie lange war es her, dass ich ihn so hatte sprechen hören, dass ich dieses Funkeln in den Augen, dieses... Leuchten von innen her auf seinem Gesicht gesehen hatte. Ewig.
    "Hmhm." Ich nickte, benommen von der Macht seiner Worte. Dabei hielt ich ja eigentlich so gar nichts von den verstaubten patrizischen Privilegien. Doch an der Stelle, auf diese Weise, da hätte er mir wahrscheinlich auch den größten Nonsens erzählen können, ich hätte allem gleich enthusiastisch zugestimmt. Denn es war das Gesichts Atons, das in diesem Augenblick hinter den Wolken hervorblitzte, und ich betrachtete es hingerissen. Und nostalgisch.
    "Hmhm."
    Sein Verzicht machte ihn natürlich nur noch nobler.


    "Claudius hatte auch keine militärische Erfahrung als er den Thron bestieg. Und hat doch seinen Britannienfeldzug höchstpersönlich siegreich geführt, auf seine fähigen Generäle gehört, und weite Landstriche erobert." bemerkte ich schließlich. "Und... ich muß dir wohl nichts zu deinen eigenen Ahnen sagen, aber Domitian hatte ja auch keine militärische Vorerfahrung, und er hat als Kaiser die Chatten besiegt, die Rebellion des Saturninus zerschmettert und die Rheingrenze befriedet, er hat die Daker besiegt, und die Donaugrenze verteidigt gegen ähm, die Sarmaten und Iazygen."
    Seitdem ich mich für mein Examen Tertium an der Academia militaris über all das belesen hatte, sah ich den umstrittenen letzten flavischen Kaiser in einem ganz anderen Licht. Aber ermordet worden war er auch...
    "Ich meine damit nur, es muß kein Manko sein. Ich bin mir sicher, dass du ein verdammt guter Kaiser wärst!. Der richtige, um das Reich wieder in ein goldenes Zeitalter zu führen. - Aber ich bin... ganz selbstsüchtig, und ganz, ähm, im privaten... doch froh, dass du es nicht tust." gestand ich ihm bewegt. "Nur weil... naja. Ich will nicht dass...-" "dich auch einer vergiftet, ersticht oder abschießt", das meinte ich eigentlich, doch um ihm bei diesem heiklen Thema nicht wieder zu nahe zu treten, schloß ich dann doch lieber: "...Ich will nur sagen: es ist eine schwere Bürde, das Wohl des Reiches auf seinen Schultern zu tragen."


    Darauf verlor ich den Faden, trank ein paar Schluck, und suchte meine konfusen Gedanken zu ordnen. Irgendwie... zeichnete es sich ab, dass meine Wunschvorstellung, einen ganz normalen Umgang mit Manius zu pflegen... ungefähr genau so dämlich war, wie sich munter einem Waldbrand zu nähern, mit dem Ziel sich daran einen Kienspan anzuzünden.
    Ich schluckte trocken. Zum Glück hatte ich meine Konfusion vorausgeahnt und mir vor dem Treffen im Kopf fein säuberlich eine Liste gemacht, davon was ich unbedingt mit ihm besprechen musste. An schnöden Dingen. Und daran klammerte ich mich nun fest, und stürzte mich, als wäre nichts gewesen, einfach auf das nächste Thema. Und so besprachen wir mit befremdlicher Sachlichkeit hier noch etwas juristisches und da noch etwas politisches. Die Zeit verging wie im Fluge...

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  • Im Fluss der Zeit ließ Gracchus neben Serapio sich treiben, so wundervoll nah und gleichsam so unendlich weit entfernt, und jedes der fürderhin angesprochenen Themen gereichte dazu, seine Contenance herauszufordern, denn zu sehr war er emotional in jene verwoben, und zu sehr war er emotional aufgewühlt als dies zu verbergen - denn selbst so er in Hinblick auf die politische Angelegenheit beinahe sich mochte vergessen vor Entrüstung war alldies letztendlich nichts in Vergleich mit der Exaltation, welche ihn umtrieb seit Faustus' Worten.
    Ich bin wieder mit jemandem zusammen.
    So sehr Gracchus auch suchte, diese Worte über die Brisanz der weiteren Angelegenheiten zu vergessen, verbargen sie sich beständig im Raume und immer dann, wenn ein kurzer Augenblick des Schweigens eintrat, ließen sie sich herab in spöttischer Weise zu erscheinen in der Peripherie seines inneren Auges, gerade so deutlich, dass er nicht umhin kam sie zu perzipieren. Zweifelsohne war es eine mehr als dürftige Revanche, doch mit einem Male - gerade als eine kurze Pause, um sich einige Schlucke Wein zu gönnen, das vorherige Thema beendete, und der vorwitzige, purpurfarbene Schatten des Hohnes von der Seite her sich anschickte die Bühne der Aufmerksamkeit zu betreten - drängte es Gracchus mit seinen eigenen Zukunftsplänen zu kontern.
    "Ich werde mich bald noch einmal ... vermählen. Mit Prisca aus dem Hause der Aurelier."
    Da der spottende Schemen aus seinen Augenwinkeln sich nun zurückzog blieb dieser frei für einen indirekten Blick auf sein Gegenüber. Der Flavier nahm nicht an, dass Serapio die Aurelia näher kannte, zögerte indes einen Augenblick darüber sinnend, ob es angebracht war, Faustus davon zu berichten, dass Prisca von ihrer Liaison wusste und die Ehe darob mehr als nur eine vorteilhafte Verbindung zwischen zwei patrizischen Familien war. Doch es gab keine Liaison mehr zwischen ihnen, wozu also sollte er Faustus in Unruhe versetzen oder gar ihm Wohlwollen abringen ob dieser Entscheidung?
    "Bereits vor Cornelius' Tode habe ich intendiert das Consulat endlich anzustreben, wozu eine Ehe ... obligat ist. Obgleich sich nun alles verzögert und herna'h es auch zu spät sein wird, die Prämissen für eine Kaiserwahl zu verbessern, so bin ich es Rom, wiewohl meiner Familie letztlich doch schuldig."

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  • "Was?! Bei allen Furien!" fuhr ich auf, und starrte Manius mit vor Unglauben und Schrecken geweiteten Augen an. Die Aurelia...?!
    "Aurelia Prisca?" stammelte ich, "die klauenbewehrte Harpie, die schamlose Schlampe? Aber... aber Manius... die willst du heiraten..??!"
    Dass er wieder heiraten musste, das an sich leuchtete mir schon ein, und ich trug mich ja mittlerweile sogar selbst mit solch bürgerlichen Gedanken, und im Grunde ging es mich auch gar nichts mehr an, aber.... aber.... dieses furchtbare Weib?! Ich wurde ganz bleich bei der Vorstellung, wie sie ihr Gift in seine Ohren träufeln würde, und ihn gegen mich aufbringen, wie sie auch noch die allerletzte Verbindung zwischen uns kappen würde, und wie sie... triumphierend ihre langen schmalen Patriziergliedmaßen geschmeidig um ihn herumwinden würde, wie die Ranken einer würgenden Schlingpflanze, wie ein fleischfressendes Dschungelgewächs, wie eine kränklichgrelle Orchidee deren Duft einem widerlichsüß den Atem raubte. Bis Manius ihr irgendwann ganz gehören würde, und mich ebenso scheel ansehen würde wie Dives, mir alles mögliche unsinnige unterstellen würde, und und mir ebenso boshaft entgegenschmettern würde: 'Ich wünschte ich hätte dich nie getroffen!'.
    Das kann doch nicht wahr sein...
    "Hat sie... hat sie dich etwa erpresst....?" murmelte ich entgeistert, meine Hand um die Lehne der Kline gekrallt, so fest dass die Knöchel weiß hervortraten.

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  • Ein wenig erschrocken ob der Heftigkeit Serapios Ausbruch zuckte Gracchus zusammen, blickte derangiert und nicht gänzlich sicher, ob diese Insultationen als Affront waren zu werten oder schlichtweg einem Missverständnis entsprangen.
    "Erpresst?"
    Er brauchte einige Augenblicke bis dass er sich jene fälschlichen Fakten imaginierte, von welchen Faustus musste annehmen, dass sie den Tatsachen entsprachen - dass Prisca durch ihren Vetter in die Details der Konspiration war eingeweiht worden und mit diesem Wissen nun suchte den Flavier zu erpressen.
    "Aber nein, Faustus, Aurelia Prisca hat keinerlei Kenntnis von der Konspiration. Zumindest ... gehe ich davon aus, wiewohl sie nie Gegenteiliges erkennen ließ"
    , fügte er ein wenig unsicher an.
    "Ich selbst ... habe sie um diese Ehe gebeten. Nicht nur zur Wahrung der Ver..gangenheit, auch ... nun es ist ... schli'htweg ... politisch, ... familiär und auch ..."
    Gracchus bemerkte wie sehr diese Angelegenheit ihn in Bedrängnis brachte, wie unsicher er wurde gegenüber der einzigen Person, welche (beinahe) all seine Geheimnisse kannte. Sofern es in Rom irgendjemanden gab, welchem gegenüber er sich nicht würde erklären müssen, der seine persönlichen Beweggründe würde nachvollziehen können so war dies Serapio - und doch fühlte Gracchus in diesem Augenblicke sich in die Enge gedrängt, persönlich attackiert beinahe und war darob nicht mehr bereit die Gesamtheit seiner Intention preiszugeben, insbesondere da deren Grundlage doch ohnehin seit Faustus' Offenbarung nicht mehr existierte.
    "Sie ist eine überaus untadelige Frau!"
    flüchtete der Flavier sich ob dessen auf sicheren Grund, die Couleur seiner Stimme nun beinah ein wenig mit Trotz eingefärbt. Serapio mochte sich einen jemand leisten können, selbst als Präfekt der Prätorianer hatte er allfällig zwar einen kleinen Skandal riskiert, aber eben doch nur einen kleinen Skandal. Für Gracchus indes hing nicht nur seine eigene Karriere an dieser Ehe, für ihn gewährleistete dies die überaus fragile Sicherheit seiner Familie, die solide Basis für seine Nachkommen, und in gewisser Weise auch die Stabilität Roms.
    "Sie entstammt nicht nur einer vortreffli'hen Familie, sondern ist darüber hinaus in ihrer eigenen Person überaus honorig, wiewohl bedacht und klug! Sie war mit meinem Vetter Piso verheiratet, und ich verwahre mich dagegen, dass du meine künftige Gemahlin mit der..artigen Schmähungen bedenkst!"
    Seine Haltung war nun angespannt und abweisend, in seinen Worten schwang nicht nur Empörung, sondern gleichwohl ein wenig Enttäuschung mit. Nichts war diese Ehe im Vergleich mit jemand, und doch vergönnte Serapio ihm augenscheinlich nicht einmal Sorglosigkeit in Hinblick auf diese Art obligater Pflicht!

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  • Untadelig?! Mir entwich ein gepresstes Auflachen bei dieser Bezeichnung, dann biss ich wiederum die Zähne aufeinander, hörte mühsam beherrscht Manius unerträgliche Worte, nach denen es mich nicht mehr auf der Kline hielt, so dass ich aufsprang, und kopfschüttelnd, eine Hand zur Faust geballt, mit der anderen hilflos gestikulierend, im Raum herum ging.
    "Das... das ist aberwitzig... ich glaube es einfach nicht..."
    War es nicht grausig genug, dass Dives eine erpresserische Megäre, die mich hasste, geheiratet hatte? Welche Schicksalsmächte hatten sich gegen mich verschworen, dass nun auch Manius sich an eine erpresserische Harpie (die mich wahrscheinlich noch viel mehr hasste) binden würde?!
    "Manius, du..." Verzweifelt ging ich auf ihn zu, hielt wieder inne. Das war ja wie ein Fluch!!
    Du darfst das nicht! wollte ich ihm entgegenschreien, und verächtliche Tiraden gegen die Harpie lagen mir auf der Zunge, drängten machtvoll danach, gesagt zu werden, doch zugleich wusste ich ganz genau, dass ich es damit nur schlimmer machen würde. Alles schon gehabt. Er hatte sich ja offensichtlich entschieden. Je mehr ich versuchen würde ihn davon abzubringen, um so mehr würde er sich von mir abwenden, und wie Ödipus würde ich am Ende selbst das Unglück, dass ich abzuwenden versuchte, eben dadurch über mich bringen. Das Unglück ihm fern zu sein.
    Mierda.
    Schon jetzt hatte er sich wieder in seine eisige Gravitas gehüllt, und sah mich an wie... irgendeinen dahergelaufenen Störenfried. Aber jetzt nichts zu sagen, das ging über meine Kräfte.
    "Diese... überaus untadelige Frau hat mich erpresst." stieß ich aufgewühlt hervor. "Und zwar mit den Briefen, die ich dir damals geschrieben habe - und auf die du, nebenbei gesagt, ruhig besser hättest aufpassen können. Sie hat sie gestohlen und mich damit erpresst! ... Aurelia Prisca ist alles andere als honorig, halbnackt habe ich sie damals angetroffen, eine Orgie mit ihren Sklaven feiernd. Und..."
    Gekränkt hob ich das Kinn, berichtete Manius mit einer Empörung, frisch wie am ersten Tag: "... Sie nannte uns Pathici."

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  • Die physische Manifestation Serapios Exaltation gereichte dazu Gracchus noch mehr in die Defensive zu drängen, insbesondere da Faustus nun von oben herab auf ihn einredete, aus des Flaviers Sicht nichts anderes als dessen Entscheidungskompetenz in Frage stellend.
    "Was hätte ich tun sollen mit diesen Briefen?"
    fragte er barsch zurück und setzte sich auf.
    "Damals als ich mit nichts als einem Fetzen Tunika am Leibe bei Na'ht und Nebel die Stadt verlassen musste! Hätte ich sie vernichten oder ver..brennen sollen, diese Worte, deren güldener Schein mir den Weg durch die Dunkelheit weist, die mich in jedem Fallen auffangen und auf eine Statt aus fedriger Zufriedenheit betten, die mich auf ihren Schwingen über die Abgründe des Lebens tragen?"
    Er zögerte kurz, korrigierte dann hastig, denn in keinem Falle wollte er nun auch noch eine Blöße sich geben.
    "Trugen! Sie blieben dort, wo ich sie am sichersten glaubte, wo meine Hoffnung mit ihnen verblieb! Dass ich auch hierbei irrte …"
    , sowohl in Hinblick auf die Sicherheit, als auch auf die Hoffnung,
    "… dies ist wohl nurmehr ein … Tropfen im gewaltigen Oceanos meiner … Fehleinschätzungen!"
    Als er zurückgekommen war und die Briefe eben dort nicht mehr hatte vorgefunden, hatte ihn dies beinahe um den Verstand gebracht - dessen er sich ohnehin bereits nicht mehr sicher gewesen war -, und auch der Verlust seiner Hoffnung auf Faustus gereichte zweifelsohne zu selbigem.
    "Nicht erst Cornelius' Truppen haben in der Stadt gewütet, Vescularius' Urbaner sind in mein Heim ein..gedrungen und haben alles durchwühlt, und nur Aurelia Priscas couragiertem Einschreiten ist zu verdanken, dass sie die Briefe nicht mit sich genommen und dem Vescularier ausgehändigt haben!"
    Er erhob sich nun ebenfalls, noch immer defensiv in seiner Haltung, doch nun weniger aus Verunsicherung heraus denn mehr aus der Standhaftigkeit patrizischen Fatalismus'.
    "Es hätte ihr gänzlich einerlei sein können, nach Pisos Tod band nichts sie mehr an die Flavia, und doch hat sie dafür Sorge getragen, dass diese Briefe nicht an die Öffentli'hkeit gelangen, hat sie versteckt und nach dem Ende des Krieges nicht mit einem einzigen Worte versucht, mir gegenüber daraus für sich einen Vor..teil zu schlagen - im Gegenteil!"
    Etwas anderes über Prisca wollte Gracchus nicht hören und wollte es doch hören. Alle Fäden des Schicksales hatten sich um ihn gesponnen, dass ihm kaum eine Alternative blieb als die Aurelia zu ehelichen, gleichsam ihm nichts mehr könnte zupass kommen. Es war ein do ut des auf irdischer Ebene, ein ausgeglichener Handel zwischen zwei Familien, zwischen zwei erwachsenen Menschen. Gracchus wandte sich ab, schüttelte den Kopf und schloss einen Augenblick die Augen. Hätte Antonia je Kenntnis von seinen Vorlieben erlangt, Pathicus wäre zweifelsohne noch die geringste Schmähung gewesen, welche die hehre Claudia für ihn hätte erdacht. Sie nannte uns Pathici - dies klang beinahe wie der Titel zu einem extravaganten Theaterstück, und allfällig würde es dies sein - das Stück seiner nächsten Ehe. Dennoch bedeutete auch dies Wissen keinerlei Unterschied mehr, es gab kein Zurück aus einer Entscheidung, welche ohnehin nie eine Wahl war gewesen. Gracchus öffnete die Augen und blickte in das euphorisch angespannte Gesicht eines der Titanen an der Wand, welcher mit Hingabe und Inbrunst sich in sein Schicksal stürzte. Ob diese Hingabe und Inbrunst wohl in gleichem Maße vorhanden wäre, würde er um sein Verderben wissen?
    "Aurelia Prisca weiß, was sie erwartet, und sie weiß, was von ihr er..wartet wird."
    Er drehte sich um und fixierte Serapios Augen, in welchen Gracchus - wie er glaubte - den Trug von Hingabe und Inbrunst lodern sah, und sofern doch etwas darin loderte, so war es nichts, das ihm hätte gegolten.
    "Für dich mag dies alles ganz einfa'h sein, dir jemanden zu suchen, mit ihm zusammen zu sein und dein Glück zu ge..nießen. Ich .... folge meiner Pflicht und tue, was für das Wohl und ... Überleben meiner Familie notwendig ist. Und wenn dies inkludiert, dass ich ... diese eine Lüge jeden Tag vermeiden kann, so ist dies bereits mehr als ich für mich selbst von einer solchen Ver..bindung erhoffen kann."
    Hätte er nur vor Jahren bereits den Mut aufgebracht, all dem schlichtweg den Rücken zu kehren, mit Faustus das nächste Schiff gen Osten zu besteigen und der Familie eine Nachricht zukommen zu lassen, dass das Meer ihn hatte verschlungen. Hätte, könnte, sollte. Die Chance war vergangen, vertan wie so viele, und Faustus segelte mit jemand anderem hinfort.
    "Es ist Zeit für mich zu gehen, ich ... muss mich noch auf die morgige Senatssitzung vorbereiten"
    , beschloss er darob überaus nüchtern das Treffen und rückte sein Pallium zurecht. Er wollte nicht länger noch in Faustus' Nähe verweilen, in welcher dieser sich Herzschlag um Herzschlag nur immer weiter von ihm entfernte.

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  • Besser verbrennen, als zulassen dass sie in fremde Hände fallen, dass fremde Menschen roh spottend meine intimsten Geständnisse lesen! so dachte ich vorwurfsvoll. Aber ich hatte Manius' Briefe auch nicht verbrannt, bevor ich in den Bürgerkrieg zog, sie bloß gut versteckt... und ich war bei meinem Aufbruch auch nicht, so wie er, in unmittelbarer Todesgefahr gewesen... (Ich hätte meinen Vorwurf ja zurückgenommen, wenn ich nur zu Wort gekommen wäre.)
    Wie, was, gülden, Schwingen, tragen, trugen, Hoffnung...? Ich war perplex, ich hatte nicht gewusst, dass die Briefe ihm immer noch so wichtig waren. - Nein. Gewesen waren.


    Aber natürlich! Vescularius war an allem schuld. Und die liebe gute Aurelia Prisca hatte nur aufgepasst auf die Briefe, na klar doch.
    "Hast du nicht gehört was ich gerade sagte?!" Ich hasste es, wenn meine Gegenüber ihnen nicht genehme Worte einfach überhörten.
    "Sie. Hat. Mich. Mit. Meinen. Liebesbriefen an dich. ERPRESST!! - Sie war kaltblütig dazu bereit, nicht nur meine, sondern zugleich natürlich auch DEINE Reputation in aller Öffentlichkeit in den Schmutz zu treten! Und ich kann dir sagen: Sie meinte es ernst, es war keine leere Drohung!"
    Davon war ich überzeugt. Die Aurelia war ein schwarzherziges Biest, eine Femme fatale und meisterhafte Manipulatorin. Die Sergia war ja schon eine gefährliche Schlange, aber die Aurelia spielte in einer noch ganz anderen Liga. Der einzige Fehler den sie gemacht hatte, der war, sich für unangreifbar zu halten. Hochmut war ihre Achillesferse.


    Manius stand nun direkt vor mir, durchbohrte mich mit seinem Blick und machte mir Vorhaltungen, die in meinen Ohren ausgesprochen selbstgerecht tönten. Ich hatte ein Déjà-Vu, ein furchtbares Gefühl von Unausweichlichkeit, und als er dann auch noch entschlossen schien, mich einfach stehen zu lassen und fort zu gehen, haargenau so wie Hannibal damals, haargenau so wie Dives es getan hatte, rollte eine kalte Woge der Angst über mich hinweg, und völlig irrational panisch griff ich nach seinem Arm, und:
    "Warte! Warte, Manius! Bitte warte...." flehte ich ihn förmlich an, "Ich habe es nicht so gemeint, ich..." musste ihn aufhalten, alles andere war nichtig dem gegenüber... "Es tut mir leid! Hörst du?! Ich habe kein Recht mich einzumischen, es geht mich nichts an, du musst tun was du für richtig hältst! Diese Ha... Frau vermag gewiss eine respektable Fassade zu zeigen, und dir nützlich zu sein - solange wie sie auf deiner Seite ist! Nur bitte, glaub mir doch bitte verdammt noch mal, was ich dir erzählt habe! Manius, diese Frau war dazu bereit uns beide zu vernichten, und sie hasst mich bis aufs Blut, sie wird versuchen dich gegen mich aufzuhetzen, und bei allen Göttern, ich habe eine Scheiß-Angst dass ihr das gelingt!!"
    Gehetzt brachen die Worte aus mir hervor, die Angst, die abgeschabten Rest-Verbindungen die noch zwischen uns waren, auch noch gekappt zu sehen, die Angst ihn vollends zu verlieren, ließ mich keinen Gedanken mehr daran verschwenden vor ihm mein Gesicht zu wahren, ich umklammerte seinen Arm, griff nach seiner Schulter, umfasste sie fahrig in dem furchtsamen Bestreben ihn zu halten.
    "Gerade wo wir... wieder einigermassen normal... miteinander reden können. Konnten bis gerade jetzt, verdammt, es ist so entsetzlich fragil! - Und ja, ja ich bin mit Borkan zusammen, aber du täuschst dich, er ist es der mich gefunden hat als ich.. verloren war, aber so was von verloren, und ohne ihn stünde ich jetzt nicht hier, aber auch ich habe eine Familie und Pflichten und komme nicht länger um eine Ehe herum. Es ist nicht das, nicht dass du heiraten willst, wer bin ich denn dass ich ein Recht hätte da irgendwie...... Nein, es ist doch nur dass du ausgerechnet... sie......"

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Neuerlich veränderte die Atmosphäre im Raume sich und noch ehedem Gracchus begriff, was geschah, durchzuckte ihn - wie zu Beginn dieses Treffens bereits - ein Gefühl von Heiß und Kalt, von wohligem Schauer, von Hoch und Tief zugleich als Serapio ihn am Arm fasste, schlussendlich an der Schulter - näher, immer näher ihm kam. Während dessen Worten hielt er den Atem an, um durch keine unachtsame Regung diese Berührung zu lösen, gleichsam nicht einordnen könnend, was eigentlich genau zwischen ihnen geschah. Bevor er dies genauer konnte durchdenken, senkte er mit einem tiefen Seufzen den Blick. Borkan - was war das denn für ein Name? Zweifelsohne keiner, der in einer anständigen römischen Familie wurde vergeben, somit war jemand offenbar ein Provinzler, aus Dacia allfällig oder gar Germania. Borkan! Dies klang in Gracchus' Ohren nach dem Namen für einen rauen Wind, für eine wilde, nordische Chimäre oder eine ausgedörrte, östliche Sandwüste. Doch obgleich Jemand Borkan sich mehr als alles in Gracchus' Geist drängte, so war er nicht, was einer Reaktion bedurfte. Der Flavier blickte auf und noch immer lag diese wunderbar warme, starke, herrliche, kräftige, wundervolle Hand auf seiner Schulter.
    "Ich glaube dir, Faustus"
    , sagte Gracchus sanft. Er wollte Serapio nicht zürnen, er wollte nicht mit ihm brechen, wollte nicht einmal ihn enervieren. Er wollte ihn. Mehr als alles. Noch immer.
    "Und sie soll keinen Keil zwischen uns treiben. Weder kann, noch will ich re'htfertigen was sie getan hat, auch wenn wir in dieser Zeit zweifelsohne alle Dinge getan haben, auf welche wir nicht stolz sind. Aber das ... ist ohne Belang. Meine Familie braucht eine Si'herheit gegenüber Aurelius Lupus und ich brauche eine Sicherheit gegenüber Aurelia Prisca. Mit einem meiner Söhne oder Neffen kann ich sie nicht verheiraten, da sie in der Ehe mit Piso gezeigt hat, dass sie keine Kinder gebären kann, und nicht zuletzt brauche ich eine Gemahlin, um für meine Familie weiter voranzukommen. Ich … ich brau'he diese Ehe, und sofern Aurelia Prisca nicht zuvor in einen öffentlichen Skandal involviert ist, kann ohnehin nichts mehr diese Hochzeit verhindern."
    Es sei denn Gracchus selbst wäre in einen Skandal verwickelt und die Aurelier würden sich distanzieren, doch dies würde er zweifelsohne nicht provozieren wollen. Allein die Tatsache, dass die Aurelia wusste, was sie von ihm zu erwarten hatte, würde ihn über so einiges hinwegsehen lassen.
    "Doch was auch geschieht, Faustus, ich werde nicht zulassen, dass sie dir in irgendeiner Weise Schaden zufügt, das … das verspreche ich dir."
    Zeigte Serapios' Empörung, wie auch seine Furcht vor einem Keil der Aurelia zwischen ihnen nicht, dass ihm noch etwas an Gracchus lag? Was war dieses fragile Etwas zwischen ihnen? Freundschaft - dämpfte Gracchus' Ratio den Funken aus Hoffnung, welcher in seinem Herzen wollte aufglimmen -, eine Freundschaft wie sie nach dem Erkalten der Liebe blieb, mit gegenseitigem Respekt für die neue Liebe des anderen, mit Scherzen über alte Zeiten, bisweilen verträumten Gedanken an die Vergangenheit, welche nach dem Erwachen nurmehr ein müdes Lächeln hervorriefen. Borkan. Es fiel Gracchus schwer, dies zu akzeptieren - selbst nach allem, was geschehen war -, doch noch weniger Recht als Faustus hatte, sich in seine profane Ehe einzumischen, hatte Gracchus ein Recht darauf, sich in Faustus' Liebesleben einzumischen. Dass sie überhaupt wieder miteinander sprachen, war zweifelsohne bereits mehr als er hatte erwarten dürfen. Ohne dich stünde ich jetzt nicht hier, wollte er ihm sagen, doch letztendlich, geleitet von einem müden Lächeln, wurde dies nur ein:
    "Ich ... muss jetzt dennoch gehen."
    Mühsam hielt er sich davon ab, ihm eine Hand auf den Arm zu legen, denn dies wäre nicht nur von der Intention der Freundschaft getragen. Er hatte kein Recht.
    "Sobald du … einen Zeugen brauchst vor dem Praetor, lasse es mich wissen."
    Wenn auch nichts sie vorher würde zusammen bringen, zumindest diese Gelegenheit blieb als Ausblick am Horizont.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Eine zentnerschwere Last, nein, ein ganzes Atlasgebirge von Furcht glitt von meinen Schultern, als er nicht wegging. Kleinlaut nach meinem Ausbruch, doch unendlich erleichtert stand ich vor ihm, und obgleich es ja nun keinen Anlass mehr gab, ihn festzuhalten, ließ ich meine Hände nicht sinken. Er sprach mit mir, so sanft wie mit einem kranken Pferd, und es klang alles so rundherum durchdacht und vernünftig, fugenlos und schlüssig, dass ich ihm nicht mehr widersprach, es nicht mehr wagte ihm zu widersprechen - obgleich es mir noch immer den Magen umdrehte bei der Vorstellung wie er sich an diese elende Harpie band.
    "Hmhm. Entschuldige. Ich weiß nicht was in mich gefahren ist."
    Zumindest war sie unfruchtbar. Sie würde ihn nicht um den Finger wickeln können, indem sie ihm ein Balg gebar oder unterschob. So dachte ich mit einem Aufflackern von Häme.
    Ein öffentlicher Skandal?
    "Bring mich nicht auf Ideen..." murmelte ich leise. Aber das war natürlich Unsinn.
    Sein Versprechen beruhigte, rührte und berührte mich. Und... das was darin mitschwang. Ich lächelte ein wenig, zögerlich. Er war so nahe. Es wäre nur so ein ganz kleiner Schritt, es wäre so leicht... mich einfach in seine Arme zu werfen und meinen Kopf an seine Schulter zu legen, und seine sanften Worte um uns herum in die Leeres des Raumes schweben zu lassen wie... kleine Glühwürmchen.
    Er sah müde aus. Sein Lächeln, das schöne schräge, immer so etwas hintersinnig erscheinende, vermochte es kaum seinen Mundwinkeln zu heben.
    "Hmhm." murmelte ich wieder. . "Danke." Natürlich musste er gehen. Natürlich war dies alles hier Unsinn, und je länger wir hier so standen um so unsinniger wurde es, unsinnig war besonders dass ich noch immer seinen Arm und Schulter berührte, und ich musste nun wirklich mal entschlossen an Borkan denken, und wie glücklich ich mit Borkan war, wie viel wir uns gegenseitig bedeuteten, was ich ihm alles verdankte und wie unglaublich heiß er war, und dass ich mit ihm, Borkan, mein Leben zu teilen entschlossen war, und ich sah Manius vor mir und wünschte ich könnte alle Müdigkeit, alle Schwere mit den Fingerspitzen sachte von seinem Antlitz streichen, bis dass es wieder erstrahlte... so wie vorhin ganz kurz.
    "Ach Manius."
    Widerstrebend ließ ich die Hand von seinem Arm gleiten, strich ihm mit der anderen noch verstohlen die Schulter hinab, unter meine Handfläche den feingewebten Stoff seiner Tunika, und darunter ihn und die Wärme seines Körpers spürend. Dann erst löste ich die Berührung.

  • Einen wundervollen Augenblick lang schien es als könnten sie die Vergangenheit heraufbeschwören, als müsse er nur Serapio in den Arm schließen, einen Kuss auf seine Lippen setzten um alles hinfortzuwischen, was zwischen ihnen lag. Doch dieser Augenblick war nur ein Traum, ein Sehnen seines Herzens, denn nichts weniger als Indignation würde er zu Tage fördern, eine Ohrfeige allfällig, und womöglich den Bruch dieser fragilen Freundschaft dazu. Während Gracchus heimlich noch die Berührung des einstigen Geliebten genoss, fasste er den Entschluss, dass dies ein Ende musste finden - dass auch er das Ende musste finden, welches Serapio längst hinter sich hatte gelassen.
    "Vale bene, ..."
    , carbunculus meus,
    "Faustus."
    Gracchus eilte sich, den Raum, das Etablissement zu verlassen. Es war weit mehr als der Abschied von einem freundschaftlichen Treffen, und es fühlte sich an wie das Ende der Welt.

  • "Vale bene, Manius..."
    Fort war er, fortgeeilt. Und der Raum mit einem Mal ungeheuer leer. Ich sackte auf die Kline und fuhr mir mit der Hand über die Augen. Nicht ein einziges Mal hatte er Anstalten gemacht, die Distanz zu überbrücken. Nicht mal... eine sparsame Umarmung, oder eine winzigkleine Berührung oder... -
    Natürlich sagte ich mir, dass das natürlich gut und richtig und vernünftig so war. Vobei war nun mal vorbei. Klare Verhältnisse und so. Wir hatten dieses Treffen (einigermassen) mit Anstand hinter uns gebracht. Gut so. Gab es etwas dümmeres, als den Wunsch, weiter in diesen alten Verstrickungen zu verharren? Gab es etwas absurderes, als den Wunsch, er möge... um mich... kämpfen...?
    Nein, gab es nicht, trotzdem lag dieser Wunsch wie eine Schlange um mein Herz geknäuelt, drückte es und quetschte es und nagte mit spitzen Zähnen daran.
    "Jolín! Zum Hades mit dem ganzen alten Mist..." fluchte ich kraftlos. Doch mein Blick ging zu dem Becher, aus dem er seinen Wein getrunken hatte... Verstohlen ergriff ich ihn, und führte ihn zum Munde... Eine schwache Spur von Feuchtigkeit zeigte die Stelle, die seine Lippen berührt hatten, und dahin setzte ich nun die meinen. Ich schloß die Augen. Der Ton war glatt und kühl. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich den Becher neigte, und den letzten Schluck, den Manius darin zurückgelassen hatte, trank.


    Ein Geräusch von der Türe her kündigte meine Leibwächter an. Ich schreckte auf, stellte den Becher hastig, wie ein ertappter Übeltäter, auf den Tisch zurück.
    Wir machten uns auf dem Heimweg. Ich entschied mich dann übrigens dazu, Borkan nichts von diesem Treffen zu erzählen. Nicht etwa, weil ich etwas zu verbergen gehabt hätte. Nein nein. Ich wollte ihn bloß nicht unnötigerweise ganz unsinnig beunruhigen...

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

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