Ante navem | O Roma, valeas, vale et Ostia!

  • Noch immer war der Himmel betrübt, als Manius Minor dem Reisewagen entstieg und seinen Fuß auf den Pier von Portus setzte, an welchem bereits jenes Gefährt parat stand, welches ihn über die Wogen hinweg gen Orient tragen sollte: Ein bauchiges Handelsschiff, aus dessen Bug sich ein schmaler Schwanenhals als Galionsfigur erhob. Obschon soeben gefangen in düsterem Spintisieren und Betrauern seiner Schwester, welche nun würde genötigt sein unter dem Dache einer fremden Matrone zu hausen, belustigte den Jüngling jene groteske Antithese von monströsem Rumpf und filigraner Aufbaute, sodass gar ein sublimes Lächeln ihm entfleuchte, als er ihrer nun erstmalig ansichtig wurde, um indessen sogleich näher zu treten und das Schiff im Nebel der Fehlsicht verschwimmen zu lassen.
    "Es sieht komfortabler aus, als ich dachte!"
    , konstatierte Patrokolos voller Admiration, als auch er aus dem Wagen trat.
    "Dennoch fürchte ich die Seekrankheit ein wenig."
    Der junge Flavius wandte sich um zu seinem Diener und blickte fragend in das Gesicht des vertrauten Schemen. Sein Vater hatte ihn in den Abschiedsworten davor gewarnt und auch ihm selbst war jenes Leiden wohlbekannt, zumal es ihn bisweilen gar im Reisewagen befiel, weshalb er im Allgemeinen wenig Freude am Reisen verspürte, doch entbehrte er dennoch jedweder Neigung, den späten Nachmittag mit bedeutungslosem Geschwätz zuzubringen, sodass er die Gesprächsofferte lediglich mit einem Schulterzucken kommentierte.

  • Delektablerweise ersparte man ihm jedoch ohnehin weiteres Warten, denn schon schritt eine große, braungebrannte Gestalt auf den Wagen, welchen bereits emsig einige Sklaven entluden, zu und neigte das Haupt, als er den jungen Herrn erreicht hatte.
    "Antigonos, Kapitän der Dido! Du bist Flavius, oder?"
    , präsentierte er sich und hob den Digitus Salutaris, woraufhin der Jüngling eine gravitätische Miene präsentierte und konfirmierte und zugleich korrigierte:
    "In der Tat, mein Name ist Manius Flavius Gracchus Minor. Und dies ist mein Diener Patrokolos."
    Mit einem beiläufigem Fingerzeig deutete er auf den Sklaven und sogleich auf die Kisten, welche sich neben dem Reisewagen nun auftürmten.
    "Das Gepäck ist von meinen Dienern zu verladen?"
    Eher das vernehmliche Schnauben denn die dem jungen Flavius invisible Mimik offenbarte diesem, dass der Anblick sein Gegenüber amüsierte oder gar Verachtung hervorrief, was endlich verbalen Ausdruck fand:
    "Ganz schön viel Gepäck - wär's nicht billiger, sich die Sachen in Alexandria neu zu kaufen?"
    Selbstredend hatte das Packen der Habseligkeiten des Jünglings in der Tat einen gewissen Disput angestoßen, was nun den langen und überaus kostspieligen Transport in die Ferne Aegyptus' hatte verdient und was nicht, doch hatte Manius Minor in juvenilem Trotz darauf bestanden, seine sämtliche Garderobe, ebenso wie diverse Exemplare der flavischen Bibliothek und eine Handvoll Spiele und persönlicher Objekte mit sich zu nehmen, um zumindest ein wenig jener Heimatlichkeit in der Fremde zu konservieren, welche er so widerwillig zurückließ. Insofern erschien der Spott des Kapitäns ihm als überaus prätentiös, weshalb er spitz replizierte:
    "Ich denke, die Wahl, was ich mit mir nehme und was nicht, kann getrost mir überlassen bleiben. Sollen nun meine Diener die Kisten an Bord bringen?"
    Augenscheinlich hatte Antigonos nunmehr akzeptiert, dass sein Passagier wenig Interesse an Ratschlägen oder Konversation besaß, weshalb er nachdenklich sich durch das rabenschwarze Haar fuhr, um sodann zu konzedieren:
    "Nee, meine Jungs machen das. Muss noch sehen, wo ich den ganzen Krempel unterbringe..."
    Doch ehe der junge Flavius imstande war, gegen die despektierliche Titulatur seiner unschätzbaren Pretiosen, deren Wert zweifelsohne das Jahresgehalt jenes gemeinen Transporteurs um ein Vielfaches übertraf, zu protestieren, war der Kapitän schon hinfortgeeilt, womit jenem nichts verblieb, als gedankenverloren auf jenes Ungetüm der Meere zuzuschlendern, bis ein Matrose endlich seiner ansichtig wurde und ihm den Weg zu seiner Kajüte wies.

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