[Cubiculum] Wer reitet so spät durch Nacht und Wind...

  • Neman hatte das kleine Cubiculum neben der Taberna Medica für die kranke Esquilina hergerichtet. Das Zimmer wurde durch einen Vorraum betreten. Alpina führte den Iulischen Praefecus mit dem fiebernden Kind auf dem Arm in den Raum und ließ ihn das Mädchen auf dem bereiteten Lager ablegen. Dann gab sie Neman Anweisungen einen Trank aus Kamillenblüten zu kochen und auf Körpertemperatur abkühlen zu lassen. Außerdem sollte die Sklavin eine Schüssel mit Salzwasser und leinene sowie wollene Tücher für Wadenwickel herrichten.


    Esquilina hitziges Schwitzen war einer starken Blässe und einem heftigen Schüttelfrost gewichen. Mit sorgenvoller Miene fühlte die Hebamme den Puls. Als Neman mit dem Salzwasser erschien tauchte Alpina die Leinentücher ein und drückte sie wieder aus. Dann schlug sie die Decke zurück, umwickelte die Waden des Mädchens mit den Tüchern und schlug die Wolltücher darum. Anschließend deckte sie die Kleine gut zu. Die Raeterin tauchte einen Schwamm in die Schüssel, drückte den Schwamm aus und tupfte sanft über die Stirn des zarten Mädchens. Die Pupillen unter den geschlossenen Lidern zuckten hin und her, die kleinen Zähne schlugen in einem hektischen Rhythmus hart aufeinander.


    Alpina sah zu Marcus Iulius Licinus auf, der unschlüssig neben dem Bett stand und auf Esquilina starrte. "Du könntest mir helfen. Ich möchte einen Einlauf vorbereiten. Wenn du bitte die Stirn immer wieder feucht abtupfst und die Wadenwickel erneuerst, wenn sie warm geworden sind. Das dürfte nicht mehr lang dauern, so heiß wie sie ist. Wie man es macht hast du ja gesehen. Ich bin gleich wieder da."


    Eigentlich war die Bitte der Raeterin eher ein Befehl. Sie erwartete auch keine Widerrede sondern stand auf. Alpina hielt dem Soldaten den Schwamm hin.

  • Licinus beobachtete jeden Handgriff, den die kleine Frau mit solch einer selbstverständlichen Sicherheit tat, während er selbst daneben stand und weder wusste was er sagen, noch tun sollte. Mehrfach hob er die Hände als wolle er ihr zur Hand gehen, hielt unvermittelt inne und ließ die Arme wieder sinken. Was hätte er auch tun sollen. Dennoch die Untätigkeit, die aus der Unfähigkeit rührte seinem herzallerliebsten Mädchen zu helfen, sie brachte ihn an den Rand der Verzweiflung und das Klapperin Esquilinas Zähne war es, dass ihn darüber hinaus brachte. Er krallte seine Hände in die tunica und wäre es kein fester Militärstoff gewesen hätte er sie sicherlich zerrissen.


    Nach einer gefühlten Ewigkeit, die kein Laut gefallen und nur dieses ihn fertig machende Geräusch an Licinus Ohr gedrungen war, waren Alpinas Worte geradezu eine Erlösung für den alten Soldaten. Endlich gab es etwas praktisches zu tun. Behutsam nahm er den Schwamm aus der Hand der Hebamme. "Ita'st!" kam es aus seinem Mund, so wie ein Soldat den Befehl eines höheren Ranges bestätigte, ohne dass ihm die indirekte Bedeutung bewusst war.
    Langsam und vorsichtig, stets fürchtend etwas verkehrt zu machen, befeuchtete er den Schwamm erneut und tupfte Esquilina über die Stirn. [SIZE=7]"Alles wird gut,"[/SIZE] murmelte er unhörbar und keiner, auch nicht er selbst, hätte sagen können, ob es das Mädchen war, mit dem er sprach, oder ob er sich selbst Mut machen wollte.


    Einige Minuten vergingen so und Licinus sprach nur dann und wann ein leises Wort, bis er merkte, dass die Wadenwickel ganz offensichtlich warm waren. Er machte sich daran sie zu wechseln. Aus Furcht sie mit seiner Kraft zu sehr auszudrücken ließ er die Leinentücher denn auch prompt nasser als sie hätten sein sollen und wären die Wolltücher darunter nicht gewesen, wäre wohl das ganze Bett nass geworden. So drückte sich nur ein dünner, aber merklicher feuchter Fleck auf die Matratze.

  • Als Alpina zurückkam sah sie Licinus bei der kleinen Esquilina am Bett sitzen und mit dem Schwamm die Stirn abtupfen. Er murmelte etwas vor sich hin. Der Anblick war rührend und Alpina, die ja selbst noch nicht so lang Mutter war bekam feuchte Augen.
    Sie trat an das Bett heran, hob die Decke hoch und befühlte die Waden. Die Wickel, die der Praefectus in seiner Unerfahrenheit etwas zu nass gelassen hatte, waren erneut warm geworden. Alpina machte sich daran sie zu erneuern. Als sie damit fertig war trat sie näher an Esquilinas Kopf. Die Zähne der Kleinen schlugen noch immer hart aufeinander. Sie hatte Schüttelfrost.


    Wärend Alpina den Puls fühlte klopfte es. Neman brauchte einen Topf und stellte ihn auf einem Untersetzer ab. Die Hebamme nickte der Sklavin zu und dankte ihr leise.
    "Für das Klystier ist es zu früh. Der Kräutersud dafür muss zunächst auf Körpertemperatur abkühlen, aber ich habe einen Brustwickel vorbereiten lassen."


    Sie stand auf und lüftete den Deckel des Topfes. Über dem siedendheißen Wasser hing ein Stoffsack. Der Duft, der sich im Raum ausbreitete machte klar was er enthielt.
    "Zwiebeln und Thymian", erklärte die Kräuterfrau und legte den dampfenden Sack nach kurzer Verträglichkeitsprobe auf die Brust des Mädchens. Dann wickelte sie den Körper der Kleinen erneut in eine Wolldecke, doch ließ sie den oberen Teil des Brustkorbs frei, damit sich die Dämfe ungehindert in die sich rhythmisch weitenden Nasenlöcher Esquilinas ausbreiten konnten.


    Der Morgen graute bereits und Aurora streckte ihre Rosenfinger nach der blassen Esquilina aus. Alpina sah den Praefectus lange an.
    "Du wirst jetzt bald ins Lager zurückkehren müssen. Im Augenblick kannst du nichts weiter für Esquilina tun. Ich werde mich um die Kleine kümmern. Wenn du aber möchtest, dann kannst du dir die kommende Nacht mit mir teilen. Denn ich erwarte nicht, dass sie diesen Kampf so schnell gewinnen wird... wenn überhaupt."
    Die Raeterin verstummte und strich der Kleinen über die blassen Wangen. Ihr Blick wanderte wieder zu dem Mann, der sich so sehr um das kleine Mädchen sorgte.

  • Alle Erläuterungen waren Licinus willkommen, so wenig er auch über die Hitnergründe Bescheid wusste, sie halfen ihm zumindest sich an etwas aufzurichten. Er kam sich nicht mehr ganz so hilflos vor, wie noch vor wenigen Stunden als er völlig aufgelöst hier vor der Tür gestanden hatte. Schweigend beobachtete er die Bewegungen und atmete die aromatischen Dämpfe selbst ein, wagte jedoch nicht zu fragen, was genau sie bewirkten. Immer wieder versuchte er sich nützlich zu machen, reichte hier ein Tuch und hier einen Löffel und kam sich dabei un beholfen vor wie ein Rekrut an seinem ersten Tag der Grundausbildung. Nur, dass es hier viel leiser ablief als auf dem campus.


    "Ja?" Licinus blickte noch eine Weile die kranke Esquilina an, dann gelang es ihm seinen Blick loszureißen und die Hebamme anzusehen. War es schon so spät, bzw. früh, dass er ins Lager zurück kehren musste? Die Wecktrompete, die im Morgengrauen die Soldaten aus dem Schlaf riss und auch hier noch schwach zu hören war beantwortete es ihm. "Ja, das werde ich wohl müssen."


    "Ich werde so schnell wie möglich zurückkommen, sobald es meine Dienste zulassen." Er kniete sich erneut zu seinem Mündel hinunter und legte ihr die schwere Hand an die Wange, [SIZE=7]"Ich bin gleich wieder da, meine kleine Victoria. Die Siegesgöttin kann doch gar nicht verlieren!"[/SIZE] [SIZE=4]"Das kann sie nicht!"[/SIZE] setzte er hintendran ohne jeden Ton in seiner Stimme und während er eine Träne wegblinzelte. Er fing sich wieder einigermaßen und stand auf.


    Erst jetzt wurde ihm bewusst welch schonungslose Wahrheit die Raeterin ausgesprochen hatte. Die Wahrheit, Licinus wusste nicht, ob er sie hatte wissen wollen, er wusste auch nicht, ob es ihm gefiel sie zu wissen, aber irgendwie war er froh nicht belogen worden zu sein.
    "Ich ... danke dir, Susina Alpina. Danke!" kam es recht stockend und drehte sich dann um und verließ das Zimmer zurück in Richtung castra.

  • Es war bewegend zu sehen wir der Iulier, immerhin ein Mann mit viel Lebenserfahrung und der notwendigen soldatischen Härte, weich wurde angesichts des kranken Kindes. Als er das Cubiculum in Richtung der Castra verließ, blieb Alpina noch eine Weile bei Esquilina sitzen. Der Einlauf und die Wickel zeigten Wirkung. Die Kleine schlief nun ruhiger, sie glühte nicht mehr gar so, auch wenn sich die Haut noch immer heiß anfühlte. In diesem Zustand würde sie Esquilina für eine Weile anderen überlassen können


    Alpina instruierte sie Neman und Runa, was sie tun konnten, während sie selbst sich für ein paar Stunden hinlegen würde. Sie verbot Runa den direkten Kontakt mit Esquilina, da sie Angst hatte, die Freundin könne sich im fortgeschrittenen Zustand ihrer Schwangerschaft anstecken. Allerdings nahm sie Runas Angebot dankend an, sich an der Zubereitung von Tränken oder einem Sud für die Umschläge zu beteiligen. Auch konnte sie die Kinderfrau entlasten indem sie sich um Ursicina kümmerte, während Neman die kleine Esquilina versorgte. Natürlich bat Alpina darum jederzeit geweckt zu werden, wenn Esquilinas Zustand sich verschlimmerte oder sie nach ihr verlangte.



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    Nach ein paar Stunden der Erholung betrat die Kräuterfrau erneut das Cubiculum. Es duftete nach Thymian. Neman hatte gerade einen Trank zubereitet und wartete, den Becher in der Hand darauf, dass die heiße Flüssigekeit abkühlte.
    Alpina trat hinzu.
    "Wie geht es unserer Patientin?", wollte sie wissen.
    "Sie hat eine Weile lang tief geschlafen, aber jetzt steigt das Fieber wieder und vorhin hat sie angefangen zu husten. Trocken und hart. Deshalb habe ich den Thymiantrank gekocht."
    Neman sah das blasse Kind traurig an.


    Die Hebamme nickte. Sie nahm die Hand des Kindes und sah die lividen Lippen und die bläulichen Fingernägel. In diesem Moment begann Esquilina wieder zu husten. Es war ein kraftloser Husten und obwohl sie viel hustete löste sich kein Schleim. Mit müden, rotgeäderten Augen blickte das Kind die zwei Frauen an, die an seinem Bett saßen. Zum Sprechen schien sie keine Kraft zu haben.
    "Hast du Honig hineingegeben?", fragte sie. Neman schüttelte den Kopf.
    Gemeinsam warteten sie ab, bis die Flüssigkeit auf Trinktemperatur abgekühlt war. Neman holte Honig und gab einen Löffel voll in den Sud. Dann polsterte Alpina Esquilinas Rücken mit Kissen aus, so dass sie halbwegs aufrecht sitzen konnte. Mit dem Löffel flößte sie ihr den Thymiantrank ein.


    Im Verlauf des Nachmittags wurde der Husten schlimmer. Alpina hielt der Kleinen ein Tuch hin und bat sie den Auswurf in das Tuch zu spucken. Sie wollte die Färbung sehen. Der Auswurf war gelblich-grün, noch keine Anzeichen von Blut. Es bestand also die Hoffnung, dass es sich nur um eine schwere Bronchitis handelte. Gegen Abend stieg das Fieber wieder an und Alpina bereitete erneut salzhaltiges Wasser für die Wadenwickel vor. Esquilina lag in einem unruhigen Fieberschlaf als Iulius Licinus kam. Ihre Lippen waren aufgesprungen, sie brabbelte unverständliche Laute. Alpina sah zu dem Praefectus castrorum auf. "Salve Iulius Lininus."
    Neman schob ihm einen Stuhl hin.

  • Licinus hatte sich den Tag über aus seiner Sicht recht erfolgreich mit Arbeit betäubt, ob seine Untergebenen da gleicher Meinung waren wusste er nicht, aber es interessierte ihn auch nicht.


    Am Abend, als alle drängenden Pflichten abgearbeitet waren, kehrte er mit einem knappen Kommentar, wo er zu finden sei, seinem Büro den Rücken. Er eilte, um nicht zu sagen stürmte, grußlos an einigen Offizieren und vielen Soldaten vorbei zurück zu dem Haus der Helvetier.


    Jemand führte ihn in die Kammer und er hörte schon aus der Tür heraus das unzusammenhängende Gebrabbel der Kleinen. Sein Herz wurde ein wenig leichter. Sie sprach immerhin, dass war besser als die Apathie von der vorigen Nacht. Das musste sie doch sein.


    "Salve et tu, Susina Alpina. Wie geht es ihr?" fragte er leise, als wolle er das Kind nicht wecken, was natürlich widersinnig war, denn genau das hatte ihn zuvor noch leicht positiv gestimmt.

  • Die Hoffnung auf eine Besserung des Zustandes der kleinen Esquilina war Iulius Licinus deutlich anzuhören als er sich neben sie setzte.
    "Sie hat Phasen in denen sie wacher ist und dann wieder heftige Fieberschübe. Insgesamt ist das Fieber etwas gesunken. Dafür aber zeigen sich jetzt die Symptome der Lungenentzündung. Schleimrasseln in der Brust und Husten."


    Alpina zeigte Licinus wie er sein Ohr auf den Brustkorb der Kleinen legen musste, damit er die Rasselgeräusche wahrnehmen konnte.
    "Gut so. Hörst du wie es brodelt in ihrer Brust? Ich versuche durch Brustwickel und leichte Klopfmassage den Schleim zu lösen, damit sie abhusten kann."


    Wie aufs Kommando begann Esquilina zu husten. Kehlig und röchelnd. Alpina griff ihr unter den Oberkörper und zog sie ein wenig hoch, damit sie sich leichter tat beim Husten. Esquilina spuckte rostbraunes Sputum in das bereitgelegte Tuch und fing zu weinen an. Dann schien sie Licinus wahrzunehmen. Sie streckte die Hand nach ihm aus.


    Alpina besah sich das Tuch. Die Krankheit war ins nächste Stadium übergegangen. Die Kleine spuckte Blut mit aus.

  • Während der erste Satz noch Hoffnung barg, machte der zweite sie wieder zu nichte. Bedrückt sah er Susina Alpina an und, nun mehr tat er nicht, bevor sie seinen Kopf an Esquilinas Brustkorb führte.


    Was sollte er nur hören? Und wie sollte es klingen, wenn sie gesund war. Licinus wusste nicht was er hören sollte und blickte konzentriert wie verwirrt, lauschte dem was er hörte und versuchte sich zu ordnen. Da war natürlich der Herzschlag. ein leises Doppelklopfen und die Atemgeräusche die irgendwie da waren und auch irgendwie nicht gut klangen, aber ein Brodeln konnte er nicht wahrnehmen. Allenfalls fand er, dass es sich anhörte wie ein Sistrums. Ohne sicher zu sein, was sie meinte hob er den Kopf wieder an. Leicht verwirrt sah er die Hebamme an, die so selbstbewusst erklärte, was zu tun war.


    Prompt fing das Husten an und was dort auf dem Tuch landete versetzte ihm einen Schock. Er war Soldat, Blut erkannte er überall. Für einen Moment schien ihm das Entsetzen wieder ins Gesicht geschrieben, bevor Esquilina sich regte. Licinus Zwang das schlechte Gefühl ganz instinktiv nieder so gut er konnte. Mechanisch faltete er seine Hände und hielt ihre dazwischen. "Ich bin da, mein Schatz," er wartete, aber es kam keine klare Antwort. Hilfe suchend blickte er zu Susina Alpina. Einen Soldaten hätte er jetzt angeschriehen, er solle nciht wieder einschlafen, aber das konnte er mit dem Kind doch nicht tun. Was aber sollte er tun?

  • Es war herzzerreißend wie der hartgesottene Soldat in Sorge um das kleine Mädchen beinahe verging. Die Raeterin begann ihm zu erklären was zu erwarten war.
    "Du hast das Brodeln im Brustkorb gehört. Dort sammelt sich das Sekret also die Medici wie Hippokrates und Celsus würden sagen, dass sich dort Phlegma ansammelt. In ihrem Fall ist es so viel Phlegma, dass es die Luftwege verstopft, sie bekommt obwohl sie atmet nicht mehr genug Luft. Alpina zeigte auf die zyanotischen Lippen und die bläulichen Fingernägel. Dazu mischt sich nun Blut unter das Phlegma. Wir müssen versuchen, das Phlegma zu eliminieren. Die Medici im Valetudinarium haben es durch Aderlässe versucht. Aber das schwächte Esquilina zusätzlich. Ich möchte es über Tränke, Umschläge und Vibrationsmassagen versuchen."


    Alpina lächelte die kleine Esquilina sanft an. Der Blick des Mädchens war im Augenblick nicht so vom Fieber verschleiert sondern klarer. Sie sah den Mann an ihrer Seite und die Hebamme abwechselnd mit müden Augen an.
    "Wenn du wieder ein wenig Zeit hast, Iulius Licinius, dann würde ich dich bitten mich darin zu unterstützen, dass Esquilina besser abhusten kann."


    Sie demonstrierte die Vibrationen mit beiden Händen auf dem mageren Brustkorb der Kleinen, der sich von der Antstrengung Luft zu bekommen hektisch hob und senkte. Die Vibrationen erzeugten schnell ein rasselndes Atemberäusch und dann postwendend einen Hustenschwall. Ganz selbstverständlich half Licinus Esquilina sich aufzusetzen und stützte ihren Rücken während das Mädchen das hervorproduzierte Sekret auspuckte. Alpina lobte die Kleine, die vor Schmerzen jammerte. Nicht nur das Husten tat weh, sicher hatte das Mädchen auch Gliederschmerzen.
    Während Esquilina saß klopfte Alpina sanft den Rücken des Mädchens ab. Nach einer Weile folgte eine erneute Hustensalve und wieder eine Menge rostrotes Sputum. Dann sank Esquilina erschöpft in die Kissen zurück.


    Die Hebamme legte die Hände an die Flanken der Kleinen und forderte sie auf tief in ihre Hände zu atmen. Erklärend sah sie den Praefectus castrorum an..
    "Durch das Phlegma, das die Atemwege verstopft sind bestimmte Regionen der Lunge unbelüftet. Das verschlimmert die Situation. In diesen Regionen sammelt sich noch mehr Phlegma an. Wenn du mich unterstützen möchtest, dann vibriere und klopfe ihren Brustkorb in den Phasen in denen Esquilina wach ist. Danach fordere sie auf tief in die entfernten Regionen der Lunge zu atmen. Wenn sie allerdings schläft, müssen wir froh sein, denn er ist wichtig für den Heilungsprozess. Möchtest du den ersten oder den zweiten Teil der Nacht übernehmen?"

  • "Die ganze Nacht, wenn es sein muss", antwortete Licinus mit bitterem Ernst und meinte doch so viel wie: Du glaubst doch nicht, dass mich die Götter selbst hier wegbekommen würden. Unvernunft, rief eine Stimme in seinem Kopf. Reine Torheit. Dein Kopf ist selbst noch nciht wieder ganz in Ordnung.


    "Das ist Susina Alpina," erklärte Licinus etwas hilflos, als seine Tochter ihn und die Hebamme wechselnd ansah. "Sie macht dich wieder gesund. Du bist in ihrer taberna. Sie ist eine Freundin von Runa, bei der du Lernen gehen solltest. Ihr Mann ist centurio." Er sprach einfach um sie abzulenken, während die junge Frau sie massierte, und hörte erst mit dem nächsten Haustenschwall auf.


    Aufmerksam lauschte er den Erklärungen, konnte aber kaum folgen. Die Vier-Säfte-Lehre war ihm zwar bekannt, wie wohl jedem Menschen, aber viel mehr als "unausgeglichene Säfte = Krank" wusste er nicht, von Behandlungsmethoden ganz zu schweigen.
    "Die erste oder die zweite, ganz wie du befiehlst." Die erste, schrie die Stimme, du brauchst den Schlaf. Und wurde doch wieder ignoriert.
    Genau hatte er beobachtet, wo die Susina Alpina die Hände angelegt hatte und versuchte seine an genau diese Stellen zu legen. Nur waren seine Soldatenhände merklich größer. Als nach kurzem Zögern seine Hände auf dem Körper des Mädchens lagen -- die Fingerspitzen da, wo Alpinas gewesen waren -- kam sie ihm noch viel zerbrechlicher vor und als er anfing, seine Hände zu bewegen, tat er das viel zu langsam.

  • Die Hebamme ahnte nicht, dass der Praefectus castrorum selbst nicht vollkommen auf der Höhe war. Von seinem Reitunfall mit der schweren Gehirnerschütterung wusste sie nichts. Also nahm sie sein Hilfsangebot dankend an. Dass Licinus "wie du befiehlst" sagte, entlockte der Raeterin in kurzes Augenbrauenlupfen. Sie sollte einem Praefectus der Ala Befehle erteilen?
    "Dann übernimmst du am besten die erste Schicht. Das dürfte auch praktischer für deinen Dienstantritt im Castellum sein. Ich werde den Brustwickel noch einmal erneuern. Wann immer sie wach ist, gib ihr bitte von diesem Trank. Sie muss viel trinken und Thymian und Spitzwegerich gesüßt mit Honig helfen das Phlegma zu verflüssigen, damit sie besser abhusten kann."


    Sie hörte zu, wie er mit Esquilina sprach und die Sanftheit in seiner Stimme ließ sie aufmerken. Die Beziehung dieses Mannes zu dem kranken Mädchen schien inniger zu sein, als man es für ein Mündel erwartete. Es war nicht an Alpina die Beziehung der beiden zueinander zu hinterfragen, doch nahm sie an, dass Licinus und Esquilina ein tieferes Band verknüpfte.


    Alpina beobachtete noch ein wenig die Bemühungen des Soldaten, die Vibrationsmassage durchzuführen und nickte dann zufrieden.
    "Ich werde dich ablösen. Falls es zuvor zu Veränderungen kommt, die du nicht selbst einschätzen oder beherrschen kannst, wecke mich. Mein Cubiculum ist das letzte nach dem kleinen Atrium. Du kannst einfach eintreten. Hier stehen ein Becher und eine Karaffe mit gemischtem Wein für dich. Soll ich dir eine Decke bringen?"


    Die Hebamme wartete die Antwort ab und verabschiedete sich dann für den ersten Teil der Nacht.

  • Licinus stützt Esquilina auf, das Alpina den Brustwickel erneuerte, dann bettete er sie wieder sanft in ihre Kissen.


    "Abgemacht," antwortete er. Er fühlte sich etwas unwohl mit dem kranken Kind allein gelassen zu werden. Aber er fühlte sich nicht bereit dies zuzugeben. Er hatte sein Handwerkszeug bekommen und würde sein bestes geben.


    "Danke. Und nein, das ist nicht nötig." es war nicht die erste Nacht die er durchwachen würde und eine Decke verführte nur dazu doch zu schlafen hatte er gelernt. "Ich wünsche dir eine gute Nacht." verabschiedete er sich.


    Die Nacht verbrachte er die meiste Zeit auf einem Schemel neben dem Bett in Gedanken versunken und auf jedes kleine Geräusch und jede Bewegung von Esquilina achtend. Wann immer sie aufwachte, begann er beruhigend auf sie einzureden und führte ihr gemächlich den Becher an die Lippen und ließ sie von Alpinas Gebräu nippen. Außer einem Stöhnen gab Esquilina nur das Husten von sich, dass durch Licinus schütteln verstärkt immernoch ausgesprochen erbärmlich klang.
    Einmal, als er den Becher gerade wieder weggenommen hatte, meinte er zu sehen, dass sich ihr verschwitztes Gesicht zu einem winzigen Lächeln verzog, aber der Eindruck war schon einen Augenblick später wieder verschwunden. "Schlaf, mein Goldstück, schlaf dich gesund" flüsterte er ihr zu strich ihr mit der Hand über Stirn und Wangen.


    Als Alpina zum "Wachwechsel" erschien fand sie ihn neben dem Bett sitzen, die Hand Esquilinas ruhte in seiner und er strich hier mit dem Daumen über den Handrücken während er irh unverständliche Aufmuntereien zumurmelte. Als er die junge Hebamme in der Tür hörte, blickte er zu ihr herüber.
    "Sie schläft!" stellte er unnötiger Weise fest.

  • Als die Hebamme zum Wachwechsel die Kammer betrat bot sich ihr ein rührendes Bild. Iulius Licinus saß neben dem Bett der kleinen Esquilina und hielt ihre Hand. Sanft streichelte er diese.
    Sein "Sie schläft" quittierte Alpina mit einem Lächeln und einem Nicken.
    "Das ist gut so. Wollen wir hoffen, dass sie im Schlaf Kraft schöpft. So eine Lungenentzündung ist kräftezehrend. Ich habe bereits dafür gesorgt, dass Esquilina morgen einen Brei mit extra viel Honig zum Frühstück bekommt."


    Alpina wusste, dass Curio und Runa das Geld zusammenhielten. Beide verdienten nicht üppig und der Wahlkampf ihres Schwagers würde wieder Kosten verursachen. Und auch sie konnte keine großen Sprünge machen. Deshalb wagte sie einen Vorstoß in Richtung auf den Praefectus castrorum.
    "Falls die Horrea der Legion ein wenig Suppenfleisch oder ein Huhn übrig hätte, könntest du Esquilina damit einen Dienst erweisen. Nichts ist kräftigender als eine ordentliche Fleischbrühe. Wenn nicht, wird es der gute Puls auch tun, nehme ich an."


    Sie hielt dem Iulier die Hand hin um ihm aufzuhelfen. "Wenn du morgen wieder kommst, werde ich dir sagen können, ob es aufwärts geht. Je nachdem ob es nocheinmal eine Fieberkrise gibt oder ob Esquilina fieberfrei bleibt können wir eine Prognose wagen. Der morgige Tag und die Nacht auf Übermorgen werden uns Auskunft geben. Ich danke dir für deine Hilfe Iulius Licinus. Wenn Esquilina überlebt, dann weil deine Anwesenheit ihr Kraft gegeben hast. Da bin ich mir sicher."

  • Licinus dachte, dass sich Esquilina bestimmt darüber freuen würde. Honig und Kirschen waren seit jeher ihre Leibspeise gewesen.


    Die Andeutung die sich in der Frage versteckten, erkannte er nicht. Um Geld hatte er sich nie Sorgen müssen, seine genügsame Lebensweise war immer weit hinter seinem Einkommen zurückgestanden. Gerade jetzt mit dem Sold eines Präfekten. Licinus schüttelte leicht den Kopf. "Die legio schlachtet nicht selbst. Wir kaufen Fleisch ein und davon auch nicht unbedingt wenig", erklärte er, "aber das ist alles haltbargemacht, gepökelt, getrocknet und so weiter. Wenn du mir aber einen guten Metzger nennen kannst, lasse ich morgen etwas einkaufen und hierher bringen." Da würde er wohl mal einen Adjutanten für private Zwecke einspannen, was zu ihrer Zeit aber ja ein völlig legitimes Vorgehen war, nicht wie 2000 Jahre später.


    "Du verstehst es einem Mut zu machen, Susina Alpina. Nicht du bist es, die sich für die Hilfe bedanken muss, sondern ich. Ohne dich ..." er brachte es nicht über ide Lippen, aber sie würde auch so wissen, was er meinte. "Aber ich glaube, wenn du ein Kissen für mcih hättest? Ich würde gerne hier bleiben. Wenn du erlaubst natürlich. Es wäre nicht die erste Nacht, die ich gegen eine Wand gelehnt schlafe." kam er dem ersten Einwand gleich zuvor.

  • Auf Licinus Angebot bei einem Metzger einkaufen zu lassen nickte sie und bedankte sich.
    "Das ist ein großzügiges Angebot. Nicht weit von hier auf dem Weg zum Castellum liegt eine Metzgerei. Da könntest du vielleicht ein Huhn bekommen. Unsere Sklavin Gwen kann es zubereiten und auch du wirst in den Genuß der Brühe kommen. Immerhin ist es für dich auch schon die dritte Nacht in Folge, die du teilweise durchwachst."


    Alpina wusste ja nicht, dass der Praefectus Castrorum selbst durch einen schweren Unfall geschwächt war. Hätte sie es gewusst, hätte sie ihm niemals eine Nachtwache aufgezwungen. Sie lächelte auf seinen Dank hin, machte aber eine abwehrende Geste.
    "Esquilina ist stark. Sie kämpft tapfer. Mit deiner und meiner Unterstützung wird sie es schon schaffen. Die Götter mögen ihre schützenden Hände über sie halten."


    Schließlich bat Licinus über Nacht bleiben zu können. Alpina nickte.
    "Selbsverständlich kannst du hier bleiben. Ich werde Liam und Roderiq bitten, dir eine Cline zu holen. Dann kannst du im Vorraum zu diesem Cubiculum oder im kleinen Atrium schlafen. Ganz wie du willst. Ich werde jedenfalls nicht zulassen, dass du gegen die Wand gelehnt schläfst. Gastfreundschaft sieht in der Casa Helvetia anders aus."


    Um ihre Aussage zu unterstreichen stütze sie die Hände in die Hüften und versuchte einen strengen Gesichtsausdruck zu miemen.

  • Licinus winkte ab. Er fand die die Rollen hier merkwürdig verdrehtl. "Nicht du bist diejenige, die sich hier bedanken musst, Susina Alpina, ich bin es. Ich bringe das Huhn morgen im Laufe des Tages vorbei, wenn du einverstanden bist. Nicht zum ersten Mal und ich fürchte, es wird auch nicht das letzte Mal sein. Auch wenn ich zugeben muss, früher ist es mir leichter gefallen," unwillkürlich griff er sich dabei an den Kopf, in dem es vernehmlich summte. Er war müde.


    "Sie ist ein tapferes kleines Mädchen, ja" bestätigte Licinus nickend. "Das hat sie schon oft bewiesen. Zu oft für so ein kleines Wesen.


    Das war es. Das war einer der ganz großen Punkte, merkte Licinus, der Susina Alpina vor den legio-Ärzten auszeichnete. Hier wurde er nicht als Bittsteller, sondern als Gast behandelt. Dankbar, blickte er sie an und meinte. "Vorzimmer. Vorzimmer ist gut." Er wartete noch, bis die Hausdiener ihm eine Kline hingestellt hatten, dann "wecke mich, wenn sich was tut, oder du mich brauchst." Dann nahm er den Gürtel ab und legte sich schlafen. Sofort fiel er wie ein Stein in den Schlaf.

  • Alpina bemerkte wohl, dass der Praefectus Castrorum sich an den Kopf fasste und deutlich mitgenommen aussah. Sie schrieb es der Sorge, dem Dienst und der geringen Nachtruhe zu. Es würde gut sein, wenn er sich in der Nähe der kleinen Esquilina ausruhte. Sie selbst untersuchte sogleich das schlafende Kind. Die Stirn war heiß aber nicht mehr schweißnass, doch noch immer bebten die Nasenflügel und der Atem ging rasselnd. Alpina richtete einen neuen Trank und einen Sud für die Umschläge her. Dann schob sie sich ein Kissen in den Rücken und wartete im Schein der Öllampe darauf, dass Esquilina von einem Hustenschwall geweckt wurde. Jedes Mal wenn das der Fall war, flößte sie der Kleinen etwas von dem Trank ein und erneuerte die Wickel.



    Als der Morgen kam und sie ahnte, dass es nicht mehr lang bis zum Morgenappell in der Castra war, weckte sie Licinus. Sorgenvoll betrachtete sie den Mann, dessen Gesichtshaut fahl aussah und unter dessen Augen sich dunkle Schatten gelegt hatten.
    "Esquilina hatte eine verhältinismäßig gute Nacht. Doch über den Berg ist sie noch lange nicht. Hast du noch immer Kopfschmerzen?", fragte sie mitleidig. "Ich kann dir einen Trank gegen die Schmerzen machen. Möchtest du?"

  • "Mmmh, kann nicht schaden, fürchte ich." Wer Licinus kannte wusste, dass dies für ihn ein absolutes Eingeständnis von Krankheit war. Ein unterdrückter Fluch kam ihm über die Lippen, der verdächtig nach [SIZE=7]"Verfluchte vierbeinige Drecksviecher"[/SIZE] klang, laut zu fluchen traute sich Licinus jedoch nicht. Nicht hier am Krankenbett Esquilinas.


    Stattdessen trat er an das Bett und fuhr mit der Hand über Esquilinas Strin. Nicht mehr feucht, stellte er erfreut fest. Er hielt noch ein wenig ihre Hand und massierte mit dem rauen Daumen über den kleinen Handrücken. Zerbrechlich, dachte er zum wiederholten Mal.


    Als Alpina zurückkam nahm er ihr dankend, aber schweigend den Becher ab. Er betrachtete die junge Frau einen kurzen Augenblick und kam zu dem Schluss, dass er eigentlich nichts über die Frau wusste, der er in der Behandlung seines Augensterns so sehr vertraute. Schon komisch. Aber er fragte nicht, das war nicht seine Art. Stattdessen bedankte blickte er von ihr auf Esquilina und trank in kleinen Schlucken das Getränk. Dann verabschiedete sich und kehrte ein weiteres Mal zu Dienst zurück.

  • Es war deutlich zu merken, dass es Licinus nicht gut ging und wenn sie auch den Fluch nicht wirklich zuordnen konnte, so war ihr doch klar, dass dieser Mann an der Grenze seiner Belastbakeit angelangt war. Sie nickte ihm also zu und verschwand um den Trank gegen die Kopfschmerzen zu holen. Ein Sud aus Weidenrinde und Pfefferminze sollte dem Praefectus durch den Tag helfen.


    Er trank ihn bereitwillig und verabschiedete sich dann zum Dienst. Alpina verbrachte den Tag wieder am Krankenbett. Esquilina wurde ruhiger, das Fieber sank. Der Husten war natürlich nach wie vor stark, der Atem brodelte in den Lungen. Wieder und wieder klopften und vibrierte Alpina auf dem Brustkorb des Mädchens um ihm das Abhusten zu ermöglichen. Die Auflagen mit ätherischen Ölen setzte sie fort um den Schleim zu lösen.


    Esquilina wurde nun häufiger wach, schien ihre Umgebung aber immer noch nicht bewusst wahrzunehmen. Plötzlich jedeoch, als Alpina gerade wieder die Auflage wechseln wollte, schlug die Kleine mal wieder die Augen auf und sah sie unverwandt an.
    "Esquilina?", fragte die Hebamme vorsichtig. "Wie geht es dir?"

  • "Biddu?" war ein leises Stimmchen zu hören. Wer bist du, sollte das heißen. Und gleich darauf kamen einige Vorschläge, die das Mädchen aus ihrem gesamten Leben zusammenstammelte " M'rei? ...cia? Mam?" und dann schien sie zu zögern, ein leichtes Zittern erfuhr sie und die Augen des Kindes wurden ganz groß "Wo Ma ... us? Papa?" kam es nur noch gebrochen aus ihrem Mund und schwach streckte sie die Arme nach vorne. Wo war ihr großer Beschützer?


    Sim-Off:

    So, hab mich entschlossen, dass sie jedes Zeitgefühl verloren hat und Vergangenheit und Zukunft nicht auseinander halten kann

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