Fahrt auf dem Land | Getreidesammeln

  • Wieder einmal war Lucius auf dem Nil unterwegs - was um diese Jahreszeit weitaus angenehmer war als auf dem Meer, auf dem man im Winter nur in Landnähe operierte und hoffte - oder betete, wenn man an die Götter glaubte - dass keiner der hässlichen Winterstürme aufkam. Für den jungen Petronier, dem noch immer regelmäßig schlecht wurde, wenn er auf See war, war es der pure Horror. Aber er war nunmal leider bei der Flotte und die Flotte fuhr zur See - solange also noch Schiffe in Alexandria ankamen, musste auch die Flotte Patrouillen durchführen.


    Heute hatten sie aber eine andere Aufgabe: Es ging um die Einsammlung von Getreide. Der Procurator Neospolensis hatte nämlich gemeldet, dass Lieferungen ausgeblieben waren. Natürlich hatte er an den zuständigen Sitologos geschrieben, der für die lokalen Getreidespeicher zuständig war. Nur im Gau Letopolites hatte er zuletzt einfach gar keine Antwort mehr erhalten - ein Fall für die Classis! Und so war der Subpräfekt losgeschickt worden, nach dem Rechten zu sehen.


    Inzwischen hatte er sich einigermaßen an die ägyptische Hitze gewöhnt und hielt es bei den winterlichen Temperaturen ganz gut aus - er hatte sogar trotz der hellen Haut, die er wahrscheinlich seiner Mutter verdankte, eine gewisse Bräune bekommen. Und heute war er ausnahmsweise sogar ganz gut gelaunt - so gut, dass er das sogar seinem Sklaven, der wie immer dabei war, mitteilte:
    "Arminius, was für ein schöner Tag!"
    "Schon, schon - warum hat's nicht das ganze Jahr so angenehme Temperaturen?"
    Der Germane litt fast noch mehr unter der Hitze des Südens als sein Herr - obwohl er es natürlich gewohnt war, nicht zu jammern.
    Seine leicht dahin gesagte Bemerkung ließ seinen Herrn allerdings sofort aufhorchen - das ganze Jahr?
    "Weil die Planeten - allen voran die Sonne - je nach Jahreszeit einen unterschiedlichen Weg um die Erde nimmt und manchmal näher, manchmal ferner ist. Im Sommer ist sie näher und heizt daher alles stärker auf."
    klugscheißerte er sofort drauf los und Armin verdrehte die Augen - natürlich nur dezent, um nicht den Ärger seines Herrn auf sich zu ziehen.
    "Aha. Jedenfalls wäre es schön. Meine Haut ist gerade wieder einigermaßen regeneriert vom Sommer."
    Armin hatte eines Tages einen furchtbaren Sonnenbrand bekommen, bei dem seine Haut an manchen Stellen richtig aufgeplatzt war - Lucius hatte ihn für einige Tage krank machen lassen müssen. Glücklicherweise gab es bei der Armee ja immer irgendeinen Tiro, der für die Offiziere als Dienstbote herhalten konnte!
    "Schön wär's auch, wenn wir irgendwann aus dieser verfluchten Provinz wegkämen!"
    Er diente nun schon eine ganze Weile bei der Classis und konnte nicht behaupten, dass er sie inzwischen mehr mochte. Er hatte natürlich durchaus dazu gelernt, wusste seit seiner Strafarbeit, dass man sich lieber öfter seinen Teil dachte, als das eigene Umfeld ständig zu korrigieren. Aber weder Alexandria - die Stadt war riesig, unübersichtlich und voller stinkender Peregrini - noch Aegyptus - die Provinz bestand aus einem Grünstreifen, der jedes Jahr vollgeschlammt wurde, und Wüste - oder die Classis - eine lächerliche Provinzflotte, die sich etwas darauf einbildete, Getreidetransporte zu eskortieren! - hatten in den letzten Jahren sein Herz erobert. Insofern hatte er sich vorgenommen, seinen Patron in Rom zu bitten, für ihn ein gutes Wort einzulegen - es war höchste Zeit für eine Beförderung!
    "Ja, wie wahrscheinlich ist es auch, ausgerechnet bei einer Flotteneinheit in Africa zu landen?"
    erwiderte Armin und blickte nachdenklich in die Ferne.
    Lucius dagegen begann zu rechnen: Es gab etwa 39 Auxiliareinheiten im Imperium, die im Durchschnitt wohl ca. ein Einstiegsamt für die Tres Militiae anboten. Davon standen acht am afrikanischen Limes - also:
    "Etwa 1:5. Oder 1:39, wenn du nur die Classis Alexandrina meinst."
    Als Armin auf diese Erklärung nicht reagierte, fügte er hinzu:
    "Die Classis Alexandrina ist die einzige Flotteneinheit in Africa."

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  • Lucius war schon einmal in Letopolis gewesen, sodass ihm vieles bekannt vorkam, als seine Liburne am Pier der Stadt festmachte. Ein obligatorischer kahlköpfiger Schreiber erwartete sie am Hafen, als der Subpräfekt die Planke aufs Festland überschritt - natürlich ein Ägypter, der aussah, als hätte sich in dieser Gegend seit den letzten 5000 Jahren nichts verändert (er versteckte seinen fetten Bauch nicht einmal unter einer Tunica, sondern trug nur einen Lendenschurz mit prachtvoller Deko vorn).
    "Ich bin Subpraefectus Lucius Petronius Crispus! Ich verlange den Sitologos zu sprechen!"
    Der Schreiber und sein Gefolge verneigten sich tief und in einem Griechisch, das für einen halbwegs gebildeten Mann - angeblich waren die ägyptischen Schreiber ja ausführlichst ausgebildet - einen abartigen Akzent hatte, antwortete der Schreiber:
    "Wir fühlen uns geehrt, den hochehrwürdigen Subpraefectus des weisen und gerechten Statthalters unseres göttlichen Basileus, des Neuen Dyonisos, Sohns des Herakles, des Dyonisos und Horusfalken auf Erden, Soter, Euergetes und Sebastos begrüßen zu dürfen. Mein unwürdiger Name ist Nebimen, Schreiber des ehrwürdigen Strategos-"
    Diese Schleimerei würde Lucius zu viel - mit erhobener Hand unterbrach er den orientalischen Speichellecker, der wahrscheinlich ganz genau wusste, warum die Römer hier waren und deshalb so extra-unterwürfig tat. Lucius fühlte irgendwie das Bedürfnis, diesem Fettsack einen Faustschlag in seine abartige Wampe zu geben - aber das würde wohl nur Ärger mit dem Präfekten geben...
    "Hör zu, ich bin nicht für Höflichkeiten hier! Ich suche den Sitologos von diesem Gau! Der göttliche Basileus vermisst sein Getreide!"
    Der Schreiber war sichtlich irritiert und einen Moment entgleiste ihm das Gesicht - dann hatte er sich aber wieder unter Kontrolle:
    "Mir ist nicht bekannt, wo sich der ehrenwerte Sitologos Nechetnebef befindet."
    War ja klar - diese Ägypter steckten alle unter einer Decke und wahrscheinlich profitierte dieser fette Schreiberling höchstpersönlich von der Unterschlagung des Getreides!
    "Dann finde raus, wo dieser Nechetdingsbums steckt! Wir sind nicht hier, um euren Tempel zu besichtigen!"
    Dieses ominöse Cherti-Heiligtum - mal wieder ein Totengott (die Ägypter waren von Totengöttern ganz besessen! Man glaubte manchmal, der Tod war ihnen wichtiger als das Leben) - hatte der Petronier tatsächlich schon bei der "Fahrt auf dem Land" besichtigt. Naja, was davon übrig war - der Tempel war ihm so tot vorgekommen wie der Gott, der darin verehrt wurde!
    "Selbstverständlich, hochehrwürdiger Subpraefectus. Ich werde dich gerne in das Haus des Strategos geleiten, wo du sein Gast sein kannst, bis dein Auftrag hier vollendet ist."
    Lucius versuchte sich zu erinnern, wer der Strategos von Letopolis gewesen war - es war schon eine ganze Zeit her, dass er hier eine der rauschenden Feiern anlässlich der Fahrt auf dem Land besucht hatte. Irgendwie hatte nur alles ziemlich gleich ausgesehen - immer parfümierte Griechen, schmierige Ägypter, arrogante Lokalfürsten und einfallslose Unterhaltungsprogramme! Wer von den rosenwassergetränkten Schwuchteln, die sich hier Strategos schimpften, aber der dieser Stadt gewesen war, wusste er auch nicht mehr so recht...
    Aber was blieb ihm anderes übrig? Er sah sich kurz um, als könnte ihm die Hafenszenerie einen Hinweis geben, wie er dieser billigen Hinhalte-Taktik entgehen konnte. Plötzlich hatte er eine Idee:
    "Ich finde den Weg selbst! Ein paar meiner Männer werden dich begleiten, damit dieser Nebetsonstwas schnell hergeschafft wird!"
    Er drehte sich auf dem Absatz zu seinem Centurio.
    "Dein Optio und ein Contubernium begleiten diesen Schreiber und schaffen den Sitologos auf dem schnellsten Weg zum Haus des Strategos!"
    Der Centurio salutierte und machte sich auf den Weg, den Befehl auszuführen - inzwischen hatte der Petronier seine Männer schon ganz gut dressiert, dass sie sich nicht mehr als die erfahrenen Raubeine aufspielten. Selbst bei den Centurionen war angekommen, dass Maulhalten und Handeln die beste Strategie war, ihren Vorgesetzten nicht zu verärgern - vor allem in der Öffentlichkeit, wo Lucius gerne einen schneidigen Eindruck hinterließ (das akzeptierte sogar der Minidier!).
    Dem Schreiber schmeckte diese Entscheidung wieder nicht - aber was sollte er machen?
    "Sehr wohl, hochehrwürdiger Subpraefectus!"
    Lucius wartete, bis der fette Schreiber - gefolgt von seiner römischen Eskorte - verschwunden, dann sah er sich um. Wo war noch gleich das Haus des Satrapen gewesen?

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  • Natürlich fand der Subpräfekt nach einigem Suchen das Haus des Strategen, der wiederum durch den Schreiber vorgewarnt worden war und die römische Abordnung bereits an der Haustür erwartete. Als Lucius den Kerl sah, erinnerte er sich schnell wieder - einer dieser parfümierten Griechen, die sich seit ptolemäischen Zeiten die Macht auf dem Land hin- und herreichten oder vererbten.
    "Aken, der Fährmann des Osiris Serapis, sei mit dir!"
    , grüßte er den Offizier bereits von Ferne und erinnerte den Petronier an den heruntergekommenen Tempel, den er bei seinem letzten Besuch hier besichtigt hatte - oder eher besichtigen musste. Warum der Fährmann jetzt allerdings mal unter dem Pseudonym Aken, mal als Cherti auftauchte, war wieder eines dieser Geheimnisse der ägyptischen Religion, die er nicht durchschauen konnte... oder wollte.
    "Salve, Strategos. Mein Name ist-"
    "Lucius Petronius Crispus, Subpraefectus Classis, wie mir bereits zugetragen wurde."
    , antwortete der Strategos und trat mit einem falschen Lächeln - Lucius hielt jedes Lächeln eines Provinzialen für falsch - auf ihn zu, um ihn zu umarmen und zu küssen. Diese orientalischen Sitten waren allerdings nichts für den jungen Petronier, vor allem nicht, wenn es keine Frau, sondern ein widerlicher Grieche war, der ihn da abküssen wollte! Also trat er einen Schritt zurück und hielt dem Strategen eine Hand hin.
    Aus den Informationen war logisch abzuleiten, dass dieser Schreiberling - Nebidingsbums - es irgendwie geschafft hatte, seinem Vorgesetzten eine Nachricht zukommen zu lassen! Damit bestand aber auch die Gefahr, dass er den Sitologen versteckte, bevor sie ihn zu fassen bekamen!
    "Ich suche den Sitologen von hier. Mir fehlen Getreidelieferungen aus dem Gau!"
    , kam er deshalb direkt zur Sache und wartete ab, wie der Stratege reagierte. Dummerweise fiel die Reaktion aber nicht erschrocken oder verängstigt, sondern - typisch Grieche! - scheißfreundlich und ölig wie eingelegte Oliven aus:
    "Der gute Nechetnebef... das werden wir sicher gleich haben... lass mich nachdenken..."
    Er lächelte schmierig und tat, als würde er nachdenken, indem er sich mit den weibisch manikürten Fingern durch den akkurat gestutzten Bart fuhr. Nach einer halben Ewigkeit sah er den Petronier schließlich mit leuchtenden Augen an:
    "... ich nehme an, um diese Zeit sollte er bei seiner Arbeit sein!"
    Lucius stöhnte genervt auf - wahrscheinlich spielte der Strategos auf Zeit, um den Sitologen in Sicherheit zu bringen! Wahrscheinlich steckten diese korrupten Lokalverwalter alle unter einer Decke und verjubelten das Korn des Kaisers zu Dumpingpreisen auf den lokalen Märkten, um dann den Bedürftigen zu machen!
    Aber leider war der Stratege doch ein halbwegs hohes Tier und wenn der sich beschwerte, würde sicherlich mehr Ärger rausspringen als eine Strafarbeit über die Überlegenheit der griechischen Kultur! Also versuchte der Petronier sich zu beruhigen, indem er sich durch das Gesicht strich, *meine Fresse!* dachte und stattdessen sagte:
    "Na fein, dann wird dein Schreiber ja keine Schwierigkeiten haben, ihn zu finden!"

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  • Es dauerte doch länger - scheinbar hatte der Schreiber den Sitologen tatsächlich gewarnt und dieser sich daraufhin versteckt! Als sein Optio mit dem fetten Ägypter, aber leeren Händen zurück kam, ließ er schließlich seinen Ärger an dem korrupten Fettsack aus und befahl, das Haus des Sitologen unauffällig zu bewachen.
    Gegen Mitternacht rettete ihn der Centurio dann aus einem langweiligen Abend mit den Strategen und einer Handvoll lokaler Viehhändler, zu denen er als unerwarteter Gast zugeladen worden war - alles andere wäre wohl auch irgendwie unhöflich gewesen, immerhin war er ja ein Repräsentant des Statthalters. Zwar hatte er durch den weiteren Besuch - das ganze war ursprünglich ein Geschäftstermin gewesen - zumindest nicht das ganze Geschwafel des Strategen allein abbekommen und sich stattdessen dem kostenlosen Wein zuwenden können, aber das Ablenkungsprogramm war diesmal viel schlechter als bei der "Fahrt auf dem Land" mit dem Präfekten (eine langweilige, nicht einmal nackte Harfenspielerin, die lustlos vor sich hinklimperte). Insofern freute er sich, als er erfuhr, dass man den Sitologen geschnappt und direkt zu ihm gebracht hatte.


    Kurze Zeit später betrat der Subpräfekt die Eingangshalle des Strategenpalastes, wo der bemitleidenswerte Beamte schon wartete: Es war ein - wie der Petronier schon aus dem Namen abgeleitet hatte - ein Ägypter, aber ein eher schmales Exemplar, das zwischen den vier breitschultrigen Milites wie ein Häufchen Elend wirkte. Lucius grinste sein Raubtiergrinsen.
    "Einen schönen guten Abend! Schön, dass meine Männer dich doch noch gefunden haben!"
    Der Sitologe wirkte verängstigt und nervös. Er fuhr sich fahrig durch das schmalzig glänzende Haar.
    "Subpraefectus... es ist - ehm - mir eine Ehre..."
    Lucius verschränkte die Hände hinter dem Rücken und begann, die Gestalt zu umkreisen.
    "Sitologos... Nechetebes oder so, nicht wahr?"
    "Nechetnebef, Kyrie."
    korrigierte der Genannte intuitiv und Lucius verzog den Mund.
    "Wie auch immer. Ich frage mich, wo du den ganzen Tag gesteckt hast. Dein Strategos musste mich den halben Tag betreuen, während meine und seine Leute dich einfach nicht finden konnten!"
    Der Teil mit der Betreuung war leider wahr - deshalb hatte Lucius sich auch so über den Besuch am Abend gefreut, obwohl er für Ochsentreiber spätestens seit den Rinderzählaktionen bei der Fahrt auf dem Land nicht mehr viel übrig hatte.
    "Ich... - ehm - ich war unterwegs. Ehm... dienstlich."
    Dem Petronier fiel zum ersten Mal auf, wie nervig es war, wenn jemand dauernd "ähte" - fast bekam er Verständnis für seinen Redelehrer Eumenius!
    "Ich frage mich auch, wo die Getreidelieferungen aus deinem Gau bleiben. Der Praefectus Aegypti fragt aich das auch. Und damit irgendwie auch dein Basileus!"
    Vor dem Zorn des Kaisers hatten alle Provinzialen Angst - egal ob es Ägypter, Juden oder Griechen waren!

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  • "Es gibt - ehm - es gibt ein paar Probleme-"
    "Das haben wir schon mitbekommen!"
    unterbrach ihn der Subpräfekt gereizt und blieb neben ihm stehen, um ihn zu beobachten. Das Kerlchen schwitzte ganz schön - und das trotz des Winters und obwohl er ein Ägypter war! Aber er hatte vor, dem Kerl noch sehr viel mehr einzuheizen:
    "Der Eparchos mag es überhaupt nicht, wenn die kaiserlichen Beamten auf dem Land sich auf mehrfaches Anschreiben in Schweigen hüllen. Er wird da immer ganz-"
    Er schob sein Gedicht ganz nah an das Ohr des nun sogar zitternden Beamten.
    "-misstrauisch! Er muss sich dann immer fragen, ob in seiner Provinz nicht irgendwer den Kaiser bestiehlt!"
    Der Sitologe versuchte es noch einmal:
    "Wir haben - ehm - ich habe niemanden bestohlen! Ich habe nur vergessen-"
    "Vergessen?"
    rief der junge Petronier dazwischen und schnaubte verächtlich - wenn er etwas mehr hasste als diesen pomadierten Peregrinen, dann waren es schäbige Versuche, sich herauszureden!
    "Du willst mir erzählen, dass du dreizehn Briefe des Procurators vergessen hast zu beantworten?"
    Er baute sich vor dem Ägypter auf und verschränkte die Arme vor der Brust - er war größer als dieser Wurm - gut so!
    "Der Eparchos wird sich noch einmal überlegen müssen, ob der Kaiser so einen vergesslichen Beamten brauchen kann! Und er wird sehr, sehr verärgert sein, wegen deiner Vergesslichkeit extra eine Liburne mit Soldaten und seinem Subpräfekten den Nil hinunter schicken zu müssen. Ein Schiff und Soldaten, die er anderswo jetzt nicht einsetzen kann."
    Lucius sah sich kurz in der säulengestützten Halle um und fügte beiläufig an:
    "Ganz zu schweigen davon, dass ich jetzt einen ganzen Tag tatenlos in dieser staubigen Hundehütte herumsitzen musste."
    Dann wurde sein Blick wieder hart und er trat näher an den Sitologen heran.
    "Ich denke, du wirst ihm diese Unkosten ersetzen müssen. Oder ich nehme dich gleich mit, dann kannst du dich persönlich vor ihm verantworten."
    Wieder drehte sich der Subpräfekt weg, noch bevor der Ägypter antworten konnte - er tat es trotzdem:
    "Aber das - ehm - das wird doch nicht nötig sein! Wir hatten hier einige Probleme mit dem Getreideanbau. Die - ehm - die Flut ist in unserem Gau nicht so gut ausgefallen und - ehm - das Getreide war entsprechend schlecht!"
    Blitzschnell drehte Lucius sich wieder zu seinem Verhörobjekt:
    "Und wieso ist die Flut dann in Gynaikopolites ganz einwandfrei ausgefallen?"
    Es war völlig unlogisch, dass alle liefern konnten außer dieses eine Gau! Der Nil war ein verdammter Fluss! Seine Flut konnte nicht an einem Ufer ankommen, am nächsten nicht! Bei Heliopolites, das auf dem gegenüberliegenden Nilufer lag, wusste er es zugegebenermaßen nicht auswendig, aber von dem Gau am Westrand des Deltas war auf jeden Fall die komplette Abgabenmenge eingegangen!
    "Unsere Ufer sind - ehm - anders geformt. Außerdem hatten wir - ehm - vielfach Schäden an den Bewässerungsanlagen und-"
    "Schäden, soso. Dann kann ich dem Eparchos wohl berichten, dass die Beamten dieses Gaus sich einfach nicht um ihre Aufgaben gekümmert haben."
    Nechetnebef hob flehend die Hände.
    "Das war keine Absicht! Wir haben es zu spät bemerkt und konnten die Quoten nicht einsammeln!"
    So war es also - der Sitologe hatte seinen Job nicht gemacht! Er hätte zumindest die Eier im Lendenschurz haben können, das gleich zuzugeben! Der Subpräfekt baute sich wieder vor ihm auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
    "Jetzt pass auf, Mann: Mir ist es egal, wo du das Getreide hernimmst: Aber du wirst bis übermorgen früh die gesamte Abgabenmenge aufbringen. Kauf es von deinem Geld, nimm es den Bauern weg oder mach sonstwas - ich will übermorgen mit der vollständigen Lieferung des Gaues nach Alexandria zurückfahren! Alternativ werden wir dich festnehmen und einpacken, dann kann der Eparchos entscheiden, was er mit dir anstellt. Aber ich kann dir verraten, dass er dich nicht befördern wird!"
    Dem junge Petronier hatte das Ultimatum spontan eingefallen - ein Tag musste eigentlich genug sein, um in einer Stadt wie Letopolis die passende Getreidemenge aufzubringen!
    "Aber - ehm - das ist - ehm - unmöglich! Unser Gau ist sehr groß!"
    "Ich hab' nicht gesagt, du sollst das Getreide jedem einzelnen Bauern in jedem Kaff einzeln abschwatzen, sondern das Getreide auf ein Schiff bringen! Es ist dein Problem, ob du das ganze dann später für deine Quellen ersetzt oder was auch immer!"
    Von Lucius aus konnte der Sitologe auch einfach alles beschlagnahmen - war ihm doch egal, wenn hier ein paar Bauern verhungerten! Zumal dieser Nechetdingsbums das fehlende Getreide wahrscheinlich sowieso unterschlagen hatte und für teuer Geld verkaufte! Er musste die Interessen Roms wahren, nicht die von irgendwelchen ägyptischen Felachen!
    "Aber - ehm - aber - ehm-"
    Dieser Jammerlappen mit seinem "ähm" ging dem Subpräfekten nun wirklich auf die Nerven - also machte er seinem Ärger Luft:
    "Nichts "ähm"! Du solltest lieber anfangen, das Getreide zu organisieren! Also aus meinen Augen!"
    Damit drehte der junge Petronier sich um und verließ die Eingangshalle - mal sehen, ob er diesen Trottel genug eingeschüchtert hatte, dass er parierte! Sonst würde er ihn kennenlernen!

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  • Am nächsten Tag verließ Lucius früh das Haus des Strategen - er hatte am Abend noch genug Gelegenheit gehabt sich zu überzeugen, dass er den Kerl nicht mochte und versuchte so, dem wahrscheinlich noch verkaterten Beamten zu entkommen. Stattdessen begann er durch die Stadt zu schlendern und sich ein bisschen umzusehen. Zuerst amüsierte er sich über die allseits präsententen Statuen von Spitzmäusen und Mungos, die - wie ihm ein Grieche auf Nachfrage erklärte - die heiligen Tiere des Gottes von Letopolis, Chenti-irti waren. Der junge Petronier hatte noch nie von dieser Gottheit gehört - allerdings erfuhr er (unfreiwillig), dass Chenti-irti so eine Art Horus war, allerdings speziell für Augenkrankheiten zuständig war.


    Das wiederum weckte das Interesse des Jungmediziners, sodass er sich schließlich entschied, in dem Tempel ein bisschen zu recherchieren - nicht, weil er tatsächlich daran glaubte, dass dieser Gott wirkmächtig war oder so, sondern vielmehr, weil er inzwischen herausgefunden hatte, dass an den Tempeln von Heilgöttern immer auch medizinisches Wissen zu finden war. Immerhin mussten die Priester ja irgendwie den Aberglauben aufrechterhalten, dass ihre Götter Kranken halfen - wenn diese aber nicht existierten, musste man die Kranken eben auf medizinische Weise behandeln, wenn sie irgendeine Besserung erfahren sollten. Logischerweise gab es am Tempel eines Gottes für Augenheilkunde also auch Augenärzte, was wiederum hochinteressant war - immerhin gehörte das Auge, wie er während seines Medizin-Kurses gelernt hatte, zu den kompliziertesten Organen!


    Als er am Tempel des Chenti angekommen war, fand er tatsächlich einen alten Ägypter, der ausreichend Griechisch sprach, um sich mit ihm zu unterhalten. Der glatzköpfige Greis versuchte zwar anfangs ständig herauszufinden, welchen Verwandten Lucius heilen wollte, und diesen zu einer Pilgerfahrt nach Letopolis zu bewegen. Nach einiger Zeit kamen sie aber tatsächlich zu einem einigermaßen produktiven Gespräch (wenn man die ständigen Verweise auf diese göttliche Falkenspitzmaus herausfilterte), sodass der junge Petronier eine ganze Weile Spaß daran hatte. Erst gegen Ende, als der Priester noch versuchte, den Subpräfekten dazu zu überreden, sich von Anubis - der auch einen Tempel im Ort hatte - segnen zu lassen (er war nämlich überraschenderweise nicht nur ein Totengott, sondern auch der Schutzgott der ägyptischen Armee), wurde es ihm zu blöd und er ging relativ abrupt.


    Gerade als er den Tempel verlassen wollte, erweckte er schließlich noch die Aufmerksamkeit eines waschechten Römers, dem die militärische Montur des Subpräfekten aufgefallen war. Der Mann hieß Quintus Septimius Massa und war ein römischer Händler, der schon seit etwa zehn Jahren in Letopolis lebte. Inmitten einer Stadt von Orientalen und verschlagenen Peregrini gewann er sofort die Sympathie des jungen Petroniers, der sich gerne von ihm zum Abendessen einladen ließ. Somit musste er am Abend nicht einmal ins Haus des Strategen zurückkehren musste, sondern stattdessen zusammen mit dem Septimier und vier weiteren Kaufleuten - einer von ihnen war sogar auch römischer Bürger - ein feuchtfröhliches Trinkgelage veranstaltete. Sie redeten den ganzen Abend über das Imperium, militärische Lage-Einschätzungen, die Ausrüstung der Classis und Möglichkeiten, wie diese verbessert werden könnte. Am Ende war Lucius so betrunken, dass er gleich bei seinem Gastgeber übernachtete und so erst am Morgen wieder zum Hafen zurückkehrte...

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  • Lucius war ein bisschen verkatert, als er den Hafen erreichte - was seine Stimmung natürlich nicht unbedingt besser machte. Aber er war doch neugierig, ob dieser unfähige Getreideverwalter es geschafft hatte, das geforderte Korn zusammenzubringen. Schon von weitem ließ sich tatsächlich erkennen, dass schon reger Betrieb an dem Pier herrschte, an dem seine Liburne lag. Als er näher kam, erkannte er, dass Arbeiter säckeweise Getreide aufschlichteten - mittendrin der kleine Nechetnebef, der hektisch Anweisungen erteilte.


    Langsam schlenderte der Subpräfekt auf den Sitologen zu, bis dieser ihn bemerkte.
    "Subpraefectus Petronius, da bist du ja! Wir haben dich schon vermisst!"
    Der Petronier kam näher und baute sich vor ihm auf. Nechetnebef wirkte wieder nervös - aber nicht ganz so nervös wie beim letzten Mal, was einerseits etwas enttäuschend war, andererseits andeutete, dass er es tatsächlich geschafft hatte!
    "Wie schön."
    bemerkte Lucius trocken.
    "Ich hoffe, du hast die Getreidelieferung beisammen."
    Nechetnebef verzog ein wenig den Mund.
    "So - ehm - ziemlich - ehm - wir fragen uns nur, wo wir das Getreide verladen sollen!"
    Jetzt war es an dem jungen Petronier, ein wenig zu stutzen - hatte er nicht auch befohlen, dass er ein Schiff brauchte? Auf der Liburne würden diese Massen an Korn ganz sicher keinen Platz haben - allein das, was jetzt auf dem Kai und drumherum aufgeschlichtet war, waren vielleicht 45.000 Modii (also etwa 10.000 Artaben)! Für eine Corbita oder selbst die Fluss-Kerkouroi wäre das kein Problem gewesen - die größten fassten das Vierfache bzw. Doppelte an Ladevolumen. Für eine voll bemannte Liburne war es aber unmöglich, diese Menge mitzunehmen.
    Ein wenig ratlos sah der Subpräfekt hinüber zu seinem Centurio, der ihn wiederum fragend ansah - wie er es hasste, keine Antworten zu haben!
    Aber zum Glück gab es eine Möglichkeit, von seinem eigenen Versagen abzulenken. Er setzte wieder eine harte Miene auf und fragte streng:
    "Wie viel fehlt?"
    "So etwa - ehm - ein Viertel."
    Wieder dieses "Ehm"! Und wieder diese wolkigen Erklärungen!
    "Wie viel genau?"
    "Mir fehlen - ehm - also mir fehlen so in etwa 2200 Artaben."
    Lucius musste zugeben, dass er einigermaßen beeindruckt war - das waren etwa 9.900 Modii, was zwar dem Ladevolumen von einem normalen Nilkahn entsprach, faktisch aber nicht mehr als ein Zwanzigstel der ausstehenden Liefermenge darstellte. Trotzdem ließ er sich das nicht anmerken:
    "Von 2200 Artaben können 10750 Menschen für 8 Tage überleben!"
    schimpfte er los. Die Zahlen hatte er im Kopf errechnet, wobei er von einem Pro-Kopf-pro-Tagesverbrauch von knapp einem Achtel Modius ausgegangen war. Die Zahl klang tatsächlich beeindruckend - Letopolis hatte vermutlich etwa diese Größe und war damit keineswegs eine Kleinstadt!
    "Ich - ehm - ich bitte um - ehm - Verzeihung! Es war mir unmöglich, so viel Weizen in so kurzer Zeit - ehm - anzukaufen!"
    Lucius biss sich auf die Lippe bei der Vorstellung, dass dieser armselige Wurm diese Unmengen an Getreide aus eigener Tasche angekauft hatte - bei den aktuellen Marktpreisen war das selbst in Aegyptus (also an der "Quelle") ein Vermögen!
    "Du wirst eine Strafgebühr dafür bezahlen, dass deine Lieferung unvollständig ist."
    entschied er schließlich. Nechetnebef ließ demütig den Kopf hängen, was ihn noch kleiner aussehen ließ. Es dauerte aber keine Sekunde, bis er ihn wieder hob:
    "Und wo - ehm - sollen wir das Getreide jetzt verladen?"
    Noch einmal biss Lucius sich auf die Unterlippe - das war eine gute Frage!
    "Wir - ähm - brauchen Schiffe!"
    dachte er laut nach, ehe seine Augen wieder aufblitzten und seine Unsicherheit wieder überwand:
    "Hast du dich etwa nicht darum gekümmert?"
    Er versuchte zu klingen, als wäre das die größte Selbstverständlichkeit der Welt.
    "Es wird doch wohl nicht so schwer sein, in diesem Kuhkaff ein paar Reeder anzuheuern, die eure Lieferung nach Alexandria bringen!"
    Seine Aussage war natürlich gewagt - Letopolis war wahrscheinlich mehr als doppelt so groß wie seine Heimatstadt Mogontiacum (wenn man das Legionslager abzog) - aber verglichen mit Alexandria immerhin ein Dorf!
    "Das hattest - ehm - du aber nicht gesagt!"
    klagte der Sitologe. Das war natürlich wahr - aber jetzt durfte der Subpräfekt keine Schwäche zeigen, wenn er nicht wie ein Idiot aussehen wollte:
    "Ich habe dir auch nicht gesagt, in welche Säcke du dein Korn verladen sollst, Mann! Du bist immerhin ein Beamter des Pharao - da werde ich doch wohl erwarten dürfen, dass du ein klein wenig mitdenkst!"

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  • Nechetnebef sagte nichts mehr und der Subpräfekt wusste auch nicht recht, was er noch dazu sagen sollte - immerhin wäre dieser Befehl ja wirklich nicht unbedingt zu viel verlangt gewesen!
    Einen Moment überlegte er, jetzt noch explizit den Befehl zu erteilen, dass der dämliche Sitologe selbst ein Schiff organisieren sollte - aber wenn er darüber nachdachte, würde das wohl nur wieder ewig dauern. Und wenn er ehrlich war, wollte er ja selbst so schnell wie möglich nach Alexandria zurück! Also war es wohl das klügste, sich selbst darum zu kümmern:
    "Alles muss man selber machen!"
    schimpfte er deshalb und ging ohne weitere Erklärungen zu seinem Centurio zurück - Arbeit winkte!

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  • Lucius hatte sich gekümmert. Im Hafen von Letopolis gab es natürlich Reeder und am Ende hatte der Subpräfekt sogar ein paar konkurrierende Angebote gehabt. Natürlich hatte er das klug ausgenutzt und den Preis heruntergehandelt - zwar war er bei dem ersten wegen seiner harten Strategie gescheitert (am Ende war der Reeder einfach verärgert weggegangen), aber beim nächsten Mal war er etwas behutsamer vorgegangen. Am Ende hatte ein gewisser Eupolis das Rennen gemacht, der einen großen Kerkouros auf Kiel liegen hatte, aber bereit war, die winterliche Generalüberholung für eine lukrative Fahrt nach Alexandria noch einmal zu aufzuschieben.


    Der Preis war wegen der Kurzfristigkeit zwar nicht absolut perfekt, wie Arminius herausfand, aber Lucius entschied, dass der unfähige Sitologe das aus eigener Tasche zahlen musste. Dann musste das Getreide nur noch verladen werden, was natürlich wieder ein ganzes Weilchen dauerte. Der Petronier vertrieb sich die Zeit damit, den Nilometer der Stadt zu untersuchen - wie er gehört hatte, breitete die Überschwemmung im Winter sich wie eine Welle von Süden nach Norden aus. Wenn man nun ein präzises Instrument zur Zeitmessung hatte, ließ sich möglicherweise die Geschwindigkeit dieser Welle berechnen...


    Leider kam er allerdings zu keinem Ergebnis, ehe es Abend wurde und das Getreide verladen war. Also musste er unverrichteter Dinge und schlecht gelaunt ins Haus des Strategos zurückkehren. Er nahm die Einladung zu einem weiteren Essen aber nicht an, sondern zog sich mit Armin zurück, um ein paar Becher Bier auf dem Zimmer zu genießen. Irgendwann war er auch besoffen genug, um einfach einzuschlafen.


    Und am Morgen bestieg er endlich wieder seine Liburne, um den Kerkuros nach Alexandria zu eskortieren. Zuvor machte er Nechetnebef aber noch einmal ausgiebig rund, um ihn ausreichend einzuschüchtern, dass er das fehlende Getreide so schnell wie möglich nachlieferte. Der Subpräfekt drohte dem Sitologen mit dem Zorn des Statthalters, des Kaisers, der Götter - so lächerlich das war - und reiste dann endlich ab. Immerhin ging es diesmal stromabwärts, sodass sie mit dem Nordwind segeln konnten...

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